SCARY STORIES TO TELL IN THE DARK

„Scary Stories to tell in the Dark“ wird zwar als „der neue Film von Guillermo del Toro“ beworben – tatsächlich fungierte der Oscargewinner diesmal aber nur als Produzent, die Regie übernahm André Øvredal. Der Norweger ist zuletzt mit dem gelungenen Horror-Thriller „The Autopsy of Jane Doe“ positiv aufgefallen.

In der US-Kleinstadt Mill Valley kommen vier Teenager auf die schlechte Idee, ausgerechnet an Halloween das verlassene Haus der Familie Bellows auszukundschaften. Im Keller finden die Jugendlichen ein mysteriöses Buch, in dem sich wie von Zauberhand jede Nacht neue Geschichten schreiben. Mit blutiger Tinte verfasst, werden darin die schlimmsten Albträume der Leser zum Leben erweckt.

Die Handlung spielt 1968 und dankenswerterweise mal nicht in den zu Tode retro-zitierten 1980er Jahren. Auch wenn sich die Ausstattung bemüht hat – richtig glaubwürdig kommt das nicht rüber, die Figuren sind im Aussehen und Verhalten zu modern. Doch allzu wichtig ist das für die Geschichte nicht – Hauptsache, keiner hat ein Mobiltelefon zur Hand und kann damit um Hilfe rufen. 

Spukhäuser und von Monstern gejagte Teenager: das ist zwar nicht sonderlich neu und originell, funktioniert aber als amüsante Geisterbahnfahrt ganz ausgezeichnet. Während die Stephen King Verfilmung „ES“ unverständlicherweise ein globaler Kinohit wurde, versteht es dieses thematisch verwandte B-Picture um einiges besser, eine unheimliche Atmosphäre und Spannung zu erzeugen.

FAZIT

Kurzweiliger, gut gemachter Gruselfilm.

Originaltitel „Scary Stories to tell in the Dark“
USA 2019
108 min
Regie André Øvredal
Kinostart 31. Oktober 2019

TERMINATOR: DARK FATE

„Terminator: Dark Fate“ knüpft fast nahtlos an „Terminator: Judgment Day“ und damit das weitere Schicksal Sarah Connors (Linda Hamilton, digital de-aged) in den 90er-Jahren an. Teil 3, 4 und 5 der Saga werden komplett ignoriert. Ist Regisseur Tim Miller das Unmögliche gelungen, eine würdige Fortsetzung der von Fans geliebten ersten beiden Teile der Terminator-Filme abzuliefern? 

Nein. Denn auf das interessante Intro folgt nur ein Aufguss der schon zu oft erzählten Dystopie. Wieder mal werden böse und gute Terminatoren aus der Zukunft in die Jetztzeit – diesmal nach Mexiko – geschickt. Dort sollen sie die Person, die Jahre später den Widerstand der Menschen gegen die Maschinen anführen wird, töten beziehungsweise retten. Gähn. So bekannt wie die ewig gleiche Handlung ist inzwischen das Mantra des Schöpfers der Filmserie, James Cameron: Der neue Film sei fantastisch und qualitativ endlich wieder auf dem Niveau der ersten beiden Teile. Man darf dem Mann einfach nichts mehr glauben.

#metoo: In der fünften Fortsetzung der Robocalypse von 1984 übernehmen drei starke Frauen die Führung. Neu im dauerrecycelten Kosmos sind Mackenzie Davis als Maschinenmensch und Natalia Reyes, die terminiert/gerettet werden soll. Linda Hamilton hat sich nochmal mit Geld überreden lassen, in diesem unnötigen sechsten Aufguß mitzuspielen, ebenso wie der unverzichtbare Arnold Schwarzenegger. Als graubärtiger, alt gewordener Terminator mit Gewissen (!) kümmert er sich lieber um seine Familie (!!), als Killerrobotern den Garaus zumachen.

Es gibt ein paar nette state-of-the-art Spezialeffekte zu bewundern, der neue Terminator Rev-9 (Gabriel Luna) kann sich splitten und gleichzeitig als Skelett und Hülle kämpfen, also zwei Killer zum Preis von einem,  sowie reichlich „Ägdschen“, krachende Verfolgungsjagden am Boden, durch die Luft und unter Wasser. Erstaunlich für so eine Big-Budget-Produktion: Der Film hat einen unschönen TV-Look, sieht in manchen Szenen irritierend billig aus. Die Bilder wirken künstlich, Explosionen sehen wie aus einem Computerspiel aus – vielleicht ein Zugeständnis an die Sehgewohnheiten der Zielgruppe U15.

FAZIT

Immerhin: Von den vier Fortsetzungen, die nach „T 2“ ins Kino kamen, ist „Dark Fate“ noch die gelungenste. Doch die Geschichte war schon nach dem zweiten Teil auserzählt. Nun ist es endlich Zeit, das Terminator-Franchise zu beerdigen. 

