The Assassment

THE ASSESSMENT

The Assassment

THE ASSESSMENT

In der nahen Zukunft müssen Paare einen Test bestehen, bevor sie Kinder bekommen dürfen – eine Idee, die auch in der Prenzlauer-Berg-Realität sinnvoll erscheint.

Ab 03. April 2025 im Kino

„Companion“, „Baby to go“, „Dream Scenario“, „Little Joe“, „Press and play Love again“ und nun THE ASSESSMENT. Man möchte die Leser ja nicht mit dem einhundertzwanzigsten Vergleich zur britischen Serie „Black Mirror“ langweilen – aber was soll man machen, wenn mit THE ASSESSMENT der einhundertzwanzigste Film in die Kinos kommt, der sich wie eine Doppelfolge der dystopischen Serie anfühlt?

The Assassment

Mia (Elizabeth Olsen) und Aaryan (Himesh Patel) halten sich für die perfekten Eltern, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Während sie naturverbunden in einem Gewächshaus an Pflanzen experimentiert, zieht er sich regelmäßig in virtuelle Welten zurück, um dort möglichst lebensechte Haustiere zu erschaffen. Über ihre Eignung als Eltern entscheidet eine sogenannte „Gutachterin“. Virginia (Alicia Vikander) quartiert sich für sieben Tage bei den beiden ein und stellt ihnen unbequeme Fragen.

The Assassment

Eine der vielen cleveren Ideen des Films: Ab Tag zwei verhält sich Virginia wie ein Albtraum-Kleinkind – inklusive aller dazugehörigen Schrecken. Schließlich sollen Mia und Aaryan beweisen, dass sie auch in Stresssituationen die Nerven behalten. Alicia Vikander spielt diese nervtötende Göre im Erwachsenenkörper großartig.

The Assassment

Neben der starken Besetzung ist es vor allem das ungewöhnliche Setting, das THE ASSESSMENT zu einem besonderen Film macht. Statt in einer aalglatten Zukunftswelt spielt ein Großteil der Geschichte auf einer rauen, kanarisch anmutenden Insel in einem minimalistischen 60er-Jahre-Haus – gespickt mit modernem Hightech-Schnickschnack. Das Drehbuch nutzt dabei das Sci-Fi-Genre geschickt, um relevante Themen wie Klimawandel, Elternschaft und Elitedenken anzusprechen.

Problematisch ist allein das nicht enden Wollende. Der Film ist in sieben Kapitel unterteilt – eins pro Testtag. Eine ohnehin unglückliche Struktur, denn egal, wie spannend die Geschichte ist, das strikte Abarbeiten dieser Kapitel sorgt eher für Ermüdung. Immerhin überraschend: Nach dem siebten Kapitel ist nicht Schluss. Stattdessen beginnt fast ein neuer Film, das Setting wechselt, die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung. Das hätte locker für zwei „Black Mirror“-Folgen gereicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Assessment“
GB / Deutschland / USA 2024
114 min
Regie Fleur Fortuné

The Assessment

alle Bilder © capelight pictures

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A Real Pain

A REAL PAIN

A Real Pain

A REAL PAIN

A REAL PAIN – Ein bittersüßes Roadmovie mit Kieran Culkin und Jesse Eisenberg

Ab 16. Januar 2025 im Kino

Manche Filme sind wie ein gemütlicher Spaziergang – andere wie ein Marathon mit einem Stein im Schuh. A REAL PAIN, Jesse Eisenbergs zweite Regiearbeit, gehört eindeutig zur letzteren Kategorie. Der Titel ist Programm: Dieser Film tut weh – und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Kieran Culkin spielt Benji, eine Mischung aus schmerzhaft peinlichem Quälgeist und verletzter Seele, die das Publikum genauso herausfordert wie die Figuren um ihn herum.

A Real Pain

Die Handlung klingt simpel: Zwei ungleiche Cousins – Culkin als nerviger Draufgänger Benji und Eisenberg als verklemmter Neurotiker David – reisen nach Polen, um auf den Spuren ihrer verstorbenen Großmutter zu wandeln. Doch was als Gedenkreise beginnt, wird schnell zu einem Chaos aus familiären Spannungen, peinlichen Momenten und unerwarteten Einsichten. Eisenberg, der auch das Drehbuch geschrieben hat, nutzt die Tour durch die Vergangenheit, um mit schwarzem Humor und einem Hauch Melancholie Familientrauma aufzuarbeiten.

A Real Pain

Culkin stiehlt dabei – wenig überraschend – jede Szene. Sein Benji ist ein Typ, der einen zu Tode nervt – und dann plötzlich mit einer überraschenden Geste der Zärtlichkeit die Herzen gewinnt. Es ist, als hätte er seine Rolle aus „Succession“ noch ein Stück weitergedreht: lauter, anstrengender, aber auch verletzlicher. Eisenberg dagegen bleibt seinem Markenzeichen treu und spielt den überforderten, intellektuellen Stadtneurotiker perfekt.

A Real Pain

A REAL PAIN ist witzig, berührend und manchmal schwer auszuhalten – genau wie echtes Familienleben. Die Balance zwischen Komödie und Tragödie gelingt Eisenberg gut: Man lacht über Benjis Dreistigkeit, spürt aber auch die tiefer liegenden Risse, die all das Chaos antreiben. Der Film ist ein Roadtrip, eine Familiengeschichte und eine kleine Lektion in Empathie – mal leicht, mal schmerzhaft. Als Zuschauer ist man nie sicher, ob das berührt oder nervt. Vermutlich beides.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Real Pain“
USA / Polen 2024
90 min
Regie Jesse Eisenberg

A Real Pain

alle Bilder © The Walt Disney Company Germany

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Nathalie - Überwindung der Grenzen

NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN

Nathalie - Überwindung der Grenzen

NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN

Zahme Schweizer Politkomödie zum Thema Flüchtlingskrise.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Nathalie Adler (Isabelle Carré) arbeitet für die Europäische Union und soll für den französischen Präsidenten Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel einen Besuch in einem Flüchtlingslager auf Sizilien organisieren. Aber weil es da viel zu ordentlich aussieht, werden für den dramatischen Effekt hektisch marode Zelte aufgebaut und Schmutz verteilt. Während der Arbeiten trifft Nathalie ihren Sohn wieder, den sie vor neun Jahren verlassen hatte.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Kurios wird es, als die Delegierten aus Berlin und Paris einen ausgewählten Vorzeigeflüchtling kritisieren, weil er zu eloquent spricht. Besonders sein fließendes Französisch wird beanstandet. „Bitte etwas zögerlicher reden“ wird ihm nahegelegt, um vor den Fernsehkameras mehr Mitgefühl zu erzeugen. Von zynischem Humor wie diesem hätte der Film gut mehr vertragen, der Rest ist für eine politische Satire überraschend zahm.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Nathalies Sohn Albert (Théodore Pellerin) hingegen ist wütend und stellt die gesamte Politik an den Pranger. Als engagiertes Mitglied einer NGO gibt der Einundzwanzigjährige einer kritischen Journalistin vertrauliche Informationen zur europäischen Asylpolitik weiter, vor allem, um damit seiner verhassten Mutter zu schaden. Die hatte ihn im Alter von 12 beim Vater zurückgelassen und war mit einer Frau durchgebrannt. Neben Hauptdarstellerin Isabelle Carré ist der junge Kanadier Théodore Pellerin das andere Highlight des Films: eine Entdeckung. Demnächst ist er in der Disney+-Serie BECOMING LAGERFELD als dessen große Liebe Jacques de Bascher zu sehen.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Flüchtlingskrise, Boatpeople, Mutter-Sohn-Konflikt, lesbische Liebe, Politik: Regisseur Lionel Baier packt zu viel in 84 Minuten. NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN bietet einige gute Momente und starke schauspielerische Leistungen, aber insgesamt bleibt die Mischung aus Familiendrama und Politsatire zu harmlos.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La Dérive des continents (au sud)“
Schweiz / Frankreich 2022
84 min
Regie Lionel Baier

Nathalie - Überwindung der Grenzen

alle Bilder © W-FILM / Les Films du Losange

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Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

HINTER GUTEN TÜREN ist Julia Beerholds Auseinandersetzung mit der eigenen Familie. Ihr Dokumentarfilm deckt schmerzhafte Erinnerungen auf.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Hinter guten Türen

Ein junges Mädchen steht mit Tränen in den Augen vor seinem Vater, einem erfolgreichen Unternehmer. Er schlägt ihr ins Gesicht, obwohl sie nicht weiß, was sie falsch gemacht hat. Anschließend holt der Vater die Kamera und fotografiert seine weinende Tochter – eine verstörende Erinnerung für das Familienalbum.

Die Abgründe hinter den Türen

Die Schauspielerin und Regisseurin Julia Beerhold hat einen Film über ihre Kindheit und Jugend in den 1960er und 70er-Jahren gedreht, in der Prügel für sie und ihren Bruder zum Alltag gehören. Vielleicht noch schlimmer als die körperliche Gewalt des Vaters ist die emotionale Kälte der Mutter. „Dann ward ihr da und dann war gut“, antwortet die alte Frau auf die Frage ihrer erwachsenen Tochter, warum sie trotz des Wunsches nach Kindern immer so distanziert war. „Ich habe mir gesagt, ich bin eine alte Mutter und nein, nein, die Kinder dürfen dich nicht zu sehr lieben. Wenn Du stirbst, ist das sonst zu schlimm für sie.“ Eine verdrehte Rechtfertigung der über 90-Jährigen. Die eigene Gefühllosigkeit tut sie als „Macke“ ab.

Hinter guten Türen

Wie oft denkt man selbst, man müsste ein Buch schreiben oder einen Film über das Leben der Eltern machen. Julia Beerhold hat es einfach getan. Ihre autobiografische Dokumentation schildert die Geschichte ihrer Kindheit, die von Liebe und Förderung ihrer Eltern geprägt ist, aber auch von Brutalität überschattet wird. Nicht ohne Konsequenzen: Mit elf Jahren beginnt sie zu trinken, später kommen Drogen dazu, drei Selbstmordversuche folgen.

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN erzählt keinen Einzelfall. Bei den meisten Familien würde sich ein Blick in die Abgründe hinter den Türen lohnen. Beerholds reduzierte Dokumentation ist zwar handwerklich simpel gemacht, dafür inhaltlich umso komplexer. Schicht um Schicht legt sie die Erinnerungen frei, ohne sich dabei selbst zu schonen. Am Ende muss sie erkennen, dass sie als Jugendliche ähnlich grausam wie ihre Eltern war und den Schmerz an ihre beste Freundin weitergegeben hat.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
79 min
Regie Julia Beerhold

Hinter guten Türen

alle Bilder © mindjazz pictures

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THE FAREWELL

Oma liegt im Sterben und so versammelt sich die gesamte Familie noch mal zum Abschiednehmen in China. Die Todkranke soll nichts von ihrem baldigen Ableben erfahren, deshalb bekommt sie eine Lüge aufgetischt: Als Grund für das Familientreffen wird die hastig organisierte Hochzeit des Enkelsohns vorgeschoben. Eine schwierige Situation, vor allem für die aus New York angereiste Enkeltochter Billi. Der fällt das Lügen besonders schwer, denn sie liebt ihre Nai Nai (Mandarin für Großmutter) über alles. 

„The Farewell“ beginnt mit dem Satz „Basierend auf einer wahren Lüge“. Gleich danach wird ein Telefonat zwischen Billi in New York und ihrer Nai Nai in China gezeigt: 

„Trägst Du eine Mütze?“ „Ja“, sagt Billi beruhigend (natürlich trägt sie keine). 

„Bist Du zu Hause?“ „Ja“, lügt Nai Nai (ist sie nicht, sie ist im Krankenhaus).

Der Mensch lügt bis zu 200 mal am Tag. Ohne Böswilligkeit werden die „white lies“ oder Notlügen ausgesprochen, um den anderen nicht zu beunruhigen oder zu verletzen. In China geht man da noch weiter. Dort wird Todgeweihten selbst von Ärzten aus Respekt bisweilen die Wahrheit verschwiegen.

Sterbende Oma, weinende Enkel, Hochzeit – In den Händen einer weniger fähigen Filmemacherin hätte das Ganze auch zu einem Kitschfest ausarten können. Doch Regisseurin Lulu Wang ist ein berührender, witziger und kluger Film über Familiendynamiken gelungen. Sie erzählt hier ihre eigene Geschichte. Auch ihre Großmutter war erkrankt, auch ihre Familie beschloss, die Diagnose zu verheimlichen.

Die Besetzung der Hauptrolle Billi mit der amerikanischen Rapperin Awkwafina ist ein Glücksfall. Nach „Crazy Rich Asians“ zeigt sie hier, dass ihr zurückhaltendes und vielschichtiges Spiel ebenso liegt wie Comedy.

FAZIT

Gute Mischung aus Humor und Drama, gleichzeitig ein warmherziger Einblick in chinesische Familienverhältnisse.

Originaltitel „The Farewell“
USA / China 2019
100 min
Regie Lulu Wang
Kinostart 19. Dezember 2019

AUSGEFLOGEN

Ooooooh! Was Hundewelpen im Tierreich sind, ist „Ausgeflogen“ für Kinofilme. Weich, knuddelig und herzerwärmend. Héloïse ist geschieden, Mutter dreier Kinder und Besitzerin eines Restaurants. Die beiden Älteren sind aus dem Haus, nun ist die Jüngste kurz davor, zum Studium nach Kanada zu ziehen. Küken müssen das Nest verlassen – ein notwendiger Schritt, der bei Héloïse eine existenzielle Krise auslöst.

Ein wenig erinnert „Ausgeflogen“ an „Boyhood“. Wie in Linklaters Film geht es auch hier um Familiendynamik, Loslassen und Erwachsenwerden. Die Erzählung wechselt dabei mit Leichtigkeit zwischen zwei Zeitebenen: dem heutigen Paris und dreizehn Jahre in die Vergangenheit, kurz nach dem Scheitern von Héloïse‘ Ehe.

Regisseurin Lisa Azuelos hat schon mit „LOL“ (zunächst als französische, später als US-Version) eine ähnlich charismatische Komödie vorgelegt. Timing, Charakterzeichnung und Tempo sind perfekt, Hauptdarstellerin Sandrine Kiberlain ist als liebenswerte Mutter zugleich komisch und berührend. 

FAZIT

Es geht zwar im Grunde um nichts, aber dieses Nichts wird in angenehm kurzweiligen 87 Minuten sehr charmant beschrieben.

Originaltitel „Mon Bébé“
Frankreich 2019
87 min
Regie Lisa Azuelos 
Kinostart 18. Juli 2019

Vollblüter

FASZINIERENDER THRILLER

Teenager Lilly ist freundlich, hilfsbereit und hat das Aussehen einer Porzellanpuppe. Zusammen mit ihrer Mutter lebt sie im Luxusanwesen ihres reichen Stiefvaters. Ihre beste Freundin heißt Amanda: große Augen, niedliches Gesicht, hochintelligent. Perfekte Upperclass-Welt in Connecticut. Soweit der erste Eindruck.

Doch hinter der repräsentativen Fassade verbirgt sich eine dysfunktionale Familie. Stiefvater Mark schleicht wie ein Sittlichkeitsverbrecher durchs Haus und macht Lilly das Leben schwer. Nicht weiter verwunderlich, dass sie ihn zutiefst verachtet. Die Mutter brät stundenlang im Solarium, da der Gatte „einen dunkleren Teint bevorzugt“. Und Amanda hat in Wahrheit das Gefühlsleben eines Roboters. Problemlos kann sie wahlweise Tränen oder ein perfekt einstudiertes Lächeln abrufen. Je mehr Zeit die beiden Freundinnen miteinander verbringen, desto mehr versuchen sie, sich gegenseitig zu manipulieren. In vier Kapiteln legt der Film Schicht um Schicht den verrotteten Kern frei, bis es zur Katastrophe kommt.

MACHART

Schon mit der ersten Szene entwickelt „Vollblüter“ seine düstere Sogkraft. Nachts, ein Mädchen, ein Pferd, ein Messer. Unheilvoll. Damit ist die Stimmung für den ganzen Film gesetzt. Ständige Bedrohung liegt in der Luft. Die ruhigen, eleganten Kameraeinstellungen, kombiniert mit dem Knistern und Knacken der nervenaufreibenden Musik erzeugen eine konstante Spannung.

„Vollblüter“ funktioniert gleichermaßen als dunkle Komödie und Thriller. Die wahre Bedrohung ist nicht der Stiefvater, sondern versteckt sich hinter den maskenhaft-hübschen Gesichtern der Hauptdarstellerinnen. Somit ist die Geschichte perfekt auf Olivia Cooke und Anya Taylor-Joy zugeschnitten, denen in ihren Rollen jegliche Emotion und Empathie abgeht. Zwei eiskalte Mörderinnen in hübscher Verpackung.

FAZIT

Cory Finley liefert mit der Verfilmung des von ihm verfassten Bühnenstücks „Thoroughbreds“ sein beeindruckendes Regiedebüt ab. Präzise und souverän inszeniert. Eine Entdeckung.

USA 2018
Regie Cory Finley
92 min
Kinostart 09. August 2018