STAR WARS: DER AUFSTIEG SKYWALKERS

Liebgewonnene Rituale zum Jahresende: Ein neuer Star Wars-Film kommt in die Kinos und es ist Zeit für die unvermeidliche Best- und Worst-of-Liste. Selbstredend rein subjektiv. Es soll ja Zuschauer geben, die bei „Once upon a time in…Hollywood“ nach 90 Minuten das Kino verlassen, weil es ihnen zu langweilig ist. Genauso wie einige Kritiker „Der goldene Handschuh“ für eine gelungene Romanverfilmung halten. Liegt alles im Auge des Betrachters. Hier also die 2019 Top- und Flop-Liste von framerate:

Die besten 6

Parasite
Once upon a time in…Hollywood
Systemsprenger
Leid und Herrlichkeit
Capernaum – Stadt der Hoffnung
Joker

Die schlechtesten 3

Iron Sky: The Coming Race
Hellboy – Call of Darkness
Der goldene Handschuh

FAZIT

Ach ja, Star Wars. Hat man einen gesehen, hat man alle gesehen. Von den drei Sequels ist „Der Aufstieg Skywalkers“ auch nicht besser oder schlechter als die anderen Teile. Eine Mischung aus Sci-Fi, Märchen und Drama, leidlich spannend und mit zahlreichen Zitaten und Verweisen auf die immer noch weit überlegene Original-Trilogie gespickt. Ganz unterhaltsames Popcorn-Kino, alles schon mal dagewesen.

Originaltitel „Star Wars: The Rise of Skywalker“
USA 2019
144 min
Regie J.J. Abrams
Kinostart 18. Dezember 2019

MOTHERLESS BROOKLYN

Lionel Essrog (Edward Norton) ist ein Privatdetektiv, der unter dem Tourette Syndrom leidet. Eine Krankheit, die immer für einen schnellen Lacher TITTEN! FICKEN! gut ist.  „Motherless Brooklyn“ folgt Essrog bei seinem riskanten Vorhaben, den Mord an seinem Mentor und Freund Frank Minna (Bruce Willis) aufzuklären. Beim Kampf gegen Gangster und Korruption deckt Lionel streng gehütete Geheimnisse der New Yorker Politszene auf.

Die simple Formel lautet: Die besten Chancen, einen Oscar zu gewinnen, haben Schauspieler in der Rolle eines Todkranken oder Behinderten. „Motherless Brooklyn“ wäre gerne ein cooler Film noir im Stile von „L.A. Confidential“. Doch all die Musik-Szenen in verrauchten Jazzclubs und all die lässigen, Hut tragenden Detektive nützen nichts – herausgekommen ist nur ein um Stil bemühter, stellenweise unfreiwillig komischer, vermurkster Egotrip Edward Nortons. Denn statt zu vieler Köche hat hier ein einziger Koch in zu vielen Rollen den Brei verdorben. Der Oscar-Kandidat fungiert als Regisseur, Hauptdarsteller, Produzent und Drehbuchautor. Und scheinbar hat Regisseur Norton einen Narren an seinem Hauptdarsteller Norton gefressen. So bleiben Szenen ganz verliebt immer ein bisschen zu lange auf seinem Gesicht geschnitten. Das tut dem Film nicht gut, denn das ganze Gezucke und Geschimpfe nervt schon nach wenigen Minuten. Auch die anderen Schauspieler sind nicht in Höchstform. Willem Dafoe gibt mal wieder den am Rande des Wahnsinns Wandelnden und Alec Baldwin schafft es nicht, als oberkorrupter Politiker seine Figuren als SNL-Trump oder Jack Donaghy aus „30 Rock“ vergessen zu machen. Regisseur Norton lässt sich und seine Schauspieler an der zu langen Leine, was zu gnadenlosem Overacting führt.

FAZIT

Ein paar gute Momente hat der Film. Ansonsten ist „Motherless Brooklyn“ eine langatmige, eitle Oscarbewerbung.

Originaltitel „Motherless Brooklyn“
USA 2019
145 min
Regie Edward Norton
Kinostart 12. Dezember 2019

AUERHAUS

Kurz vor dem Erwachsenwerden: Das Leben von sechs Freunden soll nicht genauso vorsortiert und kläglich wie das ihrer Eltern verlaufen. Deshalb gründen sie eine Schüler-WG und ziehen gemeinsam ins Auerhaus (benannt nach dem Madness-Titel „Our House“). Eine Art Notwehrmaßnahme gegen die drohende Verspießung auf dem Dorf. Die Tage sind gefüllt mit Essenklauen, gemeinsamen Kochen, Federballspielen, Feiern und viel reden. Vor allem mit ihrem Kumpel Frieder, denn der ist depressiv und muss vor sich selbst gerettet werden.

Neele Leana Vollmar ist mit „Auerhaus“ eine rundum gelungene Romanverfilmung geglückt. Die Regisseurin erzählt lakonisch und einfühlsam von Liebe, Freundschaft und Idealismus. Die jugendlichen Darsteller spielen durchweg glaubhaft, vor allem der als „Fack ju Göhte“-Proll bekannte Max von der Groeben überrascht als sensibler Selbstmordkandidat Frieder.

Ausstattung und Atmosphäre sind auf den Punkt. Der Film ist eine Zeitreise in die frühen 1980er-Jahre, als die Haare noch ungestylt aus dem Kopf wuchsen, Handys Zukunftsmusik waren und mit gerade mal 18 Jahren alles möglich schien.

FAZIT

Nicht peinlich, nicht kitschig – die beste deutsche Jugendbuchverfilmung seit „Crazy“.

Deutschland 2019
107 min
Regie Neele Leana Vollmar
Kinostart 05. Dezember 2019

MEIN ENDE. DEIN ANFANG.

Eine Begegnung im U-Bahnhof – Nora und Aron verlieben sich auf den ersten Blick. Zufall, findet sie. Bestimmung, sagt er. Die Supermarktkassiererin und der Physiker – ein ungleiches, aber glückliches Paar. Doch dann geschieht eine Katastrophe: Aron wird erschossen. Nora trifft Monate später auf Natan. Beide ahnen nicht, dass sie schicksalhaft verbunden sind.

„Mein Ende. Dein Anfang.“ ist durch seine elliptischen Zeitebenen interessant strukturiert. Wie ein Puzzle setzt sich nach und nach die Geschichte von Aron, Nora und Natan zusammen. Marika Minoguchi versteht es, kleine Details und stimmungsvolle Momente so zu inszenieren, dass sich Vergangenheit und Gegenwart elegant miteinander verknüpfen. Nur der große Twist am Ende ist nicht ganz so überraschend, wie von der Regisseurin und Drehbuchautorin erhofft.

FAZIT

Regiedebüt mit ungewöhnlicher Erzählweise. Interessant.

Deutschland 2019
111 min
Regie Marika Minoguchi
Kinostart 28. November 2019

HUSTLERS

„Das ganze Land ist ein Stripclub. Auf der einen Seite sind die Leute, die mit dem Geld um sich werfen, auf der anderen Seite die Menschen, die dafür tanzen.“ 

Diese tierschürfende Erkenntnis teilt Stripperin Ramona (Jennifer Lopez) am Ende des Films mit den Zuschauern. Sie muss es wissen, denn mit Arschwackeln und Poledance hat sie es im angesagtesten Club der Stadt weit gebracht. Doch 2008 kommt es zum großen Börsencrash, plötzlich bleiben die spendablen Sugardaddys weg – und damit das Geld. Statt für ein paar Dollar zu tanzen, greift Ramona mit ihrer Freundin Destiny (Constance Wu „Crazy Rich Asians“) zu rabiaten Mitteln. Gemeinsam gründen sie eine Gaunerbande, die die Wall-Street-Kunden mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht setzt, um dann deren Kreditkonten leer zu räumen. 

Der Film beruht auf einem Zeitungsartikel, erschienen im New York Magazine 2015. Also fast eine wahre Geschichte. Musik, Drogen, Klamotten, Penthouses – so schön kann das Leben als Stripperin sein. Und ja, für ungefähr eine Stunde ist das auch ganz unterhaltsam anzusehen. Es gibt ein paar lustige Momente und J-Lo sieht wirklich toll aus. Aber das Crime-Drama über Stripperinnen mit Herzen aus Gold ist zu leichtgewichtig. Dauer-Party in allen Varianten, ein paar Gastauftritte von Usher, Cardi B und Lizzo und sich ständig wiederholende Szenen, in denen durchweg unsympathische Scheißkerle um ihr Geld erleichtert werden sind zu wenig für fast zwei Stunden Laufzeit.

FAZIT

Nicht ganz so großartig wie überall behauptet, aber immerhin besser als „Showgirls“.

Originaltitel „Hustlers“
USA 2019
110 min
Regie Lorene Scafaria
Kinostart 28. November 2019

ARETHA FRANKLIN : AMAZING GRACE

Aretha Franklin nahm 1972, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gemeinsam mit dem Southern California Community Choir in Los Angeles ihr legendäres Album „Amazing Grace“ auf. Es wurde zum erfolgreichsten Gospelalbum aller Zeiten.

Dass dieser Film fast 50 Jahre nach seiner Entstehung doch noch in die Kinos kommt und dieses Jahr auf der Berlinale seine Premiere feierte, grenzt an ein Wunder. Heutzutage kann jeder Telefonbesitzer perfekt stabilisierte und farbkorrigierte 4K-Filme produzieren. Doch damals ließen sich nach den Dreharbeiten die Ton- und Bildaufnahmen nicht synchronisieren. Die technischen Möglichkeiten waren Anfang der 1970er-Jahre begrenzt. Später folgte ein Rechtsstreit mit Aretha Franklin.

Die nun vorliegende Version ist so, wie sie von Regisseur Sydney Pollack seinerzeit geplant war: ohne nachträglich eingefügte Interviews, kein Making-of, kein Schnickschnack – nur Bilder von einem mitreißenden Konzert.

FAZIT

Eine raue, handgemachte Doku. Für Fans ein Muss. 

Originaltitel „Amazing Grace“
USA 1972/2018
87 min
Regie Alan Elliott, Sydney Pollack
Kinostart 28. November 2019

LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE

Ein Phänomen, in vielen Konzernen zu beobachten: Will man etwas erreichen, muss man direkt mit dem Chef sprechen. Meist ist der aber von Neinsagern und Speichelleckern abgeschirmt, die gute Ideen und innovative Vorschläge so lange verwässern, bis nur noch Unsinn übrig bleibt. Mit diesem zeitlosen Problem hat auch der amerikanische Autodesigner Carroll Shelby (Matt Damon) Anfang der 60er-Jahre zu kämpfen. Gemeinsam mit dem hitzköpfigen Rennfahrgenie Ken Miles (Christian Bale) soll er das angestaubte Image der US-Automarke Ford aufbessern. Dazu müssen die beiden erst mal den schnellsten Rennwagen der Welt entwickeln, um damit das prestigeträchtige 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu gewinnen. Keine leichte Aufgabe angesichts der Bedenkenträger bei Ford und des übermächtigen Gegners Enzo Ferrari.

Mangolds Film, im Original passender „Ford v Ferrari“ betitelt, spielt zu einer Zeit, als Meinungsverschiedenheiten zwischen Männern noch mit einer anständigen Prügelei aus der Welt geräumt wurden. Gut gegen Böse, die Suche nach unbedingter Freiheit – „Le Mans 66“ erinnert an einen modernen Western, der galoppierende Pferde auf staubigen Pfaden gegen Rennautos auf dem Asphalt ausgetauscht hat. Der Film beruht auf einer wahren Geschichte, weshalb Method-Actor Christian Bale für seine Rolle wieder mal etliche Kilos abgespeckt hat. Wie oft kann so ein armer Körper das ständige Zu- und wieder Abnehmen eigentlich aushalten, bevor die Haut in großen Lappen herunterhängt? Matt Damon spielt das, was er am besten kann: den leicht angeschlagenen, netten Kerl von nebenan, der unaufgeregt die Fäden in der Hand behält.

FAZIT

Erstaunliche Erkenntnis nach zweieinhalb Stunden: Im Kreis fahrende Fahrzeuge können spannend sein. Selbst wenn man sich kein bisschen für Autorennen interessiert – „Le Mans 66“ ist ein packender, im besten Sinne altmodischer Film.

Originaltitel „Ford v Ferrari
USA 2019
152 min
Regie James Mangold
Kinostart 14. November 2019

MY ZOE

Das Feel-Bad-Movie of the Year kommt dieses Jahr von Schauspielerin und Regisseurin Julie Delpy.

Die Französin Isabelle (Julie Delpy) arbeitet als Genetikerin in Berlin, irgendwann in naher Zukunft.  Von ihrem Ex-Mann James lebt sie in herzlicher Abneigung getrennt. Die meiste Zeit streiten sich die beiden um das Sorgerecht für ihre Tochter Zoe. Eines Tages geschieht die Katastrophe: das Mädchen verletzt sich am Kopf, fällt ins Koma, stirbt. Isabelle bittet einen Reproduktionsmediziner um Hilfe. Eine folgenschwere Entscheidung.

Klonen mal ganz anders. Kein Science-Fiction-Actionkracher a la „The Island“ oder „Gemini Man“, sondern ein stiller, zurückhaltend inszenierter Arthouse-Film zum Thema. Regisseurin Julie Delpy versteht es, den universellen Albtraum aller Eltern – den Verlust ihres Kindes – glaubhaft und eindringlich darzustellen. Doch im Fortgang der Geschichte geht es ihr mehr um die Beantwortung der ethischen und moralischen Frage: Ist das Klonen eines geliebten Menschen nach dessen Tod richtig? Das ist zwar ein interessantes Gedankenspiel, doch die Handlung und das Handeln der Figuren wird immer abstrakter und unglaubwürdiger, die Distanz des Zuschauers wächst.

FAZIT

Aufwühlend in der ersten, zu konstruiert und der zweiten Hälfte. Zwiespältig.

Originaltitel „My Zoe
England / Deutschland / Frankreich 2019
102 min
Regie Julie Delpy
Kinostart 14. November 2019

ZOMBIELAND: DOPPELT HÄLT BESSER

2009 war die Welt der lebenden Leichen noch in Ordnung, da galt ein Film wie „Zombieland“ als erfrischend anders. Mittlerweile müffeln die allgegenwärtigen Untoten und auch Ruben Fleischers „Zombieland: Doppelt hält besser“ hat dem Genre nichts weltbewegend Neues beizufügen. Leichter Verwesungsgeruch hängt in der Luft.

Ein paar hübsche Ideen, ein paar nette Gags, viele spaßig gemeinte Schrifteinblendungen – das alles gab es so ähnlich schon im ersten Teil der Zombiekomödie. Emma Stone, Jesse Eisenberg (der ewige Mark Zuckerberg) und Woody Harrelson sind wieder mit von der Partie, Neuzugang Zoey Deutch bringt als knalldoofe Blondine ein bisschen frischen Wind ins Spiel. Aber gibt es einen zwingenden Grund für diese Fortsetzung? Gleich zu Beginn bedankt sich Eisenbergs Figur Columbus bei den Zuschauern, dass sie sich trotz der großen Auswahl an Zombiefilmen nun ausgerechnet diesen anschauen. Immerhin weiß „Zombieland: Doppelt hält besser“ um seine Überflüssigkeit.

FAZIT

Kann man kucken, muss man nicht.

Originaltitel „Zombieland: Double Tap“
USA 2019
96 min
Regie Ruben Fleischer
Kinostart 07. November 2019

LARA

Die Fassaden von warmem Herbstlicht beleuchtet, die Restaurants und Bars so gediegen-chic, als wären sie am Fuße des Eiffelturms gelegen und selbst der in garstigem 70er-Jahre Design erstarrte Feinkostladen Rogacki wirkt großstädtisch, wenn er von Kameramann Frank Griebe in Szene gesetzt wird. Selten sah das gute alte West-Berlin ästhetischer und schöner aus als in „Lara“. Die Liebe zum Stil setzt sich über die Kostüme und die Musik bis zur Besetzung fort. Alexander Khuon, Gudrun Ritter, Rainer Bock, Volkmar Kleinert: In Nebenrollen ist das Who is Who der deutschen Theaterszene versammelt. Passenderweise, denn der neue Film von Regisseur Jan-Ole Gerster wirkt in weiten Teilen wie ein verfilmtes Theaterstück.

Ein Tag in einem Leben: An Laras sechzigstem Geburtstag gibt ihr Sohn Viktor sein erstes Klavierkonzert mit Eigenkompositionen. Gestreng wie eine russische Eiskunstlauf-Trainerin hat Lara Viktors musikalischen Werdegang seit frühester Kindheit forciert. Corinna Harfouch spielt die emotional verhärtete Frau brillant. Sie umstrahlt eine traurig-abweisende Aura der Einsamkeit, wie sie sonst nur Isabell Huppert zu erzeugen vermag. Wer sich Lara annähert, wird kühl ignoriert oder notfalls mit messerscharfen Bemerkungen zurechtgewiesen. Mit der Zeit hat sie so nicht nur Kollegen und Freunde, sondern auch die eigene Familie ausgegrenzt.

Regisseur Gerster will erwachsen werden. Nach siebenjähriger Pause beherrscht er die Klaviatur des Filmemachens nach wie vor souverän. Doch hat er den lakonischen Humor seines kongenialen Erstlingswerks „Oh Boy“ diesmal zugunsten einer angestrengten Ernsthaftigkeit ausgetauscht. Das Mutter-Sohn-Drama ist eine in Stil erstarrte Fingerübung. „Lara“ wäre als interessanter Kurzfilm durchgegangen, wirkt aber auf Spielfilmlänge gestreckt arg manieriert.

FAZIT

Tolle Hauptdarstellerin in einem bemüht künstlerisch wertvollen Film.

Deutschland 2019
98 min
Regie Jan-Ole Gerster
Kinostart 07. November 2019

DAS PERFEKTE GEHEIMNIS

Schlimme Vorstellung: Beim Pärchenabend legt jeder sein Smartphone auf den Tisch und alle dürfen sehen, was da so den ganzen Abend reinkommt. Zu einem solch riskanten Spiel entschließen sich sieben Freunde beim gemeinsamen Abendessen. Nachrichten werden vorgelesen, Telefonate laut mitgehört, es gibt keine Geheimnisse. Anfangs noch ein harmloser Spaß wird die große Transparenz bald zum Desaster. 

Moment mal, da geht man voll negativer Vorurteile in die neue Komödie der „Fack ju Göhte“-Macher – und dann amüsiert man sich halbwegs gut. Clevere Idee, gute Figurenkonstellation, sehr unterhaltsame Geschichte – da stimmt doch was nicht!
Des Rätsels Lösung: „Das perfekte Geheimnis“ wurde nicht von Deutschen entwickelt, sondern beruht auf einer international getesteten Idee. Den gleichen Film gibt es bereits als griechische, spanische, türkische, französische, mexikanische, koreanische und chinesische Version. Die deutsche ist somit die achte Neuauflage des italienischen Kinohits „Perfetti Sconosciuti“, der 2016 alleine in seinem Heimatland knapp 3 Millionen Zuschauer ins Kino lockte.
Da zwischenmenschliche Verhaltensweisen und Marotten trotz Globalisierung immer noch halbwegs unterschiedlich sind, wird die identische Geschichte einfach für jedes Land entsprechend adaptiert. Dieses kalkulierte, risikolose Recycling könnte man böswillig auch mutlos nennen.

„Das perfekte Geheimnis“ ist mit Elyas M’Barek, Florian David Fitz, Jella Haase, Karoline Herfurth, Frederick Lau, Wotan Wilke Möhring und Jessica Schwarz ordentlich und typgerecht besetzt. Regisseur Bora Dagtekin hält dank des guten Drehbuchs zwei Stunden lang die Waage zwischen Komödie, Drama, Klamauk und Tiefgang.

FAZIT

Zur Einstimmung kann man sich schon mal die französische Version „Le Jeu“ anschauen, läuft auf Netflix.

Deutschland 2019
115 min
Regie Bora Dagtekin
Kinostart 31. Oktober 2019

SCARY STORIES TO TELL IN THE DARK

„Scary Stories to tell in the Dark“ wird zwar als „der neue Film von Guillermo del Toro“ beworben – tatsächlich fungierte der Oscargewinner diesmal aber nur als Produzent, die Regie übernahm André Øvredal. Der Norweger ist zuletzt mit dem gelungenen Horror-Thriller „The Autopsy of Jane Doe“ positiv aufgefallen.

In der US-Kleinstadt Mill Valley kommen vier Teenager auf die schlechte Idee, ausgerechnet an Halloween das verlassene Haus der Familie Bellows auszukundschaften. Im Keller finden die Jugendlichen ein mysteriöses Buch, in dem sich wie von Zauberhand jede Nacht neue Geschichten schreiben. Mit blutiger Tinte verfasst, werden darin die schlimmsten Albträume der Leser zum Leben erweckt.

Die Handlung spielt 1968 und dankenswerterweise mal nicht in den zu Tode retro-zitierten 1980er Jahren. Auch wenn sich die Ausstattung bemüht hat – richtig glaubwürdig kommt das nicht rüber, die Figuren sind im Aussehen und Verhalten zu modern. Doch allzu wichtig ist das für die Geschichte nicht – Hauptsache, keiner hat ein Mobiltelefon zur Hand und kann damit um Hilfe rufen. 

Spukhäuser und von Monstern gejagte Teenager: das ist zwar nicht sonderlich neu und originell, funktioniert aber als amüsante Geisterbahnfahrt ganz ausgezeichnet. Während die Stephen King Verfilmung „ES“ unverständlicherweise ein globaler Kinohit wurde, versteht es dieses thematisch verwandte B-Picture um einiges besser, eine unheimliche Atmosphäre und Spannung zu erzeugen.

FAZIT

Kurzweiliger, gut gemachter Gruselfilm.

Originaltitel „Scary Stories to tell in the Dark“
USA 2019
108 min
Regie André Øvredal
Kinostart 31. Oktober 2019

TERMINATOR: DARK FATE

„Terminator: Dark Fate“ knüpft fast nahtlos an „Terminator: Judgment Day“ und damit das weitere Schicksal Sarah Connors (Linda Hamilton, digital de-aged) in den 90er-Jahren an. Teil 3, 4 und 5 der Saga werden komplett ignoriert. Ist Regisseur Tim Miller das Unmögliche gelungen, eine würdige Fortsetzung der von Fans geliebten ersten beiden Teile der Terminator-Filme abzuliefern? 

Nein. Denn auf das interessante Intro folgt nur ein Aufguss der schon zu oft erzählten Dystopie. Wieder mal werden böse und gute Terminatoren aus der Zukunft in die Jetztzeit – diesmal nach Mexiko – geschickt. Dort sollen sie die Person, die Jahre später den Widerstand der Menschen gegen die Maschinen anführen wird, töten beziehungsweise retten. Gähn. So bekannt wie die ewig gleiche Handlung ist inzwischen das Mantra des Schöpfers der Filmserie, James Cameron: Der neue Film sei fantastisch und qualitativ endlich wieder auf dem Niveau der ersten beiden Teile. Man darf dem Mann einfach nichts mehr glauben.

#metoo: In der fünften Fortsetzung der Robocalypse von 1984 übernehmen drei starke Frauen die Führung. Neu im dauerrecycelten Kosmos sind Mackenzie Davis als Maschinenmensch und Natalia Reyes, die terminiert/gerettet werden soll. Linda Hamilton hat sich nochmal mit Geld überreden lassen, in diesem unnötigen sechsten Aufguß mitzuspielen, ebenso wie der unverzichtbare Arnold Schwarzenegger. Als graubärtiger, alt gewordener Terminator mit Gewissen (!) kümmert er sich lieber um seine Familie (!!), als Killerrobotern den Garaus zumachen.

Es gibt ein paar nette state-of-the-art Spezialeffekte zu bewundern, der neue Terminator Rev-9 (Gabriel Luna) kann sich splitten und gleichzeitig als Skelett und Hülle kämpfen, also zwei Killer zum Preis von einem,  sowie reichlich „Ägdschen“, krachende Verfolgungsjagden am Boden, durch die Luft und unter Wasser. Erstaunlich für so eine Big-Budget-Produktion: Der Film hat einen unschönen TV-Look, sieht in manchen Szenen irritierend billig aus. Die Bilder wirken künstlich, Explosionen sehen wie aus einem Computerspiel aus – vielleicht ein Zugeständnis an die Sehgewohnheiten der Zielgruppe U15.

FAZIT

Immerhin: Von den vier Fortsetzungen, die nach „T 2“ ins Kino kamen, ist „Dark Fate“ noch die gelungenste. Doch die Geschichte war schon nach dem zweiten Teil auserzählt. Nun ist es endlich Zeit, das Terminator-Franchise zu beerdigen. 

Originaltitel „Terminator: Dark Fate“
USA 2019
123 min
Regie Tim Miller
Kinostart 24. Oktober 2019

PARASITE

Familie Kim haust in einer versifften Kellerwohnung. Erst als Sohn Ki-woo einen Job als Nachhilfelehrer bei den steinreichen Parks ergattert, wendet sich das Blatt. Schnell kapiert er, dass vor allem Frau Park ausgesprochen leichtgläubig ist. Durch Tricksereien gelingt es ihm, seine Schwester als Kunsterzieherin, seinen Vater als Chauffeur und später seine Mutter als Haushälterin in die Familie einzuschleusen. Bald sind die Kims unverzichtbar für ihre neuen Herrschaften. Doch statt serviler „Downton Abbey“-Dienerschaft nistet sich eine parasitäre Verbrecherbande ins Haus der Parks ein.

Angesichts des Titels könnte das neue Werk von Bong Joon Ho („The Host“, „Snowpiercer“, „Okja“) auch ein Horror-Film sein. Doch der Parasit ist in diesem Fall kein schleimiges Ekelvieh, sondern der Mensch selbst. Kapitalismuskritik, verpackt in eine Metapher: Die armen Kims leben buchstäblich ganz unten in einem wanzenverseuchten Loch, während die reichen Parks ganz oben in einem Traum aus Glas und Beton residieren. Wer am Ende der wahre Parasit ist, bleibt Interpretationssache.

„Parasite“ steckt voller Überraschungen: Clevere Gaunergeschichte, bisssige Gesellschaftssatire und spannender Thriller. Als Zuschauer weiß man nie genau, wohin sich der Film entwickelt. Wie schon die vorherigen Arbeiten des Regisseurs, ist auch „Parasite“ wunderschön fotografiert und mit viel Stilgefühl ausgestattet.

FAZIT

Die brillante Genremischung ist zu Recht der Goldene Palme Gewinner von Cannes 2019.

Originaltitel „Gisaengchung“
Südkorea 2019
131 min
Regie Bong Joon Ho
Kinostart 17. Oktober 2019

DEM HORIZONT SO NAH

Chick Flick-Alarm: „The Notebook“, „Das Leuchten der Stille“, „Mit Dir an meiner Seite“ – Die grenzkitschigen bis schmalzigen Nicholas Sparks-Verfilmungen sind echte Tearjerker und laufen stets nach dem gleichen Schema ab: Boy meets girl. Liebe. Drama. 

„Dem Horizont so nah“ passt perfekt in dieses Universum, ist aber tatsächlich deutsch. Die Vorlage liefert ein Roman, der 2016 wochenlang auf Platz 1 der BILD-Bestsellerliste stand – nicht unbedingt eine Empfehlung.
Der erste Band der sogenannten „Danny Trilogie“ basiert auf wahren Begebenheiten und hat alles, was das Herz begehrt: zwei schöne junge Menschen (Luna Wedler und Jannik Schümann, machen ihre Sache gut), viel Liebesschmerz, reichlich leidenschaftlichen (jugendfreien) Sex und selbstredend das ganz große Drama. Beziehungsweise Dramen, denn es ergiesst sich ein ganzes Füllhorn an Leid über das junge Glück: Krankheit, Kindesmissbrauch, Drogen, Tod.

Laut der Produzenten sollte „Dem Horizont so nah“ ein echter, ironiefreier Liebesfilm werden und nicht schon wieder eine romantische Komödie. Das ist immerhin geglückt – viel zu lachen gibt’s nicht. Von der bittersüßen Romanze zur Schnulze ist es ein kurzer Weg und von da sind es nur noch zwei Taschentücher zur Schmonzette – der U-16-Zielgruppe dürfte genau das gefallen.

FAZIT

Früher hiess sowas „Bravo Love Story“.

Deutschland 2019
109 min
Regie Tim Trachte
Kinostart 10. Oktober 2019

47 METERS DOWN: UNCAGED

„Oh my God! You guys!“ Vier dauerschreiende US-Teenage Girls in knappen Bikinis verirren sich in einer Unterwasserhöhle und werden von blinden, aber gefräßigen Haien bedroht.

Handwerklich schlecht gemacht – minutenlang ist im trüben Wasser nichts zu erkennen – schauspielerisch bescheiden und dafür nicht mal spannend.

FAZIT

Großer Schmarrn.

Originaltitel „47 Meters Down: Uncaged“
USA 2019
91 min
Regie Johannes Roberts
Kinostart 10. Oktober 2019

JOKER

„Joker“, oder das Gegenteil von schönen Menschen in schöner Umgebung. Dieser Film macht keine gute Laune – und trotzdem: „Joker“ ist überraschend unterhaltsames, großes Kino. 

Gotham City, Anfang der 1980er Jahre, eine verbrecherische, korrupte Stadt in Aufruhr. Hier lebt Arthur Fleck mit seiner schwerkranken Mutter Penny in einer verwahrlosten Mietskaserne. Ein einsamer, gequälter Mann. Der Berufsclown leidet unter dem unkontrollierten Drang, zu den unpassendsten Gelegenheiten in irres Gelächter auszubrechen. Schuld ist eine in der Kindheit erlittene Gehirnverletzung. Eine erklärende Karte, vorbildlich laminiert, reicht Arthur bei passender Gelegenheit seinem irritierten Gegenüber. Als er von Teenagern auf offener Straße zusammengeschlagen und später in der U-Bahn verspottet wird, brennen bei dem Außenseiter die Sicherungen durch. Ein Clown sieht rot.

Düster, bedrohlich und die mutigste Comicverfilmung seit „The Dark Knight“.  Regisseur Todd Phillips nimmt sich jede Menge Zeit für die Entwicklung seiner sich kontinuierlich abwärts drehenden Spirale in den Wahnsinn. Joaquin Phoenix spielt die tragische Figur des Arthur Fleck phänomenal. Für die Rolle hat Phoenix dramatisch abgenommen, sein skelettartiger Körper sieht überzeugend furchterregend aus. Die Kombination aus komplett irrem Lachen und bulimischer Figur sollte auf jeden Fall für eine Oscarnominierung reichen. Dagegen wirkt Heath Ledgers legendäre Interpretation des ewigen Batman-Widersachers beinahe gesund und unbeschwert. In einer Nebenrolle glänzt Robert de Niro als Johnny Carson-Verschnitt. Eine Besetzung auf Metaebene, erinnert „Joker“ doch in weiten Teilen an Scorseses großen Kinoerfolg von 1976 „Taxi Driver“, damals mit dem jungen de Niro in der Hauptrolle.

FAZIT

Düstere Charakterstudie statt strahlend bunter Superhelden. Gelungene Comicverfilmung, nichts für Eskapisten.

