How to have Sex

HOW TO HAVE SEX

How to have Sex

HOW TO HAVE SEX

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

How to have sex - hopefully not like this.

Was ist schlimmer, als eine Horde besoffener US-Teenager zum Springbreak? Eine Horde besoffener Teenager aus England auf einer Mittelmeerinsel. Die 17-jährige Tara und ihre Freundinnen machen auf ihrem Mädelstrip keine Gefangenen. Nach den Schulprüfungen wollen sie vor allem drei Dinge: Saufen bis zum Koma, Party & Sex. Praktisch: Auch bei den Jungs im Apartment nebenan haben die Hormone das Denken übernommen. Je lauter und zügelloser, desto besser. Was dann in dieser einen Nacht passiert, bleibt zunächst vage. Erst gegen Ende wird klar: Tara hatte Sex gegen ihren Willen.

Saufen, Party & Sex

HOW TO HAVE SEX ist provokant, exzessiv und trotz mediterranen Sonnenscheins düster. Regisseurin Molly Manning weiß genau, wie man die Stimmung für eine moderne Coming-of-Age-Geschichte einfängt. Ihr Film ist ein authentisches, klischeefreies Stück über das Erwachsenwerden. Souverän auch ihre Schauspielführung: Tara wird von Mia McKenna-Bruce gespielt, einer 26-jährigen Britin, die sicher noch eine große Karriere vor sich hat. Eine Entdeckung.

Neid auf Cannes. Wie viele gute Filme laufen da eigentlich jedes Jahr? Die Berlinale schaut beschämt zu Boden. Man kann darauf wetten: Alles was herausragend ist, trägt im Vorspann den Palmwedel des französischen Filmfestivals. Auch dieses aufregende Erstlingswerk wurde in Cannes 2023 gefeiert und gewann in der Sektion „Un Certain Regard“ den Hauptpreis.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „How to have sex“
GB 2023
98 min
Regie Molly Manning

alle Bilder © capelight pictures

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WIE WILDE TIERE

WIE WILDE TIERE

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Das kennt man aus Brandenburg: Die einen wollen nichts wie weg - hin in die Großstadt. Die anderen haben Lärm und Prenzlpanther satt und ziehen aufs Land. Doch in den verwaisen Dörfern lauern oft Ablehnung und offener Hass auf die Zugezogenen.

Das französische Paar Antoine (Denis Ménochet) und Olga (Marina Foïs) lebt seit zwei Jahren in einer kleinen Gemeinde im Landesinneren Galiziens. Die beiden passen sich an, so gut es geht, arbeiten hart, betreiben Ackerbau und ernähren sich von dem, was sie erwirtschaften. Doch die Einheimischen bleiben unter sich, begegnen den ökologisch bewussten Neubauern mit Argwohn und Ablehnung. Besonders mit dem Nachbarn Xan (beängstigend fies: Luis Zahera) gibt es immer wieder Streit.

Es brodelt unter der Oberfläche

Es brodelt unter der Oberfläche und früher oder später wird es zur Katastrophe kommen. Als es dann so weit ist, wechselt der Film von der männlichen in die weibliche Perspektive. Das macht WIE WILDE TIERE vielschichtig und ungemein spannend. Dass die Geschichte von wahren Begebenheiten inspiriert ist, lässt die Verzweiflung über die elende Spezies Mensch noch wachsen. Warum nur gibt es so viel Neid und Verbohrtheit auf der Welt? Aber so einfach ist es nicht. In einer der besten Szenen des Films versuchen die Kontrahenten eine Annäherung. Bei einer Flasche Wein macht jeder seinen Standpunkt klar. Das führt zwar zu keiner Lösung, doch als Zuschauer wird man sich seines eigenen Schwarz-Weiß-Denkens bewusst und beginnt fast Mitgefühl für die vermeintlich „Bösen“ zu empfinden.

Seit der Weltpremiere in Cannes 2022, wo WIE WILDE TIERE als Sensation gefeiert wurde, ist sein Erfolg ungebrochen. Bei der Verleihung der Goyas 2023 räumte er neun Preise ab, unter anderem für Bester Film, Beste Regie sowie Bester Hauptdarsteller.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „As Bestas“
Spanien / Frankreich 2023
137 min
Regie Rodrigo Sorogoye

alle Bilder © STUDIOCANAL

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REIF FÜR DIE INSEL

REIF FÜR DIE INSEL

Ab 30. November 2023 im Kino

LES CYCLADES ist eine französische Komödie mit drei tollen Schauspielerinnen und einem dämlichen deutschen Titel.

Als junge Mädchen sind sie unzertrennlich, doch nach einem Streit verlieren sich Blandine und Magalie aus den Augen. Erst zwanzig Jahre später kommt es zu einem von Balndines Sohn arrangierten Wiedersehen. Die grundverschiedenen Frauen beschließen, auf die griechische Insel Amorgos zu fahren, ein Traum, den sie sich als Fans von Luc Bessons IM RAUSCH DER TIEFE schon als Teenager erfüllen wollten.

Es fängt erstmal ungut an

Für REIF FÜR DIE INSEL muss man Geduld mitbringen. Es fängt erstmal ungut an. Die Musik, die Kamera, die Inszenierung – fast glaubt man sich in einer Traumschiff-Folge auf Französisch verirrt zu haben. Auch die neu erwachte Freundschaft zwischen der völlig überdrehten, von ihren Freunden nicht zu Unrecht „Tinnitus“ genannten Magalie und der nach einer Scheidung verbitterten Blandine wirkt klischeehaft und nicht besonders glaubwürdig. Wären da nicht die herausragenden Schauspielerinnen: Olivia Côte und Laure Calamy bringen trotz alberner Drehbucheinfälle eine Wahrhaftigkeit in ihre Rollen, die Marc Fitoussis Komödie bald zu einer bewegenden Geschichte über Freundschaft macht.

REIF FÜR DIE INSEL ist ein Slowburner. Spätestens mit dem Auftritt von Kristin Scott Thomas als Alt-Hippie mit großem Herzen wird aus der sonnigen Komödie ein überraschend tiefgründiger Film. Getragen von einem fabelhaften Schauspielerinnen-Trio, wechselt die weibliche Buddy-Komödie zwischen sanfter Melancholie und charmanter Leichtigkeit. Hoffentlich funktioniert das auch in der Synchronfassung – der deutsche Peter-Cornelius-Titel lässt schon mal das Schlimmste vermuten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Cyclades“
Frankreich 2023
110 min
Regie Marc Fitoussi

alle Bilder © Happy Entertainment

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AUF DEM WEG

AUF DEM WEG

Ab 30. November 2023 im Kino

Und noch ein Film zum Thema: Männer laufen von A nach B und finden sich dabei selbst. Diesmal wandert Jean Dujardin durch Frankreich.

Spätestens seit Hape Kerkelings Jakobsweg-Reise sehnt sich das Publikum nach Kerlen, die sich in schroffer Natur Erkenntnisse über sich selbst erlaufen. Auch Denis Imberts AUF DEM WEG bietet da inhaltlich wenig Neues. Doch im Vergleich zur verunglückten ICH BIN DANN MAL WEG-Verfilmung ist dieser Trip ein echtes Juwel. In Frankreich wollten das bis jetzt über eine Millionen Zuschauer sehen.

Jean Dujardin ist perfekt als gestrauchelter Macho

„Acht Meter reichten aus, um mir die Rippen, die Wirbel und den Schädel zu brechen. Acht Meter reichten, um 50 Jahre zu altern.“ Jean Dujardin spielt den Schriftsteller Pierre, der nach einer betrunkenen Kletterei aus dem 2. Stock eines Hotels auf die Straße fällt. Die Ärzte sehen zunächst wenig Chance auf Heilung. Ob der passionierte Kletterer jemals wieder laufen kann, ist mehr als fraglich. Doch wäre das so, gäbe es weder Buch noch Film. Gegen jede Diagnose findet Pierre die Kraft, eine 1.300 Kilometer lange Mammutwanderung quer durch Frankreich anzugehen. Sein Weg führt ihn von den südlichen Alpen über das Zentralmassiv bis zur Küste von La Hague.

Ein Traum der Privilegierten – so eine mehrmonatige Auszeit muss man sich finanziell leisten können. Praktisch, wenn man während der Wanderung noch seinem Job nachgehen kann – dass dabei dann ein Bestseller rauskommt – geschenkt. Aus der Fülle der Selbstfindungsfilme (und Bücher) sticht AUF DEM WEG wohltuend heraus. Das liegt vor allem an der Besetzung – Jean Dujardin ist perfekt als gestrauchelter Macho. Auch wenn es schon wieder ein Mann ist, der sich hier auf Seelenreise in die raue Natur begibt. Frauen fahren wohl lieber nach Indien oder gehen in den SPA.

Mit aufs Wesentliche reduzierten Rückblenden und grandiosen Naturaufnahmen entwickelt AUF DEM WEG einen leisen, fast poetischen Sog. Dazu werden aus dem Off die prägnantesten Stellen der Vorlage, Sylvain Tessons Lebenserinnerung „Auf versunkenen Wegen“ gelesen. So ist man dann nach 93 Minuten doppelt belohnt: einen schönen Film gesehen und gleichzeitig ein gutes Buch dazu gehört.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Sur les chemins noirs“ 
Frankreich 2021
93 min
Regie Denis Imbert

alle Bilder © X VERLEIH

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The old oak

THE OLD OAK

The old oak

THE OLD OAK

Ab 23. November 2023 im Kino

Regisseur Ken Loach ist 87 Jahre alt und hat keine Geduld mehr. Sein (wahrscheinlich) letzter Film ist nochmals ein Aufruf zu mehr Gemeinschaft und Solidarität.

Gelsenkirchen könnte auch in Großbritannien liegen. Easington ist eine dieser typisch nordenglischen Kleinstädte, die früher dank Bergbau mit Leben und harter Arbeit erfüllt waren, nun aber nach 30 Jahren des Niedergangs zu Geisterstädten verkommen. Es gibt keine Jobs, die Häuser verfallen oder werden zu Schleuderpreisen an Investoren verscherbelt. Der letzte Zufluchtsort für die, die den Absprung nicht geschafft haben, ist der lokale Pub „The Old Oak“. Dessen Wirt TJ Ballantyne (Dave Turner) hat selbst einige Schicksalsschläge erlebt, bei den verbitterten Tiraden seiner Stammgäste schaltet er deshalb lieber auf Durchzug. Als eines Tages unter dem Protest der Dorfbewohner eine große Gruppe syrischer Flüchtlinge in Easington eintrifft, ist die Aufregung und Ablehnung groß.

Ein Loblied auf die Arbeiterklasse

THE OLD OAK erzählt von der ungewöhnlichen platonischen Beziehung zwischen dem depressiven Pub-Besitzer TJ und der jungen, fotobegeisterten Syrerin Yara (Ebla Mari). Ganz langsam entwickelt sich eine zarte Freundschaft zwischen den beiden. Wahrhaftig und authentisch gespielt von Dave Turner und Ebla Mari, die hier ihr Filmdebüt gibt.

Ken Loach war und ist ein Meister im Darstellen des englischen Arbeitermilieus. So ist auch sein neuer – und nach eigener Aussage letzter – Film ein Loblied auf Gemeinschaftsgeist und die Arbeiterklasse. THE OLD OAK fügt sich damit nahtlos in das Lebenswerk des Regisseurs ein.

Keine Jobs, keine Perspektive, vergessen  und von der Regierung fallengelassen: Die Probleme der britischen Einheimischen und der syrischen Flüchtlinge sind sich gar nicht so unähnlich. Loachs Leidenschaft und sein Mitgefühl für diese Menschen sind aufrüttelnd und eindringlich. Dass der Regisseur nach einer fast 60-jährigen Karriere die Geduld verloren hat und deshalb seine Botschaften mit dem Holzhammer vermittelt, sei ihm verziehen. Nur das Ende geht dann doch zu weit und ist purer Sozialkitsch. Bis dahin ist OLD OAK ein bewegendes Drama über Verlustangst und die Schwierigkeit, die Hoffnung zu behalten. Das sehenswerte Alterswerk eines kompromisslosen und bemerkenswerten Regisseurs.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Old Oak“
Großbritannien / Frankreich 2023
113 min
Regie Ken Loach

alle Bilder © WILD BUNCH GERMANY

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NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

Ab 23. November 2023 im Kino

Kino, wie es sein soll: episch, spannend, lustig und lehrreich. Ridley Scotts neues Meisterwerk zeigt den französischen Kaiser, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat.

Stolze 85 Jahre alt ist Ridley Scott und er kann’s noch immer. Mit NAPOLEON ist dem britischen Regisseur erneut ein großer Wurf gelungen. Dass das alles toll aussieht und die Schlachtszenen bombastisch sind, versteht sich fast von selbst. Schließlich hat der Mann mit ALIEN, BLADE RUNNER und GLADIATOR ganze Genres neu erfunden oder zumindest jahrzehntelang geltende Maßstäbe gesetzt.

Trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie

Joaquin Phoenix ist die perfekte Besetzung und spielt den französischen Feldherrn und Kaiser als souveränes, rücksichtsloses Genie – zumindest wenn es um Kriegsführung geht. Im Privaten ist seine Hoheit dagegen das Gegenteil eines Genies. Unbeholfen, albern und dabei schwer in Josefine verliebt (fabelhaft: Vanessa Kirby). Von der Liebe seines Lebens, die ihm 15 Jahre (nicht immer) treu zur Seite steht, lässt sich Napoleon wegen ausgebliebener Nachkommen scheiden.

Überraschung: NAPOLEON ist trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie. Mindestens aber ein historisches Drama mit komischen Elementen. Kleine Missgeschicke, absurde Dialoge und ein sich oft gar nicht kaiserlich verhaltender Kaiser sorgen für Lacher. Überhaupt ist Scott eine ausgesprochen kurzweilige (bei 157 Minuten Laufzeit) und lehrreiche Geschichtsstunde gelungen. Höhepunkt ist die Schlacht von Austerlitz, in der die französische Armee die Streitkräfte Russlands und Österreichs dank Napoleons strategischem Geschick auf dem Schlachtfeld auslöscht. Selten genug in Historienfilmen: Man versteht die Zusammenhänge und geht klüger aus dem Kino.

Ridley Scotts vielleicht nicht 100 % historisch korrekte Version des Lebens von Napoleon Bonaparte hätte noch reichlich weitere Lobeshymnen verdient. Zum Beispiel, dass Joaquin Phoenix auf einen falschen (französischen) Akzent verzichtet – Scotts HOUSE OF GUCCI wurde wegen übertriebenen Englisch-Italienisch-Kauderwelschs zur unfreiwilligen Komödie. Aber vor allem ist NAPOLEON für die große Leinwand gemacht. Apple hat den Film zwar finanziert und früher oder später wird er auf Apple TV+ laufen – aber vorher sollte man sich NAPOLEON unbedingt im Kino anschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Napoleon“
USA / England 2023
157 min
Regie Ridley Scott

alle Bilder © Sony Pictures

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THANKSGIVING

THANKSGIVING

Ab 16. November 2023 im Kino

Ein Riesenspaß für Groß und Klein ist THANKSGIVING nicht. Dafür ein Fest für Splatterfans.

Nach Horror-Weihnachten, Horror-Ostern und Horror-Halloween ist jetzt der nächste Feiertag dran: das amerikanische Erntedankfest „Thanksgiving“. Der Schrecken beginnt mit einem komplett aus dem Ruder gelaufenen „Black Friday“: Wie eine Horde fleischhungriger Zombies stürmt der Plebs ein Kaufhaus, nur weil Gratis-Waffeleisen winken. Voll cheugy, so ein Verhalten. Der Konsumrausch endet mit zahlreichen Verletzten und Toten. Genau ein Jahr nach der Katastrophe meuchelt ein als Pilgervater maskierter Killer die vermeintlich Verantwortlichen nieder.

