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BERLINALE 2025 – TAG 3
- ARI - Wettbewerb
- DREAMS - Wettbewerb
- MICKEY 17 - Berlinale Special
- DEN STYGGE STESØSTEREN - Panorama
- HYSTERIA - Panorama
- QUEERPANORAMA - Panorama
- EL DIABLO FUMA - Perspectives
Da vergeht einem direkt die gute Laune: Die Berlinale nimmt sich ein Beispiel an der Deutschen Bahn, die Filme starten mit saftiger Verspätung. Besonders ärgerlich bei den ohnehin zu kurzen Pausen zwischendurch - denn an der Kaffeebar im Pressezentrum fand die Einstein-Kette es eine gute Idee, eine einzige Maschine für Hunderte Journalisten aufzustellen. Leider lässt sich die Verspätung nicht einplanen, zumal die Kinos in diesem Jahr brechend voll sind. Highlight bisher: MICKEY 17 startet unter Buhrufen 15 Minuten später - es muss noch dringend mitgeteilt werden, dass ein Embargo auf die Berichterstattung bis 19 Uhr besteht. Aber nicht über Mikrofon (auf die Idee kommt irgendwer erst nach einer Viertelstunde), sondern durch einzelne Mitarbeiterinnen, die durch die Reihen gehen und die Botschaft persönlich kundtun. Das dauert bei knapp 1.800 Plätzen natürlich.
Wettbewerb
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ARI
Der 27-jährige Referendar Ari ist am Ende. Die Arbeit mit Kindern, der Job an sich, alles zuviel. Er erleidet eine Panikattacke. Sein Vater ist darüber so sauer, dass er ihn aus dem Haus schmeißt. Allein und emotional aufgewühlt sucht Ari den Kontakt zu früheren Freunden, während er über die letzten Monate nachdenkt.
Ein junger, sensibler Mann – sexuell fluid, natürlich – erforscht sich selbt und hinterfragt gesellschaftliche Erwartungen. Das plätschert so vor sich hin. Nach 88 Minuten ist der kleine Einblick in Aris Leben schon vorbei. Herzig.
INFOS ZUM FILM
Frankreich / Belgien 2025
88 min
Regie Léonor Serraille
Bild © Geko Films – Blue Monday Productions – ARTE France – PICTANOVO – Wrong Men – 2025
Wettbewerb
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DREAMS
Das macht Donald Trump sehr wütend: Ein junger Mann flieht von Mexiko in die USA. Dort erwartet ihn allerdings keine bittere Armut, sondern eine leidenschaftliche Affäre mit seiner reichen Freundin in San Francisco. Während er auf eine Karriere als Balletttänzer hofft, will sie nur seinen „harten Schwanz in ihrer nassen Pussi“ (Originalzitat aus dem Film). Naja, und dann schämt sie sich halt doch für ihren gut 20 Jahre jüngeren Lover, und er will auf eigenen Tanzfüßen stehen. Und dann … ach, auch egal. Mit Starbesetzung (Jessica Chastain) und erlesener Werbeoptik tut DREAMS wichtig.
Michel Franco inszeniert seine Schmonzette mit bodenloser Ernsthaftigkeit – eine Edel-Soap, in der sogar eine Vergewaltigung irgendwie ästhetisch aussieht. Statt Empathie löst DREAMS nur herzliches Augenrollen aus. Immerhin: Ein Film mit Handlung und dramaturgischem Bogen.
INFOS ZUM FILM
Mexiko 2025
100 min
Regie Michel Franco
Bild © Teorema
Berlinale Special Gala
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MICKEY 17
Der ganz große Wurf wie der oscargekrönte „Parasite“ ist es nicht geworden. Bong Joon-ho kehrt zu seinen Wurzeln zurück und hat mit MICKEY 17 eine Science-Fiction-Groteske gedreht, die an seinen Film „Snowpiercer“ erinnert. Natürlich ist auch MICKEY 17 eine bissige Satire und Abrechnung mit Kolonialismus und falschen Führern – diesmal jedoch mit Mut zum Klamauk und großer Freude am feisten Blockbusterkino. Eine Gesellschaftssatire im Vollgasmodus, sozusagen.
♻️ Recycling 2.0: Mickey Barnes ist ein sogennanter „Expendable“: ein Typ, der bei lebensgefährlichen Aufgaben im Weltraum stirbt und danach als Klon einfach neu ausgedruckt wird. Siebzehn Mal war das schon der Fall. Als das Kolonistenschiff Drakkar den eisigen Planeten Niflheim erreicht, stürzt Mickey 17 in eine Gletscherspalte und wird von einer Alien-Lebensform gerettet. Zurück an der Basis macht er eine schockierende Entdeckung – Mickey 18, sein neuer Klon, ist bereits aktiv.
Robert Pattinson spielt die vielen Mickeys grandios, überzeugt als luschiges Sensibelchen genauso wie als harter Macho. Ein echtes Highlight sind Toni Collette und Mark Ruffolo als machtgeiles Herrscherpaar mit starker Anlehung an einen gerade wiedergewählten Präsidenten. MICKEY 17 ist ein wilder Ritt mit ein paar Längen zwischendurch, aber sicher eines der Highlights der diesjährigen Berlinale.
INFOS ZUM FILM
USA / Südkorea 2024
137 min
Regie Bong Joon Ho
Bild © Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved
Panorama
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Den stygge stesøsteren
The Ugly Stepsister
Das altbekannte Märchen, neu erzählt: Aschenputtel Reloaded. Diesmal mit Blick auf Beautywahn und Bodyhorror. Um mit ihrer wunderschönen Stiefschwester mithalten zu können, ist Elvira zu allem bereit. Schönheits-OPs im Mittelalter-Stil und zerhackte Füße (der Schuh MUSS passen!) inklusive. Highlight: Damit sie dem Prinzen gefällt, schluckt Elvira einen Babybandwurm, der in ihrem Bauch heranwächst und bald für eine schlanke Linie sorgt – dann doch lieber Ozempik. THE UGLY STEPSISTER sieht aus, als hätte Bodyhorrorexperte David Cronenberg einen tschechischen Märchenfilm der 70er-Jahre inszeniert. Schräg und spaßig.
INFOS ZUM FILM
Norwegen / Polen / Schweden / Dänemark 2025
110 min
Regie Emilie Blichfeldt
Bild © Marcel Zyskind
Panorama
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HYSTERIA
Film im Film: Regisseur Yigit dreht einen Spielfilm über den Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Bei den Aufnahmen zur entscheidenden Szene verbrennt auch eine ganz besondere Requisite: ein Koran. Versehen oder Absicht? Die türkischen Statisten, aus einem Flüchtlingsheim rekrutiert, sind empört. Dann verschwindet auch noch das Filmmaterial – mitten in den immer hysterischer werdenden Verdächtigungen und Schuldzuweisungen: die 24-jährige Regieassistentin Elfi.
Für HYSTERIA muss man Geduld mitbringen. Es zieht sich und besonders spannend wird es lange nicht. Richtig interessant sind dann erst die letzten 20 Minuten. Gerade als man schon dachte, der Film sei vorbei – ein Schnitt ins Schwarz – wird die ganze Geschichte von den Hauptfiguren nochmals aufgedröselt, bis zum unerwarteten und symbolträchtigen Ende.
INFOS ZUM FILM
Deutschland 2025
104 min
Regie Mehmet Akif Büyükatalay
Bild © filmfaust
Panorama
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QUEERPANORAMA
Asiaten, die lange Gespräche führen, dazwischen viel essen und das Ganze in schwarz-weiß gefilmt? Klingt wie das neueste Werk von Hong Sangsoo, dem südkoreanischen Regisseur, dem man bei der Berlinale nicht entfliehen kann. Der Mann ist Stammgast und natürlich auch in diesem Jahr mit dabei.
QUEERPANORAMA könnte zwar von Sangsoo sein, ist aber von Jun Li. Neben Reden und Essen gibt’s hier noch Sex. Ein junger schwuler Mann mit vielen Namen hat nicht nur eine gesunde Libido, sondern ist auch noch eine Art Mimikry-Vamipr. Von jedem Sexpartner übernimmt er einen Teil seiner Geschichte und gibt sie dann beim nächsten Date als seine eigene aus. Mal ist er Musiker, dann Lehrer, dann Wissenschaftler. Klingt interessanter als es ist. QUEERPANORAMA wurde wahrscheinlich wegen seines Titels für die Sektion Panorama ausgewählt. Fast so zäh wie ein echter Sangsoo, dafür besser gedreht.
INFOS ZUM FILM
USA / Hongkong / China 2025
87 min
Regie Jun Li
Bild © Good Sin Production
Perspectives
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EL DIABLO FUMA
The Devil Smokes
Nochmal Mexiko, nur diesmal ohne Handlung: Fünf Geschwister im Alter von 7 bis 13 Jahren leben mit ihrer Großmutter in einem Haus. Die Eltern sind verschwunden – zuerst die Mutter, dann der Vater. Dutzende Fliegenfallen hängen von der Decke, sie sollen vor dem Teufel schützen, die Fenster sind zugeklebt. Die Kinder streiten, lachen, malen, schauen Fernsehen. Jeden Abend laufen dort Infospots der mexikanischen Regierung zum Thema Cholera. Irgendwann schaut das Jugendamt vorbei.
Aha. Fragen wir den Pressetext um Rat: „Die Grenze zwischen Realität und Imagination löst sich auf. Bald werden die Kinder fort sein – vielleicht auch nicht.“ So spannend wie der Wäsche beim Trocknen zuzusehen. Immerhin: Die Kinderdarsteller spielen sehr gut.
INFOS ZUM FILM
MexiKo 2025
97 min
Regie Ernesto Martínez Bucio
Bild © Odei Zabaleta
2 Meinungen zu “BERLINALE 2025 – TAG 3”
Zu Mickey 17.
Nach 1 Stunde habe ich es nicht mehr ausgehalten, ein infantiler „Kinderfilm“. Dessen Idee auch Sechsjährige nach 10 Minuten verstanden hätten:
Also da war so ein Mann und der wurde immer wieder tot gemacht und dann neu gemacht. Und dann gab’s den plötzlich doppelt. Und dann noch so ein alter Mann, der hat ganz komisch geredet. Und die lebten irgendwie in so einem Raumschiff. Und manchmal wurde jemand in ein Loch mit Feuer geschmissen. Das war alles ein bisschen eklig und gemein. Und einmal wurde er von Monster verfolgt mit ganz vielen Füßen…
Wenn Du allergisch auf unterhaltsame Filme reagierst, empfehle ich „La Tour de Glace“: da passiert zwei Stunden lang gar nichts.