Originaltitel „Joker“
USA 2019
122 min
Regie Todd Philips
Kinostart 10. Oktober 2019

SKIN

Tattoos sind Scheiße. Das Stechen tut weh, das Entfernen noch mehr. Diese Wahrheit muss Bryon (Jamie Bell) am eigenen Leib erfahren. Nach seinem Entschluss, sich von seinen rassistischen White-Supremacy-Freunden loszusagen, wartet eine schmerzhafte Enttintungsprozedur auf ihn. Bei seinem Weg ins neue Leben helfen ihm ausgerechnet schwarze Menschenrechtsaktivisten und natürlich die Liebe, denn Freundin Julie hat mit dem Nazipack ebenso abgeschlossen.

Der israelische Filmemacher Guy Nattiv erzählt in seinem ersten US-Spielfilm die wahre Geschichte des Szeneaussteigers Bryon „Babs“ Widner. „Skin“ basiert auf Nattivs gleichnamigen, in diesem Jahr mit einem Oscar prämierten Kurzfilm.

FAZIT

Eindringliches und authentisches Thriller-Drama. Hervorragend besetzt, vor allem Jamie Bell („Billy Elliot“) überzeugt als bekehrter Rassist. 

Originaltitel „Skin“
USA 2019
117 min
Regie Guy Nattiv
Kinostart 03. Oktober 2019

AMA-SAN

Kontemplation total. Sanft schaukelnde Boote, blauer Himmel, das Licht der Nachmittagssonne bricht sich in den Wellen. Drei Damen fortgeschrittenen Alters, eine ist schon weit über 80, bereiten sich auf einen Tauchgang vor. Matsumi, Mayumi und Masumi sind Ama-San – japanische Taucherinnen, die eine spezielle Technik beherrschen: Sie können ohne die Hilfe von Sauerstoffflaschen ungewöhnlich lange unter Wasser bleiben. Ihre Atemluft reicht aus, Seeigel und Muscheln mit dem Messer vom felsigen Grund des Ozeans zu schneiden und unbeschadet wieder aufzutauchen.
 
Liebevoll und zurückhaltend zeichnet Regisseurin Varejão in wunderschön komponierten Bildern das Porträt dreier Frauen, die einer jahrtausendealten, vom Aussterben bedrohten Tätigkeit nachgehen. Der Dokumentarfilm wechselt zwischen der traumgleichen Unterwasserwelt des Pazifischen Ozeans und amüsanten Beobachtungen des häuslichen Alltags der Protagonistinnen.
 

FAZIT

Sanftmütiger Blick auf eine faszinierende, beinahe vergangene Welt.

Originaltitel „Ama-San“
Portugal / Japan / Schweiz 2016
112 min
Regie Cláudia Varejão
Kinostart 03. Oktober 2019

GELOBT SEI GOTT

Gequälte Kinder: François Ozons neuer Film erzählt von den Opfern des Paters Bernard Preynat, der 2016 wegen sexueller Übergriffe auf rund 70 Jungen angeklagt wurde.
Die meisten der Fälle sind mittlerweile verjährt. Stellvertretend beleuchtet „Gelobt sei Gott“ das Schicksal dreier erwachsener Männer, die es erst nach vielen Jahren schaffen, sich ihrem Dämon zu stellen. Sie leiden bis heute unter den Verletzungen, die ihnen der Pater ungehindert zufügen konnte. Und das trotz zahlreicher Hinweise und Beschwerden von Eltern.
Das nüchtern inszenierte Drama prangert nicht nur den Priester, sondern vor allem das Schweigen der Kirche insgesamt an. 

FAZIT

Souverän und unaufgeregt  – dadurch umso eindringlicher. Wichtiger Film zu einem lange verschwiegenen Thema. 

Originaltitel „Grâce à Dieu“
Frankreich 2019
137 min
Regie François Ozon
Kinostart 26. September 2019

DER DISTELFINK

Eins vorab: das Buch von Donna Tartt verdient 5 Sterne. Die Frage, wie der 1000-Seiten-Roman in einen einzigen Kinofilm passen soll, hat Regisseur John Crowley mit seiner Filmadaption gerade beantwortet: gar nicht! In den USA hatte „The Goldfinch“ – Zitat – „one of the worst openings ever“, der INDEPENDENT schreibt, der Film sei auf dem Weg „one of the biggest flops in cinema history“ zu werden und nennt den Film “a gigantic waste of time”.

Wer das Buch gelesen hat, ist enttäuscht, weil dem Film soviel fehlt, dass man sich fragt, was man da eigentlich gerade gesehen hat. Der Roman hätte locker Material für eine 8-Teilige Miniserie geliefert. Wer das komplexe Buch nicht gelesen hat, versteht den Film womöglich gar nicht und langweilt sich durch die 149 Minuten.

Theo sitzt in einem Hotelzimmer in Amsterdam und erinnert sich, wann und warum sein Leben den Bach runterging: als Kind besucht er mit seiner Mutter das Metropolitan Museum in New York, als ein Bombenattentat große Teile des Museum zerstört und Theos Leben gleich mit, denn bei dem Attentat kommt seine Mutter ums Leben. Im Chaos nach dem Anschlag klaut Theo ein Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, auf dem ein Distelfink zu sehen ist und das seine Mutter besonders liebte. Das Meisterwerk, nun in Theos Besitzt, gilt fortan als verschollen.

Ein versoffener Vater, ein ukrainischer Junge namens Boris, eine reiche New Yorker Familie, ein Antiquitätenhändler und ein rothaariges Mädchen spielen auch noch entscheidende Rollen in Theos Leben. Es wird gestorben, es wird geliebt und gelitten, aber alles eben nur an der Oberfläche. Die tiefen Gefühle des Romans erreicht der Film nicht. Wie der Tod der Mutter Theo das Herz bricht, wie ihm das Gemälde über Jahre ein Trost ist, ihn aber gleichzeitig in den kriminellen Abgrund zieht, was Freundschaft aushalten kann und wie man überhaupt das ganze elende Leben ertragen soll, das deutet der Film leider nur an.

FAZIT

Sehr empfehlenswerter Roman. Wer nach dem Lesen mag, kann sich den Film noch ansehen, muss aber nicht sein.

Originaltitel „The Goldfinch“
USA 2018
149 min
Regie John Crowley
Kinostart 26. September 2019

NUREJEW – THE WHITE CROW

Paris, Anfang der 60er Jahre: Während des Kalten Krieges schickt die Sowjetunion ihre beste Tanzkompanie zu Propagandazwecken in den Westen. Das französische Publikum liebt vor allem den 23-jährigen Rudolf Nurejew. In seiner Freizeit streift der junge Tänzer durch die Museen und Jazz-Klubs der Stadt. Bald findet er Geschmack an der neuen Freiheit und beschließt, politisches Asyl zu beantragen.

„Nurejew – The White Crow“ erinnert an einen Tänzer, der das Rollenverständnis und die Choreografie des modernen Balletts revolutionierte. Rücksichtsloser Egoist, Genie, Choleriker – bisweilen ein richtiges Arschloch. Regisseur Ralph Fiennes zeigt auch die unschönen Seiten des 1993 an AIDS verstorbenen Künstlers. Der Film erzählt Nurejews Leben von der Geburt in der Transsibirischen Eisenbahn bis zu seiner Flucht im Juni 1961. 

In der Titelrolle brilliert angemessen unsympathisch ein Newcomer: Oleg Ivenko tanzt seit seinem 5. Lebensjahr professionell, macht also nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Balletttänzer eine überzeugende Figur.

FAZIT

Vielschichtige Biografie – schön retro auf 16 mm gedreht.

Originaltitel „The White Crow“
GB / Frankreich / Serbien 2018
122 min
Regie Ralph Fiennes
Kinostart 26. September 2019

SYSTEMSPRENGER

MAMAAAAA!!! AAAAAHHHHH! Kreisch, Strampel, Tob: der Film zum Prenzlpanther.
Benni (Helena Zengel) ist ein „Systemsprenger“. So nennt man Kinder, die durch alle Raster der deutschen Kinder- und Jugendhilfe fallen. Die Neunjährige schreit und prügelt sich schon nach kurzer Zeit aus jeder Pflegeeinrichtung raus. Genau das ist ihr Plan, denn sie möchte endlich wieder bei ihrer leiblichen Mutter leben.

Nora Fingscheidt ist ein intensiver, beinahe dokumentarischer Film über ein schwieriges Kind in noch schwierigeren Umständen gelungen. Als Zuschauer schwankt man zwischen Mitleid, Genervtheit und Hass. Das Dauer-Geschrei, aber auch die Ungerechtigkeit der Welt, geht an die Grenzen des Ertragbaren. Völlig zu Recht im Rennen um den besten ausländischen Film bei den Oscars 2020.

FAZIT

Guter Film mit einer herausragenden Hauptdarstellerin.

Deutschland 2019
118 min
Regie Nora Fingscheidt
Kinostart 19. September 2019

AD ASTRA – ZU DEN STERNEN

Auf der höchsten Antenne der Welt, deren Spitze bis in den Weltraum ragt, arbeitet Astronaut Roy McBride (Brad Pitt) – der coolste von allen. Selbst als die Antenne von einem Stromschlag getroffen wird und er aus vielen Kilometern Höhe zur Erde stürzt, bleibt sein Puls konstant bei 60. Der mysteriöse Energiestoß kommt vom Neptun, wo Roys verschollen geglaubter Vater vermutet wird. Um weitere Katastrophe zu verhindern, reist Major McBride an den äußeren Rand des Sonnensystems.

Orgelmusik. Tiefsinnige, innere Monologe. Weltraumaufnahmen, die so perfekt sind, als sei ein Kamerateam dorthin gereist: Klingt wie eine Beschreibung des Science-Fiction-Epos „Interstellar“, ist aber „Ad Astra“, der diesjährige US-Wettbewerbsbeitrag der Filmfestspiele von Venedig. 

Ging es bei Christopher Nolan um das zerrissene Band zwischen Vater und Tochter, ist diesmal eine kaputte Vater-Sohn Beziehung das Thema. Außer einer sehr hübsch gemachten actionreichen Verfolgungsjagd auf dem Mond setzt Regisseur Gray hauptsächlich auf schwermütige Erkenntnissuche. Familienaufstellung im Kosmos. Brad Pitts Talent als Charmeur wird verschenkt. Wie schon Ryan Gosling in „First Man“ beschränkt sich seine Schauspielerei auf trauriges vor sich Hinstarren. Das macht auf Dauer nur bedingt Freude beim Zusehen. Der Filmtitel leitet sich von der lateinischen Redewendung „Per aspera ad astra“ ab, was soviel wie „Durch Mühsal gelangt man zu den Sternen“ heißt. Da ist was dran – die 116 Minuten fühlen sich wie 4 Stunden an.

FAZIT

Mehr was für Freunde von Soderberghs „Solaris“.

Originaltitel „Ad Astra“
USA 2019
116 min
Regie James Gray
Kinostart 19. September 2019