Besonders garstige Tötungsszenen

Na gut. Die Ausgangsidee mit dem Maske tragenden Serienmörder, der vorzugsweise Teenager jagt, ist so abgedroschen, dass selbst Persiflagen darauf abgedroschen sind. Trotzdem schafft es Regisseur Eli Roth, dem Genre frisches Blut einzupumpen. Und sei es nur durch besonders garstige Tötungsszenen. Nach dem Film wird man jedenfalls nie mehr den Festtags-Truthahn ohne mulmiges Gefühl essen.

Auch besser als der übliche Splatter-Durchschnitt: Die Charaktere sind nicht komplett austauschbar und der Killer bleibt kein gesichtsloser Untoter wie Jason und Michael Myers, sondern lässt am Ende die Maske fallen. Dazu ein bisschen Sozialkritik, viel Schock und Blut, das Ganze mit einer angemessenen Portion Humor serviert – THANKSGIVING ist kein Meisterwerk, aber ein solides Stück Horrorkino mit immerhin Patrick Dempsey, dem gerade vom People-Magazin gekürten „Sexiest Man Alive“, in einer Hauptrolle.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Thanksgiving“
USA 2023
106 min
Regie Eli Roth

alle Bilder © Sony Pictures

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DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES

DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES

Ab 16. November 2023 im Kino

Und noch eine Fortsetzung: Das Prequel zu einer Trilogie, die schon in vier Teile zerdehnt war. Hat die Menschheit wirklich auf die Vorgeschichte zu den Hunger Games gewartet?

Erstmal: dett is nich meen Berlin! Wieso Berlin? Als es den Babelsberger Filmstudios noch gut ging und diverse Streiks nicht die halbe Industrie lahmlegten, wurde die US-Produktion DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES zu großen Teilen in der deutschen Hauptstadt gedreht – und das sieht man. Szenenbildner Uli Hanisch hat vom Olympiastadion über den Strausberger Platz bis zum Krematorium Baumschulenweg (werden da eigentlich auch noch Bestattungen durchgeführt oder nur noch Filme gedreht?) diverse Motive in beeindruckende Endzeit-Settings umgebaut. So macht der Film vor allem Berlinern Laune beim heiteren Locationraten.

Fühlt sich wie die komplette Staffel einer Serie an

Basierend auf der Bestseller-Reihe von Suzanne Collins werden „Die Tribute von Panem“-Kinofilme weiter ausgeschlachtet. Nachdem Regisseur Lawrence kürzlich selbst zugab, dass das Splitten des dritten Films in zwei Teile „ein schwerer Fehler“ gewesen sei, geht es nun mit dem fünften beziehungsweise ersten Prequel-Teil weiter. Die Vorgeschichte der gefürchteten Hungerspiele stellt den jungen Coriolanus (Tom Blyth) in den Mittelpunkt, lange bevor er zum Präsidenten von Panem wird (in Teil eins bis vier von Donald Sutherland gespielt). Als Sprössling einer einst vermögenden Familie wird er zum Mentor von Lucy Gray (Rachel Zegler) ernannt, einem Mädchen aus dem verarmten Distrikt 12. Schnell wittert er seine Chance, Familienehre und Macht zurückzuerlangen.

Bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt: Oscarpreisträgerin Viola Davis goes full camp als Dr. Volumnia Gaul. Trotz aufgeplatzter Sofakissen-Frisur und grellem Make-up ist sie weniger furchteinflößend, als sie es hätte sein wollen und lässt dabei die Grenzen zum overacting weit hinter sich. Ausgezeichnet dagegen: Jason Schwartzman als schmieriger Showmoderator und der immer herausragende Peter Dinklage in der Rolle des tragischen Antihelden. Nach THE MARVELS trällert es auch in den Tributen gewaltig. Noch ein Actionspektakel, in dem gesungen wird. Man fragt sich, was das soll. Rachel Zegler hat zwar eine hübsche Stimme (schließlich war sie die Maria in Steven Spielbergs WEST SIDE STORY), aber das Gejodel wirkt in einem dystopischen Jugendfilm völlig fehl am Platz.

DIE TRIBUTE VON PANEM – THE BALLAD OF SONGBIRDS & SNAKES. Langer Titel, langer Film. Der in drei Kapitel unterteilte 157-Minuten-Film fühlt sich wie die komplette Staffel einer Serie an. Vor allem der letzte Akt könnte glatt ein eigener Spielfilm sein. Fortsetzung folgt. Garantiert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Hunger Games: The Ballad of Songbirds & Snakes“
USA 2023
157 min
Regie Francis Lawrence

alle Bilder © LEONINE Studios

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VIENNA CALLING

VIENNA CALLING

Ab 16. November 2023 im Kino

Ein Blick in die aufregende Wiener Underground Kulturszene. Hat außer dem Titel nichts mit dem gleichnamigen Falco-Hit zu tun.

Obwohl, ein bisschen schwebt der Geist des vor 25 (!!) Jahren verunfallten Sängers immer noch über allem. Und sei es nur, wenn sich „Nino aus Wien“ die Haare bei Falcos Stammfriseur schneiden lässt. „Nino aus Wien“? Nie gehört? Wer glaubt, „Wanda“ oder „Bilderbuch“ seien underground, der hat keine Ahnung.

Schön schräg, sehr lässig

„Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später“ – spottet Gustav Mahler einst über seine Wahlheimat. Ein bisschen was ist dran, denn die morbiden Locations der Party- und Konzertszene im heutigen Wien erinnern an das frisch mauergefällte Berlin Anfang der 90er-Jahre. Mittendrin der Partyorganisator Samu Casata, der wie zur Nachwendezeit Locations in verborgenen Tunnelsystemen und alten Fabrikhallen organisiert. Um ihn scharen sich Maler, Rapper und Liedermacher, der hierzulande bekannteste davon dürfte Voodoo Jürgens sein. Wem auch das nichts sagt, egal. VIENNA CALLING ist ein kurzweiliger Nachhilfekurs in Sachen aktuelle Wiener Musikszene.

Der Journalist und Filmemacher Philipp Jedicke stammt aus Deutschland und schafft es trotzdem, tief in das magische Nachtleben der österreichischen Hauptstadt einzutauchen. Sein Film ist keine klassische Doku, eher ein poetisches Doku-Musical. Dass sich ausgerechnet ein Piefke an den Schmäh herantraut, sorgt für ironische Kommentare eines der Protagonisten, Wien sei „in Wahrheit eine Art Disney-Land, das nur für die Deutschen so tut als ob“. Neben Brautkleidshopping mit der nichtbinären Sängerin Kerosin95, gibt es reichlich Skurrilitäten, wie zum Beispiel eine Unterhaltung zwischen zwei Kettenrauchern zum Thema Sport und Altern. Dazwischen Songs, zu denen der Regisseur und sein ausgezeichneter Kameramann Max Berner videoclipartige Filmsequenzen inszenieren. VIENNA CALLING: Schön schräg, sehr lässig.

INFOS ZUM FILM

Österreich / Deutschland 2023
85 min
Regie Philipp Jedicke

alle Bilder © mindjazz pictures

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HÖR AUF ZU LÜGEN

HÖR AUF ZU LÜGEN

Ab 16. November 2023 im Kino

Eine traurige, aber unsentimentale Geschichte über die Zwänge der Moral – und deren Überwindung.

„Hör auf zu Lügen“, mahnt seine Mutter ihn. Dabei erfindet der junge Philippe Besson einfach nur gerne Geschichten. Er beobachtet fremde Menschen auf der Straße und fantasiert ihr Leben. Zu lügen hilft ihm, ehrlich zu sich selbst zu sein. Denn Philippe mag Jungs und das ist in einer kleinen französischen Provinz in den 1970er-Jahren ein echtes Problem. Im autobiografischen Roman „Hör auf zu Lügen“ erzählt Philippe Besson von seiner Jugendliebe.

Ein sehenswerter LGBTQ-Film

In Buch und Film heißt das Alter Ego des Schriftstellers Stéphane, ist 17 Jahre alt und schwer verliebt. Er fühlt sich von seinem Klassenkameraden, einem hübschen und bei den Mädchen beliebten Winzerssohn, angezogen und ist mehr als überrascht, als dieser sein Interesse erwidert. Thomas wird seine erste große Liebe. Doch diese Liebe muss im Verborgenen bleiben, denn Thomas verleugnet seine sexuelle Identität. Jahrzehnte später kehrt der inzwischen erfolgreiche Autor Stéphane zum ersten Mal seit seiner Jugend in sein Heimatdorf zurück. Kurz nach seiner Ankunft lernt er Lucas (Victor Belmondo) kennen und erfährt, dass der junge Mann der Sohn seiner großen Liebe Thomas ist. Eine Begegnung, die alte Wunden aufreißt.

Gerade das Buch zu Ende gelesen, schon kommt die Verfilmung in die Kinos. Was natürlich reiner Zufall ist, denn „Hör auf zu Lügen“ („Arrête avec tes mensonges“) hat Philippe Besson schon 2017 veröffentlicht. Wie das immer so ist, wenn die Zeit zwischen Lesen und Filmsehen zu kurz ist  – das Buch ist überlegen. Das hat man sich ganz anders vorgestellt – Regisseur Olivier Peyon erfindet Figuren dazu, verzichtet auf eine der drei Zeitebenen und gönnt seiner Hauptfigur mit einer leidenschaftlich vorgetragenen Rede ein unnötig versöhnliches, etwas kitschiges Ende.

Und trotzdem: HÖR AUF ZU LÜGEN lohnt sich. Das liegt vor allem an der zeitlosen, schnörkellos erzählten Geschichte und der Besetzung. Während die beiden jugendlichen Figuren in den Rückblenden eher blass bleiben, sind es besonders Guillaume de Tonquédec als älterer Stéphane Belcourt (aka Philippe Besson) und Victor Belmondo (unverkennbar der Enkel von Jean Paul), die die tragische Liebesgeschichte sehenswert machen. Buch wie Film sind ein Ersatz-Abschiedsbrief für den echten Thomas Andrieu, der sich 2016 das Leben nahm und Familie und Freunde ratlos zurückließ.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Arrête avec tes mensonges“
Frankreich 2022
98 min
Regie Olivier Peyon

alle Bilder © 24 Bilder

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THE QUIET GIRL

THE QUIET GIRL

Ab 16. November 2023 im Kino

Der schönste „Stummfilm“ aller Zeiten spricht gälisch und in kleinen Gesten.

Die typisch irisch-katholische Sippe hat so viele Kinder, dass sie sogar eines davon ausleihen kann, zumal bereits das nächste ins übervölkerte Haus steht. Und so erhält Cáit, die Außenseiterin der Familie, die Chance auf einen Sommer bei entfernten Verwandten, der ihr Leben grundlegend verändern wird.

Künftiger Klassiker des Europäischen Films

Auf der Autofahrt in die kleine Küstenstadt erlebt der Zuschauer die Reise mit den Augen der Neunjährigen – Kippen im Ascher, die Schulter des Vaters (Michael Patric), Stromleitungen am Straßenrand – und ist am Ziel ebenso baff über die ungewohnt herzliche Begrüßung ihrer Tante Eibhlín (Carrie Crowley), die sie von da an liebevoll und geduldig in die kleinen Alltäglichkeiten des neuen Zuhauses einführt. Eher wortkarg zeigt sich zunächst ihr Ehemann Seán (Andrew Bennett), mit dem das scheue Mädchen aber bald eine ganz besondere Art der Kommunikation entwickelt, in der ein Keks mehr als 1000 Worte sagt und der tägliche Lauf zum Briefkasten zum Akt der Selbstfindung wird. Doch selbst in dieser sonnigen Idylle auf Zeit gibt es Schatten der Vergangenheit.

Dass „Das stille Mädchen“ nicht zwangsläufig in ein schnödes Disney Finale gipfelt, ist nur eine seiner vielen schönen Eigenheiten. Als kulturelle Besonderheit kann gelten, dass er komplett in irischer Sprache gedreht wurde (was ausnahmsweise für die deutsche Synchronisation spricht) und war natürlich der irische Oscar-Beitrag 2023 in der Kategorie Bester Internationaler Film.

Das tiefgründige, berührende Drama basiert auf einer Kurzgeschichte von Claire Keegan, die 2010 als „Best of the Year“ im New Yorker veröffentlicht wurde. Und ist unglaublicherweise das Spielfilmdebüt sowohl von Regisseur Colm Bairéad als auch für seine überragende Kinderdarstellerin Catherine Clinch in der Titelrolle der Cáit, die mit THE QUIET GIRL heimlich, still und leise einen künftigen Klassiker des Europäischen Films erschaffen haben.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „An Cailín Ciúin“
Irland 2022
95 min
Regie Colm Bairéad

alle Bilder © Neue Visionen

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THE MARVELS

THE MARVELS

Ab 08. November 2023 im Kino

Eine Fortsetzung, nach der niemand gefragt hat, allgemeine Superhelden-fatigue, keine Promo dank Streik: Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht - wird THE MARVELS der erste große Flop der Marvel-Studios?

An der Kinokasse dürfte es das neue MCU-Abenteuer nicht leicht haben. Mittlerweile muss man als Zuschauer eine Menge Vorkenntnis mitbringen, um der zusehens verworrenen Figurenkonstellation aus diversen Multiversen folgen zu können. Achtung Fachchinesisch: Captain Marvel, Ms. Marvel und Captain Rambeau retten gemeinsam das Universum. Die Drei kennen Eingeweihte aus den TV-Serien WANDAVISION, SECRET INVASION, MS MARVEL und natürlich dem ersten Teil des Kinofilms CAPTAIN MARVEL.

Schaut sich so weg

Body-Swap-Komödie, Science-Fiction-Abenteuer und Superheldinnenfilm. THE MARVELS ist ein durchwachsenes Vergnügen. Schaurig-schlecht: ein Musicalplanet, auf dem die Bewohner den ganzen Tag schmalzige Lieder singen und sich dabei in Kostüme aus dem Fundus einer zweitklassigen Las-Vegas-Show kleiden. Das ist Disney at it‘s worst. Und leider nicht mal originell, sondern nur cringe. Sehr schön dagegen: eine unvergessliche Katzenszene, die bei Ailurophobikern nacktes Grauen auslösen wird. Und natürlich die Post-Credit-Szene, die auf ein von Fans heiß ersehntes neXt Chapter im MCU verweist.

Brie Larson hat mal einen Oscar gewonnen. Für THE ROOM, die wenigsten erinnern sich. Höchstwahrscheinlich ist sie also eine ganz gute Schauspielerin. Bei ihren Marvel-Auftritten versteckt sie das gekonnt und sieht aus, als hätte sie sich ans Set eines Films verlaufen, der sie nicht im geringsten interessiert. Zu ihrem und unserem Glück stehen ihr diesmal mit Teyonah Parris und Iman Vellani zwei spielfreudigere Partnerinnen zur Seite.

Lobenswerterweise setzen die Marvel-Studios weiterhin auf junge Talente und Frauenpower. Viele der Schlüsselpositionen wie Kamera und Musik sind weiblich besetzt. Das Drehbuch haben Megan McDonnell und Elissa Karasik gemeinsam mit der erst 33-jährigen Regisseurin Nia DaCosta geschrieben.

THE MARVELS ist ein typischer MCU-Superheldenfilm, wie sie in den letzten Jahren haufenweise in die Kinos geschwemmt wurden, nur eben etwas weiblicher und vielleicht ein bisschen lustiger. Eine gute Nachricht: Der Film dauert erträgliche 105 Minuten. Das schaut sich so weg. Technisch State of the Art, immer noch besser als vieles, was DC produziert, aber leider auch nichts weltbewegend Neues. Die goldenen Zeiten von IRON MAN und THE AVENGERS sind wohl endgültig vorbei.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Marvels“
USA 2023
105 min
Regie Nia DaCosta

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

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ANATOMIE EINES FALLS

ANATOMIE EINES FALLS

Ab 02. November 2023 im Kino

Sandra Hüller Superstar. Deutschlands beste Schauspielerin überzeugt in Justine Triets Gerichtsdrama. Ist der Gewinner der Goldenen Palme von Cannes wirklich so gut?

