Speak No Evil

SPEAK NO EVIL

Speak No Evil

SPEAK NO EVIL

Das dänische Original ist einer der besten Horrorthriller der letzten Jahre. Lohnt sich das US-Remake?

Ab 19. September 2024 im Kino

Gäbe es den dänischen Film GÆSTERNE (auf deutsch: Gäste) nicht, würde die US-Version von SPEAK NO EVIL als solider Horrorthriller durchgehen. Man könnte sich am schön durchgedrehten Spiel von James McAvoy erfreuen, fände die zufällige Ferienbekanntschaft zweier Familien, die sich zu einem Albtraum entwickelt, originell und mal was anderes. Und wäre von der Handlung vielleicht schockiert oder zumindest überrascht.

Speak no Evil

Doch es gibt das Original. Und das ist um Klassen besser. Alles, was sich da ganz natürlich oder vielmehr zwingend entwickelt, fühlt sich im Remake forciert an. So leidet zum Beispiel Paddy, einer der Familienväter, von James McAvoy gespielt, unter dem SHINING-Problem. Bei der Verfilmung seines gleichnamigen Romans bemängelte Stephen King, dass die von Jack Nicholson gespielte Hauptfigur „von Anfang an so verrückt wie eine Scheisshausratte ist“. Zitat Ende. Ihm fehle die Entwicklung vom Normalo zum Psychopathen. Ähnlich verhält es sich bei McAvoy: Zu früh merkt man, dass hinter seiner stets gut gelaunten Fassade Düsternis lauert – und wenn es sich dann bestätigt, überrascht das kaum. Da hat das Original die Spannung langsamer und wirkungsvoller aufgebaut.

Zudem fehlt den US-Produzenten der Mut, das extrem düstere Ende der Dänen beizubehalten. So viel Hoffnungslosigkeit wollte man dem breiten Publikum wohl nicht zumuten. Wer das Original nicht kennt, wird das Remake vielleicht in Ordnung finden. Doch die Empfehlung lautet: Lieber die dänische Version schauen, denn die ist ein kleines Meisterwerk des modernen Horrors.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Speak No Evil“
USA 2024
110 min
Regie James Watkins

Speak no Evil

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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Das Gullspang Geheimnis

DAS GULLSPÅNG GEHEIMNIS

Das Gullspang Geheimnis

DAS GULLSPÅNG GEHEIMNIS

Dokumentarfilm aus Schweden über ein schier unglaubliches Familiengeheimnis.

Ab 12. September 2024 im Kino

Da denkt man jahrzehntelang, die eigene Familienchronik mit unauffindbarem Großvater, in Moskau aus dem Fenster gesprungenem Onkel und anderen Dramen sei was besonders. Und dann muss man aus einem schwedischen Dokumentarfilm erfahren, dass das alles Petitessen sind. DAS GULLSPÅNG GEHEIMNIS erzählt eine Familiengeschichte, die klingt, als hätte die AKTENZEICHEN XY-Redaktion beschlossen, einen schwarzhumorigen Mystery-Thriller zu drehen.

Das Gullspang Geheimnis

Es beginnt fast märchenhaft: Die Schwestern May und Kari, tief in ihrem Glauben verwurzelt, stoßen bei einer Wohnungsbesichtigung auf ein Gemälde, das ihnen wie ein göttliches Zeichen erscheint – eine kitschige Stillleben-Komposition aus Obst und Kürbis, nach der sie schon lange gesucht haben. Doch die wirkliche Offenbarung folgt, als sie die Verkäuferin treffen. Denn Olaug sieht ihrer verstorbenen Schwester Astrid, die vor 30 Jahren Selbstmord begangen hat, nicht nur erschreckend ähnlich, sie teilt auch deren Geburtstag und wurde als Kind „Lita“ genannt – Astrids Spitzname. Ein DNA-Test bringt erstaunliche Ergebnisse, und die Schwestern beschließen, die schwedische Regisseurin Maria Fredriksson mit der Dokumentation dieses „Wunders“ zu betrauen.

Das Gullspang Geheimnis

Was zunächst wie eine glückliche Wiedervereinigung klingt, entwickelt sich schnell zu einem True-Crime-Drama voller Lügen, Geheimnisse und Naziverbrechen. Regisseurin Fredriksson hat eine Dokumentation gedreht, bei der man immer wieder denkt: Das kann nicht sein. Das ist inszeniert. Das sind Schauspieler. Aber nein, es ist eine wahre Geschichte. Und eine, die bis zum Schluss fesselt. Der einzige Wermutstropfen? DAS GULLSPÅNG GEHEIMNIS wirft nach all den verrückten Wendungen am Ende mehr Fragen auf, als es beantwortet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Miraklet i Gullspång“
Schweden / Norwegen / Dänemark 2023
110 min
Regie Maria Fredriksson

Das Gullspang Geheimnis

alle Bilder © mindjazz pictures

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King's Land

KING’S LAND

King's Land

KING’S LAND

Die Verfilmung der wahren Geschichte vom mutigen Bauern Ludvig Kahlen ging für Dänemark bei den Oscars ins Rennen.

Ab 6. Juni 2024 im Kino

King's Land

1755: Dänemarks König Frederik V träumt davon, die Heidelandschaften Jütlands urbar zu machen. Auftritt Ludvig Kahlen – der ehemalige Soldat ist ehrgeizig und verspricht, die sandige Ödnis zu bezwingen. Doch der ebenso grausame wie machthungrige Gutsherr Frederik De Schinkel erhebt Besitzansprüche auf das Land und versucht, Kahlen mit allen Mitteln zu beseitigen. Ein blutiger Kampf zwischen den beiden Männern beginnt.

King's Land

BASTARDEN (Originaltitel) ist eine brutale Geschichte über die Dynamik von Macht und Klassenkampf im Dänemark des 18. Jahrhunderts. Mads Mikkelsen liefert eine großartige Leistung als verarmter Ex-Militär, der versucht, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen. Neben einem stimmigen Drehbuch mit nuanciert ausgearbeiteten Charakteren beeindruckt der nordische Western durch die Art und Weise, wie er Themen wie Rassismus, den Kampf der Frauen gegen die männliche Vorherrschaft und persönlichen Freiheitsdrang elegant in die Handlung einbaut.

KIng's Land

Intrigen, Folter, Giftmord: Das Epos erinnert an GAME OF THRONES, nur ohne Drachen. Mit KING’S LAND ist Regisseur Nikolaj Arcel ein visuell prächtiges Historiendrama gelungen, mitreißend inszeniert und herausragend besetzt. Mads Mikkelsen wurde für seine Rolle als stoischer Landwirt mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bastarden“
Dänemark / Deutschland / Schweden 2023
127 min
Regie Nikolaj Arcel

King's Land

alle Bilder © PLAION PICTURES

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Von Vätern und Müttern

VON VÄTERN UND MÜTTERN

Von Vätern und Müttern

VON VÄTERN UND MÜTTERN

Eine harmlose Satire aus Dänemark über unmögliche Eltern auf Klassenfahrt.

Ab 23. Mai 2024 im Kino

Von Vätern und Müttern

In VON VÄTERN UND MÜTTERN macht die 6. Klasse einer Privatschule einen Hüttenausflug. Mit dabei sind nicht nur Schüler, Lehrer und der gurugleiche Schulleiter, sondern auch die Eltern. Der Titel legt es nahe: Die Kinder spielen eine eher untergeordnete Rolle, Regisseurin Paprika Steen interessiert sich mehr für die absurden Hahnen- und Hühnerkämpfe der überengagierten Väter und Mütter.

Von Vätern und Müttern

Piv (Katrine Greis-Rosenthal) und Ulrik (Jacob Lohmann) kriechen Schuldirektor Adrian ordentlich in den Arsch, schließlich ist es schon der vierte Schulwechsel für Tochter Hanna. Das Mädchen selbst ist nicht begeistert, wird aber aufgenommen, und vier Wochen später ist es Zeit für den jährlichen Hüttenausflug. Dort kommt es (ganz nach alter „Paukerfilm“-Tradition) zu den üblichen Streitereien, Intrigen und Besäufnissen, nur dass hier die Kinder Statisten im Hintergrund bleiben und stattdessen die Eltern über die Stränge schlagen. Cringe.

Von Vätern und Müttern

Sie sind alle dabei: Die Streberin, der Klassenclown, die Verführerin, der Besserwisser und der unterdrückte Homosexuelle. Ein Figurenkabinett, das so auch in FACK JU GÖHTE auftauchen könnte. Oder im Pilotfilm zu einer neuen Vorabendserie. Die vielen Charaktere bleiben unausgereift, was wohl der kurzen Laufzeit von 97 Minuten geschuldet ist. Es mangelt an zündenden Momenten, der Film bleibt zu harmlos, kommt nicht richtig in Schwung. Erst gegen Ende, wenn die Masken fallen und es zu handfesten Streitereien kommt, gewinnt die Geschichte an Fahrt.

Von Vätern und Müttern

Themen wie Missbrauchskultur, Untreue und Beziehungskrisen werden angerissen, doch eine schärfere Satire über manische Helikoptereltern wäre sicher unterhaltsamer gewesen. Langweilig ist das zwar nicht, aber richtig originell eben auch nicht. Guter Humor lebt von Fallhöhe, und daran mangelt es den Vätern und Müttern. Der Film wird mit „nach dem Vorbild von DAS FEST und DER RAUSCH“ beworben. Doch von deren Genialität ist VON VÄTERN UND MÜTTERN meilenweit entfernt. Paprika Steens Film bietet harmlose Unterhaltung, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Fædre & mødre“
Dänemark 2022
97 min
Regie Paprika Steen

Von Vätern und Müttern

alle Bilder © mindjazz pictures

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Nightwatch

NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER

Nightwatch

NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER

Desværre ikke nær så god som originalen. Aus Dänemark, dem Land mit der putzigen Sprache, kommt die Fortsetzung zum 1994er Horror-Kultfilm NIGHTWATCH.

Ab 16. Mai 2024 im Kino

Familienaufstellung der anderen Art: Medizinstudentin Emma (Fanny Leander Bornedal) arbeitet als Nachtwächterin im forensischen Institut Kopenhagen. Ausgerechnet dort, wo vor 30 Jahren ihre Eltern fast vom Serienmörder Wörmer (Ulf Pilgaard) gemeuchelt wurden. Emma will endlich den traumatischen Ereignissen auf die Spur zu kommen, die ihre Mutter in den Selbstmord getrieben und ihren Vater (Nikolaj Coster-Waldau) zum seelischen Wrack gemacht haben. Als sie erfährt, dass der totgeglaubte Mörder noch lebt, will sie ihn zur Rede stellen.

Es reibt sich die Haut mit der Lotion ein! Die vom willfährigen Gehilfen Wörmers gesprochenen Pronomen-Imperativ-Sätze sind nicht die einzigen Parallelen, die an die schweigenden Lämmer erinnern. Auch in Dänemark sitzt der Psychopath in einer dunklen Zelle im Irrenhaus und empfängt junge Frauen zum Gespräch. Wer hinter der neuen Mordserie steckt, wird relativ schnell klar, die vermeintlich große Enthüllung ist wenig überraschend.

Dass die gruseligen Toten im nächtlichen Leichenschauhaus zur Nebensache gemacht werden, ist das größte Manko von NIGHTWATCH: DEMONS ARE FOREVER. Unklar, weshalb sich Regisseur und Drehbuchautor Ole Bornedal nicht auf eine simple Fortsetzung seines unheimlichen Originals beschränkt. Die unnötig komplizierte Handlung schleppt sich, die Wendungen werden immer absurder. In der letzten Viertelstunde kriegt der Film dann noch die Kurve, sodass wenigstens gegen Ende ein bisschen Serienkiller-Spannung aufkommt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Nattevagten – Dæmoner går i arv“
Dänemark 2023
110 min
Regie Ole Bornedal

Nightwatch: Demons are Forever

alle Bilder © capelight pictures

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SPEAK NO EVIL

SPEAK NO EVIL

Ab 28. September 2023 im Kino

Nach der gestrigen Empfehlung ROSE heute ein weiterer exzellenter Film aus Dänemark: Wenn zu viel Nettigkeit tödlich ist.

Eine lockere Urlaubsbekanntschaft zwischen einer dänischen und einer niederländischen Familie. Die Kinder spielen zusammen, die Eltern mögen sich. Monate später liegt eine Einladung zu einem Wochenendbesuch im Briefkasten. Die Wiedersehensfreude ist kurz, bald kommt es zu Missverständnissen und einer Reihe kaum merklicher Grenzüberschreitungen. Die Dänen versuchen zunächst höflich zu bleiben – trotz aller Unannehmlichkeiten. Doch das Ganze gerät immer mehr aus den Fugen, Unbehagen wird zu Angst.

Das Böse ist nur allzu real

SPEAK NO EVIL löst wie FUNNY GAMES oder MIDSOMMAR ein sich immer weiter zuspitzendes Gefühl der Beklemmung aus. Der Schrecken bewegt sich in Zeitlupe, hinter der Fassade von Normalität lauert das Grauen. Messerscharf seziert der dänische Regisseur Christian Tafdrup gesellschaftliche Umgangsformen. Besonders die heutzutage weitverbreitete Unfähigkeit, einfach mal „Nein“ zu sagen, hat für die dänische Familie fatale Folgen.

Die besten Ideen hält das Leben bereit: Wie im Film erhielt der Regisseur vor ein paar Jahren von Urlaubsbekannten eine Einladung. Christian Tafdrup überlegte kurz, ob er das Angebot annehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Zu seltsam kam es ihm vor, bei Leuten zu wohnen, die er nicht wirklich kannte. In seiner Fantasie malte er sich aus, was bei einem Treffen alles Schlimmes hätte passieren können.

SPEAK NO EVIL ist beunruhigend und unheimlich, denn das Böse ist nur allzu real. Dass etwas ganz und gar nicht stimmt, ist vom ersten Augenblick an zu spüren. Dafür sorgt schon der bedrohliche und bombastische Orchesterscore von Sune „Køter“ Kølster. Das Drehbuch legt meisterhaft falsche Fährten und überrascht den vermeintlich Horrorfilm geschulten Zuschauer immer wieder. Dank exzellenter Regie und gut ausgearbeiteter Charaktere nimmt der slow burner von Anfang bis Ende gefangen. Das Horror-Studio Blumhouse plant für 2024 eine Neuverfilmung mit James McAvoy und Mackenzie Davis in den Hauptrollen. Hoffentlich bügelt das Remake nicht all die verstörenden Elemente für den US-Markt glatt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Gæsterne“
Dänemark / Niederlande 2022
97 min
Regie Christian Tafdrup

alle Bilder © PLAION PICTURES

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS

Ab 28. September 2023 im Kino

Goodbye England’s Rose - Was eine schizophrene Dänin mit der verstorbenen Lady Di zu tun hat, verrät die herzerwärmende Dramödie ROSE.

„Wollen Sie mich ficken?“

„Ich würde Sie gerne erwürgen“

Inger (Sofie Gråbøl) trägt ihr Herz auf der Zunge. Sie kann nichts dafür, Inger ist schizophren. Nach Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung geht die verschrobene Mittvierzigerin zusammen mit ihrer Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) und deren Mann Vagn (Anders W. Berthelsen) auf eine sentimental journey nach Frankreich. Denn es gab mal ein Leben vor der Krankheit, da lebte Inger in Paris, war verliebt und glücklich. Doch der verheiratete Mann, mit dem sie eine Affäre hatte, brach nicht nur mit ihr, sondern ihr Herz gleich mit. Kurz darauf übernahmen die Stimmen in Ingers Kopf das Kommando.

Mit perfektem Timing inszenierte Dramödie

Eine Busreise mit einer geistig verwirrten Frau – gar nicht so einfach. Vor allem wenn sich unter den Mitreisenden ein echter Stinkstiefel befindet (überzeugt als verklemmter Spießer: Søren Malling). Aber die Mühe lohnt sich – denn der Roadtrip ist nicht nur eine Fahrt von A nach B, sondern auch eine Reise ins Innere, mit Auswirkungen auf das gesamte Familiengefüge.

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS ist ein zärtlicher Blick auf das Leben einer Frau jenseits der Norm. Der deutsche Verleihtitel klingt zwar nach Lore-Roman, doch Niels Arden Oplevs Dramödie ist mit perfektem Timing inszeniert, beinah kitschfrei und oft überraschend komisch. Der Regisseur und Autor erzählt eine Geschichte aus seiner eigenen Familie, ROSE basiert auf dem Leben seiner Schwester. Dabei weiß er genau, wann es zu viel wird, wälzt keine Szene unnötig aus oder drückt künstlich auf die Tränendrüse. Dass der Film zudem gut aussieht (Kamera: Rasmus Videbæk) und einen wunderbar emotionalen Soundtrack (Henrik Skram) hat, macht ihn zu einem kleinen Juwel. Die Schauspieler sind sowieso toll, besonders Sofie Gråbøl, die die verwirrte Inger oscarwürdig überzeugend spielt.

Weil gerade Skandinavische Woche bei Framerate ist, gibt es morgen die Kritik zu einem weiteren Film aus dem Land mit der putzigen Sprache: SPEAK NO EVIL – ein düsterer, sehr empfehlenswerter Horrorfilm, ebenfalls aus Dänemark.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Rose“
Dänemark 2022
106 min
Regie Niels Arden Oplev 

alle Bilder © mindjazz pictures

ERWARTUNG – DER MARCO EFFEKT

Kinostart 02. Juni 2022

„Erwartung – Der Marco-Effekt“ ist ein ganz offensichtlich fürs Fernsehen (Co-Produzent ist das ZDF) gedrehter Thriller, der nun bei uns in den Kinos landet. Ein bisschen mehr cineastische Größe und etwas weniger biedere TV-Stangenware hätte es schon sein dürfen. Jede Einstellung atmet hier Fernsehen, trotz des oscarprämierten Regisseurs. Ein typischer Sonntag-Abend-Krimi, nur dass es hier nicht nach 90 Minuten vorbei ist – Die dünne Story voller Zufälle dehnt sich auf über zwei Stunden.

Kurt Wallander heißt jetzt Carl Mørck und kommt aus Dänemark. Wie sein schwedisches Vorbild wandelt auch dieser Kommissar stets am Rande einer Depression. Eines trüben Morgens landet ein seit Jahren abgeschlossener Fall auf seinem Schreibtisch. Der Reisepass eines seit vier Jahren verschwundenen Familienvaters wurde im Besitz des 14-jährigen Roma-Jungens Marco gefunden, als dieser illegal über die dänische Grenze wollte. Kommissar Mørck und sein Team kommen einer finsteren Verschwörung auf die Spur, die bis ganz nach oben reicht – und deren unfreiwillige Schlüsselfigur der junge Marco ist. 

Harry, fahr den Wagen vor. „Erwartung – Der Marco-Effekt“ ist konventionelle, einigermaßen solide gemachte Unterhaltung, ohne Tränensäcke und ohne große Überraschungen. Den Todesstoß besorgt wie immer die deutsche Synchronisation. Für Dutzendware wie diese lohnt nicht der Weg ins Kino, so was läuft auch ständig in den Öffentlich Rechtlichen. Schrott-Krimiautor Jussi Adler-Olsen liefert die Vorlage, dies ist bereits der fünfte Film, der auf seiner Romanserie basiert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Marco effekten“
Dänemark / Deutschland / Tschechien 2021
125 min
Regie Martin Zandvliet

alle Bilder © Koch Films

HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT

HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT

Was wäre wenn?
Was wäre, wenn sich das Mädchen kein blaues Fahrrad zu Weihnachten gewünscht hätte? Was wäre, wenn der nette Herr nicht seinen Platz in der Bahn angeboten hätte? Wie harmlose Nichtigkeiten eine Kettenreaktion auslösen können, die in einer Katastrophe noch lange nicht endet, erzählt der Film „Helden der Wahrscheinlichkeit“.

Als er bei einem Zugunglück seine Frau verliert, kehrt der grimmige Armeeoffizier Markus (mit Raspelkurzhaarschnitt und Vollbart kaum wiederzuerkennen: Mads Mikkelsen) nach Hause zurück, unfähig, seinen Kummer zu verarbeiten oder gar seiner Tochter Trost zu spenden. Markus ist wütend und kennt für Probleme nur zwei Lösungen: zuschlagen oder erschießen. Auftritt Otto: Der Statistiker (famos: Nikolaj Lie Kaas) und seine zwei schrägen Kollegen Lennart und Emmenthaler behaupten, das Unglück sei in Wahrheit ein Attentat gewesen. Markus sieht Rot und beginnt einen Rachefeldzug.

Ja, das klingt wie der dreihundertsiebenundneunzigste Liam Neeson-Revenge-Thriller. Ist es aber nicht. Es wird zwar auch hier viel geschossen und getötet, doch „Ritter der Wahrscheinlichkeit“ ist keine US-Konfektionsware, sondern eine dänische Produktion mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle – und das sind schon zwei Faktoren, die spätestens seit „Der Rausch“ nur Gutes verheißen. „Helden der Wahrscheinlichkeit“ hat einen doofen deutschen Verleihtitel, ist aber eine intelligente und sehr komische Achterbahnfahrt durch verschiedene Genres. Ein Film über Verlust, Rachegelüste und unbewältigte Traumata mit großartig gezeichneten Figuren und Tiefgang. Regisseur Anders Thomas Jensen ist eine düstere, blutige Action-Komödie gelungen, die bewegt und oft laut Lachen lässt. Guter Film.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Retfærdighedens ryttere“
Dänemark 2020
116 min
Regie Anders Thomas Jensen
23. September 2021

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih und Splendid Film 

DER RAUSCH

DER RAUSCH

Alkohol ist eine Lösung. Jedenfalls wenn man dem norwegischen Philosophen Finn Skårderud  glauben darf: Nach seiner These kommen wir Menschen mit einem halben Promille zu wenig im Blut auf die Welt. Kontrolliert jeden Tag ein, zwei Gläschen verhelfen demnach zu mehr Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Soweit die Theorie.

Die Freunde Martin, Tommy, Nikolaj und Peter laufen wie ausgeknipst durchs Leben. Abgestumpft und unglücklich – der Job als Lehrer nervt, zu Hause warten Monotonie oder Streit. Die vier beschließen, die Sache mit dem Dauerschwips mal unverbindlich auszuprobieren. Durch den Alkohol enthemmt, fühlen sich die Männer lebendiger und mutiger, trauen sich Dinge zu tun, die sie in nüchternem Zustand niemals gewagt hätten. Doch Schnaps ist nicht nur die reine Freude. Vom Erfolg angestachelt, beschließen sie, das Experiment auszuweiten und die Dosis zu erhöhen – mit fatalen Folgen.

„Druk“, so der dänische Originaltitel, ist ein nachdenklich machender und oft komischer Film, der sich mit den großen Themen jeder Midlife-Crisis beschäftigt: Die Jugend endgültig vorbei, was ist der Sinn des Lebens, wer liebt und braucht einen überhaupt noch? „Findest Du mich langweilig?“, fragt Martin seine Frau. Ihr Schweigen ist Antwort genug.

Die berührende Tragikomödie des dänischen Regisseurs Thomas Vinterberg gewann zu Recht den Oscar für den besten internationalen Film. Ausgezeichneter Film, tolle Besetzung: Mads Mikkelsen liefert eine fantastische Leistung ab und beweist wieder mal, dass er einer der besten Schauspieler unserer Zeit ist. Hervorragend auch Thomas Bo Larsen, Magnus Millang und Lars Ranthe – ein perfektes Ensemble.

FAZIT

Top Film – Prost!

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Druk“
Dänemark 2020 
117 min
Regie Thomas Vinterberg
Kinostart 22. Juli 2021

alle Bilder © Weltkino Filmverleih GmbH

KÖNIGIN

Anne, verheiratet, zwei Kinder, arbeitet als erfolgreiche Anwältin in Dänemark. Ihr Leben scheint perfekt. Doch dann beginnt sie eine verhängnisvolle Affäre mit ihrem 16-jährigen Stiefsohn. Gustav mag zwar körperlich reif sein, doch mental ist er noch ein halbes Kind. Einmal fragt er, was das Schlimmste sei, das sie sich vorstellen könne. „Alles zu verlieren“, antwortet Anne. Als ihre verbotene Beziehung aufzufliegen und sie tatsächlich alles zu verlieren droht, greift sie zu drastischen Mitteln. Ihre egoistischen Entscheidungen haben katastrophale Folgen.

„Königin“ erzählt die Geschichte eines Sündenfalls. Macht, Missbrauch und Verrat – es bleibt offen, ob Anne in ihrer Jugend selbst Opfer war. Regisseurin May el-Toukhy stellt den gängigen Glauben, im Bösen verberge sich manchmal ein guter Kern auf den Kopf: Bei ihr verbirgt sich im Guten das Böse. Der Film nimmt immer wieder Bezug auf Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“. Wie bei dessen Titelfigur kann man dem langsamen Sturz der Protagonisten in den bodenlosen Abgrund zuschauen. „Ab mit dem Kopf!“ Und wie die rote Königin aus dem Buch entpuppt sich auch Anne als unberechenbare Herrscherin über Leben und Tod.

Starke Schauspieler: Gustav Lindh als gar nicht so tougher Teenager und besonders Trine Dryholm, die für ihre Rolle als Anne bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

FAZIT

Unaufhaltsam tickendes Psychodrama. Sehenswert.

Originaltitel „Dronningen“
Dänemark 2019
127 min
Regie May el-Toukhy
Ab sofort zu kaufen bei iTunes, ab 14. Mai 2020 als VoD erhältlich