Originaltitel „Terminator: Dark Fate“
USA 2019
123 min
Regie Tim Miller
Kinostart 24. Oktober 2019

PARASITE

Familie Kim haust in einer versifften Kellerwohnung. Erst als Sohn Ki-woo einen Job als Nachhilfelehrer bei den steinreichen Parks ergattert, wendet sich das Blatt. Schnell kapiert er, dass vor allem Frau Park ausgesprochen leichtgläubig ist. Durch Tricksereien gelingt es ihm, seine Schwester als Kunsterzieherin, seinen Vater als Chauffeur und später seine Mutter als Haushälterin in die Familie einzuschleusen. Bald sind die Kims unverzichtbar für ihre neuen Herrschaften. Doch statt serviler „Downton Abbey“-Dienerschaft nistet sich eine parasitäre Verbrecherbande ins Haus der Parks ein.

Angesichts des Titels könnte das neue Werk von Bong Joon Ho („The Host“, „Snowpiercer“, „Okja“) auch ein Horror-Film sein. Doch der Parasit ist in diesem Fall kein schleimiges Ekelvieh, sondern der Mensch selbst. Kapitalismuskritik, verpackt in eine Metapher: Die armen Kims leben buchstäblich ganz unten in einem wanzenverseuchten Loch, während die reichen Parks ganz oben in einem Traum aus Glas und Beton residieren. Wer am Ende der wahre Parasit ist, bleibt Interpretationssache.

„Parasite“ steckt voller Überraschungen: Clevere Gaunergeschichte, bisssige Gesellschaftssatire und spannender Thriller. Als Zuschauer weiß man nie genau, wohin sich der Film entwickelt. Wie schon die vorherigen Arbeiten des Regisseurs, ist auch „Parasite“ wunderschön fotografiert und mit viel Stilgefühl ausgestattet.

FAZIT

Die brillante Genremischung ist zu Recht der Goldene Palme Gewinner von Cannes 2019.

Originaltitel „Gisaengchung“
Südkorea 2019
131 min
Regie Bong Joon Ho
Kinostart 17. Oktober 2019

DEM HORIZONT SO NAH

Chick Flick-Alarm: „The Notebook“, „Das Leuchten der Stille“, „Mit Dir an meiner Seite“ – Die grenzkitschigen bis schmalzigen Nicholas Sparks-Verfilmungen sind echte Tearjerker und laufen stets nach dem gleichen Schema ab: Boy meets girl. Liebe. Drama. 

„Dem Horizont so nah“ passt perfekt in dieses Universum, ist aber tatsächlich deutsch. Die Vorlage liefert ein Roman, der 2016 wochenlang auf Platz 1 der BILD-Bestsellerliste stand – nicht unbedingt eine Empfehlung.
Der erste Band der sogenannten „Danny Trilogie“ basiert auf wahren Begebenheiten und hat alles, was das Herz begehrt: zwei schöne junge Menschen (Luna Wedler und Jannik Schümann, machen ihre Sache gut), viel Liebesschmerz, reichlich leidenschaftlichen (jugendfreien) Sex und selbstredend das ganz große Drama. Beziehungsweise Dramen, denn es ergiesst sich ein ganzes Füllhorn an Leid über das junge Glück: Krankheit, Kindesmissbrauch, Drogen, Tod.

Laut der Produzenten sollte „Dem Horizont so nah“ ein echter, ironiefreier Liebesfilm werden und nicht schon wieder eine romantische Komödie. Das ist immerhin geglückt – viel zu lachen gibt’s nicht. Von der bittersüßen Romanze zur Schnulze ist es ein kurzer Weg und von da sind es nur noch zwei Taschentücher zur Schmonzette – der U-16-Zielgruppe dürfte genau das gefallen.

FAZIT

Früher hiess sowas „Bravo Love Story“.

Deutschland 2019
109 min
Regie Tim Trachte
Kinostart 10. Oktober 2019

47 METERS DOWN: UNCAGED

„Oh my God! You guys!“ Vier dauerschreiende US-Teenage Girls in knappen Bikinis verirren sich in einer Unterwasserhöhle und werden von blinden, aber gefräßigen Haien bedroht.

Handwerklich schlecht gemacht – minutenlang ist im trüben Wasser nichts zu erkennen – schauspielerisch bescheiden und dafür nicht mal spannend.

FAZIT

Großer Schmarrn.

Originaltitel „47 Meters Down: Uncaged“
USA 2019
91 min
Regie Johannes Roberts
Kinostart 10. Oktober 2019

JOKER

„Joker“, oder das Gegenteil von schönen Menschen in schöner Umgebung. Dieser Film macht keine gute Laune – und trotzdem: „Joker“ ist überraschend unterhaltsames, großes Kino. 

