BECKENRAND SHERIFF

BECKENRAND SHERIFF

Drei Produzenten planen einen Film:

Mir hobn noch bayrische Fördergölda zum ausigebn, hobt’s ihr a Idee?
Wie wäre es mit einer Komödie? Komödie geht immer!
Genau! Was Lustiges, so wie Didi Hallervorden!
Oder wie Louis de Funès? NEIN! DOCH! OHH!
Gut, aber es muss auch was fürs Herz sein…
Mit Drama und großen Gefühlen…
Und die junge Zielgruppe müssen wir ansprechen…
Die Alten aber auch…
Am besten mit Humor von früher, in Richtung Don Camillo und Peppone.
Aba des is jo ned bayrisch, wos issn mitm Gerhard Polt?
Gute Idee. Politisch und mit aktuellem Bezug zur Weltlage…
Lebt die Schneeberger noch?
Vielleicht was mit Flüchtlingen? 
Und wer führt Regie?
Der Dietl wär‘ super, aber der is ja schon tot.
Dann fragt’s den Rosenmüller, der mocht’s b’stimmt!

FAZIT

Klamauk mit flachen Witzen, großen Gefühlen, Milan de Peschel, Gisela Schneeberger, aktuellem Bezug und ein paar lustigen Szenen.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
114 min
Regie Marcus H. Rosenmüller
Kinostart 09. September 2021

alle Bilder © Leonine

SAW: SPIRAL

SAW: SPIRAL

Detective Ezekiel “Zeke” Banks und sein Partner sollen eine Reihe brutaler Morde aufklären. Im Laufe der Ermittlungen werden die beiden immer tiefer in das morbide Spiel eines rachsüchtigen Killers hineingezogen. Le cochon qui rit ist zurück. „Saw Spiral“ ist bereits Teil 9 der mittlerweile leicht abgestumpften Sägeserie, da tut eine Schleifkur dringend not.

Deshalbt gibt’s auch keine herkömmliche Horrorfilm-Fortsetzung, sondern eher ein Crime-Drama mit Splatterelementen. Das Farbschema hat sich seit „Seven“ nicht verändert: Serienmord trägt auch in diesem Jahr wieder grün-gelb. Und auch sonst sind die Zutaten sehr vertraut. Ein C-Picture mit prominenter Besetzung: Chris Rock kann auch ernst und Samuel L. Jackson ist in zu wenigen Szenen komplett unterfordert.

Wären da nicht die widerlichen Tortureporn-Szenen, in denen Menschen bei lebendigem Leib z. B. die Finger ausgerissen werden (für SAW-Verhältnisse allerdings noch harmlos), könnte „Saw Spiral“ auch als ganz okayes Copmovie durchgehen. Vater-Sohn-Konflikt, korrupte Polizisten, Vertuschung, Mord: Genug Drama für eine ganze Serie neuer Filme wäre vorhanden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Spiral: From the Book of SAW“
USA 2020
93 min
Regie Darren Lynn Bousman
Kinostart 09. September 2021

alle Bilder © STUDIOCANAL

CURVEBALL – WIR MACHEN DIE WAHRHEIT

CURVEBALL – WIR MACHEN DIE WAHRHEIT

Kriege sind sinnlos. Vor allem, wenn sie aufgrund von Unwahrheiten geführt werden.
Ein besonders groteskes Beispiel aus der jüngeren Menschheitsgeschichte ist der Krieg USA gegen Irak. Bush hat Bagdad in Grund und Boden gebombt, obwohl dort nie Massenvernichtungswaffen gefunden wurden.

Die einzige Rechtfertigung für den Angriff waren die Aussagen von Rafid Alwan, Codename „Curveball“. Der ehemalige irakische Chemieingenieur tischte  dem BND Märchen über gefährliche Anthrax-Fabriken auf. Dafür bekam er einen deutschen Pass und lieferte den Behörden genau das, was sie hören wollten.

Am 5. Februar 2003 bezog sich Colin Powell in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat auf Geheimdienstinformationen von einem irakischen Ingenieur, der Beweise für mobile Biowaffen-Labore auf Lkw geliefert hat. Im Saal wurde eine Grafik gezeigt, die auf der kritzeligen Kinderzeichnung basierte, die Rafid für den BND angefertigt hatte.

Obwohl den Regierungen bekannt war, dass die Informationen von Curveball erfunden waren, wurde vertuscht. Das hatte fatale Folgen: Der Krieg im Irak forderte mehrere 100.000 Tote.

„Curveball – Wir machen die Wahrheit“ ist ein satirischer Film über eine unglaubliche, aber leider wahre Geschichte. Regisseur Johannes Naber erzählt seine Farce mit trockenem Humor, im Stil erinnert das oft an ein Werk der Coen-Brüder. Schön absurd.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
108 min
Regie Johannes Naber
Kinostart 09. September 2021

alle Bilder © Filmwelt Verleihagentur

EIN NASSER HUND

EIN NASSER HUND

Der 16-jährige Iraner Soheil zieht mit seinen Eltern nach Berlin-Wedding. Schnell freundet er sich beim Kicken mit ein paar Migrantenjungs an, verliebt sich in das türkische Mädchen Selma. Was Soheil seinen neuen Freunden verschweigt: Er ist kein Muslim, sondern Jude. Als er sich gezwungenermaßen outet, ist der Beef (#Jugendsprache) vorprogrammiert. Krass antisemitisch! Ja, Mann!

Der Wedding ist nicht nur im Kommen (seit über 50 Jahren), sondern auch Heimat für Araber, Kurden, Türken, Palästinenser – alles eine große Familie. Doch wehe, ein Jude verirrt sich hierhin, dann ist es mit der Toleranz vorbei. „Für die Deutschen bin ich ein Kanake, für die Türken ein Jude und für die Israelis ein Terrorist“, stellt Soheil resigniert fest. Wie soll es da jemals Weltfrieden geben?

Viel zu viel reißt der Film in zu kurzer Zeit an: Die Hauptfigur Soheil verändert sich im Sauseschritt vom guten Jungen zum gefeierten Sprayer, dann zum bösen Dealer, Messerstecher, unfreiwilligen Vater, Bandenopfer, Fachmann für Nahostkonflikte und schließlich zum israelischen Soldaten. Jeder Erinnerungsfetzen aus der Buchvorlage von Arye Sharuz Shalicar wird unmotiviert zu einer Filmszene verwurstet, egal, ob das einen größeren Zusammenhang ergibt oder nicht. Möglich, dass der Film erst am Schneidetisch zerhackstückt wurde, aber flüssig erzählt geht anders.

Damir Lukačević verfolgt das hehre Ziel, einen politischen Film über Hass und Gewalt, Toleranz und das schwierige Zusammenleben verschiedener Kulturen zu machen. Das ist nur teilweise geglückt. Die jungen (Laien)-Darsteller machen ihre Sache ordentlich, doch einige Szenen, besonders die mit Kida Khodr Ramadan (unvermeidlich), bewegen sich auf gehobenem Schüler-Theater-Niveau.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2021
102 min
Regie Damir Lukačević
Kinostart 09. September 2021

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

RÄUBERHÄNDE

RÄUBERHÄNDE

Für eine ganze Schülergeneration gehört der 2007 erschienene Roman „Räuberhände“ von Finn-Ole Heinrich mittlerweile zur Pflichtlektüre. Dem drei Jahre später veröffentlichten „Tschick“ nicht unähnlich, geht es auch hier um zwei Jungmänner, die sich auf eine Reise begeben, um mehr über sich selbst und das Leben herauszufinden.

Janik (heißt so, sieht so aus) und Samuel machen gerade Abitur. In ihrer Freizeit hängen die beiden 18-Jährigen in ihrer Gartenhütte ab, kiffen, knutschen mit Mädchen und planen einen großen Trip nach Istanbul. Samuel hofft dort seinen verschollenen Vater wiederzufinden. Doch kurz vor der Reise wird die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Die Dinge entwickeln sich anders als geplant.

Alter, zieh dein T-Shirt aus – So lässt sich die Verfilmung von „Räuberhände“ gut zusammenfassen. Neben der etwas bemühten Jugendsprache, die jeden Satz mit „Alter“ beginnen lässt (wenigstens nicht mit Digger), müssen die beiden Hauptdarsteller in erstaunlich vielen Szenen ihre Oberteile ausziehen. Weshalb das so ist, bleibt das Geheimnis des Regisseurs. Emil von Schönfels und Mekyas Mulugeta bemühen sich halbnackt, den raschelnden Drehbuchseiten-Dialogen Leben einzuhauchen.

Trotz teils krampfiger Sprache – die Atmosphäre des jugendlichen Aufbruchs, die Zeit, in der alles egal und die Welt offen zu stehen scheint, ist gekonnt eingefangen. Und „Räuberhände“ sieht gut aus. Kamerafrau Judith Kaufmann hat für die Coming-of-age-Geschichte intime, ungekünstelte Bilder gefunden, das tröstet über so manche Inszenierungsschwäche hinweg.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
92 min
Regie İlker Çatak
Kinostart 02. September 2021

alle Bilder © Edition Salzgeber

BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL

BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL

Paris um 1900. Felix Krull (Jannis Niewöhner) arbeitet als Liftboy in einem Luxus­hotel. Bei den Gästen, vor allem den weiblichen, ist der attraktive junge Mann sehr beliebt. Als er sich eines Abends mit dem unglücklich verliebten Marquis Louis de Venosta (David Kross) über das Leben unterhält, kommen die beiden auf die Idee, ihre Identitäten zu tauschen. Nur so kann der Marquis fern aller familiären und gesellschaftlichen Zwänge mit seiner Angebeteten, Zaza (Liv Lisa Fries) zusammenleben. Für Felix bedeutet der Rollentausch einen gesellschaftlichen Aufstieg, der ihn bis an den Hof des portugiesischen Königs führt.

Die Verfilmung von Thomas Manns letztem Roman gehört zu den gelungeneren Spätwerken Detlev Bucks. Das Drehbuch hat (mit viel künstlerischer Freiheit) der allgegenwärtige Daniel Kehlmann verfasst. Kindheit und Jugend Krulls hat der Autor stark vernachlässigt, die Konzentration auf den erwachsenen Hochstapler bekommt dem kompakten Kinoformat gut. Kameramann Marc Achenbach fängt die zur Jahrhundertwende spielende Geschichte in üppigen Bildern ein. Bei Ausstattung, Kostümen und Setbau wurde geklotzt, das hat hohes Niveau.

Schauspielerisch ist die ganze Bandbreite vertreten: Liv Lisa Fries setzt ihre Babylon Berlin-Rolle in anderen Kostümen fort, gewohnt frech und frei Schnauze. David Kross ist wie immer verlässlich gut und spielt den etwas zu grinsebackigen Jannis Niewöhner locker an die Wand.

Daneben gibt es noch ein Treffen der Tatort-Kommissare: In einer Nebenrolle als Professor Kuckuck zeigt Joachim Król was für ein ausgezeichneter Schauspieler er ist, während Maria Furtwängler in der Rolle der liebeshungrigen Madame Houpflé schnell an ihre darstellerischen Grenzen gerät.

Champagner zieht sich als roter Faden durch die Geschichte, nicht von ungefähr, schließlich ist Felix der Sohn eines Schaumweinfabrikanten. Wenn die 1957er-Verfilmung mit Horst Buchholz Champagner, die deutsch/französische Miniserie aus den 1980er-Jahren Crémant ist, dann geht der neue Buck als guter Sekt durch. Heiter, beschwipst, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
114 min
Regie Detlev Buck
Kinostart 02. September 2021

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE 10 RINGS

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE 10 RINGS

Dass es Marvel mit dem asiatischen Markt ernst meint, beweist schon die Anfangsszene: Da wird gefühlt 20 Minuten lang ausschließlich Mandarin mit Untertiteln gesprochen. Eine kleine Sensation für einen US-Blockbuster.

„Shang-Chi“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich dem Einfluss seines Vaters entziehen möchte, einem der mächtigsten Verbrecher der Welt. Es geht um Familie, Trauer und natürlich wie immer bei Marvel um Heldenbildung. So wie zuletzt „Black Panther“ die schwarze, integriert nun „Shang-Chi“ die asiatische Community ins Superhelden-Universum.

Der neue Marvel-Film ist Teil der PHASE IV (Nichtkenner lesen jetzt sowieso nicht weiter) und bläst kräftig frischen Wind ins MCU. „Shang-Chi and the Legend of the 10 Rings“ besticht durch eine wilde Mischung aus Martial-Arts und Fantasy. Die furiosen Kampfszenen (vor allem in einem Bus und später auf einem wackligen Hochhausgerüst) sind perfekt choreografiert und bereiten großen Spaß. „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ auf Speed. Wie üblich bei Marvel, ist der dritte Akt mit seiner kopfschmerzerzeugenden CGI-Schlacht der uninteressanteste Teil des Films. Dafür gibt es ein unerwartetes Wiedersehen mit Fuchur, dem Glücksdrachen aus der unendlichen Geschichte … Oder zumindest einem engen Verwandten.

Obwohl die 133 Minuten Laufzeit ein paar Längen haben, ist „Shang-Chi“ visuell aufregendes, äußerst unterhaltsames Überwältigungskino. Und das Sitzenbleiben bis zum Ende des Abspanns lohnt sich: die beiden After-Credit-Szenen machen schon mal Appetit auf die nächsten Marvel-Abenteuer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Shang-Chi and the Legend of the 10 Rings“
USA 2021
133 min
Regie Destin Daniel Cretton
Kinostart 02. September 2021

alle Bilder © Marvel Studios

THE FATHER

THE FATHER

Es war als Höhepunkt der Oscarverleihung 2021 geplant: Ganz am Ende der Show sollte Chadwick Boseman den Preis als bester Hauptdarsteller bekommen, posthum natürlich, Boseman war im August 2020 einem Krebsleiden erlegen. Doch es kam anders: Nicht nur ging die von Steven Soderbergh produzierte Show als die stümperhafteste und langweiligste in die Annalen ein, statt Boseman gewann ein alter weißer CIS-Mann den Oscar für die beste männliche Hauptrolle: Sir Anthony Hopkins.

Nun, da es in Deutschland endlich Gelegenheit gibt, Hopkins in seiner prämierten Rolle zu sehen, wird klar: Den Oscar hat er vollkommen zu Recht bekommen. Hopkins spielt den an Demenz erkrankten Anthony, der in einem Labyrinth aus Verwirrungen, Erinnerungslücken und Halluzinationen gefangen ist. Das Besondere: Florian Zeller lässt die Zuschauer in seinem Regiedebüt die Welt mit Anthonys Augen sehen. Im Gegensatz zu Julianne Moore in „Still Alice“ erhält Anthony keine Diagnose und muss lernen, damit umzugehen – Anthony ist schon krank und hat sich größtenteils von der Realität verabschiedet.

Personen wechseln die Erscheinung, die Einrichtung der Wohnung verändert sich, Gespräche beginnen, enden und wiederholen sich. Mithilfe des raffinierten Setdesigns von Ausstatter Peter Francis gelingt Zeller die Innenansicht eines Bewusstseins in Auflösung. Der Bezug zu Orten, Personen und Zeit kommt und geht, zerrinnt.

„The Father“ ist ein clever konstruiertes, ergreifendes Drama. Ernsthaft und gleichzeitig verrückt, fast so, als habe Michael Haneke eine Twilight Zone-Episode inszeniert. Großartig (wieder mal) auch Olivia Colman als todtraurige Tochter, die ihrem Vater hilflos beim langsamen Verschwinden zusehen muss.

FAZIT

Herzzerreißend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Father“
UK 2020
97 min
Regie Florian Zeller
Kinostart 26. August 2021

alle Bilder © TOBIS FILM GMBH

REMINISCENCE

REMINISCENCE

Hier mal eine freshe Filmidee: Ein cooler Privatdetektiv nimmt sich einer verführerischen Dame in Not an und gerät bei der Lösung des Falls selbst in Gefahr. „Blade Runner“, „Chinatown“, „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, „Tote tragen keine Karos“ – schon oft wurde diese klassische Filmidee variiert und persifliert. Neu an „Reminiscence“ ist nur das Setting in der nahen Zukunft: Miami steht nach dem Anstieg des Meeresspiegels unter Wasser. Wohl dem, der eine Dachterrasse hat.

Weil früher alles besser war, können zahlende Kunden bei Nick Bannister (Hugh Jackman) noch einmal die schönsten Momente aus ihrer Vergangenheit erleben. Erinnern unter Hypnose im Wassertank. Weil anderen Leuten beim Träumen zuschauen langweilig ist, kann Nick die Erinnerungen seiner Kundschaft in einer Art Holodeck sichtbar machen. Das ist zwar komplett sinnfrei, sieht aber hübsch aus. Als eines Tages Mae (Rebecca Ferguson) auftaucht und behauptet, sie habe ihren Schlüssel verloren und müsse deshalb in die Vergangenheit eintauchen, um ihn wiederzufinden (kein Witz – das ist tatsächlich die Story), ahnt Nick nicht, dass er bald Teil einer komplexen Verschwörungsgeschichte wird.

Philip Marlowe meets Inception: Regisseurin Lisa Joy, die auch das Drehbuch geschrieben hat, verbindet in „Reminiscence“ die Genres Film Noir und Science-Fiction, kann daraus aber keine Funken schlagen. Der aktuelle umweltpolitische Bezug spielt für den Fortgang der Handlung keine Rolle, ist nur ein visuelles Gimmick. Ein paar hübsche CGI-Flüge über die halb im Meer versunkene Stadt – das war’s aber auch schon. Inhaltlich bleibt die einzig originelle Idee des Films damit ungenutzt. Schauspielerisch und technisch auf gewohnt hohem US-Niveau enttäuscht „Reminiscence“ mit der sich selbst viel zu ernst nehmenden Interpretation einer allzu bekannten Geschichte.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Reminiscence“
USA 2021
116 min
Regie Lisa Joy
Kinostart 26. August 2021

alle Bilder © Warner Bros. Pictures

DIE UNBEUGSAMEN

DIE UNBEUGSAMEN

„Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie alleine den Männern überlassen könnte.“
(Käte Strobel, Bundesministerin 1966-1972)

Die ersten Jahre in der Bonner Republik waren ein reiner Männerklub. Torsten Körner erzählt in seinem hervorragenden Dokumentarfilm von den Pionierinnen, die seit Gründung der Bundesrepublik um Beteiligung und Gleichberechtigung in der Politik gekämpft haben. Es war ein langer und beschwerlicher Weg. Politikerinnen wie Rita Süssmuth, Renate Schmidt oder Herta Däubler-Gmelin erinnern sich an die Zeiten, als ihnen Sexismus und Arroganz im überwiegend männlich besetzten Parlament entgegenschlugen. Frauen wurden entweder als schmückendes Beiwerk belächelt oder als hysterisch abgetan. In einer besonders gelungenen Sequenz verknüpft der Film die Schicksale der prominentesten weiblichen Gegenpole der Bonner Republik: Petra Kelly und Hannelore Kohl. Zwei hochintelligente Frauen, die nur auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und deren beider Leben tragisch endete.

Leider wird „Die Unbeugsamen“ zurzeit negativ assoziiert, denn gerade als die Taliban in Kabul einrücken und sich Menschen verzweifelt an Flugzeugen festhalten, um Afghanistan zu verlassen, besucht die Bundeskanzlerin froh gelaunt die Premiere des Films. Bad Timing, Armin Laschet findet das lustig.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
99 min
Regie Torsten Körner
Kinostart 26. August 2021

alle Bilder © MAJESTIC

PARFUM DES LEBENS

PARFUM DES LEBENS

Gerüche können bei uns Menschen stärkere Erinnerungen auslösen, als es ein Foto oder eine Erzählung vermögen. Die Nase: das unterschätzte Sinnesorgan. Davon können Long-Covid-Patienten ein Lied singen. 

Vor über zehn Jahren fand in Genf eine Veranstaltung statt, die unter dem Motto „Début du printemps“, also „Frühlingsanfang“ stand. Um die Gäste entsprechend einzustimmen, sollte eine Geruchsexpertin die zahlreichen Zuschauer in eine grasige Duftwolke einhüllen. Was seinerzeit wegen zu starker Klimaanlagen nur bedingt funktionierte, ist mittlerweile Standard in allen Bereichen unseres täglichen Lebens. Vom Deoroller über Katzenstreu bis hin zu ganzen Gebäuden – alles hat seine individuell angepasste olfaktorische Marke. Ein Negativbeispiel ist die Modekette „Abercrombie and Fitch“, die mit ihrem penetranten Billiggeruch höchstens Kopfschmerzen auslöst.

Und genau darum geht es in „Parfum des Lebens“ – Anne war mal eine Koryphäe auf ihrem Gebiet: Parfumkreationen für Dior machten Sie zu einem Star in der Welt der künstlich erzeugten Düfte. Doch mit dem Erfolg setzte der Stress ein. Anne verlor vorübergehend ihren Geruchssinn, wurde danach nur noch für gewinn-, aber wenig prestigeträchtige Jobs in der schnöden Welt der Alltagsprodukte gebucht.

Auftritt Guillaume: Der geschiedene Vater kämpft um das Sorgerecht für seine zehnjährige Tochter. In seinem neuen Job als Chauffeur trifft er auf Anne, zunächst ganz gefühlskalte Eule. Das ungleiche Paar entdeckt jedoch nach und nach Gemeinsamkeiten. So kommen sich die beiden im Laufe der Geschichte zwar nicht romantisch näher, finden aber Wege, sich ein bisschen glücklicher zu machen und aus ihrem eingefahrenen Dasein zu retten.

Mut zum Kitsch in der Sprache: „Parfum des Lebens“ öffnet sich langsam wie eine aufgehende Blüte. Nach und nach, Lage um Lage werden die Schwächen und versteckten Talente der Figuren freigelegt. Und dabei wird noch Interessantes über die professionelle Welt der Düfte vermittelt: Wer hätte gedacht, dass erst ein Hauch von Müllgeruch Chanel No. 5 zu einem Parfumklassiker macht?

Vielleicht hat der monatelange Kinoentzug das Hirn vernebelt, und wahrscheinlich wird es die deutsche Synchronisation wieder zunichtemachen – aber „Parfum des Lebens“ ist (wenigstens in der Originalversion) ein ganz entzückender, beglückender Film.

FAZIT

Schön, melancholisch und mit leisem Humor erzählt. Très charmant!

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Parfums“
Frankreich 2019
100 min
Regie Grégory Magne
Kinostart 19. August 2021

alle Bilder © Happy Entertainment

ESCAPE ROOM 2 – NO WAY OUT

ESCAPE ROOM 2 – NO WAY OUT

Das mit den Escape-Room-Filmen läuft so: Ein Rätsel – vorzugsweise eine Zahlenkombination – muss geknackt werden, während sich die Zimmerdecke absenkt, der Boden zu einem Abgrund auftut, tödliche Laserstrahlen den Raum durchschneiden oder von irgendwo Wasser einläuft, wahlweise auch Säure von der Decke tropft. Die Suche nach der Lösung unterliegt somit einem gewissen Druck, die Hysterie der (Schau-)Spieler und damit die Lautstärke ihrer geschrienen Dialoge erhöht sich dementsprechend. Der Fluchtweg wird grundsätzlich erst in der letzten Sekunde gefunden.

„Escape Room 2“ unterscheidet sich in keiner Weise von anderen Filmen, die die Worte Escape und Room im Titel tragen. Schauspiel, Drehbuch und Machart sind nicht der Rede wert. Wie bei den Horrorfilm-Reihen „Final Destination“ oder „Saw“ ist das einzig Interessante, auf welche Art und Weise die Figuren zu Tode kommen: je perfider, desto besser. Insofern hat „Escape Room 2“ durchaus Unterhaltungswert. Ob man dem etwas abgewinnen kann, ist reine Geschmacksache. Mache Menschen haben Spaß an Kirmesattraktionen, andere nicht. Da der Film mit einem Cliffhanger endet, dauert es wohl nicht mehr lange bis der dritte Teil erscheint.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Escape Room: Tournament of Champions“
USA 2021
89 min
Regie Adam Robitel
Kinostart 19. August 2021

alle Bilder © Sony Pictures

BEFLÜGELT – EIN VOGEL NAMENS PENGUIN BLOOM

BEFLÜGELT – EIN VOGEL NAMENS PENGUIN BLOOM

Sam Bloom (Naomi Watts) führt mit ihrem Mann Cameron (Andrew Lincoln) und ihren drei Söhnen ein beneidenswert glückliches Leben in Australien. Herrliches Haus direkt am Meer – perfekt, denn Sam ist leidenschaftliche Surferin. Alles könnte so schön sein, bis eines Tages ein Unfall das Leben der Familie erschüttert. Sam bricht sich das Rückgrat und ist danach von der Brust abwärts gelähmt. Aus ihrer Depression und Verbitterung können ihr weder Mann noch Kinder heraushelfen. Erst ein adoptierter Flötenvogel (heißt so, ist aber nur eine Krähe, die sich für was Besseres hält) verleiht der Gelähmten wieder Zuversicht und holt sie ins Leben zurück.

Okay, das klingt wirklich furchtbar: Ein Vogel, der „Flügel“ verleiht. Aber „Penguin Bloom“, wie der Film viel weniger peinlich im Original heißt, ist ein überraschend unkitschiges Drama mit herausragender Besetzung. Andrew Lincoln hat sich sichtlich von der jahrelangen Zombiejagd erholt, die drei Kinder machen ihre Sache ausgezeichnet und vor allem Naomi Watts verleiht der Geschichte mit ihrem leisen, zurückhaltenden Spiel die nötige Erdung. Mit anderer Besetzung hätte das auch gründlich schiefgehen können. Jeder Sonntagabend auf dem ZDF ist dafür Beweis.

Eine gelähmte Mutter, die sich zurück kämpft – das wäre Stoff genug für einen abendfüllenden Film gewesen. Die inspirierende Krähe hätte es da gar nicht gebraucht. Doch Sam Blooms Geschichte ist wahr. Dass ihr bei ihrem Weg aus der Depression ein Vogel zur Seite stand – das hat sich kein Drehbuchautor, sondern das Leben ausgedacht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Penguin Bloom“
USA / Australien 2020
95 min
Regie Glendyn Ivin
Kinostart 19. August 2021

alle Bilder © Leonine

PROMISING YOUNG WOMAN

PROMISING YOUNG WOMAN

PYW, wie wir Akronymjunkies sagen, ist einer diese WTF?-Filme.
„Promising Young Woman“ morpht als Genremix von einer Rachegeschichte über eine Romcom zu einem ausgewachsenen Psychothriller ohne Happy End. Langweilig ist das zu keiner Sekunde. What the F… ist also durchaus positiv gemeint. 

Cassandra (Carey Mulligan) ist die titelgebende vielversprechende junge Frau. Tagsüber jobbt sie in einem Coffeeshop, abends besucht sie Bars und Clubs. Dort hängt sie betrunken in der Ecke rum, scheinbar nicht mehr Herrin ihrer Sinne. Und da gibt es dann immer diesen einen Mann, der sie noch auf einen Absacker mit zu sich nach Hause nehmen will. Doch die vermeintlich leichte Beute entpuppt sich als gnadenloser Racheengel. Warum, weshalb, wieso enthüllt Emerald Fennell in ihrem clever konstruierten Debütfilm Schicht um Schicht. Als Zuschauer ist man neugierig, wie sich die seltsame Geschichte weiterentwickelt, gleichzeitig fürchtet man sich vor dem, was da hinter der nächsten Ecke als Enthüllung lauert. Strukturell hat das gewisse Ähnlichkeiten mit der von Fennell produzierten Serie „Killing Eve“.

„Promising Young Woman“ in einem Satz: Eine Frau sieht rosa. Verpackung und Inhalt sind komplett konträr – Cassandra bewegt sich durch eine bonbonfarbene Welt, während sie eiskalt Rache übt. Carey Mulligan spielt die Frau mit den vielen Gesichtern brillant.

Selbst die wiederliche deutsche Synchronfassung (in der alle immer ein bisschen zu werblich sprechen) kann den positiven Eindruck nicht trüben: Schräge Geschichte, ungewöhnliche Umsetzung, spannender Thriller.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Promising Young Woman“
USA  2020
114 min
Regie Emerald Fennell
Kinostart 19. August 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

NEW ORDER – DIE NEUE WELTORDNUNG

NEW ORDER – DIE NEUE WELTORDNUNG

Gleich zu Beginn des Films ist eine wehrlose nackte Frau zu sehen, an deren Körper grüne Farbe herabtropft. Kurz darauf folgt eine albtraumhafte Kamerafahrt über grün beschmierte Leichen. Grün, die Farbe der Hoffnung – in „New Order“ steht sie für Umsturz und Gewalt.

Die Handlung ist schnell erzählt: Mexiko-Stadt wird in naher Zukunft von einem gewalttätigen Aufstand erfasst. Vom Chaos unberührt, findet derweil in einem luxuriösen Anwesen eine rauschende Hochzeitsparty statt. Als ein verzweifelter Ex-Angestellter bei der Feier auftaucht und die Familie der Braut um Geld bittet, löst das eine fatale Kettenreaktion aus.

Das Eindringen der Unterschicht in den heilen Kokon der Oberschicht erinnert an den Oscar-Gewinner „Parasite“ von 2019. Mit der gemeinsamen Grundidee und einer Vorliebe für minimalistisches Architekturdesign hören die Parallelen aber schon wieder auf – weit weniger subtil erzählt der mexikanische Regisseur Michel Franco vom Kampf Arm gegen Reich. Die Wut der Bevölkerung auf die herrschende Klasse gipfelt hier nicht in einem ausgeklügelt subversiven Unterwanderungsplan, sondern in Entführung, Massenvergewaltigung und Mord.

Ist „New Order“ eine Dystopie? Für eine fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit bösem Ausgang ist die Geschichte zu nah an der Realität. Die erste Hälfte, des mit 86 Minuten relativ kurzen Films, ist gut gemachtes Gesellschaftsdrama, die zweite Hälfte unnötig brutaler Sozial-Schocker. Die Revoluzzer entpuppen sich als garstige Peiniger, die ihre blinde Wut in sadistischer Grausamkeit ausleben. Es scheint fast, als habe der Regisseur das Interesse an seinen zu Beginn so sorgsam eingeführten Figuren verloren, es gibt nur noch schablonenhaft Gute und Böse. Keine schönen Aussichten auf die neue Weltordnung.

FAZIT

Zwiespältig.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Nuevo Orden“
Mexiko 2020
86 min
Regie Michel Franco
Kinostart 12. August 2021

alle Bilder © Ascot Elite Entertainment

FREE GUY

FREE GUY

Guy (Ryan Reynolds) ist ein kleiner Angestellter bei der Free City Bank und grinst sich mit optimistischer Heiterkeit durchs Leben. Bis er eines Tages seiner Traumfrau begegnet und dabei entdeckt, dass er nichts weiter als eine Hintergrundfigur in einem Open-World-Videospiel ist. Surprise! Nichts ist real, alles fake. Guy beschließt, der Held seiner eigenen Geschichte zu werden, denn der finstere Entwickler des Spiels (Taika Waititi) plant, die bunte Videowelt offline zu schalten.

Ryan Reynolds – ein Schauspieler, bei dem man sich immer fragt, ob seine Rolle als Deadpool nur ein zufälliger Glücksgriff war, oder ob ihn Knebelverträge daran hindern, in besseren Filmen mitzuspielen. Auf einen guten Film folgen bei ihm zuverlässig drei mäßige. Und auch Taika Waititi liefert mit seinem Auftritt in „Free Guy“ unfreiwillig den Beweis, dass nicht alles, was er anfasst, automatisch zu Gold wird.

„Free Guy“ ist die knallbunte Pixel-Version von „The Truman Show“. Lauter, schneller, glatter, oberflächlicher. Eine Neuinterpretation für die Gamer-Generation sozusagen. Fragt sich nur, ob die angesprochene Zielgruppe die Energie aufbringt, sich von ihrer Konsole zu lösen, um den Weg ins Kino zu finden.

Wieder mal eine Komödie, die im Trailer vielversprechender aussieht, als sie es am Ende ist. Einige nette visuelle Ideen, ein charmanter Hauptdarsteller und ein paar witzige Verweise auf das Marvel Universum reichen nicht, um „Free Guy“ vor seiner Mittelmäßigkeit zu bewahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Free Guy“
USA 2021
115 min
Regie Shawn Levy
Kinostart 12. August 2021

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

NAHSCHUSS

NAHSCHUSS

Die DDR, eine Sinfonie in Beige. Wer den Geruch von Wofasept und das Kratzen von Dederon vermisst, wer überhaupt findet, dass das Leben viel zu bunt ist, der kann jetzt im Kino eine kleine Zeitreise zurück in die Deutsche Demokratische Republik anno 1981 machen.

„Nahschuss“ – der Titel bezieht sich auf eine Hinrichtungsmethode, bei der dem Verurteilten hinterrücks direkt ins Genick geschossen wurde – lässt von der ersten Einstellung an keinen Zweifel aufkommen: Das wird schlecht enden.
Werner Teske war am 26. Juni 1981 der letzte DDR-Bürger, an dem die Todesstrafe vollstreckt wurde. „Nahschuss“ ist von seiner Geschichte inspiriert.

Der Ingenieur Franz Walter (Lars Eidinger) ist überglücklich, als ihm seine Professorin eröffnet, er sei als ihr Nachfolger im Gespräch. Im Gegenzug soll er beim Auslandsnachrichtendienst der DDR tätig werden. Zusammen mit seinem Kollegen Dirk (Devid Striesow) wird er zu Einsätzen in die feindliche BRD geschickt. Anfangs noch ganz pflichtbewusster Sozialist, erwecken die menschenverachtenden Methoden der Stasi bei Franz bald tiefsten Widerwillen und lösen eine Depression aus. Selbst seine Frau Corina (Luise Heyer) dringt kaum noch zu ihm durch. Franz will aussteigen, raus aus dem System, doch es gibt keinen Weg.

Von Ostalgie keine Spur. Franziska Stünkels Film ist eine Abrechnung mit einem Unrechtssystem, in dem die Methoden des Nationalsozialismus unter neuem politischen Deckmantel fortgesetzt wurden. Deutschlands fleißigster Schauspieler Lars Eidinger spielt Franz Walter leise und zurückhaltend. Er macht nachvollziehbar, in welchen Zwängen sich Menschen in der DDR ausgesetzt sahen, egal ob sie für oder gegen den Staat waren. Ganz hervorragend auch Devid Striesow als dubioser Stasi-Kollege, der sich zwar linientreu gibt, aber gleichzeitig den Verlockungen des Westens nicht widerstehen kann. Luise Heyer macht mit ihrer nuancierten Darstellung das herausragende Trio komplett.
„Nahschuss“ ist ein düsterer, sehr ernsthafter Film über ein vergessenes Kapitel deutscher Geschichte.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
116 min
Regie Franziska Stünkel
Kinostart 12. August 2021

alle Bilder © Alamode Film

LOOK ME OVER – LIBERACE

LOOK ME OVER – LIBERACE

Ältere, stark geliftete Männer erinnern sich an die Schwulenikone Liberace. „Look Me Over – Liberace“ von Jeremy J.P. Fekete ist eine einzige Lästerrunde ehemaliger Weggefährten und Nassauer. Hassobjekt Nummer 1 scheint nach all den Jahrzehnten immer noch Liberaces Ex-Lover Scott Thorson zu sein, dessen Geschichte Steven Soderbergh schon im viel besseren Film „Behind the Candelabra“ erzählt hat.

„Look me over – Liberace“ ist trotz jeder Menge Bling-Bling ein erstaunlich glanzloser Film. 

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
90 min
Regie Jeremy J.P. Fekete
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © Edition Salzgeber

FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE

FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE

Die Kamera gleitet durch den U-Bahnhof Heidelberger Platz im heutigen Berlin. An den wartenden Fahrgästen vorbei, die Treppe hinauf, und plötzlich befinden wir uns im Berlin der 1930er-Jahre. Nüchtern, meist distanziert führt uns Jakob Fabian durch die brodelnde Großstadt. Tagsüber unterforderter Werbetexter, zieht der angehende Schriftsteller nachts mit seinem besten Freund Labude durch die Bordelle und Kneipen Berlins. Ein unsteter Geist, immer auf der Suche. Veränderung liegt in der Luft, die Weimarer Republik geht zu Ende, die Nazis sind auf dem Vormarsch. Erst die Liebe zu Cornelia Battenberg wird ein Lichtblick in Fabians Leben, stellt seine ironische Weltanschauung infrage.

Dominik Graf wählt für die Neuverfilmung von Erich Kästners gleichnamigem Roman die Stilmittel einer Independent-Produktion. Originalschauplätze in Görlitz und Bautzen stehen für das historische Berlin und Dresden, körniges Super-8-Material wechselt munter mit alten Archivaufnahmen und aufwendig eingerichteten Szenen in Altbaufluchten. Graf erzählt seine Vision vom Tanz auf dem Vulkan ohne Klischees, frei von Kitsch und verzichtet auf computergenerierten Hollywoodglanz. Das ist weit weg von „Babylon Berlin“. 

Kameramann Hanno Lentz verwendet ein fast quadratisches Bildverhältnis, das gängige Kinoformat der Zeit, in der die Geschichte spielt. Eines der kleinen, unauffälligen Details, die den Film so stimmig machen.
Tom Schilling, unser Mann für intellektuelle Slacker, ist die Idealbesetzung für den verlorenen Fabian. An seiner Seite glänzen Saskia Rosendahl, Albrecht Schuch und Meret Becker.

„Fabian oder der Gang vor die Hunde“ ist ein im besten Sinne altmodischer und zugleich sehr moderner Film. Die drei Stunden Laufzeit hätten hier und da ein paar Kürzungen vertragen, doch laut Regisseur gibt es einen Grund für die Länge: Er wollte, dass sein Film in etwa so lange dauert wie die Lektüre des Buchs.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2021
178 min
Regie Dominik Graf
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © DCM Pictures

ABSEITS DES LEBENS

ABSEITS DES LEBENS

Natur pur, ohne Strom und Wasser. Was in der Theorie nach schönem Aussteigertraum klingt, erweist sich in der Praxis schnell als lebensbedrohlich. Robin Wright spielt Edee, eine Frau, die nach einem Schicksalsschlag beschließt, in die Wildnis zu ziehen. Fern aller Zivilisation will sie in den Rocky Mountains ein neues Leben beginnen. Die zu erwartenden Herausforderungen – es ist alles dabei, vom wilden Bären bis zum Schneesturm – werden rasch nacheinander abgehakt. Kurz vor dem Hungertod rettet sie ein freundlichen Jäger (Demián Bichir), der ihr beibringt, wie man in der Wildnis überlebt.

Robin Wright hat bei der Serie „House of Cards“ erste Regieerfahrung  gesammelt, „Abseits des Lebens“ ist ihr Spielfilmdebüt. Sie erzählt die Geschichte von der gepeinigten Frau schnörkellos, ohne dem Genre irgendetwas Neues hinzuzufügen oder einen eigenen Stil zu verpassen. Die Dialoge sind etwas hölzern, die Liebesgeschichte wirkt konstruiert. Natürlich ist der Retter gut aussehend, natürlich belastet auch ihn ein dunkles Schicksal. Zu viele Zufälle, zu wenig Entwicklung. Besonders eigenartig wirken die Flashbacks, die in glitzerndem Gegenlicht aussehen, als wären sie für eine Versicherungswerbung gedreht worden. Als Schauspielerin ist Robin Wright so interessant, dass man ihr bei allem was sie tut, gerne zusieht. Doch ihre traurige Edee berührt nicht, bleibt zu unterkühlt. Selbst die großartige Naturkulisse hebt den Film nicht über das Niveau eines durchschnittlichen TV-Films.

FAZIT

Robin Wright – Allein zu Haus.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Land“
USA 2020
89 min
Regie Robin Wright
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

DIE PERFEKTE EHEFRAU

DIE PERFEKTE EHEFRAU

„Eine gute Ehefrau erfüllt stets ihre täglichen Pflichten. Diese sind Kochen, Bügeln, Nähen, Hausarbeit und zwar immer in völliger Aufopferung und ohne sich zu beschweren.“ Nur einer von sieben Grundsätzen für die perfekte Ehefrau.

Während in Paris die Revolution auf den Straßen tobt, werden im provinziellen Elsass Ende der 60er-Jahre Großmutters Weisheiten gepredigt. In der Haushaltsschule Van der Beck ticken die Uhren noch im alten Takt. Nachdem der Leiter des Instituts an einem Kaninchenknochen erstickt ist, erfährt seine schockierte Frau Paulette, dass die Schule vor dem Ruin steht. Nur ihre Jugendliebe, der Banker Grundvald kann jetzt noch helfen. Paulette wird vor die Wahl gestellt: weiter so als brave Witwe – oder neues Glück wagen?

„Die perfekte Ehefrau“ ist eine französische Komödie, die leider nur in der ersten Hälfte für ein paar kleine Schmunzler taugt. An der Besetzung liegt es nicht: Juliette Binoche, Yolande Moreau, Noémie Lvovsky sowie eine Reihe bemerkenswerter Jungschauspielerinnen bemühen sich nach Kräften. Doch trotz der guten Darsteller büßt der Film schnell seinen Charme ein. Die wenig ausgearbeiteten Figuren geraten zu Karikaturen, der Humor wird alberner und platter. Perlende Klaviermusik, geflüsterte Liebesbekenntnisse und ein Hauch lesbischer Liebe zwischen den Schülerinnen – Regisseur Martin Provost bedient für seine Emanzipationskomödie biedere Klischees. Wenigstens passt der Look, ästhetisch erinnert „Die perfekte Ehefrau“ an staubiges 50er-Jahre-Kino.

FAZIT

Ganz nett, aber nie wirklich lustig oder bissig.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La bonne épouse“
Frankreich / Belgien 2020
110 min
Regie Martin Provost 
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © One Film

BE NATURAL – SEI DU SELBST

BE NATURAL – SEI DU SELBST

„Sei Du selbst!“, ist die wichtigste Regieanweisung, die Alice Guy-Blaché ihren Schauspielern gibt.
Alice Guy-Blaché?
Mit dem Nichtkennen der französischen Filmpionierin befindet man sich in bester Gesellschaft. Selbst ausgebuffte Cineasten kommen bei ihrem Namen ins Grübeln. Im Gegensatz zu den Gebrüdern Lumière oder Thomas Alva Edison ist Alice Guy-Blaché heute aus dem kollektiven Kino-Gedächtnis verschwunden. Erstaunlich, denn seit 1896 hat sie als Regisseurin, Produzentin, Studio-Besitzerin und Drehbuchautorin über 1.000 Filme gedreht.

Für „Be Natural – Sei Du selbst“ hat die Filmemacherin Pamela B. Green mehr als acht Jahre recherchiert. Sie befragt in ihrer akribischen Dokumentation viele bekannte Persönlichkeiten des Filmbusiness, darunter Ben Kingsley, Geena Davis und Julie Delpy. Neben den Interviews gibt es jede Menge Ausschnitte aus den verschollen geglaubten Werken Guy-Blachés zu sehen. Wie eine Kriminalistin spürt Green dabei die wahre Geschichte einer vergessenen Frau auf, ohne die sich das Kino vielleicht nie von der bestaunten Jahrmarktsattraktion zu seiner heutigen Kunstform weiterentwickelt hätte.

Ihren Background als Musikvideo- und Werberegisseurin merkt man Green an. Teilweise ist „Be Natural“ ein bisschen zu hektisch geschnitten – manche O-Töne sind nur 3 Worte lang – und auch die restaurierten Originalszenen würde man gerne ein bisschen länger bestaunen. Dafür entschädigen die liebevoll animierten Trick-Sequenzen, die das Paris und Hollywood des frühen 20. Jahrhunderts wieder aufleben lassen. Jodie Foster spricht im Original die Offstimme, in Deutschland startet der Film OmU und synchronisiert in den Kinos.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Be Natural: The Untold Story of Alice Guy-Blaché“
USA 2018
103 min
Regie Pamela B. Green
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © Filmperlen

JUNGLE CRUISE

JUNGLE CRUISE

Die Forscherin Lily (Emily Blunt) begibt sich auf die Suche nach dem sagenumwobenen Baum des Lebens im Amazonas. Unterstützt wird sie dabei von dem furchtlosen Kapitän eines klapprigen Schiffs, Frank (Dwayne Johnson) und ihrem schwulen Bruder (so 2021, Disney). Auf der halsbrecherischen Flussfahrt müssen sich die drei unzähligen Gefahren, verfluchten Geistern  und bösen Deutschen stellen.
Indiana Jones, Romancing the Stone, Pirates of the Carribean, The Mummy – Regisseur Jaume Collet-Serra zitiert hemmungslos das Best of Abenteuerfilm. Innovativ ist das nicht – aber wer will schon Neues erwarten, “Jungle Cruise” basiert schließlich auf einer 1955 erfundenen Disney-Park-Attraktion.

Der Film sieht unglaublich künstlich aus, ein Großteil der Dreharbeiten fand offensichtlich in einem Greenscreen-Studio statt. Flora und Fauna stammen komplett aus dem Computer. Die Künstlichkeit ist wahrscheinlich gewollt, der Original-Ride führt ja auch durch eine bunte Plastikwelt.

Ist das nun hohler Eskapismus oder großer Abenteuerspaß?
Vielleicht beides. Tempo, Humor und Chemie stimmen jedenfalls. Mit 128 Minuten ist „Jungle Cruise“ zwar etwas lang geraten, macht aber bei ausgeschaltetem Hirn einigermaßen Spaß.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Jungle Cruise“
USA 2021
128 min
Regie Jaume Collet-Serra
Kinostart 29. Juli 2021 mit VIP-Zugang ab 30. Juli auf Disney+

alle Bilder © Walt Disney Studios

GENERATION BEZIEHUNGSUNFÄHIG

GENERATION BEZIEHUNGSUNFÄHIG

Beziehungen und Romantik sind Tim (Frederick Lau) ein Gräuel. Nach One-Night-Stands meldet er sich grundsätzlich nicht zurück, auf Tinder wartet schon die nächste Frau. Als er sein weibliches Pendant Ghost (Luise Heyer) kennenlernt und sich unversehens in sie verliebt, muss er von seiner eigenen bitteren Medizin kosten: Nach ein paar intensiven Dates wird er von seiner Angebeteten geghostet.

„Generation Bziehungsunfähig“ ist eine weitgehend unlustige Komödie mit einem nervigen Frederick Lau und einer charmanten Luise Heyer. Michael Nasts Sachbuch-Bestseller, 2016 erschienen, liefert die Vorlage. In der Verfilmung dient die verstolperte Liebesgeschichte als lockere Rahmenhandlung für eine Reihe eher zusammenhangloser Begebenheiten aus dem Leben eines Beziehungskrüppels.

„Die Känguru-Chroniken“ waren letztes Jahr so erfolgreich, dass gerade eine Fortsetzung gedreht wird. Folglich gibt es eine Menge Zuschauer, die auch Helena Hufnagels Film zum Brüllen komisch finden werden. Humor ist eben Geschmacksache, wusste schon Til Schweiger.
Apropos: Besonders störend an „Generation Beziehungsunfähig“ ist wieder mal die Unart, jede Szene mit einem Popsong zu unterlegen. Hier scheint die Auswahl von einem pensionierten rbb-Redakteur getroffen worden zu sein. Als Tim und sein Opa einen Joint rauchen ist die musikalische Begleitung dazu – richtig: Don’t Bogart That Joint – so originell kann nur deutsche Comedy sein.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
80 min
Regie Helena Hufnagel
Kinostart 29. Juli 2021

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany