Der goldene Handschuh

Im Hamburg, St. Pauli der 1970er-Jahre treibt ein Frauenmörder sein Unwesen: Fritz Honka, ein erschreckend hässlicher Mann, der über Jahre hinweg ältere Prostituierte und Alkoholiker*innen aus der Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“ abschleppt, um sie dann in seiner Wohnung abzumurksen. Die zerstückelten Leichen versteckt er nach getaner Arbeit hinter der Wandverkleidung. Gegen den Verwesungsgeruch wirft er Duftbäumchen auf die Leichenteile. Wahre Geschichte – nicht schön.

Im Gegensatz zum Berlinalegewinner „Gegen die Wand“ (2004) ist Regisseur Fatih Akin mit der Verfilmung des Heinz Strunk Bestsellers kein guter Film geglückt. Die Darsteller überzeugen, doch die Inszenierung wirkt seltsam theaterhaft-künstlich und hat zwischendurch ganz schön Längen. Der goldene Handschuh ist unappetitlich wie ein Splattermovie anzusehen, doch für sein Thema erstaunlich unspannend erzählt.
Dass dem Film Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wird, ist albern, denn keinesfalls werden hier die weiblichen Figuren schlechter als die männlichen dargestellt. Das Leben aller Protagonisten ist gleichermaßen freudlos. Genauso freudlos, wie diesen Film anzusehen.

FAZIT

Garstige Menschen machen garstige Dinge in garstiger Umgebung.

Deutschland / Frankreich 2019 
115 min
Regie Fatih Akin
Kinostart 21. Februar 2019

Top & Flop ● Marighella ● Amazing Grace

Persönliche Gewinner- und Verliererliste: 
TOP 
Di jiu tian chang (So long, my son) ★★★★★
Systemsprenger ★★★★
La paranza dei bambini ★★★★
Grâce à Dieu ★★★★
God Exists, Her Name Is Petrunija ★★★★

FLOP
Ich war zuhause, aber 

Das war’s mit der Berlinale 2019!
Am 20. Februar geht es bei framerate.one mit der Besprechung zu „Mein Bester & Ich“ weiter.

Marighella

Es lebe die Revolution! Das Timing könnte kaum besser sein: Gerade sorgt sich die Welt, was aus Brasilien unter der Führung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro werden soll, da zeigt die Berlinale dieses Biopic über die Gefahren einer Diktatur.
Auf den Putsch 1964 gegen die demokratisch gewählte Regierung folgten in Brasilien 21 Jahre Militärdiktatur. Die Presse wurde zensiert, Oppositionelle verhaftet, gefoltert und getötet. Mitte der 1960er-Jahre gründete Carlos Marighella eine bewaffnete Widerstandsgruppe, die in den kommenden Jahren den Kampf gegen den Staat aufnahm.
Die Rollen sind klar verteilt: hier die intellektuellen, aufrechten Revolutionäre, da die sadistischen, dauerfluchenden Putschisten. Für Zwischentöne interessiert sich Regisseur Wagner Moura weniger. 
Auch wenn’s ein bisschen schwarz-weiß gemalt ist, der Film ist ein sehr eindringliches Porträt, das klar Stellung bezieht. Mit viel Empathie setzt sich das Drama mit den persönlichen Schicksalen der Revolutionäre und der Opfer, die sie im Kampf gegen die Diktatur bringen mussten, auseinander. Der Schriftsteller und überzeugte Marxist Marighella wurde zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt. Sein Leben endete 1969 mit der Ermordung durch die brasilianische Militärjunta.

Brasilien 2019 
155 min
Regie Wagner Moura

Amazing Grace

Erfrischend, in Zeiten, in denen jeder Telefonbesitzer perfekt stabilisierte und farbkorrigierte 4K-Filme produzieren kann, eine so roughe, handgemachte Doku auf der großen Leinwand zu sehen. 
Aretha Franklin nahm 1972 gemeinsam mit dem Southern California Community Choir in Los Angeles ihr legendäres Album „Amazing Grace“ auf. Es wurde zum erfolgreichsten Gospelalbum aller Zeiten.
Dass dieser Film fast 50 Jahre nach seiner Entstehung doch noch in die Kinos kommt und jetzt auf der Berlinale seine Premiere feiert, grenzt an ein Wunder. Nach den Dreharbeiten ließen sich die Ton- und Bildaufnahmen nicht synchronisieren. Die technischen Möglichkeiten waren Anfang der 1970er-Jahre begrenzt. Später folgte ein Rechtsstreit mit Aretha Franklin. Die nun vorliegende Version ist genau so, wie sie von Regisseur Sydney Pollack seinerzeit geplant war. Keine nachträglich eingefügten Interviews, kein Making-of, kein Schnickschnack – nur Bilder von einem mitreißenden Konzert.
Für Fans ein Muss.

USA 2019 
87 min
Regie Syney Pollack

Di jiu tian chang ● Photograph ● Lampenfieber

Der Fluss der Zeit ist relativ: Mit Fortschreiten der Berlinale werden die Filme immer länger – so fühlt es sich jedenfalls an. Man schaut auf die Uhr und erschreckt – gerade erst 45 Minuten sind vergangen. Diesbezüglicher Höhepunkt: Celle que vous croyez mit Juliette Binoche. Nach knapp einer Stunde hat die Geschichte ein befriedigendes Ende gefunden, gleich muss der Abspann kommen…doch dann geht’s erst richtig los!
Kinozeit läuft also langsamer.
Einerseits.
Andererseits war der narkoleptische Sekundenschlaf während Öndöng so erfrischend, wie sonst nur ein dreistündiger Mittagsschlaf sein kann.

Di jiu tian chang (So Long, My Son)

Na also! Am vorletzten Tag hat die Berlinale 2019 noch einmal einen richtig guten Film im Programm. Das dreistündige Melodram von Wang Xiaoshuai erzählt mit beeindruckender Beiläufigkeit und großer Ruhe eine Familiengeschichte, die sich über 30 Jahre erstreckt.
Der Weg vom Glück ins bodenlose Unglück dauert oft nur einen Augenblick. Für Yaojun und seine Frau Liyun ist es der Moment, in dem sie ihren Sohn Xingxing verlieren. Der Junge ertrinkt beim Spielen am Ufer eines Stausees. Nach dieser Tragödie zieht das Paar in die südchinesische Provinz und adoptiert dort einen Jungen, sozusagen als Ersatzkind. Doch die unausgesprochenen Schuldgefühle und die betäubende Trauer lassen auch dieses neue Leben beinahe scheitern.
Di jiu tian chang ist ein verschachtelt erzähltes Porträt chinesischer Geschichte, von den 1980er-Jahren bis zum anstrengenden Turbokapitalismus der Gegenwart reichend. Gekonnt wird hier die private Tragödie der Eltern mit der gigantischen gesellschaftlichen Veränderung Chinas verknüpft. Ein kleiner großer Film, der zutiefst berührt.

Volksrepublik China 2019
180 min
Regie Wang Xiaoshuai

Photograph

Der neue Film von Ritesh Batra. Im vergangenen Jahr überzeugte der Regisseur mit der sehr gelungenen Romanverfilmung „A sense of an ending“, seinem zweiten englischsprachigen Film nach „Lunchbox“ (2013). Mit Photograph kehrt er nun zu seinen indischen Wurzeln zurück. Straßenfotograf Rami soll von seiner Großmutter zwangsverheiratet werden. Als er eines Tages zufällig die junge Miloni trifft, fragt er sie, ob sie sich als seine Freundin ausgeben könnte. Das schüchterne Mädchen willigt ein.
Photograph ist eine bittersüße, aber recht harmlose Romanze über zwei Menschen von unterschiedlicher Herkunft. Gewöhnungsbedürftig ist die Besetzung der beiden Hauptdarsteller: „Rafi“ Nawazuddin Siddiqui, sonst in Indien eher als Actionstar bekannt, könnte locker als Vater von Sanya Malhotras „Miloni“ durchgehen.

Indien / Deutschland / USA 2019 
110 min
Regie Ritesh Batra

Lampenfieber

Da, wo man so unbequem wie nirgends sonst bei der Berlinale sitzt, spielt der neue Dokumentarfilm von Alice Agneskirchner: im Berliner Friedrichstadt-Palast. Die Filmemacherin wirft einen Blick hinter die Kulissen der größten Theaterbühne der Welt. (Der Welt! Is so, isch schwöre!)
Lampenfieber ist ein sehr konventionell gemachter Film, der die Herausforderungen bei der Arbeit mit Kindern artig abarbeitet: das erste Casting, die intensive Probenzeit, die bejubelte Premiere der Kinder- und Jugendshow „Spiel mit der Zeit“. Dazwischen gestreut gibt’s die üblichen Besuche zu Hause und ein paar Interviews. „Rhythm is it!“ oder die Langzeitdoku „Adrians großer Traum“ hatten da deutlich mehr Tiefe und waren mutiger gemacht. Immerhin sind die sechs angehenden Kinderstars, deren persönliche Entwicklung, Frust und Freude der Film zeigt, gut ausgewählt. Von unbedarft über herzerwärmend bis altklug ist alles dabei. Heimlicher Star ist jedoch die Tanzlehrerin Christina Tarelkin – so patent, mit der möchte man abends mal ein Bier trinken gehen.

Deutschland 2019 
92 min
Regie Alice Agneskirchner 

Varda par Agnès ● Elisa y Marcela ● Synonymes

Bester Platz im Berlinalekino am Potsdamer Platz: Reihe 17, Mitte rechts, viel Beinfreiheit.
Schlechtester Platz: Friedrichstadtpalast, egal wo. Folter.

Varda par Agnès (Varda by Agnès)

Spielfilmregisseurin, Dokumentarfilmerin, Fotografin, Künstlerin: Agnès Varda ist eine echte Lotte und wird oft als Schlüsselfigur des modernen Kinos bezeichnet. Dieses kurzweilige Portrait erlaubt tiefe Einblicke in ihr Schaffen und illustriert, wie sie zur Institution des französischen Kinos wurde. Von den analogen Zeiten der Nouvelle Vague bis zum digitalen Kino 2018 – die gebürtige Belgierin ist als Regisseurin schon seit 1954 im Geschäft. Varda par Agnès, die bewegenden Lebenserinnerungen einer faszinierenden und neugierig gebliebenen Frau, die sich immer mehr für andere als für sich selbst interessiert hat.

Frankreich 2018
115 min
Regie Agnès Varda 

Elisa y Marcela (Elisa und Marcela)

„Zärtliche Cousinen“ in schwarz-weiß. Die neue Netflix-Produktion Elisa y Marcela erregt gerade die Gemüter, weil der Streaming-Riese es mal wieder (nach „Roma“) gewagt hat, einen Kinofilm zu produzieren, der dann nicht im Kino läuft. Aber eben auf der Berlinale – und dann im Wettbewerb! Skandal!
„Mehrere Kinobetreiber haben den Ausschluss des Films aus dem Wettbewerb der Berlinale gefordert.“
(Tagesspiegel vom 11.02.2019)
Worum geht’s? Lesbische Liebe im erzkatholischen Spanien des angehenden 20. Jahrhunderts. Marcela (Greta Fernández) und Elisa (Natalia de Molina) feierten 1901 die erste gleichgeschlechtliche Heirat in Europa. Natürlich nicht einfach so als Braut und Braut – Marcela nahm die Identität eines Mannes an, um ihre Freundin zu heiraten. Auch dieser Film basiert auf einer wahren Geschichte.
Wenn Roma Kunst ist, dann ist Elisa y Marcela bestenfalls Kunsthandwerk. Die Bildkompositionen erinnern oft an kitschige Kalenderfotos. Und vieles, was ergreifend gemeint ist, wirkt unfreiwillig komisch. Das Pressepublikum kommentierte vor allem die softpornografischen Liebesszenen, bei denen ein toter Oktopus, Algen und natürlich die unvermeidliche, über den Körper rinnende Milch eine Rolle spielen, mit hämischem Gelächter. Bei all der Aufregung um Netflix vs. Kino hat es doch einen großen Vorteil, den Film online schauen zu können: Einfach vorspulen zur gelungeneren zweiten Hälfte von Elisa y Marcela.

Spanien 2018
113 min
Regie Isabel Coixet

Synonymes (Synonyme)

Dies ist die Geschichte eines jungen Israelis in Paris. Yoav will seine Wurzeln abschlagen, nichts soll mehr an seine Vergangenheit erinnern. Er weigert sich, auch nur ein einziges hebräisches Wort zu sprechen. Wie er mit seinem niedlich-debil-geilen Gesichtsausdruck, französische Vokabeln brabbelnd, durch die Straßen von Paris irrt, erinnert er fast ein bisschen an Joey Heindle, der den Weg zum Dschungeltelefon sucht. Synonymes ist einer der Filme, bei denen man sich zwischendurch fragt: Was genau soll das? Es ist mehr eine Aneinanderreihung von Begebenheiten, als ein strukturierter Film. Doch genau das hat einen schrägen Unterhaltungswert.

Frankreich / Israel / Deutschland 2019 
123 min
Regie Nadav Lapid

Ich war zuhause, aber ● La paranza dei bambini ● L’adieu à la nuit ● O Beautiful Night

Jetzt regen sich Journalisten und Zuschauer auf, Fatih Akins‘ neuer Film sei frauenfeindlich.
Meine Güte, es geht um Frauenmorde – frauenfeindlicher geht’s ja schon per Definition nicht!
Dass „Der goldene Handschuh“ kein guter Film ist, ist dann noch mal ein anderes Thema.

Alter Gag: der Protagonist geht über die Straße, man ahnt nichts Böses, und wird RUMMS überfahren. Die Szene kommt gefühlt in jedem zweiten Berlinale-Film vor.

Ich war zuhause, aber

Seit Tagen parkt ein Minibus von ZDFneo am Potsdamer Platz. Ist Jan Böhmermann vor Ort und plant einen Coup? Will er die Berlinaleverantwortlichen bloßstellen und sich über den Kulturbetrieb lustig machen? Wie hat er es nur geschafft, „Ich war zu Hause, aber“ in den Wettbewerb zu schleusen?
Anders ist es nicht zu erklären, dass diese Persiflage (als solche ist sie doch gemeint, oder???) ernsthaft als Beitrag auf der Berlinale läuft. Somnambule Schauspieler tragen mit hohler Stimme Sätze vor wie: „Dann erkannte ich, dass er ein Heizkörper ist. (Pause) Aber Heizkörper sehen anders aus…(Pause) Ich bin froh, dass Sie sein Lehrer sind…“. Nein, das muss man nicht verstehen. Es könnte sich aber auch um ein Lehrvideo für Sprachstudenten handeln. Die überartikulierten Sätze bleiben hallend in der Luft hängen, gerade lange genug, sodass die Schulklasse die entsprechende Übersetzung im Chor aufsagen kann: „I realized, he was a radiator“. Auweia.

Deutschland / Serbien 2019
105 min
Regie Angela Schanelec

La paranza dei bambini (Piranhas)

Der gerade mal 15-jährige Nicola übernimmt mit seiner Jungsgang die Herrschaft im Viertel Sanità in Neapel. Kohle, Designerklamotten und die neuesten Sneaker: das ist es, was zählt. Vom schnellen Reichtum geblendet, verlieren sie bald jegliche Skrupel. Was ist schon ein Menschenleben wert? In ihrer Welt geht es allein um Geld und Macht. La paranza dei bambini zeigt das hoffnungslose Bild einer Jugend mit den falschen Werten. Besonders beeindrucken die Laiendarsteller, die ihre Rollen als Minimafiosi mehr als überzeugend spielen. Der Krieg der Knöpfe ist trotz seines sozialkritischen Themas ausgesprochen unterhaltsames Kino. Guter Film!

Italien 2018
110 min
Regie Claudio Giovannesi

L’adieu à la nuit (Farewell to the Night)

Wie schön kann das Leben sein? Muriel hat eine Reitschule, betreibt eine Kirschbaumplantage und sieht aus wie Catherine Deneuve. Eines Tages kommt ihr Enkel Alex zu Besuch, der sich angeblich auf dem Weg nach Kanada befindet. Schon bald bemerkt Muriel, dass Alex sich verändert hat. Er ist zum Islam konvertiert und verhält sich ihr gegenüber seltsam distanziert. Nach und nach erkennt sie seine wahren Absichten.
Die Geschichte von der Oma, die zu drastischen Mitteln greift, um die IS-Karriere ihres Enkels zu verhindern, ist nicht frei von Klischees: hier die fröhlichen, Rotwein trinkenden Franzosen, da die verbissenen Moslems, immerzu am Predigen. Der Film ist in Kapitel unterteilt: 1. Frühlingstag, 2. Frühlingstag usw., das zieht sich zwischendurch etwas und man fragt sich, wieviele Tage hat so ein Frühling eigentlich? Problematisch ist auch die Figur des Alex. Er bleibt zu unsympathisch, weshalb man der eleganten Catherine nur halbherzig die Daumen für ihre Rettungsmission drückt. Naja.

Frankreich / Deutschland 2019 
104 min
Regie André Téchiné

O Beautiful Night

Wong Kar-Wai meets Himmel über Berlin: Das Spielfilmdebüt des Illustrators Xaver Böhm erzählt die ungewöhnliche Geschichte von Juri, einem jungen Mann, der jederzeit mit dem plötzlichen Herzstillstand rechnet. Ein klassischer Hypochonder.
Eines Nachts, die Brust schmerzt mal wieder, trifft er in einer Flipperkneipe auf einen trinkfesten Russen. Der behauptet, der TOD höchstpersönlich zu sein und stellt Juri vor die Wahl: „Willst Du sofort sterben oder vorher noch ein bisschen Spaß haben?“ Das mit dem Herzinfarkt kann dann doch noch warten und so begeben sich die Beiden auf eine schräge Tour durch das nächtliche Berlin.
Kompliment an Kamerafrau Jieun Yi und die Postproductionfirma LUGUNDTRUG: So schön menschenleer und kunstvoll stilisiert hat man die Stadt selten gesehen.
Ungewöhnlicher, humorvoller, visuell herausragender Film. Sehenswert.

Deutschland 2019  
89 min
Regie Xaver Böhm


Répertoire des villes disparues ● Vice ● Skin ● Gospod postoi, imeto i’e Petrunija

Die Berlinale-Götter ausgetrickst! Kosslick sei Dank, gibt’s ja mehrere Chancen, die Wettbewerbsfilme zu sehen: in der Wiederholung dann doch den gestern versäumten Gospod postoi, imeto i’e Petrunija geschaut!
Dafür heute Kız Kardeşler (A Tale of Three Sisters) verpasst. Dann gewinnt halt der.
Schnee, Frost, Winter – nicht bei der Berlinale, aber immerhin im Kino, zum Beispiel bei:

Répertoire des villes disparues (Ghost Town Anthology)

„Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, werden die Toten auf der Erde wandern.“ So reißerisch wie die Werbung 1978 zu George A. Romeros „Dawn of the Dead“ ist dieser kanadische Low-Budget-Film nicht geworden. Dafür umso ungruseliger. Man kann den Titel „Ghost Town Anthology“ durchaus wörtlich nehmen: Die kleinen Käffer auf dem Land sind so verlassen, dass sie zu Geisterstädten werden. Damit es nicht ganz so leer ist, kommen immerhin die Toten zurück, stehen dann aber nur in der Gegend rum und schauen. Das erinnert sehr an die erste Staffel der französischen Serie „Les Revenants“.  Im Gegensatz zur brillanten Serie wirkt Répertoire des villes disparues mit seinem handgemachten Krissellook sehr unfertig, mehr wie das Layout zu einem Kinofilm. Passenderweise auf 16mm gedreht, da lacht das Cineastenherz.

Kanada 2018
96 min
Regie Denis Côté

Vice  (Vice – Der zweite Mann)

Vice erzählt die Geschichte von Dick Cheney, der vom kleinen Bürokraten zu einem der einflussreichsten Männer der Welt aufstieg. Als erster US-Vizepräsident hatte er fast mehr Macht als der Präsident selbst. Vice ist vor allem ein Christian Bale-Film. In guter alter Method-Tradition hat sich der Schauspieler für die Titelrolle etliche Pfunde angefuttert und sieht dem Original – Dank ausgezeichneter Maske – verblüffend ähnlich. Verdienterweise gab’s dafür schon den Golden Globe als Hauptdarsteller in einer Komödie. Vice ist ein seltsamer Zwitterfilm. Einerseits nicht spannend genug für ein Drama und andererseits in seinem Humor zu unentschlossen, um als bissige Satire durchzugehen. Das käme wohl dabei heraus, würde man Michael Moore ein Big Budget-Movie anvertrauen und ihm dann zu viel rein quatschen.

USA 2019
132 min
Regie Adam McKay

Skin

Tattoos sind Scheiße. Das Stechen tut weh, das Entfernen noch mehr. Diese Wahrheit muss Bryon am eigenen Leib erfahren. Nach seinem Entschluss, sich von seinen rassistischen White-Supremacy-Freunden loszusagen, wartet eine schmerzhafte Enttintungsprozedur auf ihn. Bei seinem Weg ins neue Leben helfen ihm ausgerechnet schwarze Menschenrechtsaktivisten und natürlich die Liebe, denn Freundin Julie hat mit dem Nazipack ebenso abgeschlossen. Die Geschichte vom Monster, das sich befreien will und es kaum schafft, seine Vergangenheit loszuwerden, ist spannend erzählt und geht unter die Haut (haha). Hervorragend besetzt, vor allem Jamie Bell (ja, der aus „Billy Elliot“) überzeugt als bekehrter Rassist. Skin basiert auf der wahren Lebensgeschichte von Bryon Widner.

USA 2019
117 min
Regie Guy Nattiv 

Gospod postoi, imeto i’e Petrunija (God Exists, Her Name Is Petrunya)

Petrunija ist komplett überqualifiziert – aber wer ist das heutzutage nicht? Ein abgeschlossenes Studium der Geschichte interessiert niemand, die Jobsuche bleibt erfolglos. Ihr Leben ändert sich schlagartig, als am Dreikönigstag, wie jedes Jahr, die jungen Männer nach dem heiligen Kreuz tauchen, das der Pfarrer in den eisigen Fluss geworfen hat. Petrunija macht spontan mit, ist schneller als alle anderen und holt sich die Trophäe. Aber sie hat nicht mit dem verletzten Stolz der Verlierer gerechnet. Die Machomeute tobt!
Macht diese Inhaltsangabe Lust den Film zu sehen? Nein? Zu Arthouse?
Überraschung: Tenor Strugar Mievska ist eine teils melancholische, teils wütende Satire über den heutigen Zustand der mazedonischen Gesellschaft gelungen. Und damit ein richtig guter Film – lustig, traurig und nachdenklich machend. Zum Glück doch noch gesehen!

Mazedonien / Belgien / Slowenien / Kroatien / Frankreich 2019
100 min
Regie Teona Strugar Mitevska

The Operative ● Mr. Jones

Schlapp gemacht, den ersten Film des Tages sausenlassen. Natürlich wird genau der den Goldenen Bären gewinnen. Also, hier die Prophezeiung – the winner will be: Gospod postoi, imeto i‘ e Petrunija
Heute wieder Regen, kein Schnee. Nicht mal das kriegt der Senat hin.

The Operative (Die Agentin)

Leipzig, Teheran und Köln sind die exotischen Schauplätze dieses mediokren Spionagethrillers.
Rachel wird im Auftrag des Mossad für eine Undercovermission nach Teheran entsandt. Dort verliebt sie sich in Farhad, den sie eigentlich ausspähen soll. Der Job wird immer gefährlicher, deshalb beschließt sie, auszusteigen. Ihr Kontaktmann Thomas soll sie nun schnellstmöglich finden (und gegebenenfalls kaltstellen), bevor sie den Israelis gefährlich werden kann.
The Operative ist eine einigermaßen spannend erzählte Spionagegeschichte, die fast komplett aus Rückblenden besteht. Umso unbefriedigender das Ende, da sich die zwei Stunden bis dahin wie ein langes Vorspiel anfühlen. Doch dann ist mitten in der Auflösung plötzlich Schluss. Es wird ansonsten viel geredet und die komplizierte Handlung erklärt, aber das schadet nichts, denn Nahost-Spionagefilme versteht man ja sowieso nie so richtig. Diane Kruger überzeugt als undurchschaubare Spionin und Martin Freeman sieht man sowieso immer gerne. Homeland fürs Kino. Allerdings war die Serie um einiges mutiger gemacht (wenigstens in den ersten drei Staffeln).

Deutschland / Israel / Frankreich / USA 2019
120 min
Regie Yuval Adler

Mr. Jones

Der junge Journalist Gareth Jones fährt auf eigene Faust 1933 in die Ukraine. Bei seiner Reise durchs Land erlebt er die Schrecken einer gewaltigen Hungersnot. Diese humanitäre Katastrophe soll nicht an die Öffentlichkeit dringen, denn sie ist Folge von Stalins Zwangskollektivierung der Landwirtschaft. Trotz der Drohung, seine inhaftierten Landsmänner zu ermorden, publiziert Jones nach seiner Rückkehr in den Westen seine erschütternden Entdeckungen und rüttelt damit die Weltöffentlichkeit auf.
Agnieszka Holland erzählt diese wahre Geschichte in drei Kapiteln. Auch wenn’s schön gedreht und inszeniert ist, der Anfang von Mr. Jones ist relativ zäh und langatmig. Doch darauf folgt der Mittelteil und es ist beinahe so, als hätte ein neuer Film begonnen. Die Reise des Walliser Journalisten durch die Ukraine ist eine packende Geschichtslektion:  seine Entdeckungen sind erschütternd, denn die hungernden Menschen waren gezwungen, sogar ihre Toten zu essen. Seinen Kampf, diese Geschichte überhaupt publizieren zu dürfen, zeigt dann der dritte Teil des Films. George Orwell soll durch die Enthüllungen zu seinem Buch „Die Farm der Tiere“ inspiriert worden sein. Wäre es kein Kinofilm, der Stoff hätte locker für eine 10-teilige Netflix-Serie gereicht.

Polen / Großbritannien / Ukraine 2019
141 min
Regie Agnieszka Holland

Der Boden unter den Füßen ● Ut og stjæle hester ● Der goldene Handschuh ● Celle que vous croyez

Zwei Beobachtungen: Frauen werden in Berlinalefilmen mehrfach beim Urinieren auf den Boden gezeigt. Und Männer haben problematische Penisse. Hoffentlich kein Trend.
Immer noch kein Schnee.

Der Boden unter den Füßen 

Lola, Ende 20, hat ihr Leben vermeintlich fest im Griff. Karriere geht ihr über alles, die Arbeit hat höchste Priorität. Mit der gleichen Disziplin wie ihren Job verwaltet sie auch ihr Privatleben. Deshalb soll möglichst keiner von der Existenz ihrer psychisch gestörten Schwester Conny wissen. Als die einen Selbstmordversuch unternimmt, droht auch Lolas Leben aus den Gleisen zu geraten. Denn die Paranoia ihrer Schwester schleicht sich langsam auch in ihr eigenes Leben.
Interessante Geschichte – und erfrischend, dass es in einem österreichischen Film mal nicht um im Keller weggesperrte Kinder geht. Atmosphäre und Spannung sind in diesem Fall wichtiger als eine simple Auflösung. So bleibt das Ende offen und lässt ein wenig ratlos zurück: War das alles nur in ihrem Kopf? 

Österreich 2019
108 min
Regie Marie Kreutzer

Ut og stjæle hester (Out Stealing Horses)

Norwegen, 1999: Witwer Trond hat sich aus der Stadt zurückgezogen und lebt abgeschieden auf dem Land. Eine Begegnung mit einem Nachbarn, in dem er einen alten Kindheitsgefährten wiedererkennt, löst Erinnerungen an seine Jugend aus. 1948 verbrachte er gemeinsam mit seinem Vater einen ganz besonderen Sommer in den Wäldern nahe der schwedischen Grenze. Lange Nachmittage, Holzhacken, Duschen im Sommerregen. Die Lieblichkeit wird jedoch jäh von einem brutalen Unfall zerrissen. Regisseur Hans Petter Moland erzählt ein Drama um Liebe, Verlust und lebenslange Schuldgefühle. In erster Linie bleiben aber die beeindruckenden Naturaufnahmen und vor allem das ausgezeichnete Sounddesign hängen. Es kracht, knirscht, krabbelt und summt, als wäre man selbst Teil des Waldes.
Wald – der Film. So schön die Bilder und der Sound, so zäh die Erzählweise. Nach einer Stunde setzt erste Ermüdung ein. Das Leben ist ein langer, harziger Fluß.

Norwegen / Schweden / Dänemark 2019
122 min
Regie Hans Petter Moland

Der goldene Handschuh 

St. Pauli war mal ein hartes Pflaster, bevor es zur harmlosen Amüsiermeile aufgeräumt wurde. In den 1970er-Jahren trieb dort ein Frauenmörder sein Unwesen: Fritz Honka, ein erschreckend hässlicher Mann, der über Jahre ältere Prostituierte und Alkoholiker*innen aus der Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“ abschleppte, um sie dann in seiner Wohnung abzumurksen. Die zerstückelten Leichen versteckte er nach getaner Arbeit hinter der Wandverkleidung. Nicht schön.
Zur letzten Kosslick-Berlinale gibt sich Fatih Akin noch einmal die Ehre. Nur ist dem Regisseur diesmal mit der Verfilmung des Heinz Strunk-Buchs von 2016 kein zweiter Bärenkandidat geglückt. Trotz überzeugender Darsteller wirkt die Inszenierung seltsam theaterhaft und künstlich und hat ganz schön Längen. Der goldene Handschuh ist zwar unappetitlich wie ein Splatterfilm, aber trotzdem erstaunlich unspannend erzählt. So freudlos wie das Leben der Protagonisten, so freudlos ist es auch, den Serienmorden zuzusehen.

Deutschland / Frankreich 2019 
115 min
Regie Fatih Akin

Celle que vous croyez (Who You Think I Am)

Wo ist mein iPhone? Nicht nur Teenager verlieren sich zusehends in der virtuellen Welt der Social Networks, auch reifere Semester sind vor dem Absturz ins digitale Nirwana nicht gefeit. Claire, 50, befreundet sich auf Facebook mit Alex, 29. Im Profil gibt sie sich als 24-Jährige aus, Alex zeigt sich interessiert. Aber nach ein paar Wochen hin- und hergechatte will er seine Traumfrau endlich treffen. Claire versucht, ihn auf Abstand zu halten, verliert sich aber zusehends im Sog der Parallelwelt, bis ein Unglück geschieht.
Die Geschichte (bzw. die Geschichten, denn es werden gleich mehrere Varianten erzählt) schwankt zwischen belanglos, ergreifend, komisch und kitschig. Mit leichter Hand inszeniert, aber nichts Weltbewegendes. Jurypräsidentin Juliette Binoche ist der Hauptgrund, diesen sanften Thriller-Liebesfilm anzuschauen, denn die ist fabuleux! 

Frankreich 2018
101 min
Regie Safy Nebbou

Systemsprenger ● Grâce à Dieu ● Öndög ● ACID

Natürlich stinken nicht alle Festivalbesucher. Aber viele. Anders ist der Geruch nach ungelüfteter Bettwäsche, der sich in den Berlinalekinos ausbreitet, nicht zu erklären. Danke auch an die Frau, die eine sehr reife Banane im Kino verspeisen musste. Da überlagert ein übler Geruch den anderen.
Dieses Jahr kein Schnee zur Berlinale?

Systemsprenger

MAMAAAAA!!! AAAAAHHHHH! Kreisch, Strampel, Tob: der Film zum Prenzlpanther. Benni ist ein „Systemsprenger“. So nennt man Kinder, die durch alle Raster der deutschen Kinder- und Jugendhilfe fallen. Die Neunjährige schreit und prügelt sich schon nach kurzer Zeit aus jeder Pflegeeinrichtung raus. Und genau das will sie auch, denn sie möchte viel lieber bei ihrer Mutter leben.
Nora Fingscheidt ist ein extrem intensiver Film mit einer herausragenden Hauptdarstellerin gelungen. Als Zuschauer schwankt man zwischen Mitleid, Genervtheit und Hass. Das Dauer-Geschrei, aber auch die Ungerechtigkeit der Welt, geht an die Grenzen des Ertragbaren. Guter Film, großartige Schauspieler, vor allem die junge Hauptdarstellerin Helena Zengel ist jetzt schon eine würdige Bärenkandidatin.

Deutschland 2019
118 min
Regie Nora Fingscheidt

Grâce à Dieu – Gelobt sei Gott

Und noch mal leidende Kinder: François Ozons neuer Film erzählt von den Opfern des Paters Bernard Preynat, der 2016 wegen sexueller Übergriffe auf rund 70 Jungen angeklagt wurde. Die meisten der Fälle sind mittlerweile verjährt. Stellvertretend erzählt Grâce à Dieu vom Schicksal dreier erwachsener Männer, die es erst nach vielen Jahren schaffen, sich ihrem Dämon zu stellen. Sie leiden bis heute unter den Verletzungen, die ihnen der Pater ungehindert zufügen konnte. Und das trotz zahlreicher Hinweise und Beschwerden von Eltern. Der Film prangert nicht nur den Priester, sondern vor allem das Schweigen der Kirche insgesamt an. Souverän inszenierter, unaufgeregter  – dadurch umso eindringlicher – erzählter Film zu einem lange verschwiegenen Thema. 

Frankreich 2019
137 min
Regie François Ozon

Öndög

Der erste „klassische“ Berlinalefilm in diesem Jahr. So was gibt es außerhalb des Festivals höchstens im Spätprogramm bei 3sat zu sehen. Entschleunigung pur, fast zwei Stunden passiert so gut wie nichts. In eine Einstellung von Öndög hätten andere Filmemacher dreißig Schnitte gesetzt.
Das Programmheft schreibt: „Im Zentrum des Films steht eine starrsinnige Frau in menschenleerer Weite. Ihren fürsorglichen Nachbarn duldet die ansonsten autark lebende Hirtin, die von allen „Dinosaurier“ genannt wird, nur, wenn es Probleme mit ihrer Herde gibt. Für sich und ihre Zukunft hat sie einen ganz eigenen Plan, der mit der einsamen Landschaft und deren Mythen in Beziehung steht.“
Wer dafür die nötige Geduld aufbringt, wird mit lakonischem Humor und ungewöhnlichen Einblicken in eine fremde Kultur belohnt.

Mongolei  2019
100 min
Regie Wang Quan’an

ACID (KISLOTA)

„Wenn Du springen willst, spring!“
Keine gute Idee, das zu einem splitternackten Freund zu sagen, der gerade über das Balkongeländer im fünften Stock geklettert ist. Aber Pete sagt es und Vanya springt in den Tod. Auf seine Beerdigung folgt eine wilde Clubnacht und die Begegnung mit dem Künstler Vasilik. Der taucht nicht nur die Skulpturen seines Vaters in Acid/Säure, sondern hat auch Interesse, den frisch beschnittenen Penis von Petes Freund Sasha zu fotografieren. Das kann natürlich nur unter Drogeneinfluss geschehen, und weil die Flasche mit der Säure gerade so verführerisch rumsteht, trinkt Pete auch noch einen kräftigen Schluck daraus. Selbst zugefügte Schmerzen helfen gegen die Watte im Kopf.
Die unglücklichen jungen Männer, die im Mittelpunkt des Regiedebüts von Alexander Gorchilin stehen, haben die gleichen Probleme wie andere Jugendliche irgendwo sonst auf der Welt auch. Verloren und auf der ewigen Suche nach Perspektive und Orientierung im Leben.
ACID – ein streckenweise anstrengendes, aber nicht uninteressantes Porträt einer (weiteren) „lost generation“, diesmal aus Russland.

Russland 2018 
98 min
Regie Alexander Gorchilin

The Kindness of Strangers ● Gully Boy ● Heimat ist ein Raum aus Zeit

Wenn im Kino gehustet wird, als hätten die Berliner Symphoniker eine Pause zwischen zwei Sätzen gemacht, Eulen ihre Thermoskannen auspacken und geräuschvoll Stullen verspeisen, dann ist es wieder soweit: Die Berlinale hat begonnen!

The Kindness of Strangers

Mitten in der Nacht packt Clara ihre beiden Söhne ins Auto und flieht vor ihrem gewalttätigen Mann nach New York. Dort angekommen, wird sie direkt beklaut. Willkommen in der Großstadt!
The Kindness of Strangers ist genau das, was der Titel verspricht: ein Film über grundgütige Mitmenschen, wie es sie im wahren Leben selten bis nie gibt. Bei ihrer Odyssee begegnet die mittellose Clara der Krankenschwester Alice, die ihr selbstlos zwei Betten in ihrem Büro überlässt. Und als Clara wenig später für sich und ihre hungrigen Kinder im russischen Restaurant Winter Palace ein paar Häppchen klaut, lernt sie den Ex-Häftling Marc kennen, der dort als Restaurantleiter arbeitet. Auch er nimmt sich selbstlos der Kleinfamilie an und verliebt sich natürlich nebenbei in Clara.
Ein bisschen erinnert das Ganze an eine New York-Version von Love Actually. Nur dass hier statt reichem Mittelstand Obdachlose und gescheiterte Existenzen die Szenerie bevölkern. Auch Hugh Grant spielt nicht mit, dafür wenigstens Bill Nighy in einer Nebenrolle.
Mittelmaß. Passt in die Reihe der missglückten Berlinale-Eröffnungsfilme.

Dänemark / Kanada / Schweden / Deutschland / Frankreich 2019
112 min
Regie Lone Scherfig

Gully Boy

Hier spricht die pure Ignoranz: In Indien gibt es eine blühende Rap-Szene! Wer hätte das gedacht?
Das Klischee vom milden, immer lächelnden Inder wird hier (wenigstens teilweise) auf den Kopf gestellt. Harte Jungs (und Mädchen), die Kapuze tief ins Gesicht gezogenen, brüllen zornige Battle-Raps ins Mic. Nicht auf Englisch, sondern Hindi.
Hauptfigur ist Murad, 22. Der versucht sich seinem komplizierten Familienleben mittels Cannabis und Musik zu entziehen. Als er einem berühmten Rapper begegnet, ermuntert der ihn, sein Hobby zu professionalisieren. Murad beginnt eigene Songs zu produzieren. Das verändert sein ganzes Leben.

Ist das nun einfach modern inszeniert oder extrem den westlichen Sehgewohnheiten angepasst? 
Zwischendurch hat man das Gefühl, den neusten Matthias Schweighöfer-Film zu sehen. So werblich glitzert da die Sonne in die Optik, während sich junge Menschen auf alten Sofas auf dem pittoresken Hausdach lümmeln. Dazu klimpert ein seichter, aber eingängiger Gitarren-Piano Score.
Egal, Gully Boy ist ziemlich unterhaltsam und für seine Lauflänge von über zwei Stunden erstaunlich kurzweilig.

Indien 2018
148 min
Regie Zoya Akhtar

Heimat ist ein Raum aus Zeit 

Ist es etwa das, was Harald Martenstein vom Tagesspiegel als „Kunstscheiße“ bezeichnet hat? Vielleicht. Auf jeden Fall ist es kein „Film“ im herkömmlichen Sinne. Eher so etwas wie eine Kunstinstallation. Besser, man könnte die teilweise minutenlangen Einstellungen in einem Museum anschauen, dazu einen Kopfhörer auf- und gegebenenfalls wieder absetzen und so den Erzählungen des Dok-Filmers Thomas Heise lauschen. Der liest mit getragener Stimme Briefe und Tagebuchaufzeichnungen vor und erzählt so die Geschichte Deutschlands anhand seiner eigenen Familiengeschichte. Als Langfilm im Kino (und hier liegt die Betonung auf LANG, denn es sind 218 Minuten) funktioniert das nur sehr bedingt. Die in Scharen fliehenden Zuschauer sind bestimmt kein Qualitätsindiz, aber auch mit gutem Willen: Kapitulation nach 90 Minuten. Vielleicht wurde es in der dritten Stunde noch aufregender…

Das Presseheft der Berlinale sagt: „Ein großer Film, der bleibt.“

Deutschland / Österreich 2019 
218 min
Regie Thomas Heise 

Sweethearts

Franny stolpert verpeilt durchs Leben und leidet außerdem unter heftigen Panikattacken. Mel – wie Gibson – ist das komplette Gegenteil: eine toughe, alleinerziehende Mutter, die weiß, wo’s lang geht. Mit dem Raub einer Diamantenkette will sie sich und ihrer Tochter endlich ein besseres Leben ermöglichen. Doch der Überfall geht schief: Aus einer Notsituation heraus nimmt Mel ausgerechnet die durchgeknallte Franny als Geisel. Anfangs noch schwer genervt, gewöhnen sich die Frauen bald aneinander und werden sogar Freundinnen. Stockholmsyndrom heißt das wohl. Doch zum Girlbonding bleibt nicht viel Zeit: Von der Polizei und einer Horde Gangster gejagt, wird die Situation für die beiden immer brenzliger.

Regisseurin Karoline Herfurths zweiter Langfilm. Steht sie dann noch unter Welpenschutz? Am sehr, sehr, sehr konstruierten Drehbuch trägt sie jedenfalls Mitschuld. Das unausgegorene Werk hat sie zusammen mit Monika Fäßler verfasst.

Sweethearts will/soll wohl eine Hommage an Thelma und Louise sein. Geglückt ist das nicht, denn der Film wirkt wie eine harmlose, etwas unbeholfen inszenierte Folge einer ZDF-Vorabendserie. Dazu passt der uninspirierte TV-Look. Im Jahr 2019 darf man sich wundern: Haben Babylon Berlin, Bad Banks, Dark und andere visuell aufregende deutsche Produktionen denn gar keine Spuren hinterlassen?

FAZIT

Bei allem Gemeckere: Karoline Herfurth kann richtig gut Schauspieler inszenieren, jedenfalls andere. Sie selbst nervt mit ihrer schnappatmenden Überdrehtheit gehörig. Hannah Herzsprung, Frederick Lau, Anneke Kim Sarnau, Ronald Zehrfeld, Katrin Sass – tolle Schauspieler in einer mittelmäßigen Komödie.

Deutschland 2018
107 min
Regie Karoline Herfurth
Kinostart 14. Februar 2019 

Bird Box

Bird Box erzählt von einer – wieder mal – dystopischen Zukunft: Eine unbekannte Macht treibt alle Menschen, die sie zu Gesicht bekommen, in den spontanen Selbstmord. Diese Macht ist überall, niemand kann ihr entkommen. Nur Innenräume mit zugeklebten Fenstern bieten Schutz, oder einfach die Augen zu machen. Das ist zwar nicht unbedingt logisch, aber Logik ist sowieso nicht die Stärke von Bird Box.

Zu Beginn des Films besteigt Malorie, gespielt von Sandra Bullock, die immer mehr Michael Jackson in seiner ausoperierten Endphase ähnelt, mit zwei Kindern ein Boot (alle mit verbunden Augen, um sich vor dem Anblick der todbringenden Macht zu schützen). Die kleine Truppe paddelt blind einen Fluss herunter, denn Malorie hatte zuvor über Funk erfahren, dass es ein paar Tagesreisen entfernt einen sicheren Zufluchtsort gebe. Mit an Bord ist ein Pappkarton mit zwei Sittichen darin, eine Bird Box eben (wie sich herausstellt, sind Vögel so eine Art Frühwarnsystem für die unheimliche Macht).

Die Szenen mit den drei unfreiwillig Blinden auf dem engen Boot bilden die Rahmenhandlung des Films und sind von Regisseurin Susanne Bier gekonnt umgesetzt. Das ist schön klaustrophobisch, beklemmend und unterschwellig bedrohlich. Wenn nur der Rest des Films genauso spannend wäre.

Die Parallelhandlung, fünf Jahre vorher: Malorie ist hochschwanger. Von einer Vorsorgeuntersuchung kommend, bricht um sie herum plötzlich das absolute Chaos aus: Menschen verlieren von einer Sekunde auf die andere den Verstand und begehen Massenselbstmord (wer M. Night Shyamalans The Happening gesehen hat, dem wird das bekannt vorkommen). Malorie kann sich in ein Haus retten, wo sich bereits ein stereotyper Hollywood-Cast versammelt hat: ein zynischer Alter (gewohnt souverän: John Malkovich), ein Drogendealer, ein gutmütiger Schwarzer, noch eine Schwangere, usw. Nach ein paar Tagen mit den erwartbaren zwischenmenschlichen Spannungen und lahm anbahnenden Liebesgeschichten stößt ein weiterer, zunächst harmlos wirkender Mann zu der Gruppe der Überlebenden. Vor allem Malories Sittiche reagieren nervös auf den Neuankömmling. Nicht lange darauf eskaliert die Situation, das vorhersehbare Unheil nimmt seinen Lauf…

Wer kennt das nicht: Man läuft sehenden Auges mit nackten Füßen gegen den Bettpfosten und reißt sich dabei beinahe den kleinen Zeh ab. Mit verbundenen Augen würde man wahrscheinlich schon im Rollstuhl sitzen. Folglich sind die „Verbundene-Augen-Challenges“, die durch den Hype um Bird Box ausgelöst wurden (80 Mio Abrufe in den ersten vier Wochen bei Netflix), nicht empfehlenswert – Netflix warnte sogar auf Twitter vor den Verletzungsrisiken.

FAZIT

A Quiet Place ist der bessere Film über eingeschränkte Sinnesorgane. Zu Tode riechen wäre dann die nächste naheliegende Filmidee. Bird Box ist für einen Horrorthriller über lange Strecken überraschend langweilig. Nur am Ende wird’s dann doch nochmal richtig gruselig: Da sieht der Film plötzlich wie ein kitschiger Zeugen-Jehova-Werbespot aus.

USA, 2018
124 min
Regie Susanne Bier
Netflix

The Possession of Hannah Grace

Ein Leichenschauhaus bei Nacht. Lange, finstere Gänge. Flackerndes Neonlicht. Überlaute Geräusche. Entstellte Mordopfer, die in ihrem Kühlfach wieder zum Leben erwachen.
Das sind die eigentlich vielversprechenden Versatzstücke von The Possession of Hannah Grace, einem weiteren Kapitel aus der scheinbar unendlichen Reihe der „Leichenhallenhorrorthriller“.

Das Rezept geht diesmal nicht auf, der neu angerührte Brei aus den bekannten Zutaten schmeckt fad. Ein paar wenige, gelungene Schreckmomente gibt es zwar, aber so richtige weiße Fingerknöchel-Spannung will nicht aufkommen. Der Film schafft es trotz seiner sehr kurzen Laufzeit von 86 Minuten, zwischendurch langweilig zu werden. Das ist auch eine Kunst. Aber wie oft soll man sich auch erschrecken, wenn zum gefühlt zwanzigsten Mal die Schublade des Kühlfachs von selbst aufspringt…und dann…nichts passiert? Das hat man alles schon mal genauso bzw. besser gesehen.

FAZIT

Freunde dieses Sujets sind mit The Autopsy of Jane Doe von 2017 deutlich besser bedient. Sehr ähnliche Geschichte, aber um ein Vielfaches gruseliger.

USA, 2018
86 min
Regie Diederik Van Rooijen
Kinostart 31. Januar 2019

The Mule

Ein mexikanisches Drogenkartell will Heroin schmuggeln. Da liegt es nahe, den neunzigjährigen Blumenzüchter Earl zu fragen, ob er eventuell so nett wäre, die Ware von A nach B zu fahren. Schließlich hat er noch nie einen Strafzettel bekommen, das ist Qualifikation genug.
Auftritt Clint Eastwood.
Die Geschichte vom alten weißen Mann, der ganz unvermittelt zum gefragten und gut bezahlten Drogenschmuggler wird, ist leidlich unterhaltsam erzählt. Eine Kurierfahrt folgt auf die Nächste – es plätschert so vor sich hin. Die Entschleunigung passt, denn im Herzen ist The Mule kein Actionfilm, sondern ein Appel an den Familiensinn. Für den altgedienten Korea-Veteran sind die bis unter die Augenbrauen tätowierten Mexikaner-Gangster keine Bedrohung. Sein größter Wunsch ist es, sich auf seine alten Tage mit seiner Tochter auszusöhnen. 

Zum ersten Mal seit Gran Torino (2009) steht Clint Eastwood wieder gleichzeitig vor und hinter der Kamera. Als Regisseur ist der 88-Jährige berühmt dafür, extrem effizient zu arbeiten und Szenen oft nur einmal zu drehen. Das hat über viele Jahre gut funktioniert, erweist sich hier aber als problematisch. Selten wirkten die beiden Oscargewinner Bradley Cooper und Diane Wiest verlorener und haben weniger Eindruck hinterlassen.
Ausser den prominenten, aber blassen Nebendarstellern gibt es noch reichlich Altmännerfantasien zu bewundern: so klebt die Kamera minutenlang genüsslich an den halbnackten Hintern von tanzenden, natürlich jungen Mädchen, die sich begierig an Clint Eastwood reiben. Und – vielleicht zu viel Information – auch der greise Earl hat noch regelmäßig Sex (bevorzugt flotte Dreier).

FAZIT

The Mule ist ein halbgares Alterswerk mit einem unausgereiften, unglaubwürdigen Drehbuch. Nicht gerade ein Highlight in Clint Eastwoods Gesamtwerk.

USA, 2018
117 min
Regie Clint Eastwood
Kinostart 31. Januar 2019

Die unglaublichen Abenteuer von Bella

Lucas, der irritierenderweise wie die erwachsene Version von Heintje aussieht, lebt noch bei seiner Mutter, obwohl er schon locker Mitte 20 ist. Die ist Kriegsveteranin (Ashley Judd, selten war eine Rolle fehlbesetzter) und hat, wie ihr Sohn, ein großes Herz für Tiere. Da passt es gut, dass Lucas’ Hobby die Rettung von herrenlosen Katzen und Hunden ist. So gerät er an Bella, einen niedlichen Rottweilerwelpen. Die beiden werden ein Paar.
Wegen komplizierter (und uninteressanter) Umstände – es hat etwas mit einem städtischen Gesetz zu tun, das verbietet, Rottweiler auf die Straße zu lassen, weshalb Mutter und Sohn umziehen müssen – wird Bella für ein paar Tage zu Freunden aufs Land gegeben. Das kann sie beim besten Willen nicht verstehen und beschließt – in alter Lassie-Tradition – wieder zurück nach Hause, zu ihrem Herrchen zu laufen.
Die Reise dauert über zwei Jahre. Unterwegs durchlebt und -leidet Bella allerhand Abenteuer. So trifft sie unter anderem auf eine (offensichtlich computeranimierte) Wildkatze, mit der sie sich eine zeitlang anfreundet.
Zwischendurch wird Bella von einem schwulen Paar adoptiert, aber ihre Sehnsucht nach Heintje Lucas ist so groß, dass sie (unverständlicherweise) aus dem sehr geschmackvollen Haus der beiden Männer, in dem sie auch noch mit Liebe überschüttet wird, ausbüxt. Das verstehe, wer will – aber wer kann schon in einen Hundekopf schauen?

Die unglaublichen Abenteuer von Bella ist ein Film, der Fragen aufwirft.
War es die Idee von Regisseur Charles Martin Smith oder war es eine nach den Testscreenings gefällte Entscheidung, Bella eine Stimme zu geben? Es ist nun nicht so, dass die Hündin, wie seinerzeit Schweinchen Babe, die Lippen bewegt und wirklich spricht, aber man hört ständig ihre Gedanken. Und die sind nicht besonders tiefgründig. Dabei ist es wissenschaftlich erwiesen, dass Hunde hochintelligent sind. Bella hingegen scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein. In der Originalversion spricht Bryce Dallas Howard erschütternd banale Sätze mit einer solch nervigen Naivität ein, dass man sich sehnlichst wünscht, diesen Teil der Tonspur stumm stellen zu können. Vielleicht rettet es ja diesmal die deutsche Synchronisation.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, was mit dem Gesicht von Ashley Judd passiert ist und ob sie ihren Schönheitschirurgen erfolgreich verklagt hat.

FAZIT

Kann sein, dass SEHR kleine Kinder an Die unglaublichen Abenteuer von Bella ihren Spaß haben.

USA, 2018
95 min
Regie Charles Martin Smith
Kinostart 24. Januar 2019

Boys in trouble

Diesmal drei Filme zum Thema „Jungs in Schwierigkeiten“:

Beautiful Boy

Nic steht die Welt offen. Er ist kreativ, schlau, hübsch, ein guter Schüler und könnte ein sorgloses Leben bei seinen wohlhabenden Eltern führen. Wie ein privilegierter Teenager als Crystal Meth-Junkie enden und welche verheerenden Auswirkungen das auf die ganze Familie haben kann, davon erzählt Felix Van Groenings neuer Film.
Beautiful Boy basiert auf gleich zwei Büchern: dem eines verständnisvollen Vaters und dem seines drogensüchtigen Sohns. Beide beschreiben jeweils aus ihrer Sicht den sich wiederholenden Kreislauf von Sucht, Entzug und Rückfall. Ein interessanter Ansatz, aber zugleich auch das große Problem des Films: wenn sich Nic zum x-ten Male eine Spritze in die salzstangendünnen Arme setzt, hat sich die Empathie des Zuschauers irgendwann aufgebraucht. Die Geschichte wiederholt sich wieder und wieder und dabei bleibt das Interesse am Schicksal der Figuren auf der Strecke. Auch tut dem Film seine anstrengende, in der Zeit springende Erzählweise nicht gut.
Sehenswert machen das Ganze nur die Darsteller: Steve Carell spielt den Vater angenehm zurückhaltend und Jungstar Timothée Chalamet schafft es, seine Figur gerade noch zerbrechlich liebenswert und schon in der nächsten Szene abgestumpft und unsympathisch erscheinen zu lassen.

Eine ähnliche und doch ganz andere Geschichte erzählt

Ben is back

Ben (Lucas Hedges) kehrt am Weihnachtsabend überraschend aus der Entzugsklinik zu seiner Familie zurück. Seine Mutter Holly (Julia Roberts) freut sich zwar, ist aber gleichzeitig verunsichert, denn ihr Sohn hat auf eigenen Wunsch hin die Therapie unterbrochen.
Den Schmuck und die Medikamente im Badezimmer versteckt sie vorsichtshalber, Schwester und Stiefvater bleiben skeptisch. Sie haben dem Junkie schon zu oft vertraut und sind dann doch belogen und enttäuscht worden. Holly beschließt, nicht mehr von der Seite ihres Sohns zu weichen, um so einen möglichen Rückfall zu verhindern.
Während Beautiful Boy vom Auf und Ab einer Eltern-Junkiekind-Beziehung über Jahre hinweg erzählt, konzentriert sich Ben is back auf 24 Stunden im Leben seiner Protagonisten. In diesem kurzen Zeitfenster wird die Mutter/Sohn-Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Holly erfährt in einer schicksalshaften Nacht mehr über Ben und seine Vergangenheit, als ihr lieb ist.
Julia Roberts überzeugt mit ihrer bewegenden Performance einer  verzweifelten Mutter, die um jeden Preis ihren Sohn retten will. In der zweiten Hälfte wandelt sich Ben is back von der Charakterstudie überraschend zum düsteren Thriller. Sehenswert. 

Wieder neunzehn Jahre alt. Wieder Lucas Hedges. Diesmal nicht als Ex-Junkie, sondern als schwuler Teenager in

Der verlorene Sohn (Boy erased)

Jared (Lucas Hedges), der Sohn eines Baptistenpredigers in Arkansas – mitten im Bible Belt der USA – outet sich gegenüber seinen strenggläubigen Eltern (Nicole Kidman und Russell Crowe) als schwul. Keine gute Idee. Die drängen ihn daraufhin an einem Umerziehungsprogramm teilzunehmen, um so von seiner Homosexualität „geheilt“ zu werden. Andernfalls werde er aus der Familie und Gemeinde ausgeschlossen.

Die Geschichte vom sexuellen Exorzismus basiert auf den Memoiren von Garrard Conley, der sich in seiner Jugend in die unguten Hände der Konversionsorganisation „Love in Action“ begab. Dass es solche zweifelhaften Vereine im konservativen Amerika tatsächlich immer noch gibt, ist schlimm. Über diesen Missstand einen Film zu machen, ist ehrenwert und löblich.
Und trotzdem: obwohl Der verlorene Sohn herausragend besetzt ist und sich sehr ernsthaft mit seinem Thema auseinandersetzt, ist es leider kein empfehlenswerter Film geworden. Zu zäh, zu kühl, zu trist erzählt Regisseur Joel Edgerton die doch eigentlich ergreifende Geschichte vom gepeinigten Teenager. Die Figuren bleiben eindimensional, der Blick auf sie zu distanziert. Die erlebten Qualen in der Umerziehungshölle befremden zwar, lassen aber trotzdem kalt.
Wie bei Beautiful Boy wird auf eine lineare Erzählweise verzichtet. Der Geschichte mit ihren verschachtelten Rückblenden ist deshalb auch hier bisweilen schwer zu folgen. Vielleicht liegt die sich einstellende Langeweile aber auch an dem visuellen Grauschleier, der den ganzen Film überzieht.

FAZIT

Drei neue Filme über Jungs in Schwierigkeiten, dreimal naja. Am empfehlenswertesten ist Ben is back, wegen einer überragenden Julia Roberts.

Beautiful Boy
USA, 2018
121 min
Regie Felix Van Groeningen
Kinostart 24. Januar 2019

Ben is back
USA, 2018
102 min
Regie Peter Hedges
Kinostart 10. Januar 2019

Der verlorene Sohn (Boy erased)
USA, 2018
115 min
Regie Joel Edgerton
Kinostart 21. Februar 2019

Capernaum – Stadt der Hoffnung

⭐️⭐️⭐️⭐️

Zain ist geschätzte zwölf Jahre alt, so genau weiß das niemand, nicht einmal er selbst. Nun steht er vor Gericht, verklagt seine Eltern, weil sie ihn auf die Welt gebracht haben. In Rückblenden erzählt der Film die Kindheit des scheinbar chancenlosen Jungen in den Armenvierteln von Beirut.

Wie schwer kann man sich einen Filmdreh machen? Auf einer Skala von 1 bis 10 hat sich die libanesische Regisseurin Nadine Labaki für eine 11 entschieden: Kinder, ja sogar Babys in den Hauptrollen und das Ganze an Originalschauplätzen gedreht. Sowas könnte auch gründlich schiefgehen und mit einem wackeligen Video-Handkameralook zur Qual für den Zuschauer werden. Ganz anders hier. Die Bilder sind poetisch-schön fotografiert und die – zum großen Teil – Laienschauspieler überzeugen durchweg. Der zur Drehzeit tatsächlich erst zwölfjährige Zain Al Rafeea spielt seine Rolle wahrhaft und unglaublich präzise. Capernaum – Stadt der Hoffnung ist ein beeindruckender Film voller Energie.

FAZIT

Die außergewöhnliche Geschichte eines außergewöhnlichen Jungen, der unbeirrt ums Überleben kämpft. Ein bewegendes, realistisches Drama und eine kleine Lektion in Demut.

Libanon, 2018
Regie Nadine Labaki
123 min
Kinostart 17. Januar 2019

Fahrenheit 11/9

⭐️⭐️⭐️⭐️

Haha, ach so: 11/9, nicht 9/11, weil da ja auch eine Katastrophe historischen Ausmaßes geschehen ist: die Wahl zum aktuellen amerikanischen Präsidenten.

Die welterschütternde Nachricht, dass Donald Trump entgegen aller anderslautenden Vorhersagen zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt wurde, bildet aber nur die Rahmenhandlung des neuesten Dokumentarfilms von Michael Moore. Interessanter ist die eher nebenbei erzählte Geschichte des Skandals von Flint. Flint? Nie gehört? Da wurde auf Anweisung des mit Trump befreundeten Gouverneurs Rick Snyder bleiverseuchtes Trinkwasser in die Leitungen gepumpt und so die Einwohner der US-Kleinstadt – und vor allem deren Kinder – vergiftet. Gipfel des Zynismus: die im Ort ansässigen GM-Werke wurden weiterhin mit klarem, unbelasteten Wasser versorgt. Die hohe Bleikonzentration wäre zu schädlich für die Autokarosserien gewesen.

„Real power is fear“, sagt US-Journalist Bob Woodward. Auf dieser Erkenntnis basiert das System „Donald Trump“. Aber auch die Angst lässt irgendwann nach. Mittlerweile sorgen das Twitterdauerfeuer und die fortwährenden Grenzüberschreitungen des guten Geschmacks bei den meisten nur noch für  fatalistisches Schulterzucken. Deshalb schadet es nichts, hier nochmals all die minderheitsfeindlichen und rassistischen Unverschämtheiten hintereinanderweg im Originalton zu hören. Das ist in dieser Geballtheit wirklich erschütternd. Nicht überraschend, dass der verrückte Ex-Immobilienmogul klar dem Feindbild von Michael Moore entspricht. Erstaunlich aber, dass diesmal auch die vermeintlich Guten ihr Fett wegkriegen: überraschenderweise Michael Moore selbst in ungewohnter Selbstkritik, Hillary Clinton, die Demokraten ganz allgemein, The New York Times und sogar Barack Obama werden bloßgestellt. Niemandem ist wirklich zu trauen, so die Aussage des Filmemachers.

Michael Moore, ein Künstler im Vermischen von provokanten Facts und Fiction, setzt wie immer gekonnt seine eigene Wahrheit aus Bildschnipseln und Soundbites zusammen; man kann gar nicht anders, als das schnelle Ende der Welt, oder zumindest das der Menschheit, diesem korrupten Haufen, herbeizusehen. Auch so funktioniert Manipulation.

FAZIT

Trotz handwerklicher Schludrigkeit, Erkenntnis eröffnende zwei Stunden.

USA, 2018
Regie Michael Moore
128 min
Kinostart 17. Januar 2019

Robin Hood

⭐️

Robin von Locksley, Rächer der Enterbten, bestiehlt die Reichen und verteilt die Beute an die Armen.

Krass, Digga! In der neuesten Verfilmung des Klassikers geht es schwer modern zu. Robin (niedlich, aber zu jungenhaft: Taron Egerton) trägt Hoodie, als hätte er sich gerade bei H&M neu eingekleidet. Ben „Sheriff von Nottingham“ Mendelsohn stolziert in einem vom letzten „Star Wars“-Dreh recycelten Latexmantel durchs Bild. Und Maid Marian (Eve Hewson) hat die Ausstrahlung einer youtube-Influencerin mit zu viel Make-up im Gesicht. Willkommen auf der Beautyconvention im Sherwood Forest!

Otto Bathursts Versuch, historischen Abenteuerfilm und Video Game zu mixen, geht nicht auf. Die Szenen vom blutigen Kreuzzug in Syrien wirken, als wären sie von einem minder begabten Ridley Scott-Schüler für eine Fortsetzung von „Black Hawk Down“ inszeniert worden. Viel Staub, zertrümmerte Ruinen und pseudo-cooles Military-Gehabe in feschen Combat-Outfits. Wahrscheinlich hätte der Regisseur seine Protagonisten am liebsten mit Maschinengewehren statt mit Pfeil und Bogen schießen lassen. Und beim Kampf der geknechteten Einwohner von Nottingham gegen die Armee des Sheriffs hat man eher den Eindruck, Bilder vom Hamburger G20-Gipfel zu sehen, als ein mittelalterliches Scharmützel.

Von der amerikanischen Kritik wird Robin Hood hämisch mit dem ähnlich plump modernisierten, vergangenes Jahr an der Kinokasse böse gefloppten „King Arthur“ verglichen. Ungerecht, denn der hatte deutlich mehr Unterhaltungswert.

FAZIT

Hohle und uncharmante Neuverfilmung.

USA 2018
Regie Otto Bathurst
116 min
Kinostart 10. Januar 2019

Die Frau des Nobelpreisträgers

⭐️⭐️⭐️

Nach fast vierzig Ehejahren sind Joan (Glenn Close) und Joe Castleman (Jonathan Price) ein eingespieltes Team. Er ist der bewunderte, etwas weltfremde Romanautor, sie hat sich damit abgefunden, die starke Frau im Hintergrund zu sein. Mit Geist und diplomatischem Gespür kümmert sie sich um seinen Alltag: „Zeit für deine Tabletten. Du hast Mundgeruch. Da ist ein Krümel im Bart.“
Als Joe mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet werden soll, macht sich das Paar auf den Weg nach Stockholm. Mit dabei ist Sohn David (Max Irons), ebenfalls Schriftsteller, und als unwillkommener Begleiter ein Enthüllungsjournalist (Christian Slater), der ein nicht ganz so schmeichelhaftes Buch über den Star-Autor plant. In Stockholm konfrontiert er Joan mit einem skandalösen Verdacht…

Kaum zu glauben: Glenn Close hat tatsächlich noch nie einen Oscar gewonnen. Nominiert war sie zwar schon sechs Mal, zuletzt 2011 für „Albert Nobbs“, aber geklappt hat es bisher nie. Mit ihrer facettenreichen Darstellung in The Wife könnte es nun was werden. Wie sie sich im Laufe der Geschichte zur respektfordernden, selbstbewussten Frau wandelt, das beeindruckt.
Fun fact: Die leibliche Tochter von Glenn Close spielt die junge Joan in Rückblenden. Und noch ein Star -Nachwuchs ist dabei: Jeremy – Max – Irons Junior als Sohn der Castlemans.
Glänzend besetztes Schauspielerkino.

FAZIT

Kluge, pointierte Verfilmung des Romans von Meg Wolitzer mit einer überragenden Glenn Close.
Wer mag, kann ein thematisches Double Feature genießen: Bald startet „Colette“ in den Kinos – gleiches Thema, ganz anderer Film.

GB / Schweden / USA 2018
Regie Björn Runge
100 min
Kinostart 03. Januar 2019

Colette

⭐️⭐️⭐️

Colette (Keira Knightley) heiratet den Lebemann Willy (Dominic West) und wird so aus ihrer beschaulichen Welt des ländlichen Frankreichs ins Pariser Großstadtleben katapultiert. Wegen finanzieller Schwierigkeiten, überredet der Schriftsteller seine Frau als Ghostwriterin für ihn zu arbeiten. Die von ihr verfassten semi-autobiografischen „Claudine“-Bücher feiern unter seinem Namen großen kommerziellen Erfolg, Colette und Willy steigen zum Powercouple der Pariser Künstlerszene auf.

Kanye West und Kim Kardeshian der Belle Époque – heutzutage wären die beiden wahrscheinlich Instagram-Stars. Das atmosphärisch dichte Biopic von Regisseur Westmorelands erzählt die Geschichte einer wehrhaften Frau in Zeiten des Umbruchs. Nebenbei entdeckt sie ihre lesbische Ader und stellt Geschlechterrollen infrage. Sie bricht mit alten Strukturen, wird zwischenzeitlich sogar Varietékünstlerin. Nach einer erfolgreichen Klage gegen ihren Ex-Mann erfährt sie noch zu Lebzeiten die verdiente Anerkennung.

Die echte Sidonie-Gabrielle Colette ist eine französische Legende, die nach ihrem Tod 1954 als erste Frau mit einem Staatsbegräbnis geehrt wurde.

FAZIT

Es beginnt wie ein typischer Keira Knightley-Film: schöne Bilder von jungen Damen in Korsetts. Dass sich die Geschichte dann aber ganz anders entwickelt, macht Colette zu einem ungewöhnlichen und überraschend zeitgemäßen Kostümfilm.

Wer mag, kann ein thematisches Double Feature genießen: Bald startet „Die Frau des Nobelpreisträgers“ in den Kinos – gleiches Thema, ganz anderer Film.

GB/USA, 2018
Regie Wash Westmoreland
111 min
Kinostart 03. Januar 2019

Drei Gesichter

⭐️⭐️⭐️

Schauspielerin Behnaz Jafari erhält ein verstörendes Handy-Video: eine junge Frau behauptet darin, sie habe mehrfach versucht, die im Iran berühmte Schauspielerin zu kontaktieren. Aufgewühlt erklärt sie, dass ihre Familie sie daran hindere, ebenfalls Schauspielerin zu werden. Am Ende des Videos erhängt sich das Mädchen augenscheinlich. Die erschütterte Behnaz Jafari macht sich gemeinsam mit ihrem Regisseur auf die Suche nach der vermeintlichen Selbstmörderin. Bei ihrer Reise über verschlungene Straßen durch abgelegene Bergdörfer im Norden des Iran kommt es zu teils obskuren Begegnungen.

Beinahe interessanter als der Film selbst ist seine Entstehungsgeschichte: Regisseur Jafar Panahi hat im Iran offiziell Berufsverbot und konnte, wie schon zuvor beim Berlinale-Gewinner „Taxi Teheran“, nur heimlich drehen. Nach Fertigstellung ließ er den Film außer Landes schmuggeln, sodass er dann – in seiner Abwesenheit – auf verschiedenen Festivals gezeigt werden konnte. Beim abenteuerlichen Dreh in seinem Heimatdorf agierte Panahi in einer Doppelfunktion als Darsteller und Regisseur. Außer ihm bestand das Team meist nur aus seiner Hauptdarstellerin Behnaz Jafari und einem Kameramann.

Drei Gesichter vermischt gekonnt Fiktion und Realität: Behnaz Jafari spielt sich selbst. Die Schauspielerin ist ein Film- und Fernsehstar im gegenwärtigen Iran. Die andere, im Film gesichtslos bleibende Figur, ist Shahrzad. Sie war vor langer Zeit, in der vorrevolutionären Ära, der Star des iranischen Mainstream-Kinos. Heute arbeitet sie als Autorin, lