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Kinostart 26. Mai 2022

Es ist über 20 Jahre her, da lebte in der Wilmersdorfer Straße eine leicht verschrobene, ältere Dame, die einigen Berlinern als Moderatorin beim Offenen Kanal bekannt war. „Ich zeige Ihnen Blumen“ oder „Da ist noch eine Katze in der Fensterbank“ gehörten zu ihren berühmtesten Zitaten, die sogar von der Band Kissogram in einem Lied verewigt wurden. Was kaum jemand wusste (bis auf den Autoren dieser Zeilen, der in den 1990er-Jahren ihr Wohnungsnachbar war): Frau S. war ein Hamsterer – oder wie der Amerikaner sagt: Hoarder. Die Grenze zwischen Sammeln und krankhaftem Messietum sind fließend, in welche Kategorie Frau S. fiel, lässt sich nicht sagen, denn ihre Wohnung durfte niemand betreten. Nur einmal musste sie dem Heizungsmonteur Einlass gewähren, der danach fassungslos von meterhohen Zeitungsstapeln berichtete. Trotzdem standen immer wieder erstaunlich große Möbelstücke im Treppenhaus, die Frau S. dann bei einem kurzen Plausch als „viel zu schade zum Wegschmeißen“ erklärte und noch irgendwo zwischen der sonntagmorgens gespielten Hammondorgel und all den anderen Schätzen in ihrer Wohnung unterbrachte.

Auch Marlen (Corinna Harfouch) bewahrt ein ganzes Leben in ihren vier Wänden auf. Das Entsorgen von selbst hoffnungslos kaputten Gegenständen ist für sie undenkbar, denn sie hat „Mitleid mit Dingen“. Da niemand einen Film über eine verschmutzte „Kathedrale aus Kot“ sehen will (höchstens im Privatfernsehen, wo einst ein Badezimmer mit diesen blumigen Worten beschrieben wurde), ist in Natja Brunkhorsts Spielfilmdebüt alles viel netter als im echten Leben. Marlens Wohnung erinnert eher an ein gemütlich verwunschenes Second-Hand-Möbellager.

Ganz anders sieht es bei Fynn (Daniel Sträßer) aus, dem reichen 100 Dinge zum Leben (der durchschnittliche Europäer besitzt 10.000). In der spartanischen Behausung des Mathegenies, direkt über Marlens Wohnung, tropft der Heizkörper. Selbst ist der Mann: Einmal mit der Rohrzange nachziehen, schon steht alles unter Wasser. Und weil daraufhin die Handwerker wochenlang den Boden trockenlegen müssen, zieht Fynn kurzerhand bei Marlen ein (in Köln scheint es keine Hotels zu geben). Der Kontrollfreak und die Messiefrau. Die Zusammenführung der gegensätzlichen Charaktere wirkt zwar etwas konstruiert, doch das erste kritische Beschnuppern und der zaghafte Versuch, sich gegenseitig aus den festgezurrten Verhaltensmustern zu helfen, ist charmant und leichtfüßig umgesetzt.

„Alles in bester Ordnung“ ist ein reizender kleiner Film über zwei Außenseiter, die sich am Ende perfekt ergänzen. Schön, dass es mal keine alberne Romcom, sondern eine intelligente deutsche Komödie mit tollen Schauspielern ins Kino schafft.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2021
96 min
Regie Natja Brunckhorst

alle Bilder © Filmwelt