Gotham City, Anfang der 1980er Jahre, eine verbrecherische, korrupte Stadt in Aufruhr. Hier lebt Arthur Fleck mit seiner schwerkranken Mutter Penny in einer verwahrlosten Mietskaserne. Ein einsamer, gequälter Mann. Der Berufsclown leidet unter dem unkontrollierten Drang, zu den unpassendsten Gelegenheiten in irres Gelächter auszubrechen. Schuld ist eine in der Kindheit erlittene Gehirnverletzung. Eine erklärende Karte, vorbildlich laminiert, reicht Arthur bei passender Gelegenheit seinem irritierten Gegenüber. Als er von Teenagern auf offener Straße zusammengeschlagen und später in der U-Bahn verspottet wird, brennen bei dem Außenseiter die Sicherungen durch. Ein Clown sieht rot.

Düster, bedrohlich und die mutigste Comicverfilmung seit „The Dark Knight“.  Regisseur Todd Phillips nimmt sich jede Menge Zeit für die Entwicklung seiner sich kontinuierlich abwärts drehenden Spirale in den Wahnsinn. Joaquin Phoenix spielt die tragische Figur des Arthur Fleck phänomenal. Für die Rolle hat Phoenix dramatisch abgenommen, sein skelettartiger Körper sieht überzeugend furchterregend aus. Die Kombination aus komplett irrem Lachen und bulimischer Figur sollte auf jeden Fall für eine Oscarnominierung reichen. Dagegen wirkt Heath Ledgers legendäre Interpretation des ewigen Batman-Widersachers beinahe gesund und unbeschwert. In einer Nebenrolle glänzt Robert de Niro als Johnny Carson-Verschnitt. Eine Besetzung auf Metaebene, erinnert „Joker“ doch in weiten Teilen an Scorseses großen Kinoerfolg von 1976 „Taxi Driver“, damals mit dem jungen de Niro in der Hauptrolle.

FAZIT

Düstere Charakterstudie statt strahlend bunter Superhelden. Gelungene Comicverfilmung, nichts für Eskapisten.

Originaltitel „Joker“
USA 2019
122 min
Regie Todd Philips
Kinostart 10. Oktober 2019

SKIN

Tattoos sind Scheiße. Das Stechen tut weh, das Entfernen noch mehr. Diese Wahrheit muss Bryon (Jamie Bell) am eigenen Leib erfahren. Nach seinem Entschluss, sich von seinen rassistischen White-Supremacy-Freunden loszusagen, wartet eine schmerzhafte Enttintungsprozedur auf ihn. Bei seinem Weg ins neue Leben helfen ihm ausgerechnet schwarze Menschenrechtsaktivisten und natürlich die Liebe, denn Freundin Julie hat mit dem Nazipack ebenso abgeschlossen.

Der israelische Filmemacher Guy Nattiv erzählt in seinem ersten US-Spielfilm die wahre Geschichte des Szeneaussteigers Bryon „Babs“ Widner. „Skin“ basiert auf Nattivs gleichnamigen, in diesem Jahr mit einem Oscar prämierten Kurzfilm.

FAZIT

Eindringliches und authentisches Thriller-Drama. Hervorragend besetzt, vor allem Jamie Bell („Billy Elliot“) überzeugt als bekehrter Rassist. 

Originaltitel „Skin“
USA 2019
117 min
Regie Guy Nattiv
Kinostart 03. Oktober 2019

AMA-SAN

Kontemplation total. Sanft schaukelnde Boote, blauer Himmel, das Licht der Nachmittagssonne bricht sich in den Wellen. Drei Damen fortgeschrittenen Alters, eine ist schon weit über 80, bereiten sich auf einen Tauchgang vor. Matsumi, Mayumi und Masumi sind Ama-San – japanische Taucherinnen, die eine spezielle Technik beherrschen: Sie können ohne die Hilfe von Sauerstoffflaschen ungewöhnlich lange unter Wasser bleiben. Ihre Atemluft reicht aus, Seeigel und Muscheln mit dem Messer vom felsigen Grund des Ozeans zu schneiden und unbeschadet wieder aufzutauchen.
 
Liebevoll und zurückhaltend zeichnet Regisseurin Varejão in wunderschön komponierten Bildern das Porträt dreier Frauen, die einer jahrtausendealten, vom Aussterben bedrohten Tätigkeit nachgehen. Der Dokumentarfilm wechselt zwischen der traumgleichen Unterwasserwelt des Pazifischen Ozeans und amüsanten Beobachtungen des häuslichen Alltags der Protagonistinnen.
 

FAZIT

Sanftmütiger Blick auf eine faszinierende, beinahe vergangene Welt.

Originaltitel „Ama-San“
Portugal / Japan / Schweiz 2016
112 min
Regie Cláudia Varejão
Kinostart 03. Oktober 2019