Ja.

Spoiler gibts natürlich keine, ist schließlich ein Gerichtsdrama. Im Gegensatz zu US-Filmen und Serien mit ähnlichen Sujets geht es in ANATOMIE EINES FALLS nicht in erster Linie darum, ob die Angeklagte schuldig ist oder nicht. Regisseurin Justine Triet interessiert sich mehr für das Zwischenmenschliche, die Dynamiken in einer Familie.

Ein Highlight des Kinojahres

Schuld ist ein bestimmender Faktor in der Beziehung von Sandra (Sandra Hüller) und Samuel (Samuel Theis). Die Deutsche und der Franzose leben in einem Chalet in den Bergen. Sie ist erfolgreiche Schriftstellerin, er wäre es gerne, ist aber nach einem Unfall, bei dem sein Sohn das Augenlicht verliert, von Selbstvorwürfen zerfressen. Eines unschönen Tages liegt Samuel mit klaffender Kopfwunde tot im Schnee. Ist er gestürzt? War es Selbstmord? Hat Sandra ihn erschlagen und über das Geländer gestoßen? ANATOMIE EINES FALLS ist exakt das, was der Titel verspricht. Der Fall wird minutiös auseinandergenommen, all die Umstände, die Streits, die seelischen Verletzungen, die zuvor in der Familie geschehen sind, werden mit scharfem Skalpell seziert.

Ein bisschen Geduld sollte man mitbringen. Mit 150 Minuten Lauflänge und wenig bis keiner Action, dafür non-stop Dialogen in Französisch und Englisch ist das Drama keine leichte Kost. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. ANATOMIE EINES FALLS ist ein Highlight des Kinojahres und würde – so es noch Sterne bei Framerate gäbe – locker die Höchstbewertung bekommen. Sandra Hüller ist nie schlecht, egal ob sie in einer Komödie (TONI ERDMANN, SISI UND ICH) oder einem Drama (EXIL, IN DEN GÄNGEN) mitspielt. Aber sie war vielleicht noch nie so gut wie hier. Ihre Figur Sandra spielt sie mit einer nuancierten Mischung aus sympathisch, zornig und verletzt. Das ist jeden Filmpreis wert, der in diesem Jahr vergeben wird. Das gesamte Ensemble glänzt – herausragend auch Milo Machado Graner als sehbehinderter Sohn Daniel. Immer wieder erstaunlich, wie verrückt talentiert Kinderschauspieler sein können.

Am Ende – das sei verraten – bleiben wie bei allen guten Gerichtsdramen Fragen unbeantwortet. Für jeden vermeintlichen Beweis gibt es mindestens zwei einleuchtende Erklärungen. War sie es, oder war sie es nicht? Schuld ist auch subjektiv. Der Zuschauer muss selbst entscheiden. ANATOMIE EINES FALLS – unbedingt ansehen.

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Originaltitel „Anatomie d’une chute“
Frankreich 2023
151 min
Regie Justine Triet

alle Bilder © PLAION PICTURES

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HALLOWEEN PARK

HALLOWEEN PARK

Ab 26. Oktober 2023 im Kino

Originelle Idee: Ein maskierter Killer jagt eine Gruppe Teenager.

Ein kleines bisschen unterscheidet sich HALLOWEEN PARK von den zehnmillionen anderen Slasherfilmen schon. Schließlich ist dies eine schwedische Produktion. Die Menschen sprechen also eine putzigere Sprache als Englisch. Außerdem haben sich ganz en vogue die Geschlechterkorsetts ein wenig gelockert: Einer der (heterosexuellen) Jungs trägt Perlenkette. Viel gruseliger als das wird’s allerdings nicht.

Der Freizeitpark wird zur tödlichen Falle

Alles anschnallen, dabei sein, die nächste Fahrt geht rückwärts.
Das opferreiche und blutige Gemetzel findet in einem geschlossenen Vergnügungspark (natürlich bei Nacht) statt. Zufälligerweise gewinnen fünf Teenager ein VIP-Ticket und zufälligerweise ist eine Ex-Mitschülerin ihr ausgewählter Tour-Guide. Noch viel zufälliger verbindet die sechs ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit. Zufälle gibt’s. Doch der Spaß findet ein jähes Ende, als den Jugendlichen klar wird, dass sie auf dem Gelände scheinbar doch nicht ganz alleine sind. Der Freizeitpark wird zur tödlichen Falle.

Neben der soliden, nicht besonders auffälligen Performance der Schauspieler und den üblichen Versatzstücken aus Jumpscares, Stromausfall und durchtrennten Telefonleitungen bietet HALLOWEEN PARK wenig Neues. Ein Slasherfilm nach bekanntem Muster für die Generation Z – Michael Myers und Co. hätten ihre Freude daran.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Karusell“
Schweden 2023
86 min
Regie Simon Sandquist

alle Bilder © Splendid Film

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DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

Ab 26. Oktober 2023 im Kino

Ein alter Brite macht sich auf die Reise quer durchs Land, trifft dabei auf viele freundliche Menschen und findet sich am Ende selbst.

Wem das bekannt vorkommt, der hat vielleicht im vergangenen Jahr DER ENGLÄNDER, DER IN DEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR gesehen. Gleiche Geschichte, gleiches Setting, fast gleicher Film. Nur eben per pedes und nicht im Bus.

Kluge Ratschläge, Gästezimmer und Blasenpflaster

Harold Fry (Jim Broadbent) erfährt eines Tages, dass seine alte Freundin Queenie im Sterben liegt. Er schreibt ihr einen Brief, verlässt sein Haus, geht zum Postamt und hört nicht auf zu gehen. Er läuft einfach weiter, bis zu dem 450 Meilen entfernten Hospiz. Den Pensionär auf Sinnessuche spielt der ausgezeichnete Jim Broadbent, seine Gattin Maureen ist mit der aus Downton Abbey bekannten Penelope Wilton besetzt. Die Besetzung ist fabelhaft (Nick Caves Sohn Earl spielt den gepeinigten Sohn des Ehepaars) und im Gegensatz zum busfahrenden Engländer sieht DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY auch noch richtig gut aus. Kamerafrau Kate McCullough arbeitet viel mit Unschärfen und hübschem Morgenlicht.

Allerdings nervt das Gutmenschentum – auf seiner Reise durch England begegnet Harold ausschließlich warmherzigen Mitmenschen, die ihm mit klugen Ratschlägen, Gästezimmern und Blasenpflastern zur Seite stehen. Sei’s drum, Sinn und Zweck solcher Filme ist es ja, dass man mit einem positiven Gefühl aus dem Kino geht. Nur am Ende wird’s richtig peinlich: Da fällt ein göttliches Licht auf all diejenigen, die Harold zuvor auf seiner Reise getroffen, beziehungsweise „erleuchtet“ hat. Die plumpe Spiritualität ist unnötig und hinterlässt einen schalen Geschmack.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“
GB 2023
108 min
Regie Hettie Macdonald

alle Bilder © Constantin Film

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EIN FEST FÜRS LEBEN

EIN FEST FÜRS LEBEN

Ab 19. Oktober 2023 im Kino

Was alles am schönsten Tag des Lebens schiefgehen kann, muss Christoph Maria Herbst als Hochzeitsplaner in der überraschend frischen Komödie von Richard Huber erfahren.

Mit feinem bis ätzendem Humor erzählt EIN FEST FÜRS LEBEN von einer Hochzeitsfeier, bei der alles gründlich schief geht und trotzdem happy endet. Unter der Leitung von Christoph Maria Herbst als Dieter, der für die Rolle des gestressten und desillusionierten „Wedding Planners“ perfekt besetzt ist, rückt der Film nicht das Brautpaar oder die Hochzeitsgäste in den Mittelpunkt, sondern das Personal, das im Hintergrund die ganze Chose am Laufen hält. Oder auch nicht. Denn Dieter plant seine Firma zu verkaufen, ein Interessent will sich unerkannt unter die Gäste mischen. Versteht sich von selbst, dass an diesem besonderen Tag, an dem alles wie am Schnürchen laufen muss, die Lebensmittel verdorben sind, der gebuchte Sänger ausfällt und auch sonst jede menschenmögliche Katastrophe passiert.

Überraschend, wie intelligent und komisch das für eine deutsche Komödie ist

Dass es dabei hier und da auch mal klamaukig wird – sei’s drum. Das Drehbuch ist eine sympathische Mischung aus realistisch und übertrieben, vermeidet zum Glück die allzu platten Pointen. EIN FEST FÜRS LEBEN besticht mit viel Sinn für Situationskomik und einer hochkarätigen Besetzung. Neben Christoph Maria Herbst sind Jörg Schüttauf als fauler Hochzeitsfotograf und Marc Hosemann als egozentrischer Sänger und Bandleader die bekanntesten Darsteller.

Ein Sarkast würde sagen: Überraschend, wie intelligent und komisch das für eine deutsche Komödie ist. Kein Wunder, sie haben es schon wieder getan: Auch EIN FEST FÜRS LEBEN ist ein Eins-zu-eins-Remake. Die Ensemblekomödie der „Ziemlich beste Freunde“-Macher um die kleinen und großen Dramen, die sich hinter den Kulissen einer Hochzeitsfeier abspielen, kam 2017 unter dem Titel „Le sens de la fête“ in die französischen Kinos.

Regisseur Richard Huber ist natürlich ein alter Hase und weiß genau, wie man so eine locker-leichte Komödie auf den deutschen Markt zuschneidet. Am besten, man ändert wenig und übernimmt möglichst viel vom Original. Mit dem gleichen Rezept, bereits Erprobtes für den hiesigen Markt zu adaptieren, wurden schon 2021 die ebenfalls mit Christoph Maria Hebst besetzte Dramödie CONTRA und drei Jahre zuvor DAS PERFEKTE GEHEIMNIS große Erfolge. Und bei EIN FEST FÜRS LEBEN gibt es sogar eine echte Verbindung zur französischen Vorlage: Regisseur Huber ist trotz des bayrisch klingenden Namens gebürtiger Pariser.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
105 min
Regie Richard Huber

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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KILLERS OF THE FLOWER MOON

KILLERS OF THE FLOWER MOON

Ab 19. Oktober 2023 im Kino

Es ist offensichtlich, was den 80-jährigen Regisseur Martin Scorsese an dem Stoff gereizt hat: Ein Western in Cinemascope, eine Crimestory, eine intime Liebesgeschichte und ein großer Geschichtsfilm - KILLERS OF THE FLOWER MOON ist ein episches Drama voller Verrat und Abgründe.

Oklahoma, Anfang des 20. Jahrhunderts: Über Nacht werden die amerikanischen Ureinwohner des Osage-Stamms steinreich. Dank sprudelnder Ölquellen verfügen sie eine Zeit lang über das höchste Pro-Kopf-Vermögen der Welt. Wie so oft in der amerikanischen Geschichte zieht der Wohlstand weiße Eindringlinge an. Diebstahl, Erpressung und Mord sind unter der Führung des ebenso charmanten wie gerissenen William „King“ Hale (Robert De Niro) bald an der Tagesordnung. Verpackt in die ungewöhnliche Romanze zwischen Hales Neffen Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) und der Indigenen Mollie Kyle (Lily Gladstone) erzählt der Film die wahre und schreiend ungerechte Geschichte der „Osage-Morde“.

Ein spätes Meisterwerk

Das Dreamteam funktioniert auch bei seiner zehnten Zusammenarbeit immer noch hervorragend. Scorsese und sein Lieblingsschauspieler Robert De Niro kitzeln gegenseitig das Beste aus sich heraus. Als manipulativer Strippenzieher und Auftraggeber einer ganzen Serie von Morden ist De Niro das dunkle Zentrum des Films. Ganz hervorragend auch Lily Gladstone, die mit ihrer zurückgenommenen Art einen sanften Ruhepol in der blutigen Männerwelt bildet. Leonardo DiCaprio (Scorseses zweitliebster Schauspieler – dies ist ihre sechste Kollaboration) macht selbstredend auch als leicht unterbelichteter Handlanger eine gute Figur. Weshalb er diese Rolle allerdings mit einer Mischung aus Robert-de-Niro-Persiflage (permanent nach unten gezogener Mund plus in Falten gelegte Stirn) und Marlon Brandos DER PATE inklusive ausgestopfter Backentaschen spielt, bleibt sein Geheimnis.

Wie Scorsese seine Darsteller führt (in Nebenrollen sind unter anderem Jesse Plemons und der frisch oscargekrönte Brendan Fraser zu sehen), elegant Rückblenden in die verschachtelte Handlung einbaut, Dinge weglässt und manches erst im Nachgang aufschlüsselt, das ist bravourös. Ein 80-jähriger Künstler, immer noch auf der Höhe seines Schaffens. KILLERS OF THE FLOWER MOON ist trotz seiner unfassbaren 206 Minuten Laufzeit keinen Moment zu lang. Ein spätes Meisterwerk, das zudem ein grandioses und überraschend amüsantes Ende bereit hält. Allein wegen der letzten 10 Minuten lohnt es sich.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Killers of the Flower Moon“
USA 2023
206 min
Regie Martin Scorsese

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

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HEAVEN CAN WAIT

HEAVEN CAN WAIT

Ab 12. Oktober 2023 im Kino

Was ist besser als Sterben? Singen zum Beispiel. Eine Gruppe Hamburger Senioren findet ihr spätes Glück in einem Chor.

Ein lauer Sommerabend in Heidelberg. Beim Spaziergang durch den Plöck ist ganz leise, dann immer lauter ein überirdisch klingender Gesang zu hören. „Shallow“, der Hit aus A STAR IS BORN, nicht von Lady Gaga und Bradley Cooper, sondern von einem gemischten Chor gesungen. Ein Moment des Glücks. Sofort will man googeln, ob sich eventuell auch ein Verein in Berlin findet, bei dem man Mitglied werden könnte. Wie so oft – der Moment verfliegt aber vielleicht irgendwann einmal …

Still alive - 2.000 Jahre live on stage

Dass Singen glücklich macht, ist keine neue Erkenntnis. Sogar im hohen Alter sorgt es noch für einen Endorphin-Ausstoß. Bei Europas ältestem Castingchor ist das Mindestalter 70. Nach oben gibt es keine Grenze. Manche der Sängerinnen und Sänger haben schon die 90 hinter sich gelassen. Ein ganz besonderer Chor der Alten, der unter der gut gelaunten Führung von Jan-Christof Scheibe sogar Auftritte im traditionsreichen St. Pauli-Theater absolviert. 

Auf perfekten Gesang kommt es ihm dabei nicht an, vielmehr auf echtes Gefühl. Schöne Töne kann mit Übung jeder treffen, doch es geht dem Chorleiter um mehr – trotz dritter Zähne sollen die jugendlichen Texte glaubhaft transportiert werden. Das Repertoire ist das eines Schülerchors: Songs von Juli, Sido, Jan Delay, Fettes Brot, Deichkind und Udo Lindenberg stehen auf dem Programm.

Sven Halfar stellt in seinem lebensbejahenden und überaus reizenden Film einige der Chorsängerinnen und Sänger vor – privat und auf der Bühne. Seit 10 Jahren gibt es den Gesangsverein. Zur Zeit sind die Hamburger Senioren mit der treffend bezeichneten Show „Still alive – 2.000 Jahre live on stage“ auf Tour. Sollte jemand planen, aus der Geschichte einen Spielfilm zu machen: Gute Idee – nicht nur als ABM für greise Darsteller. Dank geriatrischer Niedlichkeit und Herzenswärme wäre der Erfolg garantiert. Und wegen verblüffender Ähnlichkeit steht eine Rollenbesetzung auch schon fest: Christian Berkel als Chorleiter.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
103 min
Regie Sven Halfar

alle Bilder © mindjazz pictures

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ANSELM – DAS RAUSCHEN DER ZEIT

ANSELM – DAS RAUSCHEN DER ZEIT

Ab 12. Oktober 2023 im Kino

Anselm Kiefer-Freunde aufgepasst: Wim Wenders Dokumentarfilm über den Jahrhundertkünstler ist ein Muss für Fans.

Im südfranzösischen Städtchen Barjac, eine gute Autostunde von Avignon entfernt, hat der Bildhauer und Maler Anselm Kiefer auf einer 40 Hektar großen Fläche eine Kunstwelt erschaffen, die es so nirgend woanders gibt. Seine riesigen, raumsprengenden Skulpturen und Bilder finden sich dort in eigens errichteten Hallen oder einfach mitten in die Natur gestellt. Kiefers begehbare Installationen haben oft etwas Kulissenhaftes und könnten ebenso Bühnenbilder einer düsteren Theater- oder Filminszenierung sein. Wim Wenders hat dieses atemberaubende Gesamtkunstwerk mit seinem in 3D gedrehten Film ANSELM – DAS RAUSCHEN DER ZEIT zum Greifen nah eingefangen. 

Geniale Übersetzung der Werke Kiefers auf die Leinwand

Beide sind 1945 geboren, beide verbindet seit über 30 Jahren eine enge Freundschaft. Wenders schafft mit großen Bildern (Kamera Frank Lustig) und einem Soundtrack aus klassischer Musik, Gedichten und Flüsterstimmen eine geniale Übersetzung Kiefers ins Filmische. Die Collage aus nachgestellten Kindheitsszenen, alten Fernsehbeiträgen und einer schwebend losgelösten Kamera ist weit mehr als eine oberflächliche Wiedergabe, sie dringt tief in die Gedankenwelt des Künstlers ein.

Neben den fantastischen Aufnahmen der gleichermaßen bedrückenden wie schönen Kunstwerke zeigt ANSELM – DAS RAUSCHEN DER ZEIT auch den Schaffensprozess – oder einfacher gesagt: Kiefer bei der Arbeit. Der nutzt ganz pragmatisch entweder ein Fahrrad oder einen Gabelstapler, um in seinen riesigen Atelierhallen von einem Werk zum anderen zu gelangen. Mit Flammenwerfer (plus löschbereitem Assistenten mit Wasserschlauch daneben) und übergroßen Pinseln bearbeitet der Meister seine teils haushohen Bilder. Ein Berserker, der genau weiß, was er da tut. Am Ende des Films hätte man große Lust, in den nächsten Flieger zu steigen und sich leibhaftig in die faszinierende, morbide Welt des Anselm Kiefers zu begeben. Grandios.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
93 min
Regie Wim Wenders

alle Bilder © DCM

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DOGMAN

DOGMAN

Ab 12. Oktober 2023 im Kino

Miau! Das groß angekündigte Comeback von Starregisseur Luc Besson ist nur eine JOKER-Kopie auf vier Pfoten.

Douglas Munrow (Caleb Landry Jones) wird in Marilyn-Monroe-Kostümierung von der Polizei aufgegriffen. Im Kofferraum seines Lieferwagens finden die Cops ein Rudel Hunde. So weit, so merkwürdig. Im Gespräch mit der Psychologin Evelyn breitet der seltsame Hundeliebhaber anschließend seine Lebensgeschichte aus. Und die hat es in sich. Vom sadistischen Vater (Clemens Schick) und grenzdebilen Bruder wird er als kleiner Junge für Monate in einen Hundezwinger gesperrt. Zusammen mit einem Rudel felliger Vierbeiner wird so aus Doug erst Dogboy, dann Dogman.

Dafür gibts ein Leckerli

Dogman Doug und seine Hundetruppe könnten glatt im Zirkus auftreten. Die Pumen und Dobermänner beherrschen die tollsten Kunststücke, gehorchen jedem Befehl aufs Wort und können sogar ganz alleine in Häuser einbrechen und die Reichen bestehlen. Bravo! Dafür gibts ein Leckerli. Die Diebesbande auf vier Pfoten klaut in Herrchens Auftrag Perlen und Geschmeide, denn der verdient sich seinen Lebensunterhalt mittlerweile als Dragqueen. Im Marlene-Dietrich und Édith-Piaf-Look steht er schmuckbehangen auf der Bühne und trällert zum Playback.

Klingt absurd? Ist es auch. Luc Besson war schon immer ein Regisseur ohne kreative Grenzen. Das kann gut gehen – wie zu seiner künstlerischen Hochzeit mit LÉON – DER PROFI oder DAS FÜNFTE ELEMENT – kann aber auch gründlich schiefgehen wie bei LUCY oder VALERIAN. DOGMAN orientiert sich schamlos an Todd Philips Oscargewinner JOKER, die Figuren und die Handlung sind allerdings um einiges gröber geschnitzt, der Stil so sehr in your face, man könnte meinen, der Film basiert auf einem Groschenroman. Zwischentöne gibt es kaum – die Bösen sind grundböse am Rande der Karikatur, Hunde hingegen sind die besseren Menschen – gütig und schlau wie Einstein. Was natürlich auch der Wahrheit entspricht. Ist gut, Alfi. Ja Suse, jaha.

Ist Luc Besson ein guter Regisseur? Mal so, mal so. Technisch ist das alles gekonnt, aber DOGMAN ist kein wirklich gelungener Film und schon gar nicht das voreilig versprochene Comeback. Wenigstens kann man Besson nicht vorwerfen, zu langweilen. Unterhaltsam ist der JOKER auf vier Pfoten trotz allem.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Dogman“
Frankreich / USA 2023
113 min
Regie Luc Besson

alle Bilder © capelight pictures

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DIE MITTAGSFRAU

DIE MITTAGSFRAU

Ab 28. September 2023 im Kino

In ihrem preisgekrönten Roman „Die Mittagsfrau“ von 2007 erfindet Julia Frank eine Version der Lebensgeschichte ihrer Großmutter. Die österreichische Regisseurin Barbara Albert hat den Bestseller nun mit Mala Emde in der Hauptrolle verfilmt.

Helene – so der Name der semifiktiven Großmutter – wächst in Bautzen in bedrückenden Verhältnissen auf. Ihre Mutter ist psychisch krank, lebt in einer Wahnwelt. Um all dem Leid zu entgehen, brechen die junge Helene und ihre ältere Schwester Martha ins wilde Berlin der 20er-Jahre auf, wo sie bei ihrer mondänen Tante Fanny unterkommen. Viele Partys, Charleston-Tänze und Schicksalsschläge später ist Helene alleinerziehende Mutter. Weil das Leben kurz und das Kind nervig ist, bringt sie es an einen Bahnhof und lässt es dort zurück. Endlich frei, kaltes Herz. Ende.

Die Dialoge gestelzt, die Bildsprache gewöhnungsbedürftig

Die guten Schauspieler (u.a. Mala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn) können nichts dafür, dass das Drehbuch voller gestelzter Dialoge, die Ausstattung unpassend modern und die Bildsprache gewöhnungsbedürftig ist. Es reicht eben nicht, ein paar Möbel (die teilweise aussehen, als hätte IKEA die Ausstattung besorgt) ins Set zu stellen und den Darstellern 20er-Jahre-Kleidung anzuziehen. Aber nicht nur Äußerlichkeiten sind unstimmig, auch Emotionen werden plump auf die Leinwand gebracht. Helenes Mutter beispielsweise muss ihren Wahnsinn mit Schreien, irrem Lachen und wirren Haaren darstellen. Edgw.

DIE MITTAGSFRAU macht den unguten Eindruck eines nicht allzu üppig budgetierten Kunsthochschulprojekts. Immer wenn es besonders gefühlig wird, schaltet die Kamera auf farbübersättigt und grobkörnig, das soll dann wohl stimmungsvoll sein. Die Geschichte von der Frau, die mit ihrer Rolle als Mutter ringt, ist interessant, wird aber in fast 2,5 Stunden lebensbedrohlich in die Länge gezogen. Über weite Strecken entsteht so eine Langeweile, die bei der Pressevorführung mit seligem Schnarchen und teils fluchtartigem Verlassen des Kinosaals honoriert wurde.

INFOS ZUM FILM

Deutschland / Schweiz / Luxemburg 2023
136 min
Regie Barbara Albert

alle Bilder © Wild Bunch Germany

DAS NONNENRENNEN

DAS NONNENRENNEN

Ab 28. September 2023 im Kino

Mon Dieu, c'est mauvais. Laurent Tirards alberne Klamotte versucht den Witz alter Louis de Funes-Komödien heraufzubeschwören. Vergebens.

Das lokale Altenheim pfeift aus dem letzten Loch, eine Renovierung ist bitter nötig. Weil auch der Bürgermeister kein Geld hat, nehmen fünf Nonnen an einem Fahrradrennen teil. Als Preisgeld winken 25.000 €. Spitzenidee. Dumm nur, dass die Himmelsbräute ausschließlich verrostete Klapperräder im Stall haben und größtenteils nicht mal wissen, wie man so einen Drahtesel reitet. Zu allem Unglück taucht auch noch eine professionelle, voll durchtrainierte Gruppe von BMX-Rad-Nonnen auf, die ebenfalls scharf aufs Gewinnen sind.

NONNEN AUF HEISSEN BIKES
DIE VÖLLIG DURCHGEDREHTEN BETSCHWESTERN
RAD AB – 5 NONNEN FÜR EIN HALLELUJA

Neben „Tritt fester, Schwester“ böten sich noch viele weitere dümmliche Wortschöpfungen als Untertitel an, wäre DAS NONNENRENNEN vor 50 Jahren in die deutschen Kinos gekommen. Passend zur 70er-Jahre-Zopfigkeit ist auch der altbackene Nonstop-Nonsens Humor von JUSTE CIEL! (so der Originaltitel).

Laurent Tirard hat schon mehrfach bewiesen, dass er nicht mit göttlichem Talent gesegnet ist. Seine bisherigen Filme DER KLEINE NICK und ASTERIX & OBELIX sind allenfalls Durchschnittsware. Mit DAS NONNENRENNEN erreicht der französische Regisseur nun einen vorläufigen Tiefpunkt seiner Karriere. 

Nichts gegen harmlos, aber selbst ohne Erwartungen muss man sagen: Der Film ist gründlich misslungen. Fast nichts funktioniert. Die Gags sind abgestanden, die Dialoge mittelmäßig, die Charaktere klischeehaft, ohne jede Entwicklung. Originelle Ideen gibt es so gut wie keine. Was all die guten Schauspieler dazu bewogen hat, in diesem dümmlichen Lustspiel mitzuwirken, bleibt ihr großes Geheimnis. Schlechtester Film der Woche.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Juste Ciel!“
Frankreich 2022
88 min
Regie Laurent Tirard

alle Bilder © STUDIOCANAL

BURNING DAYS

BURNING DAYS

Ab 28. September 2023 im Kino

BURNING DAYS von Emin Alper ist eine aufregende Mischung aus modernem Western und Polit-Thriller.

Es beginnt mit einer Wildschweinjagd. Hier in der anatolischen  Provinz sind Männer noch echte Kerle, das verängstigte Borstenvieh wird unter dem großen Jubel der Einheimischen brutal abgeschossen. In diesem mit toxischer Männlichkeit aufgeladenen Ort beginnt der junge Staatsanwalt Emre (Selahattin Pasali) seinen neuen Job. Und den nimmt er sehr ernst. Kaum angekommen, gerät er mit den örtlichen Honoratioren aneinander, die fest entschlossen sind, ihre Privilegien mit allen Mitteln zu verteidigen. Schnell merkt Emre, dass er in einem Sumpf aus Korruption und Manipulation gelandet ist.

Ein Blick in das Herz der türkischen Gesellschaft

Unausgesprochene Drohungen, Gespräche voller Doppeldeutigkeit und Andeutungen machen BURNING DAYS zu einem starken Dialogfilm. In einer schicksalshaften Nacht, in der sich Emre mit seinen zukünftigen Feinden betrinkt und unter Drogen gesetzt wird, wird eine junge Frau vergewaltigt. Hat er, oder hat er nicht? Seine Erinnerungslücken machen Emre erpressbar.

Mutiger Einzelkämpfer gegen mafiöse Strukturen – das Thema ist für einen Politthriller nicht neu, aber der türkische Kontext und die Offenheit, mit der Regisseur Alper damit umgeht, überraschen. Umweltzerstörung, Korruption, Homophobie, Vergewaltigung – trotz, oder vielleicht wegen all der düsteren Themen entwickelt BURNING DAYS die Qualität eines bedrohlichen Fiebertraums. Ein ungewohnter Blick in das Herz der türkischen Gesellschaft und den ewigen Konflikt zwischen Tradition und Moderne.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Burning Days“
Türkei 2022
129 min
Regie Emin Alper

alle Bilder © CINEMIEN

THE CREATOR

THE CREATOR

Ab 28. September 2023 im Kino

Wird Gareth Edwards demnächst wegen Diebstahls geistigen Eigentums vor Gericht gestellt? THE CREATOR ist ein einziger Ideen-Quilt aus schon gesehenen Film-Flicken.

TERMINATOR 2 – ALIENS – STAR WARS – AVATAR – EX MACHINA – CHAPPIE – BLADE RUNNER – WALL•E – ELYSIUM – THE MANDALORIAN – A.I. – WESTWORLD

Ein lustiges Trinkspiel: Für jede Idee, die Gareth Edwards von einem anderen Film geklaut hat, muss man einen Schnaps trinken. Am Ende von THE CREATOR wäre man sternhagelvoll.

Wenigstens drückt der Regisseur visuell dem Best-of-Science-Fiction seinen Stempel auf. Fans des seit GODZILLA und ROGUE ONE: A STAR WARS STORY kultivierten „düster-realistisch meets Apple-in-200-Jahren“-Looks kommen auf ihre Kosten. Und es gibt ein paar wirklich gute Szenen, wie die, in der ein Toter kurzfristig ins Leben zurückgeholt wird, um ihm noch ein paar Informationen abzupressen, bevor seine Synapsen endgültig erloschen sind. Aber sonst? Die Story vom Ex-Soldaten, der gegen eine durchgedrehte (oder vielleicht doch nicht durchgedrehte?) KI kämpft und sich dabei um ein kleines Roboter-Mädchen kümmern muss, fängt fulminant an. Aber nach dem ersten Kapitel geht es stetig bergab.

Die Geschichte lässt kalt

Das sieht zwar cool aus – aber wie oft soll man sich als Zuschauer für Bombenexplosionen und riesige Laserscanner begeistern? Auf Dauer ermüdet selbst Nietzsche die Wiederholung des immer Gleichen. Nicht jeder kann alles können. Edwards ist meisterhaft im Schaffen von realistisch wirkenden Zukunftswelten. Doch Emotionen sind nicht so sein Ding. Da können sich die Schauspieler noch so sehr bemühen, die Tränen in Strömen fließen und die Hans-Zimmer-Streicher im Soundtrack alles geben – die Geschichte lässt kalt. Je länger der Film dauert, desto mainstreamiger und uninteressanter wird er. Das letzte Drittel könnte glatt von Michael Bay inszeniert sein, und das ist nicht als Kompliment gemeint. Am Ende steht die Erkenntnis: Roboter sind die besseren Menschen. Halleluja.

Neues Feindbild: First reactions von Influencern. Da wird THE CREATOR als „ein Meisterwerk“ und als „neuer Klassiker“ gelobt, als der „beste Science-Fiction-Film in diesem Jahr“. Besser nicht hinhören. THE CREATOR ist ein gut aussehender, aber überlanger und schamlos zusammengeklauter Science-Fiction-Film, der kaum Eindruck hinterlässt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Creator“
USA 2023
133 min
Regie Gareth Edwards

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany