JOHN WICK: KAPITEL 3

Im Berliner Zoopalast gibt es bekanntlich die beste Bestuhlung. Besonders zu empfehlen: Kino 2. Da lassen sich die Sitze elektrisch verstellen und auf Knopfdruck beinahe in Schlafposition bringen. Für den Zuschauer angenehm, denn ist der Film mal etwas zäh, ist zwischendurch wenigstens ein anständiges Nickerchen drin. Apropos: In „John Wick: Kapitel 3“ reiht sich eine Kampfszene an die nächste, das hört und hört nicht auf. Gewohnt perfekt choreografiert, besonders ein spektakuläres Messerduell hat es in sich, aber die unendlich in die Länge gezogenen Metzeleien ermüden auf Dauer. Der Film wirkt wie das zu lang geratene Showreel einer Stuntagentur (nicht überraschend, Regisseur Chad Stahelski war früher selbst Stuntman).

Die Story knüpft nahtlos ans Ende des zweiten Teils an: Auf John Wick ist ein Kopfgeld in Höhe von 14 Millionen Dollar ausgesetzt. Das bietet diversen Kriminellen Anlass (New York scheint unendlich viele davon zu haben), Jagd auf den Titelhelden zu machen. Viel mehr passiert in 128 Minuten nicht. Dagegen war der auch nicht gerade komplexe Racheplot für den getöteten Hund im ersten Teil noch um einiges origineller.

Keanu Reeves macht, was er am besten kann: schwarze Anzüge tragen und grimmig aus der Wäsche gucken. Soll sich aber keiner beschweren, denn der dritte (und sicher nicht letzte) Teil der John Wick Saga liefert genau das, was Fans erwarten – jede Menge stylische, visuell kreativ umgesetzte Kampfszenen.

FAZIT

Trotz Augenfutter – bei einer Laufzeit von über zwei Stunden gibt es zwischendurch spürbare Längen.

Originaltitel „John Wick: Chapter 3 – Parabellum“
USA 2019
128 min
Regie Chad Stahelski
Kinostart 23. Mai 2019

EDIE – FÜR TRÄUME IST ES NIE ZU SPÄT

Am Ende eines Lebens: Der alte Griesgram von Ehemann tot, das Haus zu leer, die Tochter kühl und ohne Verständnis. Der nächste unausweichliche Schritt: das Altersheim, wo Senioren wie unmündige Kinder behandelt werden. Die 83-Jährige Edie hat darauf keine Lust. Nachdem sie sich ein Leben lang den Wünschen anderer untergeordnet hat, bricht sie aus, um sich einen Traum zu erfüllen: die Besteigung von Mount Suilven in den schottischen Highlands.

Die rüstige Greisin macht sich auf die Reise und bleibt nicht lange alleine. Gleich am Bahnhof wird sie von Jonny umgerannt, der rein zufälligerweise Bergführer ist und einen Laden für Wanderbedarf führt. Dort stattet sich Edie erst mal neu aus, denn natürlich hat sie – hahaha, immer diese alten Leute – von „modernem“ Kram keine Ahnung. Ihr Campingkocher wird noch mit Kohlemotor angetrieben, die Teekanne stammt aus dem 17. Jahrhundert und – iiiih!! ein Handy – was ist das denn???
Ein paar Klischees weniger hätten es auch getan.

So lahm teilweise die Drehbuchideen, so beherzt spielt Sheila Hancock dagegen an. Der hoffnungslose Blick ins Leere, während der gelähmte Ehemann mit dem Treppenlift nach unten fährt. Das wütende Abwischen des Lippenstifts, weil ihr das eigene Alter bewusst wird und sie sich lächerlich fühlt. Die Tragikomödie hat viele solch schöner Momente. Regisseur Simon Hunter hat das gut inszeniert und vertraut zu Recht auf seine großartige Hauptdarstellerin.

„Edie – Für Träume ist es nie zu spät“ – das sich einstellende Rosamunde Pilcher-Feeling liegt nicht nur am schnulzigen deutschen Verleihtitel, sondern vor allem an der Musik, die unnötig banalisiert. Der Holzhammer-Score mit seinen 5.000 heulenden Geigen und klimpernden Akustikgitarren schreibt penetrant vor, was man zu fühlen hat. Weniger wäre mehr. 
Sei’s drum. Mit etwas Altersmilde betrachtet, ist das nette Unterhaltung mit schönen Naturaufnahmen und einer würdevollen Hauptdarstellerin.

FAZIT

Selbstverwirklichung im Alter.
Den Silberrücken im Kino hat’s gefallen – es wurde viel und zustimmend gekichert.

Originaltitel „Edie“
Großbritannien 2017
102 min
Regie Simon Hunter 
Kinostart 23. Mai 2019

BLOWN AWAY

Jeden Morgen duschen, Haare frisieren, zur Arbeit gehen, Geld verdienen: Bringt es das auf Dauer? Nö, finden die Studienfreunde Hannes Koch und Ben Schaschek und machen lieber den ultimativen Aussteigertraum wahr: eine Reise mit Segelboot und Bus rund um die Welt, viereinhalb Jahre Auszeit. Auf ihren Stationen treffen die beiden dabei immer wieder auf Gleichgesinnte, mit denen sie spontan Musik aufnehmen. Das Besondere: die verschiedenen Tracks eines Songs entstehen jeweils an unterschiedlichen Orten auf der Welt: die Gitarre beispielsweise in Südafrika, Monate später der Gesang in Brasilien und die Streicher in Salvador. Ein ungewöhnliches, interkulturelles Musikexperiment.

Besser hätte sich das keine Agentur ausdenken können: Hannes und Ben sind perfekt gecastet – blaue Augen, blonde Haare, Vollbärte. Zwei liebenswerte Hipster-Hippies auf großer Fahrt. Obwohl beide vom Segeln keine Ahnung haben, fahren sie mal eben so von Australien über Indonesien nach Südafrika und dann, schwupps, überqueren sie auch noch den Atlantik bis Südamerika. Alles easy, man muss es nur wollen. Als Marketingvehikel, um die Musik der beiden zu promoten, ist der Film perfekt gelungen. Nichts scheint unmöglich, man würde am liebsten direkt mit an Bord gehen, oder ersatzweise schon mal den chilligen Soundtrack kaufen.

FAZIT

Den Weltreisenden ist zusammen mit Regisseur Micha Schulze ein unaufgeregter, sehr unterhaltsamer Dokumentarfilm über Freundschaft, Musik und Abenteuer gelungen. Einziger Minuspunkt: Die dauer gut gelaunte Offstimme (Hannes) lässt den Film zeitweise wie eine ProSieben-Galileo-Reportage wirken.

Deutschland 2019
119 min
Regie Micha Schulze
Kinostart 23. Mai 2019

DAS FAMILIENFOTO

Gabrielle verdient ihr Geld, indem sie sich von Touristen als lebende Statue fotografieren lässt. So driftet sie nonchalant durchs Leben. Ihr pubertierender Sohn findet seine freigeistige Mutter die meiste Zeit nur peinlich. Gabrielles Schwester Elsa verbittert an ihrem unerfüllten Kinderwunsch, folglich ist ihre Laune dauerhaft schlecht bis sehr schlecht. Und Bruder Mao verdient zwar haufenweise Geld als Spieleentwickler, kämpft aber mit Depressionen.
Die Verkorkstheit der Kinder geht, wie so oft, auf das Konto der Eltern: Die Mutter der drei Geschwister, eine Psychotherapeutin, mischt sich immer noch übergriffig in das Leben ihrer erwachsenen Kinder ein. Ihr geschiedener Ex-Mann war zu sehr mit seinen zahlreichen Geliebten beschäftigt, um sich um die Erziehung zu kümmern. Nun trifft die dysfunktionale Familie bei der Beerdigung des Großvaters wieder aufeinander und steht plötzlich vor einem gemeinsamen Problem: wohin mit der dementen Großmutter?

Cécilia Rouauds Film erzählt von Menschen, die nicht zueinander finden, die sich lieben, aber nicht aus ihren gelernten Verhaltensmustern ausbrechen können. Um dann doch, durch eine kleine Veränderung, alles umzukrempeln.
„Das Familienfoto“ ist ein sehr französischer Film. Liebe, Schmerz, Trauer und Familienwahn – federleicht und ohne Peinlichkeit inszeniert. 

FAZIT

Seine Freunde kann man sich aussuchen, die Familie nicht. Mit Vanessa Paradis, Camille Cottin und 
Pierre Deladonchamps hervorragend besetzt, und trotz Drama komisch und unterhaltsam.

Originaltitel „Photo De Famille“
Frankreich 2019
98 min
Regie Cécilia Rouaud 
Kinostart 16. Mai 2019

THE SILENCE

Horrorfilmschule, erstes Semester: steigere langsam die Spannung, zeige dein Monster nicht zu früh. Bei „The Silence“ dauert es ganze drei Minuten, bis die „Avispas“ ihren ersten Auftritt haben. Die hässlichen Vögel sind eine Mischung aus Gummifledermaus, Alien und gotischem Wasserspeier. Kaum, dass sie einer unterirdischen Höhle nach mehreren Millionen Jahren Gefangenschaft entfleucht sind, fallen sie in Hitchcock’scher Manier blutgierig über die Menschheit her. Die Viecher sind blind, verfügen aber über ein ausgezeichnetes Gehör. Deshalb heißt es ab sofort: Ruhe! Wie passend, dass Hauptfigur Ally (Kiernan Shipka) gehörlos ist. Aus dieser Behinderung macht der Film zwar nichts weiter, aber dadurch beherrscht Allys Familie perfekt die Gebärdensprache. Das erleichtert die geräuschlose Kommunikation erheblich. (Wäre stumm nicht noch besser gewesen?)

Wem die Geschichte vom geräuschempfindlichen Monster irgendwie bekannt vorkommt – letztes Jahr lief „A Quiet Place“ in den Kinos. Allerdings war der um Klassen besser und hat seine Monster klugerweise nicht gezeigt, was ihre Bedrohlichkeit erheblich gesteigert hat.

 „The Silence“ versagt auf vielen Ebenen. John R. Leonettis Film ist größtenteils unspannend, unbeholfen inszeniert und stümperhaft zusammengehackt. Manches wirkt irritierend zusammenhanglos, als stammten Szenen  aus einem anderen Film  – sie beginnen ohne Einführung und enden ohne Auflösung. Wichtige Teile, die eigentlich dem Verständnis dienten, scheinen ersatzlos der Schere zum Opfer gefallen zu sein. Möglich, dass es irgendwann mal eine längere, bessere, oder sogar noch viel schlechtere Version des Films gab.

FAZIT

Das Leben ist teuer und sonst verlässlich gute Schauspieler machen zwischendurch auch mal Schrottfilme fürs Geld. „The Silence“ – selten sah man Stanley Tucci schlechter.

USA 2019
90 min
Regie John R. Leonetti
Kinostart 16. Mai 2019

AVENGERS: ENDGAME

Letztes Jahr wurde die Hälfte allen Lebens mit einem Fingerschnippen ausgelöscht und damit auch die Familie der Avengers stark dezimiert. Jetzt kommt die heiß ersehnte Fortsetzung von „Avengers: Infinity War“ ins Kino. Nach mittlerweile zweiundzwanzig Filmen werden im großen Finale alle losen Enden miteinander verknüpft und die noch offenen Fragen beantwortet. Das Marvel Cinematic Universe hat sich im Laufe der Zeit zu einem so komplexen Geflecht ausgedehnt, dass nur sehr treue Zuschauer verstehen, warum wer mit wem gegen wen kämpft. Für diese Fans ist das Epos der Regisseurs-Brüder Anthony und Joe Russo die Erfüllung eines Nerdtraums und der Kinohöhepunkt des Jahres.

Natürlich gibt’s auch diesmal die unvermeidliche CGI-Gigantoschlacht am Ende und auf dem Weg dahin viel Pathos und heroisches in die Ferne Gestarre. Doch trotz seiner drei Stunden Lauflänge ist „Avengers: Endgame“ ein erstaunlich kurzweiliger Film, der fast durchweg die richtige Balance aus Humor, Action und Sentimentalität findet.

FAZIT

Ein befriedigendes (vorläufiges) Ende der Superheldensaga, die 2008 mit „Iron Man“ begann.

USA 2019
182 min
Regie Anthony und Joe Russo
Kinostart 24. April 2019

Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit

Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit  ist ein Film, zu dem man eine Gebrauchsanweisung lesen sollte. Da bei framerate.one der Servicegedanke an erster Stelle steht, bitteschön: Beinahe alle Dialoge werden von den zentral ins Bild gesetzten Schauspielern direkt in die Kamera gesprochen. Warum ist das so? Kameramann Benoît Delhomme wollte damit die Einstellungen wie alte Porträtgemälde aussehen lassen. Gleichzeitig sollte der Bühneneffekt des „Durchbrechens der vierten Wand“, bei dem sich der Schauspieler direkt ans Publikum wendet, derart überstrapaziert werden, dass man sich mit der Zeit daran gewöhnen und es als natürlich empfinden soll. Das gelingt jedoch nicht wirklich.
Normalsterbliche könnten sich auch fragen, warum der Film so verwackelt und hektisch hin und her gerissen aussieht. Die naheliegende Erklärung: Die Kamera sollte sich wie ein Pinsel beim Malen eines impressionistischen Bildes bewegen. Doch auch hier finden Theorie und Praxis nicht zusammen – die Dauerhandkamera nervt gewaltig. Unnötig , weil die Bilder eigentlich schön sein könnten, denn es wurde vor allem an Originalmotiven in Südfrankreich gedreht.

Regisseur Julian Schnabel ist selbst Maler und daher nicht besonders an einem klassisch erzählten Biopic interessiert. Sein Künstlerportrait ist mehr eine Sammlung von improvisierten Szenen und philosophischen Abhandlungen über das „Malersein“ an sich. Wie Vincent van Gogh seinerzeit, ist das Filmteam einfach losgezogen, um die Stimmungen und die berauschenden Farben der lichtdurchfluteten Landschaften einzufangen. Willem Dafoe gibt einen glaubwürdigen Vincent ab, obwohl er mit seinen 63 Jahren deutlich älter als der mit 37 verstorbene Künstler ist. Dank Kostüm und Maske sieht er dem Maler aber nicht nur verblüffend ähnlich, er beherrscht den ganzen Film mit seinem überragenden Spiel.
Zu Recht gab’s dafür eine Oscarnominierung.

FAZIT

Van Gogh vermittelt die Zerrissenheit und den Wahn des Künstlers eindrucksvoll und nachfühlbar. Aber wie das mit Wahnsinn so ist – man muss ihn auch ertragen können. Arthouse Kino, nicht unanstrengend.

USA/Frankreich 2018
111 min
Regie Julian Schnabel 
Kinostart 18. April 2019

Hellboy – Call of Darkness

In der neuen Verfilmung der Comicbuchreihe „Hellboy“ muss der Halbdämon (David Harbour) gegen die Pest verbreitende Hexe Nimue (Milla Jovovich) und einen Haufen anderer Monster und Mutanten kämpfen.

Menschen werden wie Stoffpuppen zerrissen, Kopfhaut wird abgezogen und Leiber werden mit Pfählen aufgespießt. Blutsburger Puppenkiste auf LSD – das klingt allerdings besser, als es tatsächlich ist. Bei der videospielhaft-künstlichen Umsetzung kommt nicht mal gescheites Splatterfeeling auf – oder sonst irgendein Gefühl. Egal, ob gut oder böse – wen interessiert’s? Alle Protagonisten sind gleichermaßen nervig und unsympathisch. Dazu Dialoge, als hätte sie ein 13-Jähriger verfasst: „Scheiße, Mann. Ich hab’ Migräne – das ist wie n Autounfall im Kopf.“

Genau wie dieser Film.

FAZIT

Viel pubertäres Gefluche, blödsinnige Story.
Schlechter Film.

USA 2019
121 min
Regie Neil Marshall
Kinostart 11. April 2019

Christo – Walking on Water

Es ist nicht leicht, Christo zu sein. Unfähige Mitarbeiter und idiotische Bürokraten, egal wo er hinkommt. Warum machen nicht einfach alle, was er sagt? Und dann diese verdammte Technik, neumodische Computerdinger, alles unnützer Schrott!

Christo ist Künstler. Durch und durch. Walking on Water ist eine Dokumentation über seine Installation „The Floating Piers“, die er im Sommer 2016 auf dem Lago d’Iseo in Italien realisiert. Ein drei Kilometer langer, leuchtend gelb bespannter Steg führt quer über den See und ermöglicht es den 1,2 Millionen Besuchern, auf dem Wasser zu laufen. Das Werk existiert nur 16 Tage lang. Es ist gleichzeitig Christos erstes Projekt nach dem Tod seiner Frau Jeanne-Claude. Die Planung hatten die beiden zwar schon 1970 begonnen, aber wie bei allen Kunstwerken des Paares dauert es Jahrzehnte bis zur Verwirklichung. Genehmigungen, Berge von Papieren, fehlende Finanzierungen und nochmals Genehmigungen. Es ist ein Kampf. Aber ist er gewonnen, beschenkt das Ehepaar die Menschheit wieder und wieder mit atemberaubend schönen, poetischen Kunstinstallationen.

Ganz unerwartet ist Walking on Water ein ziemlich rougher Dokumentarfilm. Auf mit elegischer Musik untermalte, epische Drohnenflugaufnahmen wartet man hier vergebens. Regisseur Andrey Paounov hat ein großes Talent, absurde Situationen einzufangen und sie dann gekonnt zu montieren. Sein Enblick in den Wahnsinn hinter den Kulissen der Kunstwelt könnte zwischendurch, nicht nur wegen Christos Ähnlichkeit mit Larry David, glatt eine Folge von „Curb your Enthusiasm“ sein. Ein Treffen mit lokalen Politikern und Polizeioberen wird bei ihm zu einem amüsanten Lehrstück über einschläfernde Marathonsitzungen, in denen viel geredet und nichts gesagt wird. Und ist Christos Kunstwerk endlich vollendet und die Massen strömen, ist die Arbeit noch lange nicht getan. Dann heißt es, die Hände der Schmeichler zu schütteln und mit aufgebrezelten Damen und Herren peinliche Selfies zu machen. Das lächelnd auszuhalten, ist auch eine Kunst.

FAZIT

„Unsere Werke sind alle komplett nutzlos. Wir schaffen sie nur, weil wir sie gerne anschauen möchten“. Christo

Italien / USA 2019
100 min
Regie Andrey M. Paounov
Kinostart 11. April 2019

Friedhof der Kuscheltiere

Dreißig Jahre nach der ersten Verfilmung kommt jetzt eine ebenfalls misslungene Version der unheimlichsten Stephen King-Geschichte ins Kino.

An den Schauspielern liegt es nicht, denn der Thriller ist mit Jason Clarke, John Lithgow, Amy Seimetz und der Newcomerin Jeté Laurence gut besetzt. Aber das beherrschende Thema des Romans, die Urangst, von toten Familienmitgliedern nachts heimgesucht zu werden – schon 1902 das Thema des Gruselklassikers „Die Affenpfote“ – teilt sich kaum mit.

Die Horror-Geschichte vom Vater, der sein tödlich verunglücktes Kind mittels eines alten Indianer-Hokuspokus-Friedhofs wieder ins Reich der Lebenden zurückholt, schleppt sich in dieser Neuverfilmung ohne große Überraschungen dahin. Jeden Schreckensmoment hat man schon allzu oft gesehen – inklusive der kalten Hand, die nach dem Fuß greift, der knarrenden Kellertür und dem stets flackernden Licht. Wenn dann die Leichen in der unheiligen Stätte hinter dem Tierfriedhof verscharrt werden, sieht das unglücklicherweise auch noch wie in einer 60er-Jahre-Studioproduktion der „Hammer Films“ aus: Der Bodennebel kriecht und am Himmel gewittert es. Gruseleffekte aus der Mottenkiste.

Dem Regieteam Kevin Kölsch und Dennis Widmyer gelingt es nur in wenigen Momenten, die bedrohliche Atmosphäre des Romans auf die Leinwand zu übertragen. Der neue Friedhof der Kuscheltiere  ist zwar schön düster, bleibt aber zu vorhersehbar und damit größtenteils langweilig.

FAZIT

Vielleicht lässt sich das Buch einfach nicht fürs Kino adaptieren.  Eine weitere, der unendlich vielen misslungenen Stephen King-Romanverfilmungen.

USA 2019
100 min
Regie Kevin Kölsch und Dennis Widmyer
Kinostart 04. April 2019

Willkommen in Marwen

Der Spielzeugkonzern Matell bringt nächstes Jahr „Barbie – der Film“ in die Kinos – in der Titelrolle beachtlicherweise Margot Robbie. Plastikpuppen mit Stecknadelbeinen, gespielt von Oscarpreisträgern? Die gibt’s schon jetzt im neuen Steve Carell-Film zu sehen. Willkommen in Marwen ist allerdings keine quietschbunte „Barbie meets Ken“-Lovestory, sondern die wahre Geschichte eines traumatisierten Mannes.
Mark Hogancamp wird von einer Horde Rechtsradikaler fast totgeprügelt. Aus dem Koma erwacht, fehlt ihm jegliche Erinnerung an sein früheres Leben. Zur Therapie erschafft er sich seine eigene Wirklichkeit im Garten: Marwen, ein belgisches Miniaturstädtchen im Maßstab 1:6 zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dort lebt, neben bösen Nazis und einer Truppe schwer bewaffneter Frauen, auch sein Alter Ego – der coole, amerikanische Captain Hogie. Hogancamp fotografiert die barbiehaften Puppen, die das Aussehen seiner Freunde und Feinde haben, in selbst erdachten Szenen, aus denen er stets als Held hervorgeht.

Robert Zemeckis ist vor allem für den Einsatz bahnbrechender Spezialeffekte berühmt. „Zurück in die Zukunft“, „Der Tod steht ihr gut“, „Contact“ oder „Forrest Gump“ – immer wieder hat der Regisseur mit innovativen Techniken das Filmemachen revolutioniert. Bei Willkommen in Marwen werden nun erstmals computeranimierte Puppen mit den real gedrehten Augen und Mündern der Schauspieler verschmolzen. Ein fast surrealer Effekt, faszinierend, aber auch etwas spooky.

FAZIT

Visuell außergewöhnlich, dramaturgisch eher schwach. Die Charaktere bleiben klischeehaft und sind zu flach gezeichnet. Es gibt nur zwei Kategorien Mensch: entweder gütig oder grundböse. Willkommen in Marwen ist trotz seiner originellen Geschichte ein durchschnittliches Hollywoodmelodram, das hinter den Erwartungen zurückbleibt.

USA, 2019
116 min
Regie Robert Zemeckis
Kinostart 28. März 2019

Wir

1987 – ein Vergnügungspark am Strand von Santa Cruz. Die kleine Adelaide läuft ihren Eltern weg und findet sich ganz alleine in einem Spiegelkabinett wieder. Während sie durch das dunkle Labyrinth irrt, entdeckt sie zu ihrem Entsetzen, dass das, was zunächst ihr Spiegelbild zu sein scheint, in Wahrheit ihre Doppelgängerin ist. 

Dreissig Jahre später: Adelaide macht mit ihrem Mann und den beiden Kindern Strandurlaub am Ort ihres Kindheitstraumas. In der Familie herrscht leicht angespannte Atmosphäre, denn Adelaide beunruhigen eine Anhäufung seltsamer Zufälle. Die Stimmung kippt unvermittelt in blanken Horror, als nachts plötzlich vier unheimliche Gestalten in der Einfahrt des Ferienhauses stehen. Die Fremden dringen nicht nur brutal in die heile Welt der Wilsons ein, sondern sehen ihnen auch noch  verstörend ähnlich. Die doppelten Lottchen sind mit Scheren bewaffnet und ihnen steht der Sinn nach Mord.

Wir – oder „US“, wie er schön doppeldeutig im Original heißt, ist ein Film zum Zeitgeist: eine Abrechnung mit dem aktuellen, nicht nur US-amerikanischen Phänomen der geschürten Angst vor den Anderen. Weitgehend funktioniert der intelligente Horror. Besonders bei den nervenaufreibenden Szenen, die sich im Ferienhaus abspielen, erinnert der Thriller an „Funny Games“. Wie Michael Haneke, versteht es auch Jordan Peele meisterhaft, permanente Todesangst und Humor in Balance zu halten.

Aber der Regisseur meint es zu gut und hat noch mehr mitzuteilen. Wir  verlässt sich nicht auf seinen Horror, sondern belastet mit immer ausufernderen Erklärungen: Woher kommen die Doppelgänger? Was ist ihre Vorgeschichte? Warum tun sie, was sie tun? Doch durch zu viel Information verliert der Schrecken seine Kraft.

FAZIT

„Wir selbst sind unsere schlimmsten Feinde“ – dieser Satz entwickelt hier eine ganz neue Dimension.
Der Nachfolgefilm zu Peeles brillanten „Get Out“ ist ein intelligenter, größtenteils unheimlicher und überraschend vielschichtiger Thriller, der aber vor allem gegen Ende unter akuter Erklärwut leidet.

USA, 2019
117 min
Regie Jordan Peele 
Kinostart 21. März 2019

Iron Sky: The Coming Race

Nazis auf dem Mond! Hitler lebt!
Filmkenner erinnern sich, das gab’s vor Jahren schon einmal im Kino. Versprühte Iron Sky 2012 noch (mit viel gutem Willen betrachtet) den Charme des Absurden, so war es eigentlich kaum mehr als ein mittelmäßiges Trash-Filmchen – bemüht schräg und nur pseudo-provokant.

Eine eherne Filmregel lautet: Sequels müssen noch einen draufsetzen – simple Nazis auf dem Mond reichen also nicht mehr aus. Diese Vorgabe toppt Iron Sky: The Coming Race mühelos. Die Bedrohung kommt diesmal aus dem Erdinneren in Gestalt von Aliens und Dinosauriern. Konsequenter Höhepunkt des Humbugs: Adolf Hitler, der auf einem T-Rex namens Blondie reitet.

Hätte „Holmes & Watson“ nicht schon abgeräumt – Iron Sky: The Coming Race wäre dieses Jahr der Anwärter auf die „Goldene Himbeere“ für den schlechtesten Film gewesen. Nur eine Vermutung, aber genau das gehört wahrscheinlich auch zum „kultigen“ Kalkül der Macher. Gähn.

FAZIT

Eine Fortsetzung, die die Welt nicht braucht, inhaltlich und handwerklich fragwürdig.
Kleines, irritierendes Detail am Rande: die US-Präsidentin im Film ist, wie schon im Original vor sieben Jahren, eine Dame namens Sarah Palin. Das wirkt seltsam anachronistisch und man fragt sich, wie lange der Film wohl im Giftschrank lag, bevor er jetzt in die deutschen Kinos kommt.

Finnland/Deutschland/Belgien, 2019
93 min
Regie Timo Vuorensola 
Kinostart 21. März 2019

Lampenfieber

Da, wo es die unbequemste Bestuhlung Berlins gibt, spielt der neue Dokumentarfilm von Alice Agneskirchner: im Friedrichstadt-Palast. Die Filmemacherin wirft einen Blick hinter die Kulissen der mit 2.854 m² Spielfläche größten Theaterbühne der Welt. (Isch schwöre, stimmt wirklich!)
Die Herausforderungen bei der Produktion der Kinder- und Jugendshow „Spiel mit der Zeit“ werden artig chronologisch abgearbeitet: vom ersten Casting, über die intensive Probenzeit, bis zur bejubelten Premiere. Dazwischen gestreut gibt’s die üblichen Besuche zu Hause und ein paar Interviews.
„Rhythm is it!“ (2004) oder die Langzeitdoku „Adrians großer Traum“ (2010) hatten da deutlich mehr Tiefe und waren mutiger gemacht. Immerhin sind die sechs angehenden Kinderstars, deren persönliche Entwicklung, Frust und Freude der Film zeigt, gut ausgewählt. Von unbedarft über herzerwärmend bis altklug ist alles dabei. Heimlicher Star ist jedoch die Tanzlehrerin Christina Tarelkin – so patent, mit der möchte man abends mal ein Bier trinken gehen.

FAZIT

Interessantes Thema, konventionell gemachter Film.

Deutschland 2019
92 min
Regie Alice Agneskirchner
Kinostart 14. März 2019

Trautmann

Was fällt einem Briten spontan ein, wenn man ihn zu Deutschland befragt?
Fußball und Nazis – allerdings nicht zwingend in dieser Reihenfolge. Zum Glück schreibt das Leben die schönsten Geschichten. Bert Trautmann ist in dieser Hinsicht die perfekte Mischung: ein fußballspielender Ex-Nazi.

Bert Trautmann? Nie gehört? Selbst größte Kickerfans müssen da erst mal nachdenken. Der Deutsche gerät während des Zweiten Weltkriegs in englische Gefangenschaft. Nach Kriegsende bleibt er in England und wird bei Manchester City zum erfolgreichsten Torhüter seiner Zeit. Er verliebt sich in Margaret, die Tochter seines Trainers, die beiden heiraten und werden Eltern dreier Söhne. Als er 1956 im Pokalfinale trotz gebrochenen Halswirbels weiterspielt und so seinem Team den Sieg sichert, wird er zum englischen Nationalhelden.

Ein Film wie ein Überraschungsei: Trautmann ist interessantes Historiendrama, spannende Sportlerbiografie und berührende Liebesgeschichte. Natürlich wurde für den Film das wahre Leben etwas gepimpt und unpassende Details wurden ausgespart. So hatte der echte Bernhard Trautmann schon eine gescheiterte Beziehung hinter sich und war Vater einer Tochter, bevor er Margaret kennenlernte. Und auch diese Ehe hielt nur bis Ende der 1960er Jahre. Aber egal, Film ist Illusion und es ist Regisseur Marcus H. Rosenmüller zu verdanken, dass Trautmann trotz Geschichtsglättung nicht zu einem kitschigen Feelgood-Movie geworden ist. David Kross ist als Titelheld ein Glücksfall, denn er spielt die Rolle des von inneren Dämonen gepeinigten Mannes angenehm zurückhaltend und ist obendrein ein begabter Fußballer.

FAZIT

Ohne Erwartungen gesehen, positiv überrascht. Schöner Film, trotz deutscher Synchronfassung.

Deutschland/GB 2019
120 min
Regie Marcus H. Rosenmüller
Kinostart 14. März 2019

Captain Marvel

Negative Kritik an Captain Marvel  ist Meckern auf hohem Niveau. Wie gewohnt ist das neueste Kapitel im Marvel Cinematic Universe perfekt gemachtes Popkornkino. Allerdings liegt die Latte mittlerweile so hoch, sind die Fans derart verwöhnt, dass es auffällt, wenn Story und Effekte nur guter Durchschnitt sind. Captain Marvel  bietet kaum etwas, was man nicht so oder besser schon in anderen Produktionen gesehen hätte. Nach dem bahnbrechenden „Black Panther“ und witzigen „Ant-Man and the Wasp“ im vergangenen Jahr ist dies eher eine kleine Zwischenmahlzeit bis zum großen Finale in „Avengers: Endgame“.

Captain Marvel  spielt Mitte der 1990er Jahre: Zwei verfeindete Alienvölker verlagern aus irgendeinem nicht näher erläuterten Grund ihre Auseinandersetzung auf unsere Erde. Dabei spielt Carol Danvers aka Captain Marvel eine Schlüsselrolle – sie kann als Einzige den intergalaktischen Krieg beenden.

Im ersten Viertel noch auf gute Art verwirrend, beinahe wie ein Traum inszeniert, wird Captain Marvel  im weiteren Verlauf immer konventioneller. Neu ist, dass diesmal nicht die Bösewichter generisch und damit uninteressant sind, sondern die Heldin selbst. Brie Larson ist zwar eine ausgezeichnete, Oscar-gekrönte Schauspielerin, aber aus der eindimensionalen Figur Captain Marvel kann selbst sie nicht viel heraus holen. Die Titelheldin bleibt einem auch nach zwei Kinostunden seltsam egal. Das könnte daran liegen, dass der Film die klassische Entwicklungsgeschichte der Heldin dramaturgisch umgeht. Statt den gewohnten Weg vom Nobody zum Superhero zu erzählen, verfügt Captain Marvel schon von Anfang an über ihre Superkräfte. Das wird ausführlich in den mittlerweile zum Standard gehörenden „Haut glüht von innen, Energiestrahl aus Auge/Hand/Mund zerbombt alles“-Szenen gezeigt. Wenigstens bringen der digital verjüngte Samuel L. Jackson und eine niedliche Alienkatze ein bisschen Spaß in die Sache.

FAZIT

Beim Rennen um den besten weiblichen Superhelden geht DC als klarer Sieger hervor: „Wonder Woman“ hat mehr Charme, Witz und Herz als der 21. Film aus dem Marvel-Universum.

USA 2019
124 min
Regie Anna Boden & Ryan Fleck
Kinostart 07. März 2019

Kirschblüten & Dämonen

Doris Dörrie hat einen Gespensterfilm gemacht, der so unheimlich wie ein Hui Buh-Hörspiel ist.
Die Fortsetzung ihres Erfolgsfilms „Kirschblüten – Hanami“ aus dem Jahr 2008 erzählt vom einsamen Alkoholiker Karl (Golo Euler), Sohn des verstorbenen Ehepaars Rudi (Elmar Wepper) und Trudi (Hannelore Elsner) aus dem ersten Teil. Eines Tages klopft die Japanerin Yu (Aya Irizuki) an seine Tür und stellt sich mit den Worten „I am Yu“ vor – Achtung: doppeldeutig! Sie überredet ihn, gemeinsam aufs Land in sein leer stehendes Elternhaus zu fahren. Dort begegnet Karl nicht nur seinen entfremdeten Geschwistern, sondern auch den Geistern der Vergangenheit.
Kirschblüten & Dämonen erinnert an das Videoprojekt einer Selbstfindungs-Theatergruppe. Alles sehr gewollt, teils unfreiwillig komisch und plump inszeniert. Da Karl zum Beispiel immer wieder an seiner Männlichkeit zweifelt, friert ihm irgendwann der Schwanz ab. Feinsinn sieht anders aus. 
Richtig gut wird der Film nur in den Szenen mit der großartigen Birgit Minichmayr. Leider hat die aber nur einen fünf Minuten-Auftritt.

FAZIT

Regisseurin Dörrie und ihr Kameramann Hanno Lentz wollten beim Dreh möglichst frei und spontan reagieren. Aber Freiheit und Spontanität haben ihren Preis. Man muss schon Fan von Gopro-Videolook sein – Kirschblüten & Dämonen sieht wie ein sehr low-budgetiertes Kleines Fernsehspiel aus und atmet den Geist eines bemühten Experimentalfilms.

Deutschland 2019
110 min
Regie Doris Dörrie
Kinostart 7. März 2019

Escape Room

Nerdalarm: wer weiß, was sogenannte „Escape Room“-Computerspiele sind? 
Das geht so: Ein Raum, nur eine Tür – und die ist verschlossen. Der Spieler muss durch das Lösen von Rätseln den Schlüssel zur Tür finden, um weiterzukommen und am Ende zu gewinnen. Wem das zu virtuell ist, der kann diesen Nervenkitzel auch real erleben, nur dass man dazu nicht mit Chipstüte und Joggingbuxe vorm PC sitzt. Wie beim Computerspiel werden auch hier mehrere Personen in „Themenräume“ eingesperrt (z.B. Serienkiller oder Russenmafia – oder ist das dasselbe?), aus denen sie dann in vorgegebener Zeit herausfinden müssen. 
Der Film Escape Room geht nun wieder einen Schritt zurück in die Lethargie – zuschauen, statt dabei sein.
Sechs Personen, die scheinbar nichts miteinander verbindet, müssen unterschiedlich knifflige Rätsel lösen, um am Ende 10.000 $ zu kassieren. Da das alleine ein bisschen zu fad wäre, gibt’s anstelle von Punkteabzug Lebensabzug. Wer falsch reagiert, zu langsam oder schlicht zu doof ist, stirbt. Einer nach dem anderen, in guter alter „Zehn kleine Jägermeister“-Tradition. Gestalterisch einigermaßen fantasievoll umgesetzter Thriller, das offene Ende droht mit unnötiger Fortsetzung.

FAZIT

Wen Logik nicht schert, der kann hier seinen Spaß haben. Albern, aber unterhaltsam.

USA 2019
99 min
Regie Adam Robitel
Kinostart 28. Februar 2019 

Wie gut ist deine Beziehung?

Steves bester Freund Bob wurde gerade von seiner Freundin verlassen. Und das wegen eines älteren Zausels, der sich als Tantralehrer verdingt. Bei Steve schrillen die Alarmglocken. Was, wenn auch seine Lebensgefährtin Carola plötzlich Augen für andere Männer hätte und ihm untreu werden würde?
Hätte, würde, könnte: Weil er sonst nichts zu tun hat, konstruiert Steve kurzerhand seine eigenen Beziehungsprobleme. Schlechte Idee, die Erste: Er bittet ausgerechnet den an allem Unglück schuldigen Tantralehrer Harald, Carola seine Telefonnummer zuzustecken, um dann zu testen, ob sie auf den Flirtversuch einsteigt. Die wiederum wurde von ihrer besten Freundin Anette angehalten, Steve eifersüchtig zu machen…usw….usf….hört sich konstruiert an? 

Wie gut ist deine Beziehung? ist einer der Filme, bei denen man als Zuschauer ständig die Augen verdreht, weil sich die Figuren benehmen, wie man das im wahren Leben nie tun würde. Die selbst erfundenen „Probleme“ könnten sich mit einer klaren Antwort im Nu aus der Welt schaffen lassen, aber dann wäre der Film nach einer halben Stunde vorbei. Ja, da ist der Wunsch der Vater des Gedankens.

FAZIT

Laut Werbung „Eine Komödie in bester Screwball-Manier“.
In Wahrheit ist Wie gut ist deine Beziehung? seichte, im Timing oft daneben liegende Standardware. Der eigenwillige Soundtrack, der wie aus einer „Die Sendung mit der Maus“-Episode klingt, macht die Sache auch nicht besser.

Deutschland 2019
111 min
Regie Ralf Westhoff
Kinostart 28. Februar 2019 

Hard Powder

Armer Liam Neeson. So wie der Bäcker, der jeden Tag die gleichen fünf Brote backt, oder die Aldi Kassiererin, die tagaus, tagein im grellen Neonlicht Waren über den Scanner zieht, muss auch der irische Superstar Langeweile verspüren. Seit Jahren spielt er den „Rächer mit dem guten Herzen“ im immer gleichen Film. Es schadet also nichts, wenn nach Taken 1-3, The Commuter, Non-Stop (und wie sie alle heißen) mal Abwechslung ins Spiel kommt.

Hard Powder ist tatsächlich nicht die übliche Fließbandware und um einiges origineller inszeniert, als die Zug/Flugzeug/Autojagden, bei denen Liam sonst seine Feinde platt macht. Ungewöhnlich schon die Locationwahl: ein im Tiefschnee versinkender Skiort in den Rocky Mountains. Hier pfeift von früh bis spät eine steife Brise, das hat beinahe Shining-hafte Atmosphäre. Nels Coxman (Liam Neeson) ist der örtliche Schneepflugfahrer und sorgt verlässlich für freie Straßen. Sein harmonisches Familienleben mit Frau und Kind wird jäh unterbrochen, als Drogengangster seinen Sohn ermorden. Genauso stoisch wie den Schnee beseitigt er daraufhin die bösen Buben und löst nebenbei noch einen blutigen Bandenkrieg aus – Blut auf Schnee macht sich immer gut.

Sein trockener, schwarze Humor hebt Hard Powder wohltuend von der sonstigen 08/15-Konfektionsware ab. Vielleicht liegt es ja tatsächlich, wie Liam Neeson im Interview vermutet, am europäischen Regisseur. Der Norweger Hans Petter Moland beweist mit dem US-Remake seines eigenen Films Einer nach dem Anderen (2014), dass es doch noch kleine Überraschungen im ausgelutschten Rächergenre zu entdecken gibt.

FAZIT

Besser als erwartet. Und macht neugierig aufs Original, das im Norwegischen den hübschen Titel „Kraftidioten“ trägt.

USA, 2018
119 min
Regie Hans Petter Moland
Kinostart 28. Februar 2019

Der goldene Handschuh

Im Hamburg, St. Pauli der 1970er-Jahre treibt ein Frauenmörder sein Unwesen: Fritz Honka, ein erschreckend hässlicher Mann, der über Jahre hinweg ältere Prostituierte und Alkoholiker*innen aus der Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“ abschleppt, um sie dann in seiner Wohnung abzumurksen. Die zerstückelten Leichen versteckt er nach getaner Arbeit hinter der Wandverkleidung. Gegen den Verwesungsgeruch wirft er Duftbäumchen auf die Leichenteile. Wahre Geschichte – nicht schön.

Im Gegensatz zum Berlinalegewinner „Gegen die Wand“ (2004) ist Regisseur Fatih Akin mit der Verfilmung des Heinz Strunk Bestsellers kein guter Film geglückt. Die Darsteller überzeugen, doch die Inszenierung wirkt seltsam theaterhaft-künstlich und hat zwischendurch ganz schön Längen. Der goldene Handschuh ist unappetitlich wie ein Splattermovie anzusehen, doch für sein Thema erstaunlich unspannend erzählt.
Dass dem Film Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wird, ist albern, denn keinesfalls werden hier die weiblichen Figuren schlechter als die männlichen dargestellt. Das Leben aller Protagonisten ist gleichermaßen freudlos. Genauso freudlos, wie diesen Film anzusehen.

FAZIT

Garstige Menschen machen garstige Dinge in garstiger Umgebung.

Deutschland / Frankreich 2019 
115 min
Regie Fatih Akin
Kinostart 21. Februar 2019

Mein Bester & Ich

Der steinreiche Philip (Bryan Cranston) ist nach einem Paraglidingunfall vom Hals abwärts gelähmt. Von seinen bisherigen Gutmensch-Pflegekräften hat er die Nase gründlich voll, deshalb engagiert er spontan den Ex-Gangster Dell (Kevin Hart) als neue Krankenschwester – obwohl der komplett unqualifiziert ist und eigentlich keine Lust auf den Job hat. Doch die Bezahlung ist sensationell und als Sahnehäubchen gibt es sogar noch ein Zimmer im Luxusappartment obendrauf. Wer kann dazu schon Nein sagen?
Gegensätze ziehen sich an: Nach den üblichen anfänglichen Kabbeleien lernen sich die Männer schnell zu schätzen und werden (ziemlich beste) Freunde.

Die Vorlage liefert einer der erfolgreichsten französischen Filme der letzten Jahre. Das nun in den Kinos startende US-Remake schimmelt schon seit zwei Jahren im Regal, das könnte zu denken geben. Mein Bester & Ich ist trotzdem halbwegs okay, was vor allem an seinem Hauptdarsteller liegt: Bryan Cranston ist einer der Schauspieler, die das viel zitierte Telefonbuch vorlesen könnten. Kevin Hart dagegen neigt zum overacting und hat bei Weitem nicht das Charisma des französischen Originaldarstellers Omar Sy. Und weil sie gerade sonst nichts zu tun hatte, wird Nicole Kidman in einer undankbaren Nebenrolle verheizt.

FAZIT

Zwischen tragikomisch und albern changierend, hauptsächlich wegen Bryan Cranston sehenswert.
Überflüssige Neuverfilmung – Ziemlich beste Freunde von 2011 bleibt der bessere Film.

USA 2017
126 min
Regie Neil Burger
21. Februar 2019 

Top & Flop ● Marighella ● Amazing Grace

Persönliche Gewinner- und Verliererliste: 
TOP 
Di jiu tian chang (So long, my son) ★★★★★
Systemsprenger ★★★★
La paranza dei bambini ★★★★
Grâce à Dieu ★★★★
God Exists, Her Name Is Petrunija ★★★★

FLOP
Ich war zuhause, aber 

Das war’s mit der Berlinale 2019!
Am 20. Februar geht es bei framerate.one mit der Besprechung zu „Mein Bester & Ich“ weiter.

Marighella

Es lebe die Revolution! Das Timing könnte kaum besser sein: Gerade sorgt sich die Welt, was aus Brasilien unter der Führung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro werden soll, da zeigt die Berlinale dieses Biopic über die Gefahren einer Diktatur.
Auf den Putsch 1964 gegen die demokratisch gewählte Regierung folgten in Brasilien 21 Jahre Militärdiktatur. Die Presse wurde zensiert, Oppositionelle verhaftet, gefoltert und getötet. Mitte der 1960er-Jahre gründete Carlos Marighella eine bewaffnete Widerstandsgruppe, die in den kommenden Jahren den Kampf gegen den Staat aufnahm.
Die Rollen sind klar verteilt: hier die intellektuellen, aufrechten Revolutionäre, da die sadistischen, dauerfluchenden Putschisten. Für Zwischentöne interessiert sich Regisseur Wagner Moura weniger. 
Auch wenn’s ein bisschen schwarz-weiß gemalt ist, der Film ist ein sehr eindringliches Porträt, das klar Stellung bezieht. Mit viel Empathie setzt sich das Drama mit den persönlichen Schicksalen der Revolutionäre und der Opfer, die sie im Kampf gegen die Diktatur bringen mussten, auseinander. Der Schriftsteller und überzeugte Marxist Marighella wurde zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt. Sein Leben endete 1969 mit der Ermordung durch die brasilianische Militärjunta.

Brasilien 2019 
155 min
Regie Wagner Moura

Amazing Grace

Erfrischend, in Zeiten, in denen jeder Telefonbesitzer perfekt stabilisierte und farbkorrigierte 4K-Filme produzieren kann, eine so roughe, handgemachte Doku auf der großen Leinwand zu sehen. 
Aretha Franklin nahm 1972 gemeinsam mit dem Southern California Community Choir in Los Angeles ihr legendäres Album „Amazing Grace“ auf. Es wurde zum erfolgreichsten Gospelalbum aller Zeiten.
Dass dieser Film fast 50 Jahre nach seiner Entstehung doch noch in die Kinos kommt und jetzt auf der Berlinale seine Premiere feiert, grenzt an ein Wunder. Nach den Dreharbeiten ließen sich die Ton- und Bildaufnahmen nicht synchronisieren. Die technischen Möglichkeiten waren Anfang der 1970er-Jahre begrenzt. Später folgte ein Rechtsstreit mit Aretha Franklin. Die nun vorliegende Version ist genau so, wie sie von Regisseur Sydney Pollack seinerzeit geplant war. Keine nachträglich eingefügten Interviews, kein Making-of, kein Schnickschnack – nur Bilder von einem mitreißenden Konzert.
Für Fans ein Muss.

USA 2019 
87 min
Regie Syney Pollack

Di jiu tian chang ● Photograph ● Lampenfieber

Der Fluss der Zeit ist relativ: Mit Fortschreiten der Berlinale werden die Filme immer länger – so fühlt es sich jedenfalls an. Man schaut auf die Uhr und erschreckt – gerade erst 45 Minuten sind vergangen. Diesbezüglicher Höhepunkt: Celle que vous croyez mit Juliette Binoche. Nach knapp einer Stunde hat die Geschichte ein befriedigendes Ende gefunden, gleich muss der Abspann kommen…doch dann geht’s erst richtig los!
Kinozeit läuft also langsamer.
Einerseits.
Andererseits war der narkoleptische Sekundenschlaf während Öndöng so erfrischend, wie sonst nur ein dreistündiger Mittagsschlaf sein kann.

Di jiu tian chang (So Long, My Son)

Na also! Am vorletzten Tag hat die Berlinale 2019 noch einmal einen richtig guten Film im Programm. Das dreistündige Melodram von Wang Xiaoshuai erzählt mit beeindruckender Beiläufigkeit und großer Ruhe eine Familiengeschichte, die sich über 30 Jahre erstreckt.
Der Weg vom Glück ins bodenlose Unglück dauert oft nur einen Augenblick. Für Yaojun und seine Frau Liyun ist es der Moment, in dem sie ihren Sohn Xingxing verlieren. Der Junge ertrinkt beim Spielen am Ufer eines Stausees. Nach dieser Tragödie zieht das Paar in die südchinesische Provinz und adoptiert dort einen Jungen, sozusagen als Ersatzkind. Doch die unausgesprochenen Schuldgefühle und die betäubende Trauer lassen auch dieses neue Leben beinahe scheitern.
Di jiu tian chang ist ein verschachtelt erzähltes Porträt chinesischer Geschichte, von den 1980er-Jahren bis zum anstrengenden Turbokapitalismus der Gegenwart reichend. Gekonnt wird hier die private Tragödie der Eltern mit der gigantischen gesellschaftlichen Veränderung Chinas verknüpft. Ein kleiner großer Film, der zutiefst berührt.

Volksrepublik China 2019
180 min
Regie Wang Xiaoshuai

Photograph

Der neue Film von Ritesh Batra. Im vergangenen Jahr überzeugte der Regisseur mit der sehr gelungenen Romanverfilmung „A sense of an ending“, seinem zweiten englischsprachigen Film nach „Lunchbox“ (2013). Mit Photograph kehrt er nun zu seinen indischen Wurzeln zurück. Straßenfotograf Rami soll von seiner Großmutter zwangsverheiratet werden. Als er eines Tages zufällig die junge Miloni trifft, fragt er sie, ob sie sich als seine Freundin ausgeben könnte. Das schüchterne Mädchen willigt ein.
Photograph ist eine bittersüße, aber recht harmlose Romanze über zwei Menschen von unterschiedlicher Herkunft. Gewöhnungsbedürftig ist die Besetzung der beiden Hauptdarsteller: „Rafi“ Nawazuddin Siddiqui, sonst in Indien eher als Actionstar bekannt, könnte locker als Vater von Sanya Malhotras „Miloni“ durchgehen.

Indien / Deutschland / USA 2019 
110 min
Regie Ritesh Batra

Lampenfieber

Da, wo man so unbequem wie nirgends sonst bei der Berlinale sitzt, spielt der neue Dokumentarfilm von Alice Agneskirchner: im Berliner Friedrichstadt-Palast. Die Filmemacherin wirft einen Blick hinter die Kulissen der größten Theaterbühne der Welt. (Der Welt! Is so, isch schwöre!)
Lampenfieber ist ein sehr konventionell gemachter Film, der die Herausforderungen bei der Arbeit mit Kindern artig abarbeitet: das erste Casting, die intensive Probenzeit, die bejubelte Premiere der Kinder- und Jugendshow „Spiel mit der Zeit“. Dazwischen gestreut gibt’s die üblichen Besuche zu Hause und ein paar Interviews. „Rhythm is it!“ oder die Langzeitdoku „Adrians großer Traum“ hatten da deutlich mehr Tiefe und waren mutiger gemacht. Immerhin sind die sechs angehenden Kinderstars, deren persönliche Entwicklung, Frust und Freude der Film zeigt, gut ausgewählt. Von unbedarft über herzerwärmend bis altklug ist alles dabei. Heimlicher Star ist jedoch die Tanzlehrerin Christina Tarelkin – so patent, mit der möchte man abends mal ein Bier trinken gehen.

Deutschland 2019 
92 min
Regie Alice Agneskirchner