Die Fotografin

DIE FOTOGRAFIN

Die Fotografin

DIE FOTOGRAFIN

Biopic über die legendäre Kriegsfotografin Lee Miller mit einer großartigen Kate Winslet in der Hauptrolle.

Ab 19. September 2024 im Kino

Eine Frau sitzt in der Badewanne. Vor ihr stehen zwei dreckverschmierte Stiefel. Sie hält einen Waschlappen an die Schulter und blickt nach rechts oben. Auf dem Badewannenrand steht ein Bild von Adolf Hitler. Dieses Foto, aufgenommen nach Hitlers Tod in dessen Privatwohnung in München, ist das wohl bekannteste Werk von Elisabeth „Lee“ Miller, der amerikanischen Fotografin und Fotojournalistin, die während des Zweiten Weltkriegs für die Vogue arbeitete. Sie dokumentierte unter anderem die Befreiung von Paris und die Grauen der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald.

Die Fotografin

Filmstudenten aufgepasst: Welche drei Möglichkeiten gibt es, ein Biopic zu strukturieren? Antwort A: Das gesamte Leben von der Geburt bis zum Tod zeigen. Nachteil – Selbst bei einem dreistündigen Film bleiben hier und da Lücken. Antwort B: Nur einen kleinen Ausschnitt darstellen, zum Beispiel die entscheidenden zehn Jahre. Aber was ist mit dem Rest? Oder Antwort C: Die Geschichte in ein Interview einbetten, so hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Immer wenn es nicht weitergeht, kann der Reporter eine Frage stellen, worauf die nächste Rückblende folgt.

Die Fotografin

Regisseurin Ellen Kuras hat auf der Filmhochschule gut aufgepasst und sich für die Varianten B und C entschieden. Der einzige Kritikpunkt an ihrem ordentlich gemachten Biopic über die außergewöhnliche Lee Miller ist, dass ihr Film genau das nicht ist. Gut gedreht, gut ausgestattet – aber alles andere als außergewöhnlich. Hervorzuheben sind dagegen die Schauspieler, besonders Kate Winslet, die als eigenwillige Freidenkerin Lee Miller herausragend ist. Neben ihr glänzt Andy Samberg als sympathischer Time-Life-Fotograf David E. Scherman. Selten sah man das Ex-Saturday-Night-Live-Mitglied so zurückhaltend und überzeugend.

DIE FOTOGRAFIN (im Original schlicht LEE) ist vielleicht kein Meisterwerk. Aber ein gut gemachter Film mit Starbesetzung und einem überraschenden Ende. Deshalb: sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Lee“
GB 2023
116 min
Regie Ellen Kuras

Die Fotografin

alle Bilder © STUDIOCANAL

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The End We Start From

THE END WE START FROM

The End We Start From

THE END WE START FROM

In England regnet es seit Monaten. Klingt wie ein normaler Wetterbericht der BBC, ist aber die Idee zu einem Katastrophenfilm der etwas anderen Art.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

The End We Start From

Der Wasserpegel steigt unaufhörlich. Allerdings nur in der Wanne, denn eine hochschwangere junge Frau (Jodie Comer) gönnt sich erst mal ein Bad. Kurz darauf setzen die Wehen ein. Während die Mutter ihr Kind aus dem Geburtskanal in die Welt presst, brechen Wassermassen über England ein. Land unter. Gemeinsam mit Ehemann R. (Joel Fry) begibt sich die Kleinfamilie auf die Flucht.

Dauertraurig und fast sediert

Den Inhalt von THE END WE START FROM könnte man in zwei Sätzen so zusammenfassen: Während eine Frau von A nach B nach C und dann wieder (Spoiler!) zurück nach A fährt, regnet es. Dazu schreit nonstop ein Baby. Die vor allem als Villanelle in der Serie KILLING EVE liebgewonnene Jodie Comer wird hier ihres größten Talents beraubt. Statt als zynische Spaß-Irre muss sie dauertraurig und fast sediert ihen Roadtrip durch die Apokalypse überstehen. Sad Smiley.

The End We Start From

Der Klimawandel wird uns alle zu Flüchtlingen machen. Wer bei dem Thema einen Roland-Emmerich-tauglichen Katastrophenfilm erwartet, wird enttäuscht. Es pieselt zwar viel, aber einstürzende Dämme und untergehende Großstädte muss man sich vorstellen, gezeigt wird nur eine typisch britische Regenlandschaft. Dazu die üblichen Endzeit-Versatzstücke aus zwischenmenschlichem Chaos und sich neu bildenden Gesellschaftsformen.

Trotz guter Kamera (Suzie Lavelle) und hochkarätiger Gastauftritte von Benedict Cumberbatch und Mark Strong bleibt die ganze Angelegenheit insgesamt eher langweilig bis zäh. Am Ende gibt es noch ein paar hübsche Bilder vom überschwemmten London zu sehen, aber nur für die Zuschauer, die bis dahin durchgehalten haben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The End We Start From“
GB 2023
102 min
Regie Mahalia Belo

The End We Start From

alle Bilder © Universal Pictures Germany

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Golda - Israels eiserne Lady

GOLDA – ISRAELS EISERNE LADY

Golda - Israels eiserne Lady

GOLDA – ISRAELS EISERNE LADY

Kippen und Kaffee. Die notorische Kettenraucherin Golda Meir war die erste Frau im israelischen Ministerpräsidialamt.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Golda - Isreales eiserne Lady

Am jüdischen Feiertag Jom Kippur, am 6. Oktober 1973, griffen Syrien und Ägypten Israel an, um die Golanhöhen und die Sinai-Halbinsel zurückzuerobern. Israels Armee war zunächst unvorbereitet, konnte jedoch durch US-Waffenlieferungen die Angriffe abwehren und rückte nahe Kairo und Damaskus vor. Unter Golda Meirs Führung gewann Israel zwar den Konflikt, doch Tausende bezahlten dafür mit ihrem Leben. Der Film zeigt die Gespräche Meirs mit ihren Top-Militärberatern und US-Außenminister Henry Kissinger (Liev Schreiber).

Golda - Israels eiserne Lady

GOLDA ist ein klassischer Faktenfilm, ohne allzu viel Experimentierfreude inszeniert. Ein ordentlich gemachtes Geschichtsdrama, wie es sie dutzendfach gibt. Erst in der zweiten Hälfte wird der Film besser, vor allem weil er dann Meirs Geschichte aus einer etwas persönlicheren Perspektive erzählt.

Golda - Israels eiserne Lady

Die größte Kritik: Regisseur Guy Nattiv vertraut nicht auf Helen Mirrens Schauspielkunst und vergräbt ihr Gesicht unter einer dicken Latexschicht. Als ob sich die Zuschauer auf Golda Meirs Kampf um Israel nur dann einlassen könnten, wenn die Schauspielerin das Aussehen des Originals bis in die letzte Falte imitiert. Höhepunkt des Mummenschanzes ist eine FORREST GUMP-artige Szene, in der die verkleidete Helen Mirren mit echten Archivaufnahmen verschmilzt. Gumminase und technische Spielereien lenken von der eigentlich spannenden Geschichte ab.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Golda“
GB 2022
100 min
Regie Guy Nattiv

Golda - Israels eiserne Lady

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

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Back to Black

BACK TO BLACK

Back to Black

BACK TO BLACK

13 Jahre nach ihrem Tod kommt mit BACK TO BLACK ein Biopic über die britische Soul- und Jazzsängerin Amy Winehouse in die Kinos.

Ab 11. April 2024 im Kino

Back to Black

Mehr als 30 Millionen verkaufte Platten und ihr hochgelobtes zweites Album „Back To Black“ machen Amy Winehouse spätestens 2006 zum Superstar. Das Biopic BACK TO BLACK zeigt die entscheidenden Jahre in ihrer kurzen Karriere. Jahre voller Aufs und Abs. Hinter der erfolgreichen Fassade verbirgt sich eine junge Frau mit jeder Menge Probleme.

Schaler Beigeschmack

Matt Greenhalghs Drehbuch arbeitet sich relativ ideenlos am Privatleben der Sängerin ab. Auf jeden Lebenseinschnitt folgen ein Song und ein Tattoo. In der dauernden Wiederholung wirkt das banal. BACK TO BLACK ist in Zusammenarbeit mit der Winehouse-Familie entstanden. Das erklärt, weshalb Vater Mitch (Eddie Marsan) beinahe zur Heiligenfigur stilisiert wird. Demnach hat der ehemalige Taxifahrer immer nur das Beste für seine hochbegabte, aber labile Tochter im Sinn. Dass er sie im wahren Leben noch betrunken und mit Drogen vollgepumpt auf die Bühne schickt, schon ein Jahr nach ihrem Tod eine Biografie auf den Markt bringt und im letzten Jahr ihre Tagebücher veröffentlicht, verleiht dem Ganzen einen schalen Beigeschmack.

Back to Black

Den 60s-Look hat sie sich von ihrer Großmutter Cynthia (Lesley Manville) abgeschaut. Damit das jeder kapiert sagt Amy gleich in der ersten Szene: „You are my style icon, Nan.“ Dass Hauptdarstellerin Marisa Abela dem Original nur bedingt ähnelt – junge Frauen mit dickem Kajalstrich und Beehive-Frisur sehen ja irgendwie alle wie Amy Winehouse aus – muss man sich schöntrinken, immerhin liegt ihre Singstimme überzeugend nah am Original.

Back to Black

Das sind die undankbarsten Kritiken: Filme, die nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut sind. Meh. BACK TO BLACK ist mehr ROCKETMAN als mutiger Blick auf die düsteren Abgründe des Ruhms. Herausragend ist nur Jack O’Connell in der Rolle des verhängnisvollen Ehemanns Blake. Mit seinen Daniel-Craig-Vibes empfiehlt er sich als neuer Bond. Regisseurin Sam Taylor-Johnsons konventionelles Biopic bleibt zu glatt und gefällig. Dem Leben der von Dämonen geplagten Ausnahmekünstlerin Amy Winehouse wird sie damit nicht gerecht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Back to Black“
GB / USA 2024
122 min
Regie Sam Taylor-Johnson

Back to Black

alle Bilder © STUDIOCANAL

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KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE

KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE

“You funny ass old whore. Tricky old fuck. Sad stinky bitch!” Was sich wie Social-Media-Hasskommentare liest, sind in Wahrheit analoge Beleidigungen per Briefpost im England der 1920er-Jahre.

Ab 28. März 2024 im Kino

In der malerischen britischen Küstenstadt Littlehampton erhält die fromme Christin Edith Swan (Olivia Colman) seit Wochen Briefe voller anzüglicher Beleidigungen. Wer könnte der Absender sein? Alles deutet auf die zugezogene Rose Gooding (Jessie Buckley) hin, die zusammen mit ihrer Tochter und ihrem schwarzen Freund nebenan wohnt. Rose hat ein loses Mundwerk und benimmt sich auch sonst nicht besonders ladylike. Doch die junge indische Polizistin Gladys Moss (Anjana Vasan) glaubt nicht, dass Rose die Schmähbriefe geschrieben hat und ermittelt auf eigene Faust.

Niedlich, schrullig, britisch

Regisseurin Thea Sharrock interessiert sich in ihrer Komödie weniger für den Kriminalfall (wer der Absender der Briefe ist, ahnt man relativ schnell), sondern mehr für den feministischen Aspekt der Geschichte. Ihre Heldinnen sind Frauen, die sich nicht länger wegen ihrer Herkunft, ihrer Art zu Leben oder ihrer Hautfarbe beurteilen lassen wollen.

Das Beste sind (to nobody’s surprise) die beiden Hauptdarstellerinnen Olivia Colman (kann einfach nie schlecht sein) und Jessie Buckley. Ungeachtet der expliziten Sprache ist KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE eine eher harmlose Angelegenheit und tut niemandem weh. Die kleine (und wahre!) Geschichte ist leichte Kost, die unflätigen Ausdrücke (vor allem in der englischen Originalversion) sind das einzig wirklich Komische. Ein Film aus der Reihe: Niedlich, schrullig, britisch.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Wicked Little Letters“
GB 2023
101 min
Regie Thea Sharrock

alle Bilder © STUDIOCANAL

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CLUB ZERO

CLUB ZERO

Das große Nichtfressen: Jessica Hausners satirischer Film über Hungerwahn zwecks Selbstoptimierung schießt am Ziel vorbei. Am Ende bleibt die Frage: Was will uns die Regisseurin genau sagen?

Ab 28. März 2024 im Kino

Vielleicht, dass Hungern genauso schlecht ist wie zu viel Essen. Und Bulimie auch keine Lösung ist. Das wusste man allerdings schon vorher.

Artifizielle Bildsprache und gestelzte Dialoge

Die junge Lehrerin Frau Novak (Mia Wasikowska aus ALICE IM WUNDERLAND) lehrt an einem Internat bewusste Ernährung, indem sie zum Verzicht auffordert. Die Schüler begeistern sich, fühlen sich wichtig und glauben, durch Hungern die Welt retten zu können. Doch auf dem Weg zur Selbstkasteiung folgt bald der nächste, nur konsequente Schritt: Wenn schon sehr leichte Küche, warum dann nicht gleich ganz ohne? Muss der Mensch überhaupt essen, um zu überleben? Der Titel CLUB ZERO lässt erahnen, wohin die Reise geht.

Die wohl hässlichsten Schuluniformen seit Menschengedenken, 70er-Jahre-Betonarchitektur, dazu eine Mia Wasikowska im spröden Sandra-Hüller-Modus. Die Kamera zoomt langsam in die Totale oder verdichtet. Die artifizielle Bildsprache passt zu den (gewollt?) gestelzten Dialogen. Zu den Themen Körperbild, Essstörungen und westlicher Überkonsum hat der Film dabei wenig Neues beizutragen. Die Botschaft ist nach spätestens der Hälfte angekommen. Zudem gibt es gegen Ende eine ausgesprochen unappetitliche Szene auszuhalten, die den Begriff „Wiederkäuer“ neu definiert. Nicht umsonst gibt es eine Triggerwarnung vor dem Film. Überraschender Nebeneffekt: Nachdem man fast zwei Stunden Wohlstandskids beim Fasten zuschauen musste, verspürt man großen Hunger auf eine Currywurst mit Pommes.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Club Zero“
Österreich / Großbritannien / Deutschland / Frankreich / Dänemark / Katar 2023
110 min
Regie Jessica Hausner

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih GmbH

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ONE LIFE

ONE LIFE

Die wahre Geschichte eines couragierten Mannes, der gegen alle Widrigkeiten über 600 Kindern vor den Nazis rettet. Konventionell gemachtes Biopic mit einem herausragenden Anthony Hopkins in der Hauptrolle.

Ab 28. März 2024 im Kino

In England gab es mal eine BBC-Fernsehshow namens „That’s Life!“ 1988 sorgte eine Folge für besonders großes Aufsehen: Nicholas Winton traf im Fernsehstudio auf die Überlebenden, die er fünfzig Jahre zuvor als Kinder vor den Nazis gerettet hatte.

Heute so aktuell wie vor 80 Jahren

Die Rahmenhandlung von James Hawes Film zeigt das Leben des gealterten Nicholas Winton (Anthony Hopkins). Noch immer quälen ihn die Dämonen seiner Vergangenheit. Dass er „nur“ 669 und nicht alle Kinder retten konnte, verfolgt ihn bis ins hohe Alter. Parallel erzählt ONE LIFE von der Rettungsaktion 1938. Der junge Nicholas (Johnny Flynn) erfährt über einen Freund von den entsetzlichen Zuständen in tschechischen Flüchtlingslagern. Zusammen mit vielen Unterstützern startet er eine beispiellose Rettungsaktion – immer bedroht von der nahenden Invasion der Faschisten.

ONE LIFE ist eine solide gemachte Nacherzählung dieser Ereignisse. Die starken Leistungen der Schauspieler, allen voran Anthony Hopkins und Johnny Flynn, werden durch die konventionelle Machart des Films geschwächt. Die Handlung wird artig nacherzählt, Flüchtlingsgeschichten aus dem Zweiten Weltkrieg hat man schon weitaus mitreißender inszeniert gesehen. Trotz solcher Unzulänglichkeiten ist ONE LIFE ein Film für das heutige Publikum. Flüchtlingskrisen und Menschen, vor denen trotz Lebensgefahr die Grenzen verschlossen werden, sind 2024 leider so aktuell wie vor 80 Jahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „One Life“
GB 2023
110 min
Regie James Hawes

alle Bilder © SquareOne Entertainment

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POOR THINGS

POOR THINGS

Ab 18. Januar 2024 im Kino

Was passiert, wenn man einer Selbstmörderin das Gehirn ihres ungeborenen Kindes einpflanzt? Auf diese komplexe Frage findet der neue Film von Yorgos Lanthimos (THE LOBSTER und THE FAVOURITE) überraschende Antworten.

Frankenstein 2.0: Der brillante Wissenschaftler Dr. Gordon Baxter (Willem Dafoe) fischt die Leiche einer Schwangeren aus dem Fluss. In seinem Labor verpflanzt er das Gehirn des ungeborenen Babys in den Kopf der jungen Frau. Mit viel Blitz und Strom erweckt er sie anschließend zum Leben. Bella Baxter (Emma Stone), so nennt er sein Geschöpf, macht sich mit kindlicher Neugier daran, die Welt des 19. Jahrhunderts zu erkunden.

Mindestens die weibliche Emanzipation in Zeitraffer

Vom Prenzlpanther zum normalen Menschen: Bella lernt laufen, essen, sich zu benehmen, entdeckt ihre Sexualität, die Liebe, die Kultur und die Politik. Was so ein Leben eben alles bereithält. Emma Stone spielt sich dabei in Richtung nächste Oscarnominierung. Faszinierend, wie sie sich von einem brabbelnden, kaputten Spielzeug auf zwei Beinen vor den Augen der Zuschauer in eine freiheitsliebende, selbstbestimmte Frau verwandelt. Manche interpretieren schon wieder eine zweite BARBIE und mindestens die weibliche Emanzipation in Zeitraffer in den Film. Doch POOR THINGS ist vor allem ein intelligenter Augenschmaus.

Willem Dafoe sieht unter einer dicken Schicht Latex selbst wie eine Kreation Frankensteins aus. Hinter der vernarbten Maske verbirgt sich eine geschundene Seele, seinem monströsen Vater sei Dank. Den genialen Wissenschaftler spielt Dafoe zurückgenommen, die Rolle hätte leicht in schamloses overacting kippen können. „Dumm fickt gut“ müsste im Falle von Mark Ruffalos Figur eher „eitel fickt gut“ heißen. Großartig, wie er den erbärmlichen Liebhaber Bellas der Lächerlichkeit preisgibt und nebenbei für eine ganze Generation Männer steht, die glaubt, nur durch ihre Virilität, könnten Frauen Erfüllung finden.

Die mit Fischaugenobjektiv teils in schwarz-weiß, teils in knallbunten Farben gedrehten Bilder wecken dank surrealistischer Kulissenbauten Erinnerungen an Terry Gilliam und Wes Anderson. Ähnlich wie die beiden großen Kinomagier erschafft Yorgos Lanthimos einzigartige, handgemachte Fantasiewelten und lässt seine Figuren jenseits aller gängigen Hollywoodformeln agieren. Dabei ist Lanthimos noch nicht im Manierismus festgefahren (im Gegensatz zu Anderson, der sich seit Jahren um sich selbst zu drehen scheint), wirkt frisch und aufregend.

Noch besser wäre POOR THINGS wohl nur, wenn man ihm in der Mitte eine halbe Stunde rausschneiden würde. Es zieht sich zwischendurch ein wenig. Aber das wird locker durch grandiose Bilder, tolle Schauspieler und die besten Tierfabelwesen (ein Hund mit Gänsekopf!) wettgemacht, die seit langem im Kino zu bestaunen waren. Das Festivalpublikum in Venedig war begeistert, am Schluss gab es den Goldenen Löwen für den Besten Film. Verdient.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Poor Things“
England 2023
141 min
Regie Yorgos Lanthimo

alle Bilder © The Walt Disney Company Germany

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BABY TO GO

BABY TO GO

Ab 11. Januar 2024 im Kino

Familienplanung von übermorgen. BABY TO GO ist eine ironische Zukunftsvision mit hübschem Technik-Schnickschnack und Werbeästhetik.

Gleichberechtigung 5.0: Männer können auch im neuen Jahr nicht schwanger werden, da kann die Wissenschaft noch so lange forschen. Und Frauen wollen es nicht mehr. Die Hormone, die Hitzewallungen, die Schwangerschaftsstreifen! Stattdessen lässt sich der Nachwuchs in einem schicken Designer-Pod im Labor züchten. Kinderkriegen wird so einfach wie die Pflege eines Tamagotchis.

BLACK-MIRROR-Episode auf 111 Minuten gedehnt

BABY TO GO erzählt von Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor), die sich nach langem Zögern entschließen, Eltern von einem Plastikei zu werden. Regisseurin Sophie Barthes nutzt für ihre Science-Fiction-Sozialsatire die visuellen Mittel einer Apple-Werbung. Slicke Technik (der Frühstückstoast kommt aus dem 3D-Drucker), sanfte Pastelltöne – die Welt der Zukunft sieht gut aus.

Doch gutes Aussehen alleine reicht nicht. BABY TO GO ist eine etwas zahnlose BLACK-MIRROR-Episode auf 111 Minuten gedehnt. Das hätte sich komprimierter und wirkungsvoller locker in der Hälfte der Zeit erzählen lassen. Trotz all der hübschen Bildideen zieht es sich zwischendurch wie eine Apple-Präsentation von Tim Cook.

Zuschauer, die zwischen 10 und 14 € für ein Kinoticket berappen, erwarten eine gewisse Quantität an Film. Deshalb gibt es hierzulande auch keinen Markt für Kurzfilme. Eine knackigere Version von BABY TO GO wäre besser bei einem Streamer oder als Hälfte eines Doublefeatures aufgehoben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Pod Generation“
GB 2022
111 min
Regie Sophie Barthes

alle Bilder © Splendid Film

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WONKA

WONKA

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Zauberhaftes Musical über Roald Dahls Schokoladenmagier in jungen Jahren.

WONKA ist das filmische Äquivalent zu einem Besuch im Hamburger Miniatur Wunderland. Ständig gibt es etwas zu entdecken, beim ersten Schauen verpasst man wahrscheinlich viele der liebevollen Details, die Regisseur Paul King (PADDINGTON 1 + 2) und sein Team in den Film gepackt haben.

Großes, zuckersüßes Unterhaltungskino

Die Geschichte vom Chocolatier, der sich gegen ein Schokoladenkartell behaupten muss, wurde schon dreimal verfilmt. Zuletzt übernahm Johnny Depp mit gruselig weiß geschminktem Gesicht die Titelrolle. Im Prequel das genaue Gegenteil: Timothée Chalamet schaut gewohnt niedlich unter seiner Lockenfrisur hervor und strahlt als Willy Wonka die genau richtige Mischung aus jugendlicher Unschuld und Cleverness aus. Kritiker hatten befürchtet, er sei mit dem Erbe Gene Wilders (der die Rolle in der ersten Verfilmung von 1971 spielte) überfordert, doch Chalamet macht seine Sache hervorragend und kann sogar einigermaßen singen.

Eine ganze Schar toller Schauspieler ist in Nebenrollen dabei, unter anderem Oscargewinnerin Olivia Colman als verbrecherische Hotelbesitzerin Mrs. Scrubbit. Dass der 1,80 m große Hugh Grant in der Rolle des zwergwüchsigen Oompa Loompa besetzt ist, hat im Netz für viel Diskussion gesorgt. Aber welcher nur 50 cm große Schauspieler hat denn bitte den umwerfend zynischen Charme von Grant? Das Internet ist manchmal wirklich dumm.

Egal ob Musical-Fan oder Nicht-Fan (okay, es wird vielleicht ein bisschen zu viel gesungen): Die grandiose Neuverfilmung des Roald-Dahl-Kinderbuch-Klassikers ist fantastisch ausgestattetes, zuckersüßes Unterhaltungskino. Das perfekte Anti-Grau – genau richtig gegen Winterdepressionen. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Wonka“
USA / GB 2023
117 min
Regie Paul King

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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How to have Sex

HOW TO HAVE SEX

How to have Sex

HOW TO HAVE SEX

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

How to have sex - hopefully not like this.

Was ist schlimmer, als eine Horde besoffener US-Teenager zum Springbreak? Eine Horde besoffener Teenager aus England auf einer Mittelmeerinsel. Die 17-jährige Tara und ihre Freundinnen machen auf ihrem Mädelstrip keine Gefangenen. Nach den Schulprüfungen wollen sie vor allem drei Dinge: Saufen bis zum Koma, Party & Sex. Praktisch: Auch bei den Jungs im Apartment nebenan haben die Hormone das Denken übernommen. Je lauter und zügelloser, desto besser. Was dann in dieser einen Nacht passiert, bleibt zunächst vage. Erst gegen Ende wird klar: Tara hatte Sex gegen ihren Willen.

Saufen, Party & Sex

HOW TO HAVE SEX ist provokant, exzessiv und trotz mediterranen Sonnenscheins düster. Regisseurin Molly Manning weiß genau, wie man die Stimmung für eine moderne Coming-of-Age-Geschichte einfängt. Ihr Film ist ein authentisches, klischeefreies Stück über das Erwachsenwerden. Souverän auch ihre Schauspielführung: Tara wird von Mia McKenna-Bruce gespielt, einer 26-jährigen Britin, die sicher noch eine große Karriere vor sich hat. Eine Entdeckung.

Neid auf Cannes. Wie viele gute Filme laufen da eigentlich jedes Jahr? Die Berlinale schaut beschämt zu Boden. Man kann darauf wetten: Alles was herausragend ist, trägt im Vorspann den Palmwedel des französischen Filmfestivals. Auch dieses aufregende Erstlingswerk wurde in Cannes 2023 gefeiert und gewann in der Sektion „Un Certain Regard“ den Hauptpreis.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „How to have sex“
GB 2023
98 min
Regie Molly Manning

alle Bilder © capelight pictures

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NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

Ab 23. November 2023 im Kino

Kino, wie es sein soll: episch, spannend, lustig und lehrreich. Ridley Scotts neues Meisterwerk zeigt den französischen Kaiser, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat.

Stolze 85 Jahre alt ist Ridley Scott und er kann’s noch immer. Mit NAPOLEON ist dem britischen Regisseur erneut ein großer Wurf gelungen. Dass das alles toll aussieht und die Schlachtszenen bombastisch sind, versteht sich fast von selbst. Schließlich hat der Mann mit ALIEN, BLADE RUNNER und GLADIATOR ganze Genres neu erfunden oder zumindest jahrzehntelang geltende Maßstäbe gesetzt.

Trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie

Joaquin Phoenix ist die perfekte Besetzung und spielt den französischen Feldherrn und Kaiser als souveränes, rücksichtsloses Genie – zumindest wenn es um Kriegsführung geht. Im Privaten ist seine Hoheit dagegen das Gegenteil eines Genies. Unbeholfen, albern und dabei schwer in Josefine verliebt (fabelhaft: Vanessa Kirby). Von der Liebe seines Lebens, die ihm 15 Jahre (nicht immer) treu zur Seite steht, lässt sich Napoleon wegen ausgebliebener Nachkommen scheiden.

Überraschung: NAPOLEON ist trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie. Mindestens aber ein historisches Drama mit komischen Elementen. Kleine Missgeschicke, absurde Dialoge und ein sich oft gar nicht kaiserlich verhaltender Kaiser sorgen für Lacher. Überhaupt ist Scott eine ausgesprochen kurzweilige (bei 157 Minuten Laufzeit) und lehrreiche Geschichtsstunde gelungen. Höhepunkt ist die Schlacht von Austerlitz, in der die französische Armee die Streitkräfte Russlands und Österreichs dank Napoleons strategischem Geschick auf dem Schlachtfeld auslöscht. Selten genug in Historienfilmen: Man versteht die Zusammenhänge und geht klüger aus dem Kino.

Ridley Scotts vielleicht nicht 100 % historisch korrekte Version des Lebens von Napoleon Bonaparte hätte noch reichlich weitere Lobeshymnen verdient. Zum Beispiel, dass Joaquin Phoenix auf einen falschen (französischen) Akzent verzichtet – Scotts HOUSE OF GUCCI wurde wegen übertriebenen Englisch-Italienisch-Kauderwelschs zur unfreiwilligen Komödie. Aber vor allem ist NAPOLEON für die große Leinwand gemacht. Apple hat den Film zwar finanziert und früher oder später wird er auf Apple TV+ laufen – aber vorher sollte man sich NAPOLEON unbedingt im Kino anschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Napoleon“
USA / England 2023
157 min
Regie Ridley Scott

alle Bilder © Sony Pictures

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DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

Ab 26. Oktober 2023 im Kino

Ein alter Brite macht sich auf die Reise quer durchs Land, trifft dabei auf viele freundliche Menschen und findet sich am Ende selbst.

Wem das bekannt vorkommt, der hat vielleicht im vergangenen Jahr DER ENGLÄNDER, DER IN DEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR gesehen. Gleiche Geschichte, gleiches Setting, fast gleicher Film. Nur eben per pedes und nicht im Bus.

Kluge Ratschläge, Gästezimmer und Blasenpflaster

Harold Fry (Jim Broadbent) erfährt eines Tages, dass seine alte Freundin Queenie im Sterben liegt. Er schreibt ihr einen Brief, verlässt sein Haus, geht zum Postamt und hört nicht auf zu gehen. Er läuft einfach weiter, bis zu dem 450 Meilen entfernten Hospiz. Den Pensionär auf Sinnessuche spielt der ausgezeichnete Jim Broadbent, seine Gattin Maureen ist mit der aus Downton Abbey bekannten Penelope Wilton besetzt. Die Besetzung ist fabelhaft (Nick Caves Sohn Earl spielt den gepeinigten Sohn des Ehepaars) und im Gegensatz zum busfahrenden Engländer sieht DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY auch noch richtig gut aus. Kamerafrau Kate McCullough arbeitet viel mit Unschärfen und hübschem Morgenlicht.

Allerdings nervt das Gutmenschentum – auf seiner Reise durch England begegnet Harold ausschließlich warmherzigen Mitmenschen, die ihm mit klugen Ratschlägen, Gästezimmern und Blasenpflastern zur Seite stehen. Sei’s drum, Sinn und Zweck solcher Filme ist es ja, dass man mit einem positiven Gefühl aus dem Kino geht. Nur am Ende wird’s richtig peinlich: Da fällt ein göttliches Licht auf all diejenigen, die Harold zuvor auf seiner Reise getroffen, beziehungsweise „erleuchtet“ hat. Die plumpe Spiritualität ist unnötig und hinterlässt einen schalen Geschmack.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“
GB 2023
108 min
Regie Hettie Macdonald

alle Bilder © Constantin Film

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VERRÜCKT NACH FIGARO

VERRÜCKT NACH FIGARO

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Wer fest genug an seine Träume glaubt, der kann alles schaffen! So die plumpe Message der schon leicht modrig riechenden Opernkomödie von 2020.

Reich müsste man sein! So wie die junge Fondsmanagerin Millie Cantwell (Danielle Macdonald), die mal eben ihren gut bezahlten Job hinschmeißt, um statt dessen Opernsängerin zu werden. Professionelles Gesangstraining hatte sie zwar bislang keins, aber was soll’s?

Vom quakenden Entlein zum Stimmwunder

Millie lässt ihren Freund Charlie (Shazad Latif) in London sitzen, zieht in die schottischen Highlands, um dort bei der legendären Ex-Operndiva Meghan Geoffrey-Bishop (Joanna Lumley) Privatstunden zu nehmen. Natürlich wird die neue, nicht überbegabte Schülerin angenommen, Geld stinkt nicht. Dem anderen Schüler der Gesangslehrerin, Max (Hugh Skinner), stinkt es allerdings gewaltig, denn wie Millie träumt auch er davon, den Gesangswettbewerb “Singer of Renown” zu gewinnen. Da stört jede Konkurrenz.

Kein body-shaming. Wirklich nicht. Aber dass die sehr beleibte Zwillingsschwester von Ricarda Lang gleich mehrere gut aussehende Typen um die Wurstfinger wickelt – wer’s glaubt … Dass Millie dann auch noch innerhalb weniger Monate vom quakenden Entlein zum Stimmwunder mutiert, geht den entscheidenden Jump-the-whale-Schritt zu weit. Zumal die Unterrichtsmethoden der schlecht gelaunten Gesangslehrerin größtenteils aus Beleidigungen und Halswürgen zu bestehen scheinen.

Schon klar, was die Macher da im Sinn hatten. Typisch britische, schrullige Charaktere, kombiniert mit einem Best-of-Opernhits. Herausgekommen ist aber nur eine mäßig lustige Durchschnittskomödie. Wer will, kann die Augen zumachen und die Musik genießen. Die Schauspieler bewegen nur die Münder, gesungen wird von Profis.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Falling for Figaro“
Australien / UK 2020
105 min
Regie Ben Lewin

alle Bilder © 24Bilder

WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT?

WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT?

Kinostart 23. Februar 2023

Das Beste an WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT?: Tina Turners gleichnamiger 80er-Jahre-Formatradio-Hit ist im ganzen Film nicht zu hören. Vielmehr bezieht sich der Titel auf die Frage, ob Liebe bei einer Heirat überhaupt eine Rolle spielen muss. Oder ist es nicht besser – so die Mutter des Hauptprotagonisten – Liebe erst durch langsames Köcheln zu entfachen?

Alles so schön bunt hier!

Zoe ist eine junge Filmemacherin. Auf der Suche nach dem Thema für ihr nächstes Projekt kommt ihr die Geschichte ihres besten Freundes Kazim gerade recht. Der in Großbritannien geborene Arzt mit pakistanischen Wurzeln will demnächst heiraten. Das Besondere daran: Er lässt die Braut von seinen Eltern aussuchen. Eine arrangierte Hochzeit scheint ihm vernünftig und allemal erfolgversprechender als das langwierige Tindern. Zoe beschließt, Kazim zur Hochzeit nach Pakistan zu begleiten.

Wenn man der angeblich preisgekrönten Filmemacherin Zoe dabei zusieht, wie sie mit der Handkamera unbeholfen verwackelte Bilder für ihre Dokumentation dreht, fragt man sich, ob sie bisher für den Offenen Kanal gearbeitet hat. Umso erstaunlicher, dass bei der Premiere ihres Films perfekt ausgeleuchtetes und eingerichtetes Material zu sehen ist. Das wirkt dann ungefähr so authentisch wie die Studiokulissen, in denen die Pakistanszenen von WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT? gedreht wurden. Alles so schön bunt hier! Aber nicht nur die Sets, auch die Emotionen sind künstlich. Dazu eine penetrante Filmmusik, die Flöten und Geigen um die Wette jubilieren lässt. Es ist fürchterlich.

Malen nach Zahlen: WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT? ist eine romantische Komödie nach Schema F. Die überraschungsfreie Geschichte würde sich noch so wegschauen, wenn wenigstens die Chemie zwischen den Hauptdarstellern Lily James und Shazad Latif stimmen würde. Doch der Funke springt nicht über. Obwohl die zuckersüße Romanze ihre Momente hat, verderben der oft platte Humor und die klischeehaften Figuren den Spaß. Das kann nicht mal Emma Thompson als liebenswerte Schrulle retten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „What’s Love got to do with it?“
England 2022
108 min
Regie Shekhar Kapur

alle Bilder © STUDIOCANAL

SEASIDE SPECIAL

SEASIDE SPECIAL

Kinostart 19. Januar 2023

Charmanter gehts kaum: Am Ende eines Piers in Cromer an der englischen Ostküste steht ein Theater. Jeden Sommer geht dort zweimal täglich der Vorhang auf. Drei Monate lang, ohne Pause. Eine Variety-Show mit Tanz, Gesang, Sketchen und Zaubertricks. Erste Reaktion auf die Kleinkunst: Die intellektuelle Augenbraue schnellt spöttisch nach oben. Selbst Ensemblemitglieder gestehen, dass sie die bunte Touristenshow anfangs nicht richtig ernst genommen haben. Doch schon nach kurzer Zeit und viel Zuneigung und Begeisterung vom Publikum wird auch dem letzten Misanthropen klar: Die „End-of-Pier-Show“ ist etwas ganz Besonderes.

Brexit or no Brexit?

„Lieber bin ich ein leuchtender Meteor, der für ein paar Sekunden über den Himmel streicht, als ein immer gleicher, staubiger Planet“, sagt die Lead-Sängerin der Show. Es geht nicht um Weltruhm und nicht um das große Geld, sondern das Gefühl, jeden Tag die Menschen ein kleines bisschen glücklich gemacht zu haben. Der Filmemacher Jens Meurer hat die engagierte Truppe ein Jahr lang mit der 16-mm-Kamera begleitet, Interviews geführt und einen Blick vor und hinter die Kulissen geworfen.

Der Kniff: Während der Dreharbeiten haben die ansonsten verlässlich sympathischen Briten über ihre Zukunft abgestimmt: Brexit or no Brexit? Alle Beteiligten im Theater haben ihre Meinung zum Desaster. Das geht von Pro Boris über Auswanderungsgedanken bis zum ausgestreckten Mittelfinger für die Konservativen. Das Ensemble wird zum Mikrokosmos: Europa vs. England.

„Seaside Special“ ist ein liebevoller Blick auf britische Besonderheiten, ohne Schadenfreude und voller Witz. Ein lustiger Film über den Brexit? Das kann doch nur ein Engländer machen! Falsch gedacht. Jens Meurer hat zwar in Oxford studiert, ist aber eine echte Kartoffel. Möglicherweise hat er von außen eine klarere Sicht auf den historischen Wahnsinn. Am Ende der Saison Wehmut in jeder Hinsicht. Die Briten sind raus. Und kurz darauf wird die ganze Welt von Corona heimgesucht. Das vorläufige Aus auch für die End-of-Pier-Show. Kein Publikum, keine Jobs. Aber es gibt ein Happy End: Das Theater hat überlebt, am 1. Juli 2023 startet die nächste Runde.

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Deutschland / Belgien 2021
93 min
Regie Jens Meurer

alle Bilder © Farbfilm-Verleih

SEE HOW THEY RUN

Kinostart 27. Oktober 2022

Ein allseits unbeliebter Hollywood-Regisseur, der mitten in den Vorbereitungen für die Verfilmung eines erfolgreichen Theaterstücks steckt, wird ermordet. Inspektor Stoppard (Sam Rockwell) und die übereifrige Constable Stalker (Saoirse Ronan) übernehmen den Fall. Schnell stellen sie fest, dass es Parallelen zwischen dem fiktiven Bühnenstück und der Realität gibt.

Es fehlt ein ganz entscheidender Faktor, der einen guten Krimi ausmacht: die Spannung.

Das ist dann auch schon die einzig originelle Idee von Mark Chappells Drehbuch: Das Whodunit „See How They Run“ spielt im Setting des wohl berühmtesten Whodunits, Agatha Christies „The Mousetrap“. Nicht Film im Film, aber Film im Theater sozusagen. Inspiriert vom „Mord im Orientexpress“-Erfolg und natürlich zuletzt „Knives Out“ (Teil 2 erscheint demnächst bei Netflix), hat Regisseur Tom George einen klassischen Mörder-Mystery-Film inszeniert, der stilecht im London der 50er-Jahre angesiedelt ist. Leider fehlt ein ganz entscheidender Faktor, der einen guten Krimi ausmacht: die Spannung. Quälende 98 Minuten schleppt sich die langweilige Geschichte dahin. Versuche, mit einer an Wes Anderson angelehnten Bildsprache das Ganze etwas aufzupeppen, scheitern kläglich – „See How They Run“ sieht nicht mal besonders gut aus, ist nur müdes Zitat.

Wenn schon die Handlung keine Spannung bietet, dann sollte es wenigstens die Besetzung in sich haben: Die bereits erwähnten Erfolgsfilme bieten mit großen Namen wie Daniel Craig oder Penélope Cruz Entertainment per Starpower. Ein Rezept, das schon die trutschigen 70er-Jahre-Verfilmungen mit Peter Ustinov gekonnt befolgt haben. Davon kann bei „See How They Run“ keine Rede sein. Hauptdarsteller Sam Rockwell agiert durchweg, als stünde er kurz vor dem Einschlafen. Ein Gefühl, das sich schon bald auf die Zuschauer überträgt. Und auch der restliche Cast (mit Ausnahme von Saoirse Ronan) ist eher gehobener Durchschnitt.

Für ein gutes Whodunit braucht es eine straffe Regie, gepfefferte Dialoge und (zumindest ein bisschen) suspense. All das fehlt hier. Enttäuschend in jeder Hinsicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „See How They Run“
USA 2021
98 min
Regie Tom George

alle Bilder © Walt Disney Studio Motion Pictures GmbH

DER ENGLÄNDER, DER IN DEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR

Kinostart 11. August 2022

Pensionär Tom begibt sich auf eine lange Fahrt vom äußersten Norden Schottlands zum südlichsten Punkt Englands, Land’s End. Es ist eine finale Reise in die Vergangenheit, kürzlich verwitwet und nun selbst dem Tode nahe, hat der 90-Jährige noch eine letzte Angelegenheit zu erledigen. Als alter Sparfuchs benutzt er ausschließlich Öffis, denn mit denen dürfen Rentner in Großbritannien dank eines „Freifahrtausweises“ umsonst fahren. Wie das bei einem Roadmovie so ist, lernt Grumpy Cat Tom unterwegs allerhand Menschen kennen.

Klingt dröge, ist es über weite Strecken auch. Ein alter Herr, der von einem Bus in den nächsten steigt. Auch die Begegnungen unterwegs sind ausgesprochen vorhersehbar und wenig aufregend. Die Welt besteht nur aus hundsgemeinen Fieslingen und zuckersüßen Engeln. Ganz normale Menschen haben zugegebenermaßen deutlich weniger Unterhaltungswert, eine Fahrt mit der BVG ist der beste Beweis dafür.

DER ALTE MANN UND DER BUS

DER HUNDERTJÄHRIGE, DER IN DEN BUS STIEG UND EINSCHLIEF

9 € TICKET - DER FILM

Es hätte viele bessere Titel für „The Last Bus“ gegeben. Deshalb schon mal Punktabzug für den dämlichen, an Jonas Jonassons Bestseller anbiedernden deutschen Verleihtitel. „Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ ist zwar inhaltlich richtig, aber schon gefährlich nah am Spoiler, denn viel mehr passiert in den 86 Minuten nicht. In der plumpen Metapher vom „Leben als Reise“ bleibt der brillante Hauptdarsteller Timothy Spall das einzig Sehenswerte.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Last Bus“
GB 2021
86 min
Regie Gillies MacKinnon

alle Bilder © Capelight Pictures

MEINE STUNDEN MIT LEO

Kinostart 14. Juli 2022

Peter Rühmkorf dichtete 1971 auf der legendären Kinderplatte Warum ist die Banane krumm?: „Licht aus, Licht aus, Mutter zieht sich nackend aus, Vater holt den Dicken raus, einmal rein, einmal raus, fertig ist der kleine Klaus.“ Das dürfte Nancy Stokes unangenehm bekannt vorkommen. Die Lehrerin im Ruhestand hatte mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann nur stinklangweiligen Blümchensex. Einen Orgasmus hatte sie dabei nie. Beziehungsweise hatte sie überhaupt noch nie einen. Das soll sich jetzt mithilfe des jungen Sexarbeiters Leo Grande ändern.

Sophie Hydes Film schafft mit Leichtigkeit, was Karoline Herfurth kürzlich mit ihrem Klischeefest „Wunderschön“ versucht hat: eine lockere und gleichzeitig ernste Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit und missverstandenem Beautywahn.

Applaus für die Darsteller: Daryl McCormack spielt den niedlichen Stricher mit viel lässigem Charme und die sowieso immer grandiose Emma Thompson präsentiert sich am Ende des Films selbstbewusst ganz ohne Filter full frontal. Lustig, sexy und erfrischend unverkrampft: Ein durchweg befriedigender Film.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Good luck to you, Leo Grande“
GB 2022
97 min
Regie Sophie Hyde

alle Bilder © Wild Bunch Germany

MIT HERZ UND HUND

Kinostart 09. Juni 2022

Es ist mehr als nur eine urbane Legende, dass so manche Zweibeiner-Liebe beim Gassigehen ihren schnuppernden Anfang nahm. Selbst im Zeitalter von Tinder und Parship werden immer noch – alte Hundeschule – schwanzwedelnd die besten Kontakte geknüpft. Wie bei Dave und Fern, zwei Londoner Ü60-Rentnern, deren Romanze ab dem 9. Juni in dreiundzwanzig Spaziergängen ihren Lauf mit Hindernissen nimmt. „23 Walks“ – Auf Deutsch wie üblich verniedlicht „Mit Herz und Hund“.

Der naturliebende, freimütige Pensionär Dave mit seiner ebenso unangeleinten Schäferhündin erregt zunächst eher den Unmut der resoluten Fern und ihres Yorkshire-Terriers. Bei zwangsläufigen Wiederbegegnungen in den örtlichen Auslaufgebieten bemerkt die Scheidungsgeschädigte jedoch bald, dass der Ex-Krankenpfleger über viel Herz und andere Qualitäten verfügt. Anders als die gewohnt treue Zuneigung des tierischen Ersatzpartners verursacht menschliches Begehren jenseits der Lebensmitte ein unverhofftes Gefühlschaos von mopsfidel bis hundeelend.

Bevor es zum finalen Walk kommt, durchlebt der Zuschauer mit Herrchen und Frauchen, ihrem menschlichen Anhang und den beiden Wuffkes eine universelle Liebesgeschichte, die überall in der ersten Welt spielen könnte. Von Regisseur Paul Morrison launig-liebenswert inszeniert und dank der harmonierenden Performance von Alison Steadman und Dave Johns eine empfehlenswerte Coming-of-Best-Age Tragikomödie, die Lust macht, den inneren Schweinehund zu überwinden.

Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „23 Walks“
Großbritannien 2020
97 min
Regie Paul Morrison

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

DIE TÄUSCHUNG

Kinostart 26. Mai 2022

„Die Täuschung“ hat im Original den schön schrulligen Titel „Operation Mincemeat“. Mincemeat? Klingt widerlich, ist es auch. Wikipedia weiß: „Mincemeat ist eine Mischung aus klein gehacktem Trockenobst, Weinbrand und Gewürzen, die manchmal auch Rindernierenfett, Rindfleisch und Wildbret enthält.“ Ja, das hört sich nicht besonders lecker an. Aber warum sollte eine Aktion, bei der eine verweste Wasserleiche die Hauptrolle spielt, auch einen appetitlichen Namen haben?

Während des Zweiten Weltkriegs entwickeln die beiden Geheimdienstoffiziere Ewen Montagu und Charles Cholmondeley einen raffinierten Plan:  Ein an der spanischen Küste angeschwemmter Toter soll „geheime“ Dokumente bei sich tragen, in denen ein bevorstehender Angriff der Alliierten über Griechenland erwähnt wird. Die Papiere sollen den Nazis in die Hände gelangen, um vom tatsächlichen Angriffsort Sizilien abzulenken und so die Deutschen auf die falsche Fährte zu locken.

Der Spaß an diesem wahnwitzigen Täuschungsmanöver ist die Vorbereitung: Der Tote wird aufwendig mit einer erfundenen Biografie ausgestattet, Fotos und Briefe von seiner nicht existenten Freundin stecken in der Innentasche seines Jacketts. Wenn die schon sehr mitgenommene Leiche in Uniform für ein Passfotoshooting in Pose gesetzt wird, dann hat das „Weekend with Bernie“-Qualität. Die Top Secret Unterlagen, die unbedingt in die Hände der Deutschen gelangen sollen, werden wasserdicht in einer Aktentasche verstaut, die dem Toten ans faulige Handgelenk gekettet wird. Dass der in Wahrheit ein depressiver Selbstmörder war, der sich Wochen zuvor mit Rattengift umgebracht hatte, muss natürlich unter allen Umständen geheim bleiben.

Was soll da schon schief gehen? Ein feist produzierter britischer Spionagethriller, based on a true story – und dann noch mit Colin Firth in der Hauptrolle. „Die Täuschung“ ist angenehm altmodische, perfekt gemachte Kino-Unterhaltung.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Operation Mincemeat“
GB 2021
128 min
Regie John Madden

alle Bilder © Warner Bros.

DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN

DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN

Kinostart 21. April 2022

Choupette wäre entsetzt. Unvorstellbar für Lagerfelds elegante Weggefährtin, doch es gab eine Zeit in der Menschheitsgeschichte – lange nach dem alten Ägypten, nicht so lange vor den süßesten YouTube-Katzenvideos – da waren Miezen Nutztiere, in Haus und Hof bestenfalls zur Mäuse- und Rattenjagd geduldet.

Heutzutage können Katzen selbstverständlich Whiskas kaufen, und dass es so weit kam, haben sie einem eigenwilligen Künstler aus Großbritannien zu verdanken: Louis Wain fabrizierte unzählige Gemälde, in denen er die schnurrenden Samtpfoten in menschlicher Pose darstellte. Seinerzeit ein echter Verkaufshit. Die faszinierenden Bilder tragen Ende des 19. Jahrhunderts dazu bei, die Wahrnehmung von Katzen in der Öffentlichkeit zu verändern. Doch typisch Künstler: Louis ist als Maler begnadet, aber ein lausiger Geschäftsmann. Er vergisst, sich das Copyright seiner Bilder zu sichern – so werden viele Menschen reich mit seiner Kunst, nur er selbst nicht. Und das trifft die Familie hart. Denn im viktorianischen England kann nur der Mann im Haus das Geld verdienen – Louis hat aber noch eine Mutter und fünf Schwestern – und die wollen versorgt werden.

„The Electrical Life of Louis Wain“ erzählt die wahre Geschichte eines neurotischen und äußerst talentierten Künstlers, wunderbar exzentrisch von Benedict Cumberbatch gespielt. Auch visuell ist die elektrisierende Lebensgeschichte ungewöhnlich umgesetzt: immer wieder verwandeln sich die Sets in wie gemalt aussehende Kunstwerke, die an die Arbeiten Wains erinnern.

Die ersten 30 Minuten sind schrullig nette Unterhaltung, aber bald wandelt sich die Geschichte von niedlich zu ziemlich düster. Einziger Lichtblick ist die Liebe Wains zu Emily (Claire Foy), der Gouvernante seiner Schwestern. Doch das Glück ist von kurzer Dauer. Kein Happy End: Wain verliert zusehends den Verstand – die Bildsprache wird dem verfallenden Geist entsprechend immer psychedelischer – das Leben des Künstlers endet in einer Anstalt.

„Die wundersame Welt des Louis Wain“ ist ein Film über einen außergewöhnlichen Mann, von dem die meisten wahrscheinlich noch nie gehört haben, der aber nachhaltig Eindruck hinterlassen hat. Der Schriftsteller H.G. Wells sagte 1927 in einer Radiosendung: „Katzen, die nicht so aussehen wie Katzen von Louis Wain, sollten sich was schämen.“ Miau.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Electrical Life of Louis Wain“
GB 2021
111 min
Regie Will Sharpe

alle Bilder © STUDIOCANAL

SPENCER

SPENCER

Kinostart 13. Januar 2022

Blass, blass, blass sind alle meine Farben. Trüb, trüb, trüb ist alles, was ich hab. Das Leben von Diana, Princess of Wales, geborene Spencer, muss furchtbar gewesen sein, indeed. Im Dezember 1991 besteht ihre Ehe mit Charles nur noch auf dem Papier. Trotzdem verbringt sie die Weihnachtstage mit der gesamten royalen Familie auf Landgut Sandringham. Und wenn man dem bedrückenden Film von Pablo Larrain glauben darf, so befand sich Diana zu dieser Zeit am Rande des Wahnsinns.

Schnell entwickelt sich die „Fabel, die auf wahren Begebenheiten beruht“ – wie es im Vorspann heißt – zu echten Diebus Horribilis für die sensible Prinzessin. Das geht schon bei der Ankunft los: Zur Weihnachtstradition Ihrer Majestät gehört es, die Gäste nach Art der Mastgans vor und nach den Feiertagen zu wiegen. So soll sichergestellt werden, dass alle ausreichend gefuttert haben. Die Tage auf dem schlecht beheizten Landgut werden für Diana, umgeben von hinterhältigen Hofschranzen, einem untreuen Gemahl und der Ice-Queen Elisabeth (not amused), zu einer surrealen Neuauflage von „Shining“. Durch endlos lange Flure wird sie auf Schritt und Tritt von Zofen und Geistern verfolgt. Einmal landet sie sogar in einem Kühlraum – Jack Torrance gefällt das. Zwischendurch muss Diana alle fünf Minuten die Kleidung wechseln, auch das ist anstrengende Arbeit. Es sind im Laufe des Films (Achtung Spoiler!) sehr, sehr viele Kleider.

Kristen Stewart scheint für ihre Ausnahmeleistung der nächste Oscar so gut wie sicher. Weniger wohlwollend könnte man ihr Schauspiel auch als Fast-Karikatur bezeichnen. Mehr weidwunder Augenaufschlag und scheues Geflüster gehen nicht. Zum 25. Todestag der Prinzessin kommt mit „Spencer“ spröde, anspruchsvolle Kunst in die Kinos.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Spencer“
Deutschland / GB 2021
111 min
Regie Pablo Larrain

alle Bilder © DCM

LAST NIGHT IN SOHO

LAST NIGHT IN SOHO

Huch, you didn‘t see that coming: „Last Night in Soho“ ist Mode trifft Zeitreise trifft Horror. Dorfkind Eloise kommt nach London, um Fashion Design zu studieren (was auch sonst 2021?). Ihr erstes eigenes Zimmer bezieht sie zur Untermiete bei Miss Collins. Die Einrichtung im 60er-Jahre-Stil ist ganz nach ihrem Geschmack, denn Ellie lebt eindeutig im falschen Jahrhundert. Nachts träumt sie von Sandy, einer Sängerin im London der Swinging Sixties: die Kleider sind von Mary Quant, im Kino läuft James Bond mit Sean Connery und der berühmte Nachtklub „Café de Paris“ ist gleich um die Ecke. Doch als sich Traum und Wirklichkeit immer mehr vermischen, gerät Ellie in große Gefahr.

Wäre Alfred Hitchcock 75 Jahre später zur Welt gekommen, würde er heute vielleicht ähnliche Filme wie Edgar Wright drehen. Der britische Regisseur schuf 2004 mit „Shaun of the Dead“ einen modernen Klassiker und begeisterte 2017 mit „Baby Driver“ sowohl Kritiker als auch Publikum. Sein neues Werk ist eine wilde Mischung aus Zeitreise-Fantasy, Love Story und düsterem Psychothriller. Man fragt sich – vor allem gegen Ende – ob das nun alles vollkommen absurd oder absolut genial ist. Von ein paar Längen abgesehen, bietet „Last Night in Soho“ vor allem tolles 60er-Jahre-Feeling. Und wie die Geschichte von harmlos-nett zu waschechtem Horror mutiert, das ist ungewöhnlich und höchst unterhaltsam.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Last Night in Soho“
USA 2021
117 min
Regie Edgar Wright
Kinostart 11. November 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany