ONE LIFE

ONE LIFE

Die wahre Geschichte eines couragierten Mannes, der gegen alle Widrigkeiten über 600 Kindern vor den Nazis rettet. Konventionell gemachtes Biopic mit einem herausragenden Anthony Hopkins in der Hauptrolle.

Ab 28. März 2024 im Kino

In England gab es mal eine BBC-Fernsehshow namens „That’s Life!“ 1988 sorgte eine Folge für besonders großes Aufsehen: Nicholas Winton traf im Fernsehstudio auf die Überlebenden, die er fünfzig Jahre zuvor als Kinder vor den Nazis gerettet hatte.

Heute so aktuell wie vor 80 Jahren

Die Rahmenhandlung von James Hawes Film zeigt das Leben des gealterten Nicholas Winton (Anthony Hopkins). Noch immer quälen ihn die Dämonen seiner Vergangenheit. Dass er „nur“ 669 und nicht alle Kinder retten konnte, verfolgt ihn bis ins hohe Alter. Parallel erzählt ONE LIFE von der Rettungsaktion 1938. Der junge Nicholas (Johnny Flynn) erfährt über einen Freund von den entsetzlichen Zuständen in tschechischen Flüchtlingslagern. Zusammen mit vielen Unterstützern startet er eine beispiellose Rettungsaktion – immer bedroht von der nahenden Invasion der Faschisten.

ONE LIFE ist eine solide gemachte Nacherzählung dieser Ereignisse. Die starken Leistungen der Schauspieler, allen voran Anthony Hopkins und Johnny Flynn, werden durch die konventionelle Machart des Films geschwächt. Die Handlung wird artig nacherzählt, Flüchtlingsgeschichten aus dem Zweiten Weltkrieg hat man schon weitaus mitreißender inszeniert gesehen. Trotz solcher Unzulänglichkeiten ist ONE LIFE ein Film für das heutige Publikum. Flüchtlingskrisen und Menschen, vor denen trotz Lebensgefahr die Grenzen verschlossen werden, sind 2024 leider so aktuell wie vor 80 Jahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „One Life“
GB 2023
110 min
Regie James Hawes

alle Bilder © SquareOne Entertainment

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THE SON

THE SON

Kinostart 26. Januar 2023

Depression: ein ernst zu nehmendes Thema. Gerade bei Jugendlichen. Die oft schamhaft verschwiegene Krankheit kann gar nicht genug mediale Aufmerksamkeit bekommen. Fragt sich nur, ob Regisseur Florian Zeller mit seinem durch und durch künstlich wirkenden Film den Betroffenen einen Gefallen getan hat. Denn THE SON ist das filmische Äquivalent zu einem Coffee Table Book aus der Psychiatrie.

Melodramatik statt Dramatik

Schöne Menschen in schöner Umgebung haben … Probleme. Ja, selbst sehr reiche New Yorker in perfekt eingerichteten Traumwohnungen machen sich beim Tragen frisch gebügelter Hemden Sorgen. Der geschiedene Anwalt Peter (Hugh Jackman) versteht das Verhalten seines 17-jährigen Sohns Nicholas (Zen McGrath) nicht mehr. Der schwänzt seit Wochen die Schule, hat keine Freunde und ist auch sonst ein schwieriger, verschlossener Junge. Für Peter kommen die Probleme mit dem Junior ungelegen, denn er richtet sich gerade ein neues Leben mit seiner Freundin Beth (Vanessa Kirby) und dem frisch geborenen Sohn Theo ein. Doch weil ihn das schlechte Gewissen plagt, bietet er Nicholas an, bei ihm einzuziehen. Er will beweisen, ein besserer Vater zu sein, als es sein eigener war. Der wiederum wird in einem Gastauftritt von Sir Anthony Hopkins als echtes Scheusal von Hannibal Lecterschen Ausmaßen verkörpert.

THE FATHER und THE SON. Zwei Filme über geistige Erkrankungen, die auf Theaterstücken von Florian Zeller basieren. Im Gegensatz zum künstlerisch anspruchsvollen THE FATHER ist dem französischen Regisseur mit seinem zweiten Spielfilm kein großer Wurf gelungen. Alles wirkt überinszeniert und unecht. Selbst gestandene Mimen wie Hugh Jackman spielen, als ständen sie auf einer Theaterbühne. Den papierraschelnden Dialogen kann auch er kein Leben einhauchen. Zudem greift Hans Zimmer in seinem Soundtrack auf penetrante Geigen zurück und erzeugt so Melodramatik statt Dramatik. Die Wendungen, mit denen Zeller in seinem Oscar®-Gewinner THE FATHER noch überraschen konnte, sind hier hohl und erwartbar. Der Regisseur kann sich nicht von seinen erprobten Inszenierungstricks befreien.

Nach dem grandiosen Vorgängerfilm eine echte Enttäuschung.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Son“
GB 2022
122 min
Regie Florian Zeller

alle Bilder © LEONINE

ZEITEN DES UMBRUCHS

Kinostart 24. November 2022

Dass ein Schmock wie Ronald Reagan der nächste US-Präsident werden könnte, versetzt Irving Graff (Jeremy Strong) in Unglauben. Der liberale jüdische Familienvater lebt Anfang der 1980er-Jahre in Queens, New York. Mit seiner Frau Esther (Anne Hathaway) hangelt er sich so durch, vom klassischen Wunsch getrieben, die beiden Kinder mögen es „mal besser haben“. Doch Undank ist der Welten Lohn: Sohn Paul (Banks Repeta) ist verträumt und mehr am Zeichnen als an Lehren fürs Leben interessiert. Verständnis findet er nur bei seinem Großvater (Anthony Hopkins), dem einzigen Erwachsenen, auf den der Junge hört.

Der Film findet keinen großen dramatischen Bogen, bleibt skizzenhaft

Wer hat sich nicht schon mal gefragt, ob die eigene Familiengeschichte es nicht wert wäre, aufgeschrieben oder verfilmt zu werden? Da aber die meisten von uns kein Soap-Opera-Leben führen, hielte das Ergebnis den Rest der Menschheit vermutlich nicht in Atem. Und auch die Kindheitserinnerungen von James Gray sind weniger aufregend, als es der Drehbuchautor und Regisseur vermutet. Sein Film findet keinen großen dramatischen Bogen, bleibt skizzenhaft und ist nur mäßig interessant. Ständig wartet man auf einen großen Knall, Gefühle oder Drama, doch es passiert fast nichts. Wenigstens hat er eine fabelhafte Besetzung vor der Kamera versammelt: Neben Jeremy Strong und Anne Hathaway vor allem Anthony Hopkins, der endlich aufgehört hat, drittklassige Thriller fürs Geld zu drehen, und seit „The Father“ wieder zu Bestform zurückgefunden hat.

„Armageddon Time“ – der Originaltitel klingt brachial und vielversprechend. Überraschend, dass sich dahinter eine so fade Familiengeschichte verbirgt. Wie schon zuletzt „Ad Astra – Zu den Sternen“ ist auch Grays neuer Film kein Unterhaltungsfeuerwerk, eher eine Beobachtung von Zuständen. „Zeiten des Umbruchs“ möchte ein bildgewordener Jonathan Franzen-Roman sein: eine ausführliche Beschreibung vom Leben, bei der nicht viel passieren muss, die aber trotzdem fesselt. Das funktioniert bei Franzen auf dem Papier. Kino folgt anderen Regeln. Da können zwei Stunden ohne nennenswerte Geschichte ganz schön lang werden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Armageddon Time“
USA 2022
114 min
Regie  James Gray

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

THE FATHER

THE FATHER

Es war als Höhepunkt der Oscarverleihung 2021 geplant: Ganz am Ende der Show sollte Chadwick Boseman den Preis als bester Hauptdarsteller bekommen, posthum natürlich, Boseman war im August 2020 einem Krebsleiden erlegen. Doch es kam anders: Nicht nur ging die von Steven Soderbergh produzierte Show als die stümperhafteste und langweiligste in die Annalen ein, statt Boseman gewann ein alter weißer CIS-Mann den Oscar für die beste männliche Hauptrolle: Sir Anthony Hopkins.

Nun, da es in Deutschland endlich Gelegenheit gibt, Hopkins in seiner prämierten Rolle zu sehen, wird klar: Den Oscar hat er vollkommen zu Recht bekommen. Hopkins spielt den an Demenz erkrankten Anthony, der in einem Labyrinth aus Verwirrungen, Erinnerungslücken und Halluzinationen gefangen ist. Das Besondere: Florian Zeller lässt die Zuschauer in seinem Regiedebüt die Welt mit Anthonys Augen sehen. Im Gegensatz zu Julianne Moore in „Still Alice“ erhält Anthony keine Diagnose und muss lernen, damit umzugehen – Anthony ist schon krank und hat sich größtenteils von der Realität verabschiedet.

Personen wechseln die Erscheinung, die Einrichtung der Wohnung verändert sich, Gespräche beginnen, enden und wiederholen sich. Mithilfe des raffinierten Setdesigns von Ausstatter Peter Francis gelingt Zeller die Innenansicht eines Bewusstseins in Auflösung. Der Bezug zu Orten, Personen und Zeit kommt und geht, zerrinnt.

„The Father“ ist ein clever konstruiertes, ergreifendes Drama. Ernsthaft und gleichzeitig verrückt, fast so, als habe Michael Haneke eine Twilight Zone-Episode inszeniert. Großartig (wieder mal) auch Olivia Colman als todtraurige Tochter, die ihrem Vater hilflos beim langsamen Verschwinden zusehen muss.

FAZIT

Herzzerreißend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Father“
UK 2020
97 min
Regie Florian Zeller
Kinostart 26. August 2021

alle Bilder © TOBIS FILM GMBH

BLACK WIDOW

BLACK WIDOW

Nach Corona-Zwangspause und mehreren Startverschiebungen sind die Erwartungen an den neuesten Superhelden-Blockbuster hoch. Erste Reaktionen auf Twitter waren überschwänglich, es sieht so aus, als starte Marvel seine 4. Phase mit einem weiteren Gewinner.

Es gab Zeiten (noch gar nicht so lange her), da war es unvorstellbar, dass sich kleine Mädchen weibliche Actionhelden zum Vorbild nehmen konnten. Superman, Ironman, Batman, Spiderman: Auf der Leinwand hatten lange die Männer das Sagen. Das änderte sich erst mit dem Auftauchen von Natasha Romanoff, alias Black Widow in „Iron Man 2“. Scarlett Johansson machte die no-nonsense Agentin mit Intelligenz und Charisma zu einer der beliebtesten Figuren im Marvel Cinematic Universe. Ganz erstaunlich, dass es zehn Jahre dauern sollte, bis sie ihren ersten eigenen Film bekam. Da war DC ausnahmsweise schneller und brachte schon 2017 die extrem erfolgreiche „Wonder Woman“ in die Kinos.

Es ist alles dabei: Perfekt choreographierte Kampfszenen, gigantische CGI-Schlachten, finstere Bösewichte, actionreiche Verfolgungsjagden, ausreichend interessante Figuren, clevere Dialoge – und trotzdem – eine leise Superhelden-Fatigue macht sich breit. Die immer gleichen Zutaten sind inzwischen wie eine Menükarte beim Asiaten um die Ecke – man kennt es, man mag es, es macht satt, aber so richtig originell und neu ist das alles nicht mehr.

Die Geschichte von der im Verborgenen zum Killer ausgebildeten Superagentin wurde schon wiederholt im Kino erzählt, unter anderem in „Nikita“ oder zuletzt in „Red Sparrow“. Cate Shortlands Comicverfilmung orientiert sich dementsprechend mehr am „Mission: Impossible“-Franchise als an der Avengers-Fantasywelt. Mehr Realismus, weniger blaue Köpfe..

Marvel beweist wie gewohnt ein gutes Händchen für den Cast: Florence Pugh stiehlt als sarkastische Yelena Belova Scarlett Johansson die Show und empfiehlt sich in der Post-Credit-Szene gleich als Nachfolgerin der (kein Spoiler) in „Avengers: Endgame“ den Opfertod gestorbenen Natasha. Die weiteren Neuzugänge Rachel Weisz und David Harbour bringen die Marvel-typische Portion Humor und sillyness in die etwas voraussehbare Agentenstory.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Black Widow“
USA 2020
134 min
Regie Cate Shortland
Kinostart 08. Juli 2021 und ab 9. Juli auf Disney+ mit VIP-Zugang

alle Bilder © Walt Disney Studios

THE LITTLE THINGS

THE LITTLE THINGS

Wenn in US-amerikanischen Thrillern junge Frauen nachts mit dem Auto über die Landstraße fahren und dabei laut zur Radiomusik mitsingen, dann nimmt das meist kein gutes Ende. Catherine Martin kann davon ein Lied singen. Kurz nach ihrer Gesangseinlage saß es in einem Brunnenschacht und sollte sich mit der Lotion eincremen.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Thriller zu etwas Besonderem machen: eine schauspielerische Leistung, wie beispielsweise die von Anthony Hopkins, der mit seiner Performance in „Das Schweigen der Lämmer“ den kannibalistischen Hannibal Lector unsterblich machte. Oder der perfekte Einsatz von Licht und Musik, wie bei David Finchers modernem Klassiker „Sieben“. „The Little Things“ hat nichts davon. Der Film ist eine lahme Kopie von besseren Thrillern und wirkt seltsam aus der Zeit gefallen.

Wenig neu schon die Grundidee: Zwei Ermittler jagen einen Serienmörder, die Zweihundertste. Die Konstellation „altgedienter Hase und schlauer Jungspund“ ist mittlerweile ein Klischee ihrer selbst. Kein Wunder, dass Denzel Washington seine Rolle im Automodus spielt. Rami Malek lässt dafür seinen schauspielerischen Manierismen umso mehr freien Lauf, das schrammt am overacting vorbei. Spätestens beim hohläugigen Auftritt von Jared Leto (der dritte Oscarpreisträger im Bunde) ist klar, wer hier höchstwahrscheinlich der Bösewicht ist. Das „whodunit“ wird zum weniger spannenden „did he really do it?“. Die beiden Cops setzen sich bei ihrer Täterüberführung natürlich über jede Vorschrift hinweg, auch das nichts Neues.

Die Geschichte spielt in den 1990er-Jahren und seitdem scheint auch das Drehbuch in einer Produzentenschublade gegammelt zu haben. Weshalb „The Little Things“ 30 Jahre zu spät mit einer so hochkarätigen Besetzung noch verfilmt wurde, bleibt rätselhaft.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Little Things“
USA 2020
128 min
Regie John Lee Hancock
Kinostart 08. Juli 2021

alle Bilder © WARNER BROS. PICTURES

LATE NIGHT – DIE SHOW IHRES LEBENS

Katherine Newbury ist eine Legende. Seit 30 Jahren ist sie die einzige Frau im von Männern dominierten US-Late-Night-Fernsehen. Vor der Kamera klug und schlagfertig, hinter den Kulissen asozial und böse. Sie kennt weder die Gesichter noch die Namen ihrer Mitarbeiter und vergibt der Einfachheit halber lieber Nummern. Auch im Fernsehstudio trägt der Teufel Prada. Wegen erodierender Zuschauerzahlen soll sie durch einen jungen, hipperen Comedian ersetzt werden. Als ihr auch noch vorgeworfen wird, eine „Frau zu sein, die Frauen hasst“, stellt sie die vollkommen unerfahrene Molly (Mindy Kaling) als Autorin ein. Die will beweisen, dass sie mehr als eine Quoten-Frau ist und beschließt, der kränkelnden Show ein Update zu verpassen.

Der Film beginnt grandios: clever, schnell und scharfzüngig. Tempo und Witz bewegen sich auf dem Niveau von „30 Rock“ oder „The Larry Sanders Show“. Doch dem von Mindy Kaling verfassten Drehbuch fehlt auf Dauer der nötige Biss und so verliert sich die Geschichte zusehends in Sentimentalitäten. Statt schnippischer Dialoge wird auf die Tränendrüse gedrückt.

FAZIT

Sehenswert in erster Linie wegen der grandiosen Emma Thompson.

Originaltitel „Late Night“
USA 2019
102 min
Regie Nisha Ganatra
Kinostart 29. August 2019