Das passt ja: Morgens am Nordbahnhof scheint die Sonne, 10 Minuten später am Berlinale Palast grauer Himmel, es regnet. Der Potsdamer Platz hat sich in eine Ghost Town verwandelt. Meist gehörter Satz: „Also, ich war gestern in den Arkaden, das ist ja geisterhaft…“ Hier ist mittlerweile weniger los als zu Mauerzeiten. Deshalb die Aufforderung an alle Filmemacher, bevor der große Umbau losgeht: Nutzt die Kulisse und dreht eine Endzeit-Zombieapokalypse! Oder einen Gespensterfilm? Der kann nur besser als der deutsche Beitrag „Schlaf“ werden…
DOMANGCHIN YEOJA
(Wettbewerb)
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Englischer Titel „The Woman Who Ran“
Korea 2019
77 min
Regie Hong Sangsoo
FAVOLACCE
(Wettbewerb)
„Kinder an die Macht!“ Der Forderung von Herbert Grönemeyer möchte man uneingeschränkt zustimmen, denn die Erwachsenen in „Favolacce“ sind dauerfrustriert und zu nichts zu gebrauchen. Die Mütter gescheiterte Existenzen, seltsam abwesend, sei es mental oder physisch. Die Väter allesamt unfähige Egomanen, denen das Hirn in die Hose gerutscht ist. Nur die Kinder haben Verstand, strahlen so etwas wie Freude und Unbeschwertheit aus. Doch das trügt, denn in der sengenden Sommerhitze einer Reihenhaussiedlung am Rande Roms entfaltet sich eine Katastrophe in Zeitlupe.
Der zweite Spielfilm der Brüder D’Innocenzo entwickelt eine starke Sogkraft, es wird böse enden, das ist zu spüren, und doch hofft man bis zuletzt auf Katharsis. Der Erzähler aus dem Off entschuldigt sich am Ende für das düstere Märchen – er hätte gerne von weniger deprimierenden Ereignissen berichtet. Verstörend.
Englischer Titel „Bad Tales“
Italien / Schweiz 2020
98 min
Regie Fabio + Damiano D’Innocenzo
NEVER RARELY SOMETIMES ALWAYS
(Wettbewerb)
Und noch mehr aus der toxischen Männerwelt: Die 17-jährige Autumn ist schwanger und will eine Abtreibung. Da das in ihrem Heimatkaff nur mit Einwilligung der Eltern geht, fährt sie mit ihrer Cousine nach New York.
Never, Rarely, Sometimes, Always – also: niemals, selten, manchmal, immer – zwischen diesen Antwortmöglichkeiten soll Autumn bei einem Multiple-Choice-Test in der Abtreibungsklinik wählen. Eine beklemmende, starke Szene, in der man zu verstehen beginnt, weshalb das Mädchen so schlecht gelaunt durchs Leben geht.
Eliza Hittmans Film folgt der inzwischen gängigen These, dass (fast) alle Männer Schweine und Frauen prima sind. Bis auf eine Figur verhalten sich die Männer in „Never Rarely Sometimes Always“ übergriffig und fies. Und selbst der einzige sympathische Kerl lässt sich geborgtes Geld mit einer Knutscherei vergelten.
Trotz des schwarz-weiß gezeichneten Weltbilds schaut man dem gut beobachteten, lakonisch erzählten Teenagerdrama gespannt zu.
USA 2020
101 min
Regie Eliza Hittman
SCHLAF
(Perspektive Deutsches Kino)
Schon Tessa Horakh wusste: „Frauen können das eben nicht!“ In diesem Fall muss es richtigerweise heissen: „Deutsche können das eben nicht!“ Nämlich gescheite Horrorfilme drehen. Es ist schon eine Kunst, einen Brei zu versalzen und gleichzeitig fade schmecken zu lassen. Das heillos überfrachtete Drehbuch bedient sich großzügig bei allerlei Genreklassikern wie „The Conjouring“ und „The Shining“, ohne etwas Aufregendes daraus zu machen.
Flugbegleiterin Marlene leidet unter wiederkehrenden Albträumen. Irgendwann schnappt sie über und verfällt in eine Art Schockstarre. Ihre Tochter Mona macht sich auf die Suche und findet irritierende Antworten in einem 70er-Jahre Dorfhotel namens Sonnenhügel.
In diesem Film wird viel gewürgt. Männer würgen Frauen, Frauen würgen Männer und manchmal würgen sich Menschen auch ganz alleine selbst. Klingt ein bisschen wie ein Edgar-Wallace-Streifen aus den 60ern. Für das verschwurbelte ZDF-Kleine-Fernsehspiel entschädigen nur die Schauspieler: Sandra Hüller als Marlene ist wie immer gut, hat hier jedoch fast nichts zu tun. Gro Swantje Kohlhof überzeugt als Tochter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Und August Schmölzer spielt den Hotelbesitzer zwar schön zwielichtig, scheint sich aber aus einem ganz anderen Film hierher verirrt zu haben.
Englischer Titel „Sleep“
Deutschland 2020
102 min
Regie Michael Venus
Das wird ja immer besser!
A. Horakh, Deutsche Welle TV