DIVERTIMENTO – EIN ORCHESTER FÜR ALLE
Ab 15. Juni 2023 im Kino
Eine junge Frau mit Migrationshintergrund will gegen alle Widrigkeiten die Dirigentin eines Symphonie-Orchesters werden. Der bessere TÁR kommt am Donnerstag in die Kinos.
Wer kennt das nicht? Der Abend war lang, der Schlaf köstlich und dann klingelt der Wecker zu früher Stund um kurz nach acht. Das Plumeau wiegt noch herrlich schwer und der Gedanke, sich ins Kino zu schleppen, scheint ungut. Zumal es im angekündigten Film um klassische Musik und eine Dirigentin geht. Zu frisch ist die quälende Erinnerung an TÁR, das cineastische Äquivalent zu einem sonnigen Tag, an dem die Freunde draußen spielen und man selbst in der stickigen Wohnung einer todeslangweiligen Erwachsenenunterhaltung zuhören muss.
Ein vom ersten bis zum letzten Takt bewegender Film
Damit wäre der größte Unterschied zwischen TÁR und DIVERTIMENTO – EIN ORCHESTER FÜR ALLE zusammengefasst. Zwar handeln beide Filme von der Ausnahmeerscheinung „Dirigentinnen“ – weltweit sind es nur 6 % Frauen, die ein Sinfonieorchester leiten – doch das wars mit den Gemeinsamkeiten. Während Cate Blanchetts schauspielerische Tour de Force den Zuschauer in monochromer Erstarrung zurücklässt, ist Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar ein vom ersten bis zum letzten Takt bewegender Film gelungen.
Sie ist 17 und hat einen Traum: Zahia Ziouani will Dirigentin des Schulorchesters an einem Pariser Konservatorium werden. Doch das Mädchen aus der Vorstadt wird von den meisten ihrer elitären Mitschülerinnen und Mitschüler nicht ernst genommen. Falsche Herkunft, falsches Geschlecht, zu jung! “Dirigent sein ist kein Beruf für eine Frau“ bescheinigt ihr auch Sergiu Celibidache, bevor der berühmte Orchesterleiter sie doch unter seine Fittiche nimmt.
DIVERTIMENTO ist inspiriert von der wahren Geschichte Zahia Ziouanis, eine der wenigen Dirigentinnen weltweit. Die Besetzung (wunderbar: Oulaya Amamra und Lina El Arabi als musikalische Schwestern und Niels Arestrup als beinharter Mentor) überzeugt – kein Wunder, besteht sie doch größtenteils aus echten Musikern. Kleine Kritik: Die vielen unterschiedlichen Vignetten aus dem Alltag der jungen Zahia und ihrer Familie fügen sich nicht ganz rund zu einer flüssig erzählten Geschichte zusammen. Da hätte das ein oder andere weggelassen oder ein wenig ausführlicher erzählt werden können. Doch durch seine positive Botschaft und seine Herzenswärme schafft es DIVERTIMENTO, selbst klassischer Musik nicht sonderlich zugeneigten Zuschauern abwechselnd ein Tränchen ins Auge und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ein unkitschiges Feel-Good-Movie.
INFOS ZUM FILM
Originaltitel „Divertimento“
Frankreich 2022
114 min
Regie Marie-Castille Mention-Schaar
alle Bilder © Prokino