BLACK WIDOW

BLACK WIDOW

Nach Corona-Zwangspause und mehreren Startverschiebungen sind die Erwartungen an den neuesten Superhelden-Blockbuster hoch. Erste Reaktionen auf Twitter waren überschwänglich, es sieht so aus, als starte Marvel seine 4. Phase mit einem weiteren Gewinner.

Es gab Zeiten (noch gar nicht so lange her), da war es unvorstellbar, dass sich kleine Mädchen weibliche Actionhelden zum Vorbild nehmen konnten. Superman, Ironman, Batman, Spiderman: Auf der Leinwand hatten lange die Männer das Sagen. Das änderte sich erst mit dem Auftauchen von Natasha Romanoff, alias Black Widow in „Iron Man 2“. Scarlett Johansson machte die no-nonsense Agentin mit Intelligenz und Charisma zu einer der beliebtesten Figuren im Marvel Cinematic Universe. Ganz erstaunlich, dass es zehn Jahre dauern sollte, bis sie ihren ersten eigenen Film bekam. Da war DC ausnahmsweise schneller und brachte schon 2017 die extrem erfolgreiche „Wonder Woman“ in die Kinos.

Es ist alles dabei: Perfekt choreographierte Kampfszenen, gigantische CGI-Schlachten, finstere Bösewichte, actionreiche Verfolgungsjagden, ausreichend interessante Figuren, clevere Dialoge – und trotzdem – eine leise Superhelden-Fatigue macht sich breit. Die immer gleichen Zutaten sind inzwischen wie eine Menükarte beim Asiaten um die Ecke – man kennt es, man mag es, es macht satt, aber so richtig originell und neu ist das alles nicht mehr.

Die Geschichte von der im Verborgenen zum Killer ausgebildeten Superagentin wurde schon wiederholt im Kino erzählt, unter anderem in „Nikita“ oder zuletzt in „Red Sparrow“. Cate Shortlands Comicverfilmung orientiert sich dementsprechend mehr am „Mission: Impossible“-Franchise als an der Avengers-Fantasywelt. Mehr Realismus, weniger blaue Köpfe..

Marvel beweist wie gewohnt ein gutes Händchen für den Cast: Florence Pugh stiehlt als sarkastische Yelena Belova Scarlett Johansson die Show und empfiehlt sich in der Post-Credit-Szene gleich als Nachfolgerin der (kein Spoiler) in „Avengers: Endgame“ den Opfertod gestorbenen Natasha. Die weiteren Neuzugänge Rachel Weisz und David Harbour bringen die Marvel-typische Portion Humor und sillyness in die etwas voraussehbare Agentenstory.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Black Widow“
USA 2020
134 min
Regie Cate Shortland
Kinostart 08. Juli 2021 und ab 9. Juli auf Disney+ mit VIP-Zugang

alle Bilder © Walt Disney Studios

THE LITTLE THINGS

THE LITTLE THINGS

Wenn in US-amerikanischen Thrillern junge Frauen nachts mit dem Auto über die Landstraße fahren und dabei laut zur Radiomusik mitsingen, dann nimmt das meist kein gutes Ende. Catherine Martin kann davon ein Lied singen. Kurz nach ihrer Gesangseinlage saß es in einem Brunnenschacht und sollte sich mit der Lotion eincremen.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen Thriller zu etwas Besonderem machen: eine schauspielerische Leistung, wie beispielsweise die von Anthony Hopkins, der mit seiner Performance in „Das Schweigen der Lämmer“ den kannibalistischen Hannibal Lector unsterblich machte. Oder der perfekte Einsatz von Licht und Musik, wie bei David Finchers modernem Klassiker „Sieben“. „The Little Things“ hat nichts davon. Der Film ist eine lahme Kopie von besseren Thrillern und wirkt seltsam aus der Zeit gefallen.

Wenig neu schon die Grundidee: Zwei Ermittler jagen einen Serienmörder, die Zweihundertste. Die Konstellation „altgedienter Hase und schlauer Jungspund“ ist mittlerweile ein Klischee ihrer selbst. Kein Wunder, dass Denzel Washington seine Rolle im Automodus spielt. Rami Malek lässt dafür seinen schauspielerischen Manierismen umso mehr freien Lauf, das schrammt am overacting vorbei. Spätestens beim hohläugigen Auftritt von Jared Leto (der dritte Oscarpreisträger im Bunde) ist klar, wer hier höchstwahrscheinlich der Bösewicht ist. Das „whodunit“ wird zum weniger spannenden „did he really do it?“. Die beiden Cops setzen sich bei ihrer Täterüberführung natürlich über jede Vorschrift hinweg, auch das nichts Neues.

Die Geschichte spielt in den 1990er-Jahren und seitdem scheint auch das Drehbuch in einer Produzentenschublade gegammelt zu haben. Weshalb „The Little Things“ 30 Jahre zu spät mit einer so hochkarätigen Besetzung noch verfilmt wurde, bleibt rätselhaft.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Little Things“
USA 2020
128 min
Regie John Lee Hancock
Kinostart 08. Juli 2021

alle Bilder © WARNER BROS. PICTURES

Abgeschnitten

★★

Und warum auch nicht: Bei der Autopsie einer verstümmelten Frauenleiche findet der Rechtsmediziner Paul Herzfeld in deren Kopf einen Zettel mit der Handynummer seiner Tochter Hannah. Die ist entführt worden und der Kidnapper schickt auf diese komplizierte Weise Herzfeld auf eine obszöne Schnitzeljagd, von Leiche zu Leiche. Die morbide Spur führt nach Helgoland, aber die Insel ist wegen eines Unwetters von der Außenwelt abgeschnitten. Herzfeld kommt nicht weiter. Deshalb bittet er die junge Comiczeichnerin Linda um Hilfe, die gerade auf Helgoland festsitzt. Sie soll für ihn – per telefonischer Anweisung – diverse, böse zugerichtete Leichen aufschnippeln und obduzieren. Nur so kann der Serienkiller gestoppt werden. Voll gruselig.

MACHART

Ein bisschen „Sieben“, ein bisschen „Das Schweigen der Lämmer“. Regissur Christian Alvart hat keine Angst vor copy/paste. Die vielen Anleihen bei den amerikanischen Vorbildern sind offensichtlich. „Abgeschnitten“ ist ein sehr konstruierter, leidlich spannender deutscher Thriller mit reichlich computeranimiertem Schnee und viel, viel schamloser Werbung für Mercedes Benz.

Die Besetzung ist prominent: Schon wieder Lars Eidinger. Das macht aber nichts, den sieht man immer gerne, diesmal als Psychopathen, der seine Opfer in den Selbstmord treibt. Moritz Bleibtreu, borderline fehlbesetzt, spielt den Rechtsmediziner Paul Herzfeld. Jasna Fritzi Bauer ekelt sich viel als unfreiwillige Obduktionsgehilfin. Und Fahri Yardim macht, was er am besten kann und beschränkt sich auf seine Standardrolle des türkischen „Hamburger Jung mit Herz“.

Den Titel des Films kann man übrigens in mehrfacher Hinsicht wörtlich nehmen: Eine Vater-Tochter-Beziehung, Helgoland im Unwetter und diverse menschliche Gliedmaßen, alles ist und wird hier abgeschnitten.

FAZIT

Halbwegs spannender Leichenporno.

Deutschland, 2018
Regie Christian Alvart
132 min
Kinostart 11. Oktober 2018