Safari – Match me if you can

NO MATCH

Die Datingwelt hat sich in den letzten Jahren neu erfunden: Augenkontakt war gestern, jetzt gibt’s „matchen“ auf Safari. Und da will die Realität gepimpt werden: zum Beispiel Harry. Der ist eigentlich Busfahrer, gibt sich aber als weltgewandter Flugkapitän aus. Dank dieser erfundenen ID kriegt er die  junge „Influencerin“ Lara rum – denn Frauen stehen total auf Uniform, das ist bekannt…
Davids Problem lässt sich nicht so einfach lösen: mit Mitte 20 ist er immer noch Jungfrau.  Er würde zwar gerne, aber dummerweise kommt er schon bei der leisesten Berührung. Faktisch hatte er also noch nie „echten“ Sex. Und deshalb wird er von Aurelie therapiert – welche wiederum mit Harry verheiratet ist und keine Ahnung vom Doppelleben ihres Gatten hat. Irgendwann trifft David auf Immobilienmaklerin Mona, die verhilft ihm zum „ersten Mal“. Und nebenbei überfordert sie noch den alleinerziehenden Life mit akrobatischem Sex im Auto. Soweit, so kreuz und quer.

MACHART

„Safari – match me if you can“, der krampfige Titel deutet das Unheil schon an: Es sollte wohl leicht und spritzig zugehen, tut es aber nicht. Plumper Fernsehspielhumor, gepaart mit lahmen Dialogen. Dargeboten von unglaubwürdigen Charakteren, die in ihrer Holzschnittartigkeit bestenfalls als Laubsägearbeit durchgehen. Da kann die Musik noch so jazzig locker daherkommen. Nützt nix. Wisch nach links.

FAZIT

Größtenteils unlustige Datingkomödie, in der viel zur Toilette gegangen wird. Somit höchstens Fans von Matthias-Schweighöfer-Komödien zu empfehlen. Einziger Lichtblick: Max Mauff als David.

Deutschland 2018
Regie Rudi Gaul
109 min
Kinostart 24. August 2018

Wackersdorf

AKTUELLES POLIT-DRAMA

Oberpfalz in den 80er Jahren: Im Zonenrandgebiet steigen die Arbeitslosenzahlen. Deshalb muss Landrat Schuierer (Johannes Zeiler) Perspektiven für die Bevölkerung schaffen. Da kommen ihm die Pläne der Bayerischen Staatsregierung gerade recht: In Wackersdorf soll eine atomare Wiederaufbereitungsanlage gebaut werden. Das verspricht wirtschaftlichen Aufschwung für die ganze Region. Doch als der Freistaat gewaltsam gegen eine Bürgerinitiative vorgeht, die sich für die Natur und gegen die Anlage ausspricht, wachsen in Schuierer Zweifel. Bei seinen Nachforschungen findet er heraus, dass die Anlage doch nicht so harmlos ist wie behauptet wird. „Wackersdorf“ erzählt, wie es zur Protestbewegung gegen den Bau der Wiederaufbereitungsanlage kam.

MACHART

Der Film besticht durch seine angenehme Unaufgeregtheit. An Originalschauplätzen im Landkreis Schwandorf gedreht, verfolgt der Film die Geburtsstunde der zivilen Widerstandsbewegung der BRD. Ein Plädoyer für demokratische Werte und Bürgerengagement, heute so aktuell wie damals.

FAZIT

Das Polit-Drama aus den 1980er Jahren könnte eins zu eins in die Jetzt-Zeit verlegt werden. Ein Ansporn, sich politisch zu engagieren oder mindestens zu interessieren. Spannend erzählt und nebenbei noch eine echte Zeitreise in die eigene Jugend.

Deutschland, 2018
Regie Oliver Haffner
123 min

B12 – Gestorben wird im nächsten Leben

BAYERISCHER HEIMATFILM

Das Leben ist eine lange, viel befahrene Bundesstraße – deshalb trifft sich pünktlich jeden Tag der gleiche Stammtisch in einer heruntergekommenen Raststätte, direkt an der B12 gelegen. Dazu gehören: Konrad, ehemaliger Rock’n’Roll-Tänzer und Anwärter auf zwei neue Hüftgelenke; Franz, schlitzohriger, stets gut gelaunter „Saukopf“-Experte, sowie Mane, der stoische Parkplatzwächter mit einer Vorliebe für zu viel Bier.

„Jo mei, I mechad nur noch sterben“, sagt Altwirt Lenz Gantner bei jeder Gelegenheit und zu jedem, der es nicht hören will. Nach einem Schlaganfall ist er mit seinen 89 Jahren am Ende und haust in der ehemaligen Großküche des Rasthofs. Sein Sohn Manfred ist der Chef und hat wenig Mitleid mit dem Alten. Denn der hat ihm, neben der schrabbeligen Ansammlung von Gebäuden und Containern, auch die Schulden vermacht. Nun sträubt er sich zudem vehement gegen jegliche Neuerung. Kaputter Ort, kaputte Menschen. Könnte man meinen.

MACHART

Im Dokumentarfilm „B12“ geht es um die ganz großen Themen des Lebens: Liebe, Freundschaft und Tod. Komprimiert auf ein beengtes Biotop: Heimat, direkt an der Schnellstraße. Christian Lerchs Langzeitstudie nimmt sich viel Zeit für seine schrägen Gestalten und beobachtet genau. Der selbstmitleidige Lenz wird beim Genuss einer Leberknödelsuppe plötzlich wieder sehr agil und auch die vermeintliche Erblindung ist beim Betrachten alter Schulfotos auf einmal vergessen. So schafft der Film viele komische Momente. Der  Höhepunkt ist eine Szene von solch erstaunlicher Dusseligkeit, dass man es kaum glauben möchte.

FAZIT

Humor- und liebevolle Beobachtung von echten bayerischen Originalen. Sehenswert.

Deutschland, 2018
Regie Christian Lerch
92 min

Meine teuflisch gute Freundin

PLATTER KLAMAUK

Der Teufel (Samuel Finzi) lebt! Und er ist Bankier in Frankfurt. Seine Tochter Lillith (Emma Bading) ist ein launischer Teenager und will endlich beweisen, dass sie auch schon erwachsen und ein echter Teufel ist. Deshalb soll sie das brave Provinzmädchen Greta Birkenstein (Janina Fautz) zum Bösen verführen. Eine Woche hat sie dafür Zeit. Also zieht sie kurzerhand bei Familie Birkenstein ein und versucht, das dauerfreundliche Mädchen auf die dunkle Seite zu locken. Aber die Dinge entwickeln sich anders als geplant. Greta scheint nicht nur gegen jegliche Bosheit immun zu sein, die sonst so eiskalte Lilth verliebt sich ungeplanterweise auch noch in den Außenseiter Samuel (Morten Harket reborn: Ludwig Simon). Ihre Mission droht gründlich zu misslingen.

MACHART

Die „Bibi und Tina“-Filmreihe hat wohl genügend Geld eingespielt, sodass sich früher oder später jemand fragen musste: wie könnte man die Kuh noch melken? Heraus kam nun dieser alberne Film. Nichts gegen gut gemachte Teenagerkomödien – selbst „Fack ju Göhte“ hatte ja noch seine Momente – aber das hier ist einfach nur schlecht. Die Gags bewegen sich fast durchweg auf 60er-Jahre-Paukerfilm-Niveau. Erstaunlich, dass im Jahr 2018 Drehbuchautoren die Idee, jemandem Juckpulver ins Hemd zu streuen, noch witzig finden. In diesem Stil hangelt sich die Geschichte mehr schlecht als recht von einem dümmlichen Kalauer zum nächsten. Die gestandenen Schauspieler bemühen sich, haben aber gegen das platte Drehbuch und die biedere Inszenierung keine Chance.

FAZIT

Neuer Name, neue Besetzung, alte Witze. Die Deutsche Film- und Medienbewertung hat „Meine teuflisch gute Freundin“ gerade mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet. Warum?

Deutschland, 2018
Regie Marco Petry
99 min

Weissensee

DEUTSCHES DALLAS

Ostberlin, 80er Jahre: Erzählt wird vom Schicksal der beiden Familien Hausmann und Kupfer. Dunja Hausmann, eine exzentrische Künstlerin, zerbricht am Kampf gegen das System. Ihre Tochter Julia verliebt sich ausgerechnet in den jüngsten Sohn der Kupfers, Martin. Der ist das schwarze Schaf der Familie, immerzu im Konflikt mit Vater Staat und Vater Hans – einem Stasioffizier, der seiner Frau Marlene zwar in tiefer Liebe zugetan, einem außerehelichen Verhältnis mit Dunja Hausmann trotzdem nicht abgeneigt ist. Martins Bruder Falk, ebenfalls Stasioffizier, bemüht sich um die Anerkennung und den Respekt seines Vaters, bleibt aber immer der ungeliebtere Sohn. Außerdem die Schwiegertochter Vera, Alkoholikerin und unglücklich mit Falk verheiratet. Die DDR-Familiensaga beginnt in der Vorwendezeit und endet (vorerst) in den Jahren nach Mauerfall und der Wiedervereinigung.

MACHART

„Weissensee“ hat alles, was ein großes Familienepos braucht: dramatische familiäre Zerwürfnisse, komplexe Vater-Sohn bzw. Mutter-Tochter-Konflikte, sowie schicksalshafte Entscheidungen von Shakespear’schem Ausmaß. Drehbuchautorin Annette Hess scheint die US-Serie „Dallas“ genau studiert zu haben. Anders lassen sich die auffälligen Parallelen kaum erklären: Uwe Kockisch als ambivalent gütig-böser Vater „Jock Ewing“ Kupfer. Die leidende Gluckenmutter Ruth „Miss Ellie“ Reinecke. Jörg Hartmann als „JR“ (inklusive „Wer erschoss JR?“-Episode). In Hassliebe zu seiner Alkoholikerfrau „Sue Allen“ Loos. Und natürlich der „gute“ Sohn „Bobby“ Lukas, mit der von der Familie gehassten Frau Hannah „Pam“ Herzsprung.

Statt „Oil Barons Club“ gibt’s hier halt die Stasizentrale.

Bleibt nur die Frage: Ist Katrin Sass „Cliff Barnes“?

FAZIT

„Weissensee“ ist trotz Holzhammer-Drehbuchwendungen und (immer wieder) schier unglaublichen Zufällen sehr unterhaltsam und spannend anzusehen. Eben wie das Original – Dallas.

Deutschland, 2010 – 2018
Regie Friedemann Fromm
24 Folgen in 4 Staffeln je 50 min

7 Tage in Entebbe

SOLIDES DRAMA

1976 – eine mit 248 Passagieren besetzte Air France Maschine wird auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris von Terroristen entführt. In Entebbe, Uganda, gelandet, werden zunächst die nicht-jüdischen Passagiere freigelassen. Mit den übriggebliebenen jüdischen Passagieren soll die Freilassung von inhaftierten Palästinensern erzwungen werden. Der Plan – 40 Jahre alter Spoiler – geht nach 7 Tagen schief, die Terroristen sterben, die Geiseln kommen frei.

Die Befreiungsaktion wurde übrigens damals von Yonatan Netanjahu geleitet, dem älteren Bruder des amtierenden israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Sogar noch was gelernt.

MACHART

Daniel Brühl gibt zur Abwechslung mal wieder den schmallippigen, humorbefreiten Deutschen, Rosamund Pike die eiskalte Terroristin.

Sehr ungewöhnlich ist der Kunstgriff, die Terrorszenen mit einer israelischen Tanztheateraufführung zu unterschneiden. Klingt absurd, funktioniert aber überraschenderweise gut.

FAZIT

Ist solide inszeniert und einigermaßen spannend, aber am Ende nicht mehr als ein ganz guter TV-Film. Hat man alles irgendwie schonmal gesehen.

USA/GB, 2018
Regie José Padilha
107 min

3 Tage in Quiberon

INTENSIVES PSYCHODUELL

1981 gab Romy Schneider, schwer alkohol- und tablettenabhängig, im südfranzösischen Quiberon dem Magazin Stern eines ihrer selten gewordenen Interviews.  Der Film zeigt die Begegnung zwischen der Schauspielerin und dem Reporter als spannungsgeladenes Psychoduell. Somit kein klassisches Biopic, mit artig abgehandelten Lebensstationen, sondern ein auf drei Tage komprimierter Ausschnitt aus dem Leben Romy Schneiders.

Journalist Michael Jürgs (Robert Gwisdek) macht dabei keine gute Figur. Seine extrem persönlichen Fragen sind quälend indiskret, man windet sich geradezu.  Sensationsgeil, arrogant und manipulativ: die zerbrechliche, manisch-depressive Romy Schneider (Marie Bäumer) ist ihrem Gegenüber anfangs kaum gewachsen. Zwischen den beiden stehen der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner) sowie Romys Jugendfreundin Hilde (Birgit Minichmayr).

MACHART

„3 Tage in Quiberon“ hält sich stilistisch an die damals im Stern erschienenen, legendären Fotos. Das Schwarzweiß-Drama zitiert die Schlüsselmomente der Reportage, gibt aber gleichzeitig einen tiefen Einblick in das Seelenleben Romy Schneiders. Man fühlt mit ihr, hat das Bedürfnis, sie zu retten, weiß aber, dass das traurige Ende nahe ist. Drei Monate nach dem Interview starb ihr Sohn, im Jahr darauf sie selbst.

FAZIT

Zwei Worte: Herausragendes Ensemble! Vor allem Marie Bäumer in der Rolle ihres Lebens. Sehr empfehlenswertes, dicht erzähltes Kammerspiel. 10 Nominierungen beim Deutschen Filmpreis.

Deutschland/Frankreich, 2018
Regie Emily Artef
116 min

In den Gängen

SCHÖN DEPRIMIEREND

Christian spricht nicht viel. Da ist sein neuer Job in der Getränkeabteilung eines Großmarkts genau das Richtige für ihn. Den ganzen Tag mit dem Gabelstapler durch die Gänge fahren und der attraktiven, aber unerreichbaren Kollegin Marion hinterher schmachten – dazu bedarf es nicht vieler Worte. Einen Freund findet er in seinem Kollegen Bruno, der schnell zum Vertrauten und Ersatzvater wird.

MACHART

Es ist eine Freude, dem starken Schauspielerensemble um Franz Rogowski, Sandra Hüller und Peter Kurth zuzuschauen. Und neben „Transit“ liefert „In den Gängen“ einen weiteren Beweis für die schauspielerische Kraft von Rogowski.

FAZIT

Der leise Film behandelt unaufdringlich und sehr authentisch die Themen Alltag im Osten und Einsamkeit. Klar, eigentlich ist die Geschichte deprimierend, die präzise eingefangene Stimmung und der leise Humor machen den Film aber extrem sehenswert.

Deutschland, 2018
Regie Thomas Stuber
125 min