BECOMING GIULIA

BECOMING GIULIA

Ab 18. Januar 2024 im Kino

Dokumentarfilm über die Solotänzerin Giulia Tonelli, die nach ihrer Mutterschaftspause darum kämpft, Beruf und Familie zu vereinbaren.

„Reicht ihr die Mutterrolle nicht aus? Muss sie auch noch so verdammt ehrgeizig sein?“ Nur zwei von vielen dummen Fragen, die sich berufstätige Mütter immer wieder anhören müssen. Für viele Frauen ist es ohnehin schwer genug, nach der Geburt eines Kindes in den alten Beruf zurückzukehren. Stillen, Wickeln, wenig Schlaf, da bleibt kaum Zeit (und Kraft) für anderes. Noch schwieriger ist das Ganze für eine professionelle Balletttänzerin.

Wickeltisch und Grand-plié schließen sich nicht aus

Mit Leidenschaft für ihren Beruf und Liebe zum Kind steht Giulia Tonelli vor der schwierigen Herausforderung, nur drei Monate nach der Entbindung wieder auf der Bühne am Opernhaus Zürich zu stehen. Sie kämpft gegen festgefahrene Rollenbilder und versucht, eine Balance zwischen der wettbewerbsorientierten und extrem anspruchsvollen Welt einer Elite-Ballettkompanie und ihrem neuen Familienleben zu finden.

„Ich hoffe, ich tanze noch, wenn er sich an mich erinnern kann.“, sagt Giulia über ihren kleinen Sohn. Denn meist endet für Profitänzerinnen die Karriere mit einer Schwangerschaft – doch Giulia denkt nicht daran, ihre beruflichen Träume aufzugeben. Wickeltisch und Grand-plié schließen sich nicht aus. Der Film begleitet die junge Mutter in den Jahren 2019 bis 2021 und wirft dabei einen einfühlsamen Blick auf eine Künstlerin auf dem Höhepunkt ihres Könnens. Regisseurin Laura Kaehr, selbst ehemalige Tänzerin, verbringt mit ihrem Kamerateam viel Zeit in den Proberäumen des großen Opernhause, zeigt dabei die Schönheit des Balletts, aber auch die enorm harte Arbeit, die dahinter steckt.

BECOMING GIULIA ist das unaufgeregte, intime Porträt der außergewöhnlichen Frau Tonelli, die inzwischen zweifache Mutter ist. Beim Zürcher Filmfestival gab’s dafür den Publikumspreis.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Becoming Giulia“
Schweiz 2022
103 min
Regie Laura Kaehr

alle Bilder © W-FILM Distribution

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THE PALACE

THE PALACE

Ab 18. Januar 2024 im Kino

Selten waren sich die Kritiker so einig: THE PALACE ist Roman Polanskis schlechtester Film. Ein filmisches Desaster im Schatten der Alpen.

Wie es THE PALACE geschafft hat, seine Weltpremiere auf den diesjährigen Internationalen Filmfestspielen von Venedig zu feiern, ist das größte Rätsel. Hat sich das vorher niemand angeschaut? Die Möchtegern-Satire wäre gerne so bissig wie Ruben Östlunds TRIANGLE OF SADNESS, ist aber komplett zahnlos und dumm. Die Szenen wirken wie eine Aneinanderreihung von schlecht improvisierten Sketchen, oft unappetitlich und ohne roten Faden oder Sinn.

Nichts daran ist lustig

Die Handlung des Films könnte kaum belangloser sein. Schauplatz ist „The Palace“, ein plüschiges Luxushotel in den Schweizer Alpen. Hier versammelt sich im Dezember 1999 der Jetset, um gemeinsam ins Jahr 2000 zu feiern. Die Angst geht um, dass das Millennium-Problem die Welt zerstören wird, aber der unerschütterliche Hotelmanager Hansueli Kopf (Oliver Masucci) besteht darauf, dass alles gut wird. Sein einziges Ziel: Die protzigen Gäste mögen sich „nach Herzenslust mit Kaviar vollstopfen“ und Champagner trinken, „bis es ihnen aus den Ohren sprudelt.“

Man fragt sich, ob Masucci die Rolle aus Bewunderung für die Legende Polanski oder wegen einer verlorenen Wette angenommen hat. Die vulgäre Klientel wird von Fanny Ardant, John Cleese, einem monströs aussehenden Mickey Rourke und dem Deutschen Milan Peschel „gespielt“. Wer sich für kleine Hunde mit Durchfall, betrunkene Russen, kotzende Frauen und grotesk geliftete Altstars begeistert, kommt hier voll auf seine Kosten.

Nichts daran ist lustig: Wirklich im Ernst – gar nichts. Vom flachen Inhalt und der erbärmlichen Inszenierung abgesehen, sieht der Film auch noch schäbig aus. Roman Polanski, einst gefeierter Regisseur von Meisterwerken wie CHINATOWN und DER PIANIST, hat nun das wohl dunkelste Kapitel seiner Karriere geschrieben. Dass man Kunst und Künstler trennen soll, erweist sich hier als hohle Phrase, denn im Alter von 90 Jahren hat sich Polanski mit seinem vielleicht letzten Film endgültig selbst ins Aus geschossen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Palace“
Italien / Polen / Schweiz / Frankreich 2023
97 min
Regie Roman Polanski

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

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POOR THINGS

POOR THINGS

Ab 18. Januar 2024 im Kino

Was passiert, wenn man einer Selbstmörderin das Gehirn ihres ungeborenen Kindes einpflanzt? Auf diese komplexe Frage findet der neue Film von Yorgos Lanthimos (THE LOBSTER und THE FAVOURITE) überraschende Antworten.

Frankenstein 2.0: Der brillante Wissenschaftler Dr. Gordon Baxter (Willem Dafoe) fischt die Leiche einer Schwangeren aus dem Fluss. In seinem Labor verpflanzt er das Gehirn des ungeborenen Babys in den Kopf der jungen Frau. Mit viel Blitz und Strom erweckt er sie anschließend zum Leben. Bella Baxter (Emma Stone), so nennt er sein Geschöpf, macht sich mit kindlicher Neugier daran, die Welt des 19. Jahrhunderts zu erkunden.

Mindestens die weibliche Emanzipation in Zeitraffer

Vom Prenzlpanther zum normalen Menschen: Bella lernt laufen, essen, sich zu benehmen, entdeckt ihre Sexualität, die Liebe, die Kultur und die Politik. Was so ein Leben eben alles bereithält. Emma Stone spielt sich dabei in Richtung nächste Oscarnominierung. Faszinierend, wie sie sich von einem brabbelnden, kaputten Spielzeug auf zwei Beinen vor den Augen der Zuschauer in eine freiheitsliebende, selbstbestimmte Frau verwandelt. Manche interpretieren schon wieder eine zweite BARBIE und mindestens die weibliche Emanzipation in Zeitraffer in den Film. Doch POOR THINGS ist vor allem ein intelligenter Augenschmaus.

Willem Dafoe sieht unter einer dicken Schicht Latex selbst wie eine Kreation Frankensteins aus. Hinter der vernarbten Maske verbirgt sich eine geschundene Seele, seinem monströsen Vater sei Dank. Den genialen Wissenschaftler spielt Dafoe zurückgenommen, die Rolle hätte leicht in schamloses overacting kippen können. „Dumm fickt gut“ müsste im Falle von Mark Ruffalos Figur eher „eitel fickt gut“ heißen. Großartig, wie er den erbärmlichen Liebhaber Bellas der Lächerlichkeit preisgibt und nebenbei für eine ganze Generation Männer steht, die glaubt, nur durch ihre Virilität, könnten Frauen Erfüllung finden.

Die mit Fischaugenobjektiv teils in schwarz-weiß, teils in knallbunten Farben gedrehten Bilder wecken dank surrealistischer Kulissenbauten Erinnerungen an Terry Gilliam und Wes Anderson. Ähnlich wie die beiden großen Kinomagier erschafft Yorgos Lanthimos einzigartige, handgemachte Fantasiewelten und lässt seine Figuren jenseits aller gängigen Hollywoodformeln agieren. Dabei ist Lanthimos noch nicht im Manierismus festgefahren (im Gegensatz zu Anderson, der sich seit Jahren um sich selbst zu drehen scheint), wirkt frisch und aufregend.

Noch besser wäre POOR THINGS wohl nur, wenn man ihm in der Mitte eine halbe Stunde rausschneiden würde. Es zieht sich zwischendurch ein wenig. Aber das wird locker durch grandiose Bilder, tolle Schauspieler und die besten Tierfabelwesen (ein Hund mit Gänsekopf!) wettgemacht, die seit langem im Kino zu bestaunen waren. Das Festivalpublikum in Venedig war begeistert, am Schluss gab es den Goldenen Löwen für den Besten Film. Verdient.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Poor Things“
England 2023
141 min
Regie Yorgos Lanthimo

alle Bilder © The Walt Disney Company Germany

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BABY TO GO

BABY TO GO

Ab 11. Januar 2024 im Kino

Familienplanung von übermorgen. BABY TO GO ist eine ironische Zukunftsvision mit hübschem Technik-Schnickschnack und Werbeästhetik.

Gleichberechtigung 5.0: Männer können auch im neuen Jahr nicht schwanger werden, da kann die Wissenschaft noch so lange forschen. Und Frauen wollen es nicht mehr. Die Hormone, die Hitzewallungen, die Schwangerschaftsstreifen! Stattdessen lässt sich der Nachwuchs in einem schicken Designer-Pod im Labor züchten. Kinderkriegen wird so einfach wie die Pflege eines Tamagotchis.

BLACK-MIRROR-Episode auf 111 Minuten gedehnt

BABY TO GO erzählt von Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor), die sich nach langem Zögern entschließen, Eltern von einem Plastikei zu werden. Regisseurin Sophie Barthes nutzt für ihre Science-Fiction-Sozialsatire die visuellen Mittel einer Apple-Werbung. Slicke Technik (der Frühstückstoast kommt aus dem 3D-Drucker), sanfte Pastelltöne – die Welt der Zukunft sieht gut aus.

Doch gutes Aussehen alleine reicht nicht. BABY TO GO ist eine etwas zahnlose BLACK-MIRROR-Episode auf 111 Minuten gedehnt. Das hätte sich komprimierter und wirkungsvoller locker in der Hälfte der Zeit erzählen lassen. Trotz all der hübschen Bildideen zieht es sich zwischendurch wie eine Apple-Präsentation von Tim Cook.

Zuschauer, die zwischen 10 und 14 € für ein Kinoticket berappen, erwarten eine gewisse Quantität an Film. Deshalb gibt es hierzulande auch keinen Markt für Kurzfilme. Eine knackigere Version von BABY TO GO wäre besser bei einem Streamer oder als Hälfte eines Doublefeatures aufgehoben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Pod Generation“
GB 2022
111 min
Regie Sophie Barthes

alle Bilder © Splendid Film

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ROLE PLAY

ROLE PLAY

Ab 04. Januar 2024 im Kino

Happy 2024! Fangen wir das neue Jahr mit einem kleinen Quiz an: Was haben folgende Schlagzeilen mit dem Actionfilm ROLE PLAY zu tun? „Studio Babelsberg: Eben noch Hollywood, jetzt Flaute“ - „Steht das Filmstudio Babelsberg vor dem Aus?“

Die Antwort: Ganz einfach, die Babelsberger haben ROLE PLAY co-produziert und stehen jetzt vor der Insolvenz. Ob das eine mit dem anderen zu tun hat, ist nicht erwiesen, aber gut möglich. Schon bei der Auswahl seiner letzten Projekte zeigte das Studio ein feines Gespür für Kassenschlager: BAGHEAD, RETRIBUTION und DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER waren echte Rohrkrepierer.

So spannend sind wie das Warten auf die U-Bahn

Vor genau 30 Jahren kam TRUE LIES mit Arnold Schwarzenegger in die Kinos. Für ROLE PLAY gilt: anderer Film, gleiche Geschichte, gleiche Ideenarmut. Emma (Kaley Cuoco) führt mit ihrem Mann Dave (David Oyelowo) eine halbwegs glückliche Ehe, inklusive zwei nerviger Kinder. Beruflich ist sie viel unterwegs, angeblich zu langweiligen Seminaren. In Wahrheit ist sie eine hochbezahlte Auftragskillerin, die weltweit unangenehme Zeitgenossen ausschaltet. Die Familie hat von Muttis Doppelleben keine Ahnung – bis eines Tages … den Rest kann man sich denken.

Auch wenn die Undercover-Killer-Geschichte noch halbwegs interessant klingt – die Umsetzung ist es nicht. Statt packender Action gibt es endlose Dialoge, die so spannend sind wie das Warten auf die U-Bahn. Wenn dann doch mal was passiert, erinnert es eher an eine schlechte Kindergarten-Aufführung als an einen Actionfilm. Komödie? War wohl die Intention, ist aber eher unfreiwillig komisch. Was den eigentlich immer brillanten Bill Nighy dazu bewogen hat, hier eine Nebenrolle zu übernehmen, bleibt sein Geheimnis.

TV-Regisseur Thomas Vincent versucht verzweifelt, auf der KILLING EVE-Welle zu surfen, scheitert jedoch kläglich. Die öde Geschichte, die sich fürchterlich clever vorkommt, spielt irgendwann auch mal in Berlin – Studio Babelsberg sei Dank. Die einzige Erkenntnis, die man am Ende gewinnt: Die Hauptstadt ist dreckig und hässlich wie nie, es gibt Technoclubs an jeder Ecke, und wenn man nur will, kann man sogar den schlimmsten Feierabendverkehr in Kreuzberg umfahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Role Play“
USA / Deutschland / Frankreich 2024
100 min
Regie Thomas Vincent

alle Bilder © STUDIOCANAL

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PRISCILLA

PRISCILLA

Ab 04. Januar 2024 im Kino

Was vom Mythos übrigblieb – die wahre Geschichte von Elvis Presleys besserer Hälfte.

Text: Anja Besch

Wohl jeder kennt die Story von Priscilla Beaulieu, die als 14-Jährige auf einem deutschen Army-Stützpunkt Elvis kennenlernt und ihm aus Liebe in den goldenen Käfig Graceland nach Memphis folgt. Statt elterlicher Aufsichtspflicht gilt es nun, die kruden religiösen und modischen Lebensregeln des Elvis Aaron Presley aka „Elvis the Pelvis“ zu befolgen. Der hüftschwingende Superstar und Pin Up Boy einer ganzen kreischenden Backfischgeneration entpuppt sich im überladenen Heim als pillenkomatöser Sexmuffel, der sieben Jahre lang allenfalls Hand an die Optik seiner später Angetrauten legt. Vierzehn Jahre und ein überraschendes Kind später verlässt Priscilla den King und schreibt 1985 ihre Memoiren „Elvis und Ich“, auf denen die 20 Millionen US-Dollar teure Produktion von Regisseurin Sophia Coppola beruht.

