GOLDEN TWENTIES

Nach dem Studium zieht Ava erst mal zurück zu ihrer Mutter nach Berlin. Die 25-Jährige mäandert planlos durchs Leben. Mangels besserer Idee tritt sie eine Stelle als Hospitantin am Theater an. Dort verliebt sie sich in den Jung-Schauspieler Jonas. 

„Weil sie nicht die x-te coole Geschichte einer coolen Berlinerin erzählen wollte, die hysterisch durch die Gegend rennt“, lobt Produzent Thomas Wöbke den Ansatz von Regisseurin Sophie Kluge. Doch es fällt schwer, sich über 90 Minuten für eine Figur zu interessieren, die so passiv und langweilig wie Ava ist. Bei ihrer diffusen Wattigkeit hätte ein wenig Hysterie oder Coolness nicht geschadet. 

Dass melancholisch-leichte Komödien mit liebenswerten Figuren, denen man mit Vergnügen beim Nichtstun zuschaut, auch im deutschen Kino möglich sind, hat Jan-Ole Gerst vor ein paar Jahren mit „Oh Boy“ gezeigt.

FAZIT

Insgesamt von ansteckender Leidenschaftslosigkeit.

Deutschland 2019
92 min
Regie Sophie Kluge
Kinostart 29. August 2019

O BEAUTIFUL NIGHT

Wong Kar-Wai meets Himmel über Berlin: Das Spielfilmdebüt des Illustrators Xaver Böhm erzählt die ungewöhnliche Geschichte von Juri, einem jungen Mann, der jederzeit mit dem plötzlichen Herzstillstand rechnet. Ein klassischer Hypochonder.

Eines Nachts, die Brust schmerzt mal wieder, trifft er in einer Flipperkneipe auf einen trinkfesten Russen. Der behauptet, der TOD höchstpersönlich zu sein und stellt Juri vor die Wahl: „Willst Du sofort sterben oder vorher noch ein bisschen Spaß haben?“ Das mit dem Herzinfarkt kann dann doch noch warten und so begeben sich die beiden auf eine schräge Tour durch das nächtliche Berlin.

Kompliment an Kamerafrau Jieun Yi und die Postproductionfirma LUGUNDTRUG: So schön menschenleer und kunstvoll stilisiert hat man die Stadt selten gesehen.

FAZIT

Ungewöhnlicher, humorvoller, visuell herausragender Film. Sehenswert.

Deutschland 2019
89 min
Regie Xaver Böhm
Kinostart 20. Juni 2019

In My Room

⭐️⭐️⭐️⭐️

Armin ist EB-Kameramann in Berlin. Wenn er mal einen Job vergeigt, weil er die Kamera aus-, statt eingeschaltet hat, juckt ihn das nicht weiter. Lieber feiert er die Nacht durch und beschäftigt sich nicht groß mit der Zukunft.
Als seine Großmutter im Sterben liegt, macht er sich auf den Weg nach Hause zu seinem Vater. Am Morgen nach dem Tod der geliebten Oma dann der Schock: auf einen Schlag ist die gesamte Menschheit verschwunden! Armin verzweifelt zunächst, lässt sich dann aber auf sein neues Leben ein. Nach Monaten des Alleinseins trifft er einen weiteren übriggebliebenen Menschen, die junge Kirsi.

Der deutsche Omega Mann.
Trotz des naheliegenden Vergleichs, ist „In My Room“ eine ganz andere, zartere Variante der Geschichte vom letzten Mensch auf Erden geworden. Hier geht es nicht um den Kampf gegen Untote oder Mutanten, sondern um eine zweite Chance, das Leben neu zu gestalten. Genial, wie Regisseur Ulrich Köhler es schafft, von einer fast dokumentarischen Stimmung zu Anfang unerwartet in eine auf den Kopf gestellte Welt zu wechseln. Der zurzeit allgegenwärtige Hans Löw überzeugt in der Rolle des last man on earth.

FAZIT

I am Legend in Nordrhein-Westfalen. Überraschend, außergewöhnlich und gut.
Das idyllische Landleben der beiden Hauptfiguren passt genau in unsere Zeit mit ihrer Sehnsucht nach Einfachheit.

Deutschland, 2018
Regie Ulrich Köhler
120 min
Kinostart 08. November 2018

 

Asphaltgorillas

UNENTSCHLOSSENE GANGSTERKOMÖDIE

Berlin bei Nacht. Drogendealer Atris will nicht länger nur Handlanger des Unterweltbosses El Keitar sein. Als er seinen alten Kumpel Frank wiedertrifft, beschließen sie gemeinsam ein großes Ding zu drehen. Aus geliehenen 200.000 Euro sollen 2 Millionen Dollar Falschgeld gemacht werden. Doch der Plan geht schief. Schon bald geraten die Freunde zusammen mit Diebin Marie zwischen alle Fronten.

Oder wie Schauspieler Jannis Niewöhner es kompakter zusammenfasst: „Es gibt einen Hund, es gibt einen Schlüssel. Es gibt zwei Liebespaare und es gibt Gangster. Und alle verstricken sich ineinander und es führt zu einem riesigen, schönen Chaos.“

Asphaltgorillas basiert auf der Kurzgeschichte „Der Schlüssel“ von Ferdinand von Schirach.

MACHART

„by Buck“, heißt es selbstbewusst im Vorspann. In diesem Fall ist das eher als Warnung zu verstehen. Regisseur Detlev Buck will alles auf einmal und verzettelt sich dabei in zu vielen Ansätzen. Derbe Klamotte oder pathetische Heldengeschichte, cooler Quentin-Tarantino-Verschnitt oder platte deutsche Comedy: der Film kann sich nicht entscheiden, was er denn nun sein will. Die offensichtlichen Vorbilder „Drive“, „Kill Bill“ – oder aktueller „Baby Driver“ – bleiben unerreicht.

Wenigstens sind die Bilder gut: Kameramann Marc Achenbach hat das neonbeleuchtete nächtliche Berlin schön stimmungsvoll eingefangen. Und auch die Schauspieler gehen größtenteils in Ordnung: Georg Friedrich gibt den schrägen Ösi-Vogel. Ella Rumpf überzeugt als coole Diebin Marie. Oktay Özdemir sorgt für ein paar anständige Lacher als Sidekick Mo. Und Kida Khodr Ramadan schafft es als Unterweltboss El Keitar, gleichzeitig bedrohlich und komisch zu sein. Nur Jannis Niewöhner schießt weit übers Ziel hinaus und grimassiert am Rande der Klamotte.

FAZIT

Mit „Knallhart“ hat Detlev Buck bereits 2005 den besseren Kleingangsterfilm abgeliefert. „Asphaltgorillas“ ist eine Ansammlung von mehr oder weniger gelungenen Vignetten, die sich nicht zu einer stimmigen Geschichte fügen.

Deutschland 2018
Regie Detlev Buck
103 min
Kinostart 30. August 2018

Babylon Berlin

GROSSARTIGE ZEITREISE

Die Serie „Babylon Berlin“ erzählt von der Weimarer Republik. Einer verrufenen, legendären Zeit, in der alle lebten, als gäbe es kein Morgen mehr.

Hauptstadt Berlin 1929: Metropole des Tempos, der Exzesse. Das deutsche Volk zwischen Armut, Arbeitslosigkeit, Extremismus und Lebensgier. Auf der Straße kämpfen Polizisten gegen Kommunisten – und rechts gegen links. Nicht nur die Moral, die ganze Welt ist aus den Fugen.

Die Hauptfigur ist Kommissar Gereon Rath, gespielt von Volker Bruch. Ein Drogensüchtiger, im 1. Weltkrieg zerbrochen, heroinabhängig. Eine Figur typisch für die Zeit. Ein „Kriegszitterer“, der sein Leid versteckt – bei der Arbeit im Morddezernat.

Seine Mit- und Gegenspieler sind Liv Lisa Fries als sympathisch aufgeweckte Charlotte Richter, sowie der geniale Peter Kurth in der Rolle des zwielichtigen Bruno Wolter.

Präzise recherchiert, stimmt hier alles bis ins letzte Detail. Die Serie ist von den Hauptfiguren bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt.

Fünf Jahre lang arbeitete das Team um die Regisseurs-Troika Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten an der Krimireihe, sieben Monate dauerten die Dreharbeiten. Die Außenaufnahmen entstanden zu großen Teilen im Studio Babelsberg. Eine gigantische Filmkulisse mit über fünfzig verschiedenen Fassaden wurde eigens gebaut. Der riesige Aufwand hat sich gelohnt: Die Serie ist spannend und sieht richtig gut aus (von ein paar künstlich wirkenden CGI-Totalen abgesehen…) und schreibt, mit einem für deutsche Verhältnisse Ausnahmebudget von 40 Millionen Euro, schon jetzt Geschichte.

Die Vorlage lieferte der Roman „Der nasse Fisch“. Geschrieben von Volker Kutscher, der bereits sechs Romane zum Berlin der Zwanziger und Dreißiger verfasst hat.

FAZIT

Geschichtsbuch und Riesenspektakel – mitreißend wie ein Thriller in bester amerikanischer Tradition. Lässt man sich auf die 16 Episoden ein, so erlebt man eine Zeitreise mit großer Sogkraft. Gerade feierte „Babylon Berlin“ ihren Start in Deutschland sowie ihre internationale Premiere in Los Angeles. In über 60 Länder wurde die Serie schon verkauft. Weitere Staffeln sind geplant: In den USA läuft sie bei Netflix, in Deutschland bisher nur bei Sky, ab Herbst in der ARD.

Deutschland 2017/2018
Regie Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten
TV Serie – 16 Folgen / 45 Minuten