DADDIO – EINE NACHT IN NEW YORK
Analysize this! Sean Penn gibt Dakota Johnson Beziehungstipps.
Ab 27. Juni 2024 im Kino
So eine Taxifahrt kann furchtbar sein. Es stinkt, die Musik ist falsch und zu laut, der Fahrer griesgrämig oder eine Labertasche. DADDIO ist eine einzige Taxifahrt. 95 % des Films spielen in einem New Yorker Cab auf dem Weg vom Flughafen nach Midtown. Dass der Film trotzdem kurzweilig und sehenswert ist, liegt an der straffen Inszenierung von Christy Hall, die hier ihren ersten Kinofilm realisiert hat, der ideenreichen Kamera von Phedon Papamichael und der hervorragenden Besetzung.
DADDIO ist ein intensives Gespräch darüber, wie Männer und Frauen ticken. Ein Kammerspiel, dessen Qualität mit den beteiligten Schauspielern steht und fällt. Die große Überraschung: Dakota Johnson ist gut. Wer hätte das nach den lustlos heruntergespielten SHADES OF GREY-Filmen und ihrem unterirdisch schlechten Auftritt als MADAME WEB gedacht? Man muss der Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson zugutehalten, dass sie ihren Ausflug ins Superheldengenre selbst am kritischsten sieht und lakonisch feststellt: „Ich werde wahrscheinlich nie wieder in so etwas mitspielen, weil ich in dieser Welt keinen Sinn mache.“
Das Gegenteil eines Marvel-Comics
Nun also das absolute Gegenteil eines Marvel-Comics: ein tiefgründiger Dialogfilm an der Seite von Sean Penn. Dessen Besetzung als lebenskluger Taxifahrer ist ein genialer Schachzug, denn ob er harmlos ist oder Böses im Schilde führt, entdeckt der Zuschauer erst nach und nach. Geht man ganz und gar unvorbereitet in den Film, weiß man zunächst im wahrsten Sinne nicht, wohin die Reise führt. Penn verströmt eine unterschwellige Creepiness; würde er die junge Frau auf dem Rücksitz entführen oder vergewaltigen, es würde einen nicht überraschen. Doch stattdessen entwickelt sich ein ehrliches Gespräch zwischen den beiden, das bald zum intimen Seelenstriptease wird. Die junge Frau, die ihren Namen nicht preisgibt, ist in eine Affäre mit einem verheirateten Mann, den sie Daddy nennt, verstrickt. Taxifahrer Will – been there, done that – hat jede Menge Ratschläge; wie sich herausstellt, war er selbst vor vielen Jahren in der Rolle des Fremdgängers, er weiß also, wovon er spricht.
Eine packende Geschichte
Am Ende gibt es ein paar gut gemeinte Lebenstipps zu viel, doch Johnson und Penn machen das Zweipersonenstück mit ihrem nuancierten und souveränen Spiel absolut sehenswert. DADDIO zeigt, dass eine Taxifahrt, auch wenn sie manchmal furchtbar sein kann, das Potenzial für eine packende Geschichte hat – vorausgesetzt, man hat die richtigen Passagiere an Bord.
INFOS ZUM FILM
Originaltitel „Daddio“
USA 2023
101 min
Regie Christy Hall
alle Bilder © LEONINE Studios