Lehrstück in Make-up, Frisurenstyling und Raumausstattung

PRISCILLA ist zwar aufwendiger als ein Privatfernsehen-Biopic, doch keineswegs interessanter, aufschlussreicher oder subtiler. Was die Königin des Musik-Merchandise-Marketings zu eben dieser machte (Lebensaufgabe seit Elvis Tod 1977 – neben talentfreien Schauspielversuchen in DALLAS oder DIE NACKTE KANONE – Verwalterin der Pilgerstätte Graceland), ist allenfalls ein Lehrstück in Make-up, Frisurenstyling und Raumausstattung.

Natürlich zieht der Name der bekanntesten Ex-Ehefrau der Welt, doch ist nicht jedes vermeintliche VIP-Opfer gleich eine verfilmungswürdige Ikone. Um die Beziehung des Mythos‘ Elvis zu seiner Kindsbraut zu verstehen, hätte es mehr als die überdimensionierten 40 cm Größenunterschied der beiden Hauptdarsteller Cailee Spaeny und Jacob Elordi gebraucht. Der Zuschauer bleibt außen vor und leidet bei Tränchen der chronisch Unterliebten – deren Namenspatronin bezeichnenderweise eine vorchristliche Märtyrerin ist – allenfalls mit ihrer Wimperntusche. Zum Trost gibt es nicht einmal ein Wiederhören mit gefühlsverstärkenden Elvis-Songs, da aus rechtlichen Gründen der Score von Coppolas Ehemann Thomas Mars und dessen Poprockband „Phoenix“ stammt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Priscilla“
USA 2023
113 min
Regie Sofia Coppola

alle Bilder © MUBI

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BAGHEAD

BAGHEAD

Ab 28. Dezember 2023 im Kino

Vielleicht klappt’s ja mit Clickbait: Als wir erfuhren, wie schlecht dieser Film ist, wollten wir es zunächst nicht glauben! Lies die ganze Geschichte hier!

BAGHEAD ist ein Märchenfilm: Im Keller eines jahrhundertealten Pubs wohnt eine untote Hexe, die für zwei Minuten Tote ins Reich der Lebenden zurückbringen kann.

Märchenhaft schlecht

Märchenhaft schlecht ist nicht nur die Geschichte, sondern auch Schauspiel und Inszenierung. BAGHEAD ist eine weitere Perle aus der insolventen Studio-Babelsberg-Schmiede. Glaubt man Film und Ausstattung, ist das heutige Berlin (da spielt das Ganze aus nicht nachvollziehbaren Gründen) eine düstere, ständig verregnete Stadt voll geheimnisumwitterter Orte. Na gut, das mit verregnet mag ja noch stimmen – aber wo ist es denn bitteschön hier noch geheimnisvoll? Seit der über 20 Jahre andauernden Kernsanierung ist Berlin ungefähr so mystisch wie eine Starbucks-Filiale.

Regisseur Alberto Corredor hat seinen sehenswerten Kurzfilm von 2017 auf Spielfilmlänge ausgewalzt. Das funktioniert nur bedingt und auf vielen Ebenen überhaupt nicht. Außer zu lauten Toneffekten erzeugt sein hanebüchenes Erstlingswerk vor allem keinen Grusel. Das ist nicht gut bei einem Gruselfilm. Wie man eine sehr ähnliche Geschichte über Kontakte ins Totenreich originell und frisch erzählt, hat zuletzt der um Längen bessere australische Horrorfilm TALK TO ME gezeigt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Baghead“
USA / Deutschland 2023
95 min
Regie Alberto Corredor

alle Bilder © STUDIOCANAL

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THE QUEEN MARY

THE QUEEN MARY

Ab 28. Dezember 2023 im Kino

Rechtzeitig zum Jahresende kommt dieser komplett verkorkste Quatschfilm über ein dümpelndes Gespensterschiff in die Kinos.

Am Hafen von Long Beach liegt seit vielen Jahren die RMS Queen Mary vor Anker. In den 1930er-Jahren gebaut, früher stolzer Passagierdampfer, inzwischen zu einem Casino für spielsüchtige Touristen verkommen. Als neue Attraktion bieten die Eigner nun eine Geistertour an Bord. Der Film THE QUEEN MARY dient offensichtlich als Werbevehikel für den 65 $ teuren „Paranormal Ship Walk“.

Ein Meisterwerk des Scheiterns

THE QUEEN MARY macht den Eindruck, als hätten sehr viele Köche den Brei verdorben. Im Schnittraum wurde dann das Material ohne jeden Sinn und Verstand aneinander geschustert. Das Ergebnis: Ein Meisterwerk des Scheiterns. Wirr wäre untertrieben. Es gibt wohl zwei (oder drei?) Zeitebenen: Eine spielt 1938 und handelt von einer Gaunerfamilie, die sich trotz Dritte-Klasse-Tickets in den Speisesaal der First Class schmuggelt. Als man sie enttarnt, wird der Vater zum blutrünstigen Axtmörder, während seine kleine Tochter mit Fred Astaire einen schier unendlich langen Stepptanz aufführt (nicht fragen). Gleichzeitig stolpern in der Gegenwart die vollbusige Sarah (an der Bluse stets einen Knopf zu viel geöffnet), ihr Ex-Mann und der zwergwüchsige Sohn über das Deck, auf der Suche nach Gespenstern oder möglicherweise dem verloren gegangenen Drehbuch. In diesem filmischen Desaster sind einzig die Ausstattung des Schiffs mit seinen historischen Dekor und die schick gemachten Übergänge zwischen den Epochen erwähnenswert.

Regisseur Gary Shore hat schon den unsäglichen DRACULA UNTOLD verbrochen. Dass er früher mal Werbefilme gemacht hat, mag man kaum glauben. THE QUEEN MARY ist zu lang, zu schlecht gedreht und im wahrsten Sinne des Wortes unterbelichtet. Das funktioniert nicht mal als trashiger Spaß. Die beste Szene zeigt eine Gespensterfrau, die sich den Kopf auf der Tastatur eines Klaviers zu Matsch zerschlägt – als Zuschauer dieses Films kann man es ihr nachempfinden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Haunting of the Queen Mary“
USA / Großbritannien 2023
125 min
Regie Gary Shore

alle Bilder © Splendid Film

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LOLA

LOLA

Ab 28. Dezember 2023 im Kino

Was wäre, wenn? LOLA ist ein kluges Gedankenspiel über Machtmissbrauch und seine fatalen Konsequenzen.

Eine interessante Überlegung: Ließe sich das Schicksal der Menschheit verändern, wenn man Nachrichten aus der Zukunft sehen könnte? Thom und Mars haben eine Maschine erfunden, kurz „Lola“ genannt, mit der sie genau das können. Es ist das Jahr 1941, der Zweite Weltkrieg tobt und Hitlers Truppen rücken nach England vor. Mithilfe ihrer Maschine, mit der sie Radio und Fernsehschnipsel aus der Zukunft empfangen können, wissen die beiden Schwestern immer schon einen Tag vorher, was der GröFaZ plant und können die Zivilbevölkerung vorwarnen. Bald werden die beiden „Wahrsagerinnen“ nationale Berühmtheiten, obwohl niemand weiß, wer sie in Wirklichkeit sind. Doch das Wissen über die Angriffspläne von morgen weckt das Interesse des Militärs – und so was geht ja bekanntlich nie gut aus.

Wäre David Bowie in einer alternativen Zeit Zahnarzt geworden?

Sie haben David Bowie gelöscht! Kann passieren, wenn sich durch zunächst kleine, dann immer gewaltigere Eingriffe der Ablauf des Weltgeschehens ändert und die uns bekannte Timeline aus dem Ruder läuft. Wäre David Bowie in einer alternativen Zeit Zahnarzt geworden und hätte nie von Major Tom gesungen? Die Idee ist nicht neu, aber hier besonders faszinierend weitergedacht: Wie sehr ändert sich der Lauf der Welt, wenn zum Beispiel Musik aus der Zukunft schon 1940 populär gemacht wird?

Für seinen klugen Experimental-Film LOLA hat Regisseur Andrew Legge die Form des „Found-Footage“-Formats gewählt. Das ist zwar voll 2000er, funktioniert hier aber hervorragend. Statt verwackelter Videobilder gibt es der damaligen Zeit entsprechend verwackelte Filmbilder in schwarz-weiß und verrauschtem Ton. LOLA ist ein beeindruckendes Spielfilmdebüt, nur 80 Minuten lang und könnte als Blaupause für eine Miniserie oder einen großen Spielfilm dienen. Clever gemacht und sehr interessant.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Lola“
Irland / UK 2023
80 min
Regie Andrew Legge

alle Bilder © Neue Visionen

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REBEL MOON – TEIL 1: KIND DES FEUERS

REBEL MOON – TEIL 1: KIND DES FEUERS

Ab 22. Dezember 2023 bei NETFLIX

ChatGPT: Produziere einen Science-Fiction-Film für NETFLIX

Einer der schlechtesten Filme des Jahres erscheint kurz vor Weihnachten bei NETFLIX. Regisseur Zack Snyder ist noch nie mit besonderem Talent aufgefallen – entweder sind seine Werke nur okay (300, DAWN OF THE DEAD) oder wahnsinnig schlecht (SUCKER PUNCH, THE JUSTICE LEAGUE, BATMAN v SUPERMAN). Einen neuen Tiefpunkt erreicht er nun mit REBEL MOON, einer klischeetriefenden Sci-Fi-Saga, die wie die unfreiwillige Persiflage auf einen Michael-Bay-Film aus den frühen 2000er-Jahren wirkt. Superslowmo, Speedramps, heroische Kameraeinstellungen von unten und martialischer Soundtrack – wem so was gefällt, der sollte sich lieber noch mal TRANSFORMERS anschauen. Immer noch besser als dieser zusammengeklaute Dreck.

Zudem sieht REBEL MOON – TEIL 1: KIND DES FEUERS (Teil 2 erscheint im April) auf der großen Leinwand gelinde gesagt billig aus. Kein Wunder, schließlich wurde er für den Streaminganbieter NETFLIX produziert und da gehört er auch hin. Die Bilder inklusive der Schauspieler wirken so künstlich videospielhaft, man könnte meinen, der Film sei komplett im Computer entstanden. Deshalb (wenn überhaupt): am besten auf dem Handy schauen. Nachdem die Kritiken in den USA verheerend schlecht ausgefallen sind, behauptet Regisseur Snyder doch tatsächlich (schon wieder), erst ein um eine Stunde längerer „Director’s Cut“ würde seine wahre Vision zeigen. Lachhaft, denn auch so ist REBEL MOON schon 135 Minuten zu lang.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Rebel Moon – Part 1: A Child of Fire“
USA 2023
135 min
Regie Zack Snyder

alle Bilder © NETFLIX

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PERFECT DAYS

PERFECT DAYS

Ab 21. Dezember 2023 im Kino

Nach ANSELM der nächste gute Film von Wim Wenders in diesem Jahr. Eine Liebeserklärung an Tokio, die Einfachheit der Dinge und - Toilettenhäuschen.

Selbst Genies wie Lou Reed haben ein Faible für die schlichten Freuden des Lebens: Ein perfekter Tag kann aus einem Schluck Sangria im Park, einer Fütterung der Tiere im Zoo und einem Kinobesuch bestehen. Ganz ähnlich – auf der anderen Seite des Globus – gleitet der Japaner Hirayama durch seinen eigenen Tagesablauf: ein Ballett der Routine, vom morgendlichen Rasieren bis hin zur Pflege seiner Pflanzen, gekrönt von einer gewöhnlichen, aber akribisch und liebevoll ausgeführten Arbeit – dem Reinigen von öffentlichen Toilettenhäuschen. Hirayama, dessen Leben von Musik und Literatur durchdrungen ist, wird durch unerwartete Begegnungen mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Die Handlung, die sich langsam entfaltet, zeigt, dass selbst im scheinbar Gewöhnlichen verborgene Geschichten stecken können. 

Eine Liebeserklärung an Tokio

Anfang 2022 erhält Wim Wenders einen Brief aus Tokio: „Hätten Sie Interesse, nach Tokio zu kommen und sich ein höchst interessantes soziales Projekt anzuschauen? Es handelt sich um ein gutes Dutzend öffentlicher Toiletten, die allesamt von großen Architekten gebaut wurden.“ Der Regisseur ist begeistert und beschließt, zusammen mit Co-Autor Takuma Takasaki ein Drehbuch rund um die wunderschönen Miniaturbauten zu schreiben.

Die Entscheidung, den Film in nur 16 Tagen zu drehen, erweist sich als kreativer Glücksfall, denn alles wirkt spontan und authentisch, fast dokumentarisch. Wenders‘ Blick auf Tokio ist eine Liebeserklärung an die Stadt. PERFECT DAYS entführt die Zuschauer auf eine poetische Reise durch das scheinbar gewöhnliche Leben eines scheinbar gewöhnlichen Mannes. Dass dahinter mehr steckt, wird nur zart angedeutet und damit der Fantasie des Zuschauers überlassen. Koji Yakusho brilliert in der Hauptrolle als Hirayama und wurde zu Recht mit dem Preis als Bester Darsteller bei der Weltpremiere in Cannes ausgezeichnet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Perfect Days“
Japan 2023
123 min
Regie Wim Wenders

alle Bilder © DCM

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THE IRON CLAW

THE IRON CLAW

Ab 21. Dezember 2023 im Kino

In der internationalen Wrestling-Szene waren sie jahrelang Stars. Privat lag ein Fluch auf den Von Erichs.

Texas, Anfang der 80er-Jahre: Fritz Von Erich ist ein berühmter Wrestler, dem der ultimative Sieg als World-Champion zeitlebens verwehrt bleibt. Also drängt er seine Söhne in den Sport. Dass die Jungs in erster Linie das Ego ihres Vaters befriedigen und mit unterwürfigem „Yes Sir!“ nur Befehle ausführen, kommt dem herrschsüchtigen Alten nicht in den Sinn.

Muskeln, Kraft und toxische Männlichkeit

Die Story vom Fluch, der angeblich auf den Von Erichs liegt, ist in Insiderkreisen Legende. Hätte sich das ein Drehbuchautor ausgedacht, würde man ihm maßlose Übertreibung vorwerfen. So viel sei verraten: Von fünf Brüdern (in Wahrheit sogar sechs) überlebt am Ende nur einer. Nicht umsonst wird die Familie oft als die Kennedys des Sports bezeichnet.

Die Besetzung ist das Highlight des Films. Neben dem besorgniserregend muskulösen Zac Efron (von einer He-Man-Gedächtnisfrisur verunstaltet) besteht sie aus lauter tollen Schauspielern, bei denen man auf Anhieb nicht so genau erinnert, woher man sie kennt: Jeremy Allen White (THE BEAR), Harris Dickinson (TRIANGLE OF SADNESS) und vor allem als gestrenger Vater Holt McCallany, der in der leider nie fortgesetzten Serie MINDHUNTER die Hauptrolle spielt.

Es riecht nach Testosteron. Für Wrestling sollte man sich auf jeden Fall interessieren, denn es gibt viel vom Sport zu sehen, von dem bis heute niemand weiß, wo Wettkampf aufhört und Show beginnt. Hier dreht sich alles um Muskeln, Kraft und toxische Männlichkeit. Die Von Erichs sind jahrelang Stars der Szene und eilen von Sieg zu Sieg. Es hätte nicht geschadet, wenn sich das Drehbuch dabei ein bisschen weniger an der Realität abgearbeitet hätte. So bleiben die Figuren von Anfang bis Ende in ihren Verhaltenskorsetts gefangen. Die Eltern behandeln ihre Kinder wie nützliches Werkzeug, Emotionen sind unerwünscht. Die ständige Wiederholung von Kämpfen im Ring und dem nächsten Schicksalsschlag ist nicht leicht zu verdauen. Doch die Realität war wohl noch viel schlimmer als das, was auf der Leinwand zu sehen ist. Einer der Söhne, Chris, kommt im Film gar nicht vor. Auch sein Leben endete früh durch Selbstmord. „Man kann das den Zuschauern nicht zumuten. Es wäre einfach zu unerbittlich.“, sagt Regisseur Durkin.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Iron Claw“
USA / GB 2023
130 min
Regie Sean Durkin

alle Bilder © LEONINE Studios

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GIRL YOU KNOW IT’S TRUE

GIRL YOU KNOW IT’S TRUE

Ab 21. Dezember 2023 im Kino

Sie verkauften 14 Millionen Alben, wurden zu Stars - gesungen haben andere. Ist die Geschichte von Milli Vanilli knapp 30 Jahre später noch relevant genug, um daraus einen Kinofilm zu machen?

Der kometenhafte Aufstieg und der krasse Absturz der beiden Backgroundtänzer Robert Pilatus und Fabrice Morvan, besser bekannt als Milli Vanilli, ist 1993 der größte Skandal, den die Musikgeschichte bis dato erlebt hat. Vergleichbar in etwa, wenn heute rauskäme, dass Taylor Swift seit Jahren die Lippen zum Playback einer anderen Sängerin bewegt. Milli Vanilli sind internationale Stars aus München. Nummer eins Hits weltweit, vergöttert in Amerika und Gewinner des Grammys als Best New Artists. Doch dann lässt Produzent Frank Farian bei einer Pressekonferenz die Bombe platzen: Rob und Fab haben nicht einen Ton auf ihrem millionenfach verkauften Album selbst gesungen. Alles Lug und Trug. Ihre Platten werden öffentlich von enttäuschten Fans mit Bulldozern zermalmt.

Eine alberne deutsche Klamotte auf RTL-Niveau?

Wenn Menschen, die es gut mit einem meinen, hören, dass man sich bei strömendem Regen zur Pressevorführung eines Milli Vanilli-Biopics mit Matthias Schweighöfer (!) aufmacht, erntet man Mitleid. Warum tust Du dir das an? Die eigene Lust ist auch nicht gerade groß, schließlich sieht der Trailer verboten schlecht aus. Eine alberne deutsche Klamotte auf RTL-Niveau über zwei Fake-Musiker – wer braucht das? Und dann die große Überraschung: Nicht nur nervt Schweighöfer nicht, der Film ist richtig gut. Unterhaltsam, witzig und vor allem auf den Punkt besetzt. Tijan Njie und Elan Ben Ali sehen den Originalen unfassbar ähnlich und können auch noch spielen.

Die Rahmenhandlung zeigt die beiden auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. In einem luxuriösen Hotelzimmer auf die Couch gefläzt, erzählen sie ihre Geschichte. Dabei durchbricht Regisseur Verhoeven, wie auch später bei anderen Szenen, die vierte Wand. Die Darsteller sprechen direkt zu den Zuschauern. Nur eine von vielen guten Ideen, die den Film auch visuell interessant machen. Schön widerlich ist die Ausstattung. Wer dabei war, erinnert sich: so geschmacklos sah Ende der 80er-Jahren die Mode wirklich aus. Neben der eigentlichen Skandalgeschichte gibt es Wissenswertes über die Abgründe des Musikbusiness (der große Hit „Girl you know it’s true“ war geklaut – Farian selbst nennt es eine Neuinterpretation) und die familiären Hintergründe der beiden gefallenen Stars.

Wie so oft, findet auch GIRL YOU KNOW IT’S TRUE kein Ende. Es gibt da eine bestimmte Szene mit einem Walkman, die das perfekte Schlussbild für diesen unerwartet guten Film gewesen wäre. Aber das ist nur ein kleines Manko – die unglaublich wahre Geschichte von Milli Vanilli ist eine echt gelungene Überraschung zu Weihnachten.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
124 min
Regie Simon Verhoeven

alle Bilder © LEONINE Studios

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EILEEN

EILEEN

Ab 14. Dezember 2023 im Kino

Todd Haynes für Arme: EILEEN ist ein hochkarätig besetztes B-Picture.

Massachusetts im Winter 1964: Der Vater ein jähzorniger Säufer, die gemeinsame Wohnung heruntergekommen, der Job im Jugendgefängnis öde. Eileens Leben ist trostlos. Bis eines Tages die glamouröse Rebecca als ihre neue Chefin auftaucht – um das junge Mädchen ist es geschehen. Bald entwickelt sich eine zarte Bande zwischen den beiden Frauen. Doch dann konfrontiert Rebecca Eileen mit einem furchtbaren Geheimnis.

Der große Twist kommt viel zu spät

Oh Schreck, oh Graus! Klingt wie ein B-Picture? Ist es auch. Früher wäre so was als Schwarz-Weiß-Drama mit hysterischem Geigenscore in die Kinos gekommen. Todd Haynes, der andere moderne Regisseur mit einer Schwäche für Douglas-Sirk-Dramen, hat mit CAROL schon vor acht Jahren das bessere Retro-Drama gedreht. 

Die einen mögen sie, viele hassen sie: Anne Hathaway gibt dem Affen Zucker, ist in dieser zweitklassigen Produktion aber fast verschenkt. Die hervorragende Thomasin McKenzie (LAST NIGHT IN SOHO) spielt die Titelfigur Eileen als sexuell erwachende Kindfrau. Weshalb sich ein A-Cast für diese maue Produktion verpflichtet hat, bleibt ein Geheimnis. Aber das größte Rätsel ist, wohin das Drehbuch mit seiner Geschichte will. Der gar nicht so überraschende Twist kommt viel zu spät, da hat man schon längst das Interesse verloren. Und auch die mehr als dezent angedeutete homoerotische Liebe zwischen Eileen und Rebecca verpufft ohne nennenswerten Effekt. Am Ende des Films fragt man sich: Was genau sollte das alles?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Eileen“
USA 2023
97 min
Regie William Oldroyd

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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MUNCH

MUNCH

Ab 14. Dezember 2023 im Kino

Biopic über den Vater des Expressionismus, Edvard Munch. Sein Gemälde „Der Schrei“ ist eines der berühmtesten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts.

MUNCH ist eine Tour de Force durch das Seelenleben eines unergründlichen Künstlers. Von seinen Kollegen missverstanden, vom Kunstbetrieb abgelehnt, von Melancholie geplagt und von der Alkoholsucht gequält – Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken zeichnet ein nuanciertes Porträt des norwegischen Malers.

Nur wenige waren produktiver

Das 19. Jahrhundert ist nur ein Handyklingeln vom Technoclub entfernt. MUNCH schafft den Bezug zum Heute, indem er Szenen frech ins Berlin der Jetztzeit verlegt. Dort sorgt 1892 die erste Ausstellung des jungen Malers für einen Skandal. Eine von vielen künstlerisch mutigen Ideen, die das Biopic zu einem relevanten, modernen Stück Kino machen. So wird der greise Munch beispielsweise von der norwegischen Theaterschauspielerin Anne Krigsvoll gespielt, eine überraschende Besetzung, die hervorragend funktioniert.

Der große Ruhm setzt auch bei Edvard Munch erst lange nach seinem Tod ein: 2012 wird „Der Schrei“ für unfassbare 120 Millionen US-Dollar versteigert. Wie in den beiden anderen aktuellen Malerbiopics DALILAND und DER SCHATTEN VON CARAVAGGIO spielen auch bei MUNCH die Kunstwerke selbst nur eine untergeordnete Rolle. Die Seelenqualen (und damit Inspirationsquellen) des Künstlers stehen mehr im Mittelpunkt als sein Werk. Verständlich, denn für einen Spielfilm bieten abgefilmte Gemälde nur einen überschaubaren Unterhaltungswert. Wer das im Kino trotzdem sehen möchte, für den gibt es am Ende von MUNCH eine tolle, mehrminütige Sequenz, die ein Best of seiner berühmtesten Bilder zeigt. Es sind viele. Munch hinterließ der Nachwelt mehr als 1.700 Gemälde.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Munch“
Norwegen 2023
104 min
Regie Henrik Martin Dahlsbakken

alle Bilder © Splendid Film

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Fast perfekte Weihnachten

FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN

Fast perfekte Weihnachten

FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Locker-leichte französische Komödie um ein Weihnachtsfest mit Hindernissen.

Perfekte Tischdeko, perfekter Baum, perfektes Fest. Weihnachten ist Vincent Barand heilig. Doch die Kinder sind erwachsen, haben andere Pläne oder müssen arbeiten. Die Feiertage alleine mit seiner Frau verbringen? Ausgeschlossen. „Weihnachten soll nicht romantisch sein, es ist das Fest der Familie.“ Vincent beschließt, sich im örtlichen Altenheim zwei einsame Bewohnerinnen auszuleihen. Doch Monique und ihre beste Freundin, die hemdsärmelige Jeanne, machen es sich bei ihren Gastgebern sehr schnell etwas zu gemütlich. Die stille Nacht, heilige Nacht droht im Chaos zu enden.

Am stärksten ist die Komödie in ihren melancholischen Momenten

FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN ist eine französische Komödie, die alles andere als perfekt ist. Dazu kippt die Story zu oft in Klamottige. Das ist schade, denn in den ruhigeren Szenen zeigt sich, was die hervorragende Besetzung drauf hat. Highlight des Films ist Emmanuelle Devos als Ehefrau Beatrice, der Christi Geburt herzlich egal ist und die gerne auf die nervige Gesellschaft der Seniorinnen verzichten würde. Franck Dubosc spielt den peniblen Weihnachtsenthusiasten angenehm zurückgenommen, sein Vincent wird nie zur Karikatur. Die Seniorinnen Danièle Lebrun und Danielle Fichaud sind okay, werden aber vom Drehbuch gezwungen, viele alberne Dinge tun. Besonders am Ende soll es mit aller Gewalt zu Herzen gehen, doch das wirkt dann komplett übertrieben und unglaubwürdig.

„Früher war mehr Lametta!“ – Weihnachten bedeutet für rund 14 Prozent der Deutschen puren Stress. Da kann ein bisschen Lachen bestimmt nicht schaden. Am stärksten ist die Komödie allerdings in ihren melancholischen Momenten, die Regisseur Clément Michel ohne Kitsch inszeniert. FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN schaut sich gut weg, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Noël Joyeux“
Frankreich 2023
97 min
Regie Clément Michel

alle Bilder © Splendid Film

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WONKA

WONKA

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Zauberhaftes Musical über Roald Dahls Schokoladenmagier in jungen Jahren.

WONKA ist das filmische Äquivalent zu einem Besuch im Hamburger Miniatur Wunderland. Ständig gibt es etwas zu entdecken, beim ersten Schauen verpasst man wahrscheinlich viele der liebevollen Details, die Regisseur Paul King (PADDINGTON 1 + 2) und sein Team in den Film gepackt haben.

Großes, zuckersüßes Unterhaltungskino

Die Geschichte vom Chocolatier, der sich gegen ein Schokoladenkartell behaupten muss, wurde schon dreimal verfilmt. Zuletzt übernahm Johnny Depp mit gruselig weiß geschminktem Gesicht die Titelrolle. Im Prequel das genaue Gegenteil: Timothée Chalamet schaut gewohnt niedlich unter seiner Lockenfrisur hervor und strahlt als Willy Wonka die genau richtige Mischung aus jugendlicher Unschuld und Cleverness aus. Kritiker hatten befürchtet, er sei mit dem Erbe Gene Wilders (der die Rolle in der ersten Verfilmung von 1971 spielte) überfordert, doch Chalamet macht seine Sache hervorragend und kann sogar einigermaßen singen.

Eine ganze Schar toller Schauspieler ist in Nebenrollen dabei, unter anderem Oscargewinnerin Olivia Colman als verbrecherische Hotelbesitzerin Mrs. Scrubbit. Dass der 1,80 m große Hugh Grant in der Rolle des zwergwüchsigen Oompa Loompa besetzt ist, hat im Netz für viel Diskussion gesorgt. Aber welcher nur 50 cm große Schauspieler hat denn bitte den umwerfend zynischen Charme von Grant? Das Internet ist manchmal wirklich dumm.

Egal ob Musical-Fan oder Nicht-Fan (okay, es wird vielleicht ein bisschen zu viel gesungen): Die grandiose Neuverfilmung des Roald-Dahl-Kinderbuch-Klassikers ist fantastisch ausgestattetes, zuckersüßes Unterhaltungskino. Das perfekte Anti-Grau – genau richtig gegen Winterdepressionen. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Wonka“
USA / GB 2023
117 min
Regie Paul King

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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How to have Sex

HOW TO HAVE SEX

How to have Sex

HOW TO HAVE SEX

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

How to have sex - hopefully not like this.

Was ist schlimmer, als eine Horde besoffener US-Teenager zum Springbreak? Eine Horde besoffener Teenager aus England auf einer Mittelmeerinsel. Die 17-jährige Tara und ihre Freundinnen machen auf ihrem Mädelstrip keine Gefangenen. Nach den Schulprüfungen wollen sie vor allem drei Dinge: Saufen bis zum Koma, Party & Sex. Praktisch: Auch bei den Jungs im Apartment nebenan haben die Hormone das Denken übernommen. Je lauter und zügelloser, desto besser. Was dann in dieser einen Nacht passiert, bleibt zunächst vage. Erst gegen Ende wird klar: Tara hatte Sex gegen ihren Willen.

Saufen, Party & Sex

HOW TO HAVE SEX ist provokant, exzessiv und trotz mediterranen Sonnenscheins düster. Regisseurin Molly Manning weiß genau, wie man die Stimmung für eine moderne Coming-of-Age-Geschichte einfängt. Ihr Film ist ein authentisches, klischeefreies Stück über das Erwachsenwerden. Souverän auch ihre Schauspielführung: Tara wird von Mia McKenna-Bruce gespielt, einer 26-jährigen Britin, die sicher noch eine große Karriere vor sich hat. Eine Entdeckung.

Neid auf Cannes. Wie viele gute Filme laufen da eigentlich jedes Jahr? Die Berlinale schaut beschämt zu Boden. Man kann darauf wetten: Alles was herausragend ist, trägt im Vorspann den Palmwedel des französischen Filmfestivals. Auch dieses aufregende Erstlingswerk wurde in Cannes 2023 gefeiert und gewann in der Sektion „Un Certain Regard“ den Hauptpreis.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „How to have sex“
GB 2023
98 min
Regie Molly Manning

alle Bilder © capelight pictures

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WIE WILDE TIERE

WIE WILDE TIERE

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Das kennt man aus Brandenburg: Die einen wollen nichts wie weg - hin in die Großstadt. Die anderen haben Lärm und Prenzlpanther satt und ziehen aufs Land. Doch in den verwaisen Dörfern lauern oft Ablehnung und offener Hass auf die Zugezogenen.

Das französische Paar Antoine (Denis Ménochet) und Olga (Marina Foïs) lebt seit zwei Jahren in einer kleinen Gemeinde im Landesinneren Galiziens. Die beiden passen sich an, so gut es geht, arbeiten hart, betreiben Ackerbau und ernähren sich von dem, was sie erwirtschaften. Doch die Einheimischen bleiben unter sich, begegnen den ökologisch bewussten Neubauern mit Argwohn und Ablehnung. Besonders mit dem Nachbarn Xan (beängstigend fies: Luis Zahera) gibt es immer wieder Streit.

Es brodelt unter der Oberfläche

Es brodelt unter der Oberfläche und früher oder später wird es zur Katastrophe kommen. Als es dann so weit ist, wechselt der Film von der männlichen in die weibliche Perspektive. Das macht WIE WILDE TIERE vielschichtig und ungemein spannend. Dass die Geschichte von wahren Begebenheiten inspiriert ist, lässt die Verzweiflung über die elende Spezies Mensch noch wachsen. Warum nur gibt es so viel Neid und Verbohrtheit auf der Welt? Aber so einfach ist es nicht. In einer der besten Szenen des Films versuchen die Kontrahenten eine Annäherung. Bei einer Flasche Wein macht jeder seinen Standpunkt klar. Das führt zwar zu keiner Lösung, doch als Zuschauer wird man sich seines eigenen Schwarz-Weiß-Denkens bewusst und beginnt fast Mitgefühl für die vermeintlich „Bösen“ zu empfinden.

Seit der Weltpremiere in Cannes 2022, wo WIE WILDE TIERE als Sensation gefeiert wurde, ist sein Erfolg ungebrochen. Bei der Verleihung der Goyas 2023 räumte er neun Preise ab, unter anderem für Bester Film, Beste Regie sowie Bester Hauptdarsteller.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „As Bestas“
Spanien / Frankreich 2023
137 min
Regie Rodrigo Sorogoye

alle Bilder © STUDIOCANAL

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REIF FÜR DIE INSEL

REIF FÜR DIE INSEL

Ab 30. November 2023 im Kino

LES CYCLADES ist eine französische Komödie mit drei tollen Schauspielerinnen und einem dämlichen deutschen Titel.

Als junge Mädchen sind sie unzertrennlich, doch nach einem Streit verlieren sich Blandine und Magalie aus den Augen. Erst zwanzig Jahre später kommt es zu einem von Balndines Sohn arrangierten Wiedersehen. Die grundverschiedenen Frauen beschließen, auf die griechische Insel Amorgos zu fahren, ein Traum, den sie sich als Fans von Luc Bessons IM RAUSCH DER TIEFE schon als Teenager erfüllen wollten.

Es fängt erstmal ungut an

Für REIF FÜR DIE INSEL muss man Geduld mitbringen. Es fängt erstmal ungut an. Die Musik, die Kamera, die Inszenierung – fast glaubt man sich in einer Traumschiff-Folge auf Französisch verirrt zu haben. Auch die neu erwachte Freundschaft zwischen der völlig überdrehten, von ihren Freunden nicht zu Unrecht „Tinnitus“ genannten Magalie und der nach einer Scheidung verbitterten Blandine wirkt klischeehaft und nicht besonders glaubwürdig. Wären da nicht die herausragenden Schauspielerinnen: Olivia Côte und Laure Calamy bringen trotz alberner Drehbucheinfälle eine Wahrhaftigkeit in ihre Rollen, die Marc Fitoussis Komödie bald zu einer bewegenden Geschichte über Freundschaft macht.

REIF FÜR DIE INSEL ist ein Slowburner. Spätestens mit dem Auftritt von Kristin Scott Thomas als Alt-Hippie mit großem Herzen wird aus der sonnigen Komödie ein überraschend tiefgründiger Film. Getragen von einem fabelhaften Schauspielerinnen-Trio, wechselt die weibliche Buddy-Komödie zwischen sanfter Melancholie und charmanter Leichtigkeit. Hoffentlich funktioniert das auch in der Synchronfassung – der deutsche Peter-Cornelius-Titel lässt schon mal das Schlimmste vermuten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Cyclades“
Frankreich 2023
110 min
Regie Marc Fitoussi

alle Bilder © Happy Entertainment

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AUF DEM WEG

AUF DEM WEG

Ab 30. November 2023 im Kino

Und noch ein Film zum Thema: Männer laufen von A nach B und finden sich dabei selbst. Diesmal wandert Jean Dujardin durch Frankreich.

Spätestens seit Hape Kerkelings Jakobsweg-Reise sehnt sich das Publikum nach Kerlen, die sich in schroffer Natur Erkenntnisse über sich selbst erlaufen. Auch Denis Imberts AUF DEM WEG bietet da inhaltlich wenig Neues. Doch im Vergleich zur verunglückten ICH BIN DANN MAL WEG-Verfilmung ist dieser Trip ein echtes Juwel. In Frankreich wollten das bis jetzt über eine Millionen Zuschauer sehen.

Jean Dujardin ist perfekt als gestrauchelter Macho

„Acht Meter reichten aus, um mir die Rippen, die Wirbel und den Schädel zu brechen. Acht Meter reichten, um 50 Jahre zu altern.“ Jean Dujardin spielt den Schriftsteller Pierre, der nach einer betrunkenen Kletterei aus dem 2. Stock eines Hotels auf die Straße fällt. Die Ärzte sehen zunächst wenig Chance auf Heilung. Ob der passionierte Kletterer jemals wieder laufen kann, ist mehr als fraglich. Doch wäre das so, gäbe es weder Buch noch Film. Gegen jede Diagnose findet Pierre die Kraft, eine 1.300 Kilometer lange Mammutwanderung quer durch Frankreich anzugehen. Sein Weg führt ihn von den südlichen Alpen über das Zentralmassiv bis zur Küste von La Hague.

Ein Traum der Privilegierten – so eine mehrmonatige Auszeit muss man sich finanziell leisten können. Praktisch, wenn man während der Wanderung noch seinem Job nachgehen kann – dass dabei dann ein Bestseller rauskommt – geschenkt. Aus der Fülle der Selbstfindungsfilme (und Bücher) sticht AUF DEM WEG wohltuend heraus. Das liegt vor allem an der Besetzung – Jean Dujardin ist perfekt als gestrauchelter Macho. Auch wenn es schon wieder ein Mann ist, der sich hier auf Seelenreise in die raue Natur begibt. Frauen fahren wohl lieber nach Indien oder gehen in den SPA.

Mit aufs Wesentliche reduzierten Rückblenden und grandiosen Naturaufnahmen entwickelt AUF DEM WEG einen leisen, fast poetischen Sog. Dazu werden aus dem Off die prägnantesten Stellen der Vorlage, Sylvain Tessons Lebenserinnerung „Auf versunkenen Wegen“ gelesen. So ist man dann nach 93 Minuten doppelt belohnt: einen schönen Film gesehen und gleichzeitig ein gutes Buch dazu gehört.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Sur les chemins noirs“ 
Frankreich 2021
93 min
Regie Denis Imbert

alle Bilder © X VERLEIH

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The old oak

THE OLD OAK

The old oak

THE OLD OAK

Ab 23. November 2023 im Kino

Regisseur Ken Loach ist 87 Jahre alt und hat keine Geduld mehr. Sein (wahrscheinlich) letzter Film ist nochmals ein Aufruf zu mehr Gemeinschaft und Solidarität.

Gelsenkirchen könnte auch in Großbritannien liegen. Easington ist eine dieser typisch nordenglischen Kleinstädte, die früher dank Bergbau mit Leben und harter Arbeit erfüllt waren, nun aber nach 30 Jahren des Niedergangs zu Geisterstädten verkommen. Es gibt keine Jobs, die Häuser verfallen oder werden zu Schleuderpreisen an Investoren verscherbelt. Der letzte Zufluchtsort für die, die den Absprung nicht geschafft haben, ist der lokale Pub „The Old Oak“. Dessen Wirt TJ Ballantyne (Dave Turner) hat selbst einige Schicksalsschläge erlebt, bei den verbitterten Tiraden seiner Stammgäste schaltet er deshalb lieber auf Durchzug. Als eines Tages unter dem Protest der Dorfbewohner eine große Gruppe syrischer Flüchtlinge in Easington eintrifft, ist die Aufregung und Ablehnung groß.

Ein Loblied auf die Arbeiterklasse

THE OLD OAK erzählt von der ungewöhnlichen platonischen Beziehung zwischen dem depressiven Pub-Besitzer TJ und der jungen, fotobegeisterten Syrerin Yara (Ebla Mari). Ganz langsam entwickelt sich eine zarte Freundschaft zwischen den beiden. Wahrhaftig und authentisch gespielt von Dave Turner und Ebla Mari, die hier ihr Filmdebüt gibt.

Ken Loach war und ist ein Meister im Darstellen des englischen Arbeitermilieus. So ist auch sein neuer – und nach eigener Aussage letzter – Film ein Loblied auf Gemeinschaftsgeist und die Arbeiterklasse. THE OLD OAK fügt sich damit nahtlos in das Lebenswerk des Regisseurs ein.

Keine Jobs, keine Perspektive, vergessen  und von der Regierung fallengelassen: Die Probleme der britischen Einheimischen und der syrischen Flüchtlinge sind sich gar nicht so unähnlich. Loachs Leidenschaft und sein Mitgefühl für diese Menschen sind aufrüttelnd und eindringlich. Dass der Regisseur nach einer fast 60-jährigen Karriere die Geduld verloren hat und deshalb seine Botschaften mit dem Holzhammer vermittelt, sei ihm verziehen. Nur das Ende geht dann doch zu weit und ist purer Sozialkitsch. Bis dahin ist OLD OAK ein bewegendes Drama über Verlustangst und die Schwierigkeit, die Hoffnung zu behalten. Das sehenswerte Alterswerk eines kompromisslosen und bemerkenswerten Regisseurs.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Old Oak“
Großbritannien / Frankreich 2023
113 min
Regie Ken Loach

alle Bilder © WILD BUNCH GERMANY

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NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

Ab 23. November 2023 im Kino

Kino, wie es sein soll: episch, spannend, lustig und lehrreich. Ridley Scotts neues Meisterwerk zeigt den französischen Kaiser, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat.

Stolze 85 Jahre alt ist Ridley Scott und er kann’s noch immer. Mit NAPOLEON ist dem britischen Regisseur erneut ein großer Wurf gelungen. Dass das alles toll aussieht und die Schlachtszenen bombastisch sind, versteht sich fast von selbst. Schließlich hat der Mann mit ALIEN, BLADE RUNNER und GLADIATOR ganze Genres neu erfunden oder zumindest jahrzehntelang geltende Maßstäbe gesetzt.

Trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie

Joaquin Phoenix ist die perfekte Besetzung und spielt den französischen Feldherrn und Kaiser als souveränes, rücksichtsloses Genie – zumindest wenn es um Kriegsführung geht. Im Privaten ist seine Hoheit dagegen das Gegenteil eines Genies. Unbeholfen, albern und dabei schwer in Josefine verliebt (fabelhaft: Vanessa Kirby). Von der Liebe seines Lebens, die ihm 15 Jahre (nicht immer) treu zur Seite steht, lässt sich Napoleon wegen ausgebliebener Nachkommen scheiden.

Überraschung: NAPOLEON ist trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie. Mindestens aber ein historisches Drama mit komischen Elementen. Kleine Missgeschicke, absurde Dialoge und ein sich oft gar nicht kaiserlich verhaltender Kaiser sorgen für Lacher. Überhaupt ist Scott eine ausgesprochen kurzweilige (bei 157 Minuten Laufzeit) und lehrreiche Geschichtsstunde gelungen. Höhepunkt ist die Schlacht von Austerlitz, in der die französische Armee die Streitkräfte Russlands und Österreichs dank Napoleons strategischem Geschick auf dem Schlachtfeld auslöscht. Selten genug in Historienfilmen: Man versteht die Zusammenhänge und geht klüger aus dem Kino.

Ridley Scotts vielleicht nicht 100 % historisch korrekte Version des Lebens von Napoleon Bonaparte hätte noch reichlich weitere Lobeshymnen verdient. Zum Beispiel, dass Joaquin Phoenix auf einen falschen (französischen) Akzent verzichtet – Scotts HOUSE OF GUCCI wurde wegen übertriebenen Englisch-Italienisch-Kauderwelschs zur unfreiwilligen Komödie. Aber vor allem ist NAPOLEON für die große Leinwand gemacht. Apple hat den Film zwar finanziert und früher oder später wird er auf Apple TV+ laufen – aber vorher sollte man sich NAPOLEON unbedingt im Kino anschauen.

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Originaltitel „Napoleon“
USA / England 2023
157 min
Regie Ridley Scott

alle Bilder © Sony Pictures

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THANKSGIVING

THANKSGIVING

Ab 16. November 2023 im Kino

Ein Riesenspaß für Groß und Klein ist THANKSGIVING nicht. Dafür ein Fest für Splatterfans.

Nach Horror-Weihnachten, Horror-Ostern und Horror-Halloween ist jetzt der nächste Feiertag dran: das amerikanische Erntedankfest „Thanksgiving“. Der Schrecken beginnt mit einem komplett aus dem Ruder gelaufenen „Black Friday“: Wie eine Horde fleischhungriger Zombies stürmt der Plebs ein Kaufhaus, nur weil Gratis-Waffeleisen winken. Voll cheugy, so ein Verhalten. Der Konsumrausch endet mit zahlreichen Verletzten und Toten. Genau ein Jahr nach der Katastrophe meuchelt ein als Pilgervater maskierter Killer die vermeintlich Verantwortlichen nieder.

Besonders garstige Tötungsszenen

Na gut. Die Ausgangsidee mit dem Maske tragenden Serienmörder, der vorzugsweise Teenager jagt, ist so abgedroschen, dass selbst Persiflagen darauf abgedroschen sind. Trotzdem schafft es Regisseur Eli Roth, dem Genre frisches Blut einzupumpen. Und sei es nur durch besonders garstige Tötungsszenen. Nach dem Film wird man jedenfalls nie mehr den Festtags-Truthahn ohne mulmiges Gefühl essen.

Auch besser als der übliche Splatter-Durchschnitt: Die Charaktere sind nicht komplett austauschbar und der Killer bleibt kein gesichtsloser Untoter wie Jason und Michael Myers, sondern lässt am Ende die Maske fallen. Dazu ein bisschen Sozialkritik, viel Schock und Blut, das Ganze mit einer angemessenen Portion Humor serviert – THANKSGIVING ist kein Meisterwerk, aber ein solides Stück Horrorkino mit immerhin Patrick Dempsey, dem gerade vom People-Magazin gekürten „Sexiest Man Alive“, in einer Hauptrolle.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Thanksgiving“
USA 2023
106 min
Regie Eli Roth

alle Bilder © Sony Pictures

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