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BERLINALE 2025 – TAG 2
- HOT MILK - Wettbewerb
- SHENG XI ZHI DI - Wettbewerb
- KEIN TIER. SO WILD. - Berlinale Special
- SCHWESTERHERZ - Panorama
- ATO NOTURNO - Panorama
- PETER HUJAR'S DAY - Panorama
Auch eine besondere Form von Logik: Tom Tykwers Eröffnungsfilm lief gestern außer Konkurrenz, da es gegenüber den anderen Wettbewerbsfilmen „unfair wäre, wenn sie gegen einen Film mit so großer Aufmerksamkeit antreten müssten“, so Tricia Tuttle. Really? Ist Konkurrenz nicht der Sinn eines Wettbewerbs? Dürfen folglich nur noch Independent-Movies ins Rennen gehen? Na gut, "Das Licht" ist kein herausragender Film, aber es wäre ja trotzdem eine willkommene Abwechslung, wenn in diesem Jahr mal kein Dokumentarfilm über behinderte Menschen oder anstrengendes Stück über Beutekunst den Goldenen Bären gewinnen würde. Aber so wird das nichts. Berlinale, gib dem Mainstreamkino eine Chance!
Wettbewerb
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HOT MILK
Rose und ihre Tochter Sofia reisen in die Küstenstadt Almería, um dort einen Arzt aufzusuchen, der Roses mysteriöse Lähmung heilen soll. Während die Mutter nur zwischen Klinik und Ferienhaus pendelt, macht sich ihre Tochter auf Erkundungstour. Am Strand trifft sie die deutsche Touristin Ingrid, die beiden verlieben sich.
Ein Frauenfilm: Vicky Krieps empfiehlt sich als Doppelgängerin der jungen Meryl Streep, Emma Mackey (bekannt aus „Sex Education“) ist unglaublich hübsch und schön dauerwütend. Das wahre Highlight aber ist Fiona Shaw, die der ein oder andere vielleicht aus „Killing Eve“ als gestrenge Geheimdienstchefin Carolyn kennt. Ihre dominante und traumatisierte Mutterfigur bleibt im Gedächtnis.
Bei HOT MILK weiß man bis zum Ende nicht, wohin die Reise gehen soll: lesbischer Liebesfilm? Mutter-Tochter-Drama? Dunkle Familiengeheimnisse? Von allem ein bisschen – und in Konsequenz doch nichts davon. Was uns Rebecca Lenkiewicz mit ihrem Wettbewerbsfilm genau sagen will, bleibt rätselhaft. Wenigstens gibt es zwischendurch ein paar Lacher. Dankbar für die kleinen Dinge.
INFOS ZUM FILM
Vereinigtes Königreich 2025
92 min
Regie Rebecca Lenkiewicz
Bild © Nikos Nikolopoulos / MUBI
Wettbewerb
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SHENG XI ZHI DI
Living the Land
Wer schon immer ganz genau wissen wollte, wie das Leben der chinesischen Landbevölkerung 1991 aussah: SHENG XI ZHI DI zeigt es in epischer Ausführlichkeit. Es wird gelebt, gearbeitet, gekocht, gestritten, geerntet und getrauert. Und am Ende fällt Schnee. Also fast wie bei uns. Das Ganze ist so langsam erzählt – die Zeit scheint rückwärts zu laufen. Erkenntnis: Chinesen sind ein sehr lautes Volk – selbst bei einer Beerdigung veranstalten sie ohrenbetäubenden Lärm.
INFOS ZUM FILM
Volksrepublik China 2025
132 min
Regie Huo Meng
Bild © Floating Light (Foshan) Film and Culture
Berlinale Special
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KEIN TIER. SO WILD.
Shakespears Klassiker „Richard III“ als Clandrama im Heute. Ein theaterhaftes Berlin liefert die Kulisse für den brutalen Krieg zwischen den verfeindeten Großfamilien York und Lancaster. Rashida, eine Anwältin aus dem Haus York, greift zu drastischen Mitteln, um den Konflikt zu beenden – doch der ersehnte Frieden bringt ihr keine Freiheit.
Eins muss man Burhan Qurbani lassen: Der Regisseur der großartigen Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“ (2020 im Wettbewerb) hat Mut. Denn im Ansatz hätte KEIN TIER. SO WILD. aufregendes, großes Kino werden können. Doch die artifizielle Inszenierung und die in Düsternis getauchten Bilder drücken schwer aufs Gemüt. Nach einer Stunde fühlt man sich, als läge man unter einer Bleidecke begraben. Immerhin kein laues Lüftchen: Burhan Qurbani scheitert in Größe.
INFOS ZUM FILM
Deutschland / Polen / Frankreich 2025
142 min
Regie Burhan Qurbani
Bild © Lukasz Bak / Sommerhaus Filmproduktion – Port au Prince Pictures – Goodfellas
Panorama
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SCHWESTERHERZ
Rose ist gerade bei ihrer Ex-Freundin ausgezogen, wohnt für ein paar Tage bei ihrem Bruder Sam. Eines Nachts bringt der eine Frau mit nach Hause, Rose wird unfreiwillige Zeugin von einvernehmlichem Sex – oder doch etwas anderem? Als Sam der Vergewaltigung beschuldigt wird, soll Rose als Zeugin aussagen.
Es war vor über 30 Jahren, als Dustin Hoffman in einem Interview beklagte, dass Spielfilme für ihre TV-Ausstrahlung gekürzt würden. Nicht ganze Szenen fielen der Schere zum Opfer, sondern innerhalb der Dialoge würden Pausen herausgeschnitten. Aus „I love you“ Pause, schmachtender Blick, „I love you too“ würde so ein stakkatoartiges „I love you. I love you too“.
Dem deutschen Panoramabeitrag SCHWESTERHERZ wünscht man genau diese zweifelhafte Schnitttechnik. Sarah Miro Fischers Film ist eine einzige Sprechpause. Man möchte zwischendurch auf die „fast forward“-Taste drücken und besonders Hauptdarstellerin Marie Bloching bitten, doch ein bisschen schneller zu machen. Wie lange muss man zwischen den einzelnen Wörtern nachdenken? Ansonsten: Ein ordentlich inszenierter Psychothriller. Mehr kleines Fernsehspiel als großes Kino.
INFOS ZUM FILM
Deutschland / Spanien 2025
96 min
Regie Sarah Miro Fischer
Bild © Selma von Polheim Gravesen / dffb
Panorama
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ATO NOTURNO
Night Stage
Der aufstrebende Berufspolitiker Rafael und der junge Schauspieler Matias treffen sich immer wieder zu heimlichen Sexdates. Der besondere Thrill: sie wollen dabei erwischt werden. Das gefällt nicht jedem, schon gar nicht den mächtigen Geldgebern, die Rafael ins Bürgermeisteramt befördern wollen. Regisseur Marcio Reolon scheint ein großer Pedro Almodovar-Fan zu sein. Kamera, Licht, Musik – das versucht den Stil des spanischen Regiemeisters mehr schlecht als recht zu kopieren. Für ein echtes Melodrama ist ATO NOTURNO zu normal, für einen ernsten Film zu melodramatisch. Am Ende fragt man sich auch hier, was genau der Regisseur uns damit sagen will.
INFOS ZUM FILM
Brasilien 2025
119 min
Regie Marcio Reolon
Bild © Avante Films, Vulcana Cinema
Panorama
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PETER HUJAR'S DAY
Peter Hujar – nie gehört? Doch, der Mann war ein berühmter Fotograf. Eines seiner Werke ziert das Cover von Hanya Yanagiharas Roman „Ein wenig Leben“ – sehr lesenswert übrigens. Der Film PETER HUJAR’S DAY basiert auf einem Interview, das die New Yorker Autorin Linda Rosenkrantz 1974 mit Peter Hujar führt. Im Gespräch bittet sie ihn, minutiös zu schildern, was er am 18. Dezember gemacht hat.
Die große Kunst von Ira Sachs‘ Film besteht darin, trotz seiner kurzen Laufzeit von nur 75 Minuten derart langweilig zu sein, dass man schon nach einer halben Stunde hofft, es möge bald vorbei sein. Die einzigen Gründe, sich diesen zähen Panorama-Beitrag anzusehen, sind der charmante 70er-Jahre-Filmlook und die Schauspieler Rebecca Hall und Ben Whishaw.
INFOS ZUM FILM
USA / Deutschland 2025
75 min
Regie Ira Sachs
Bild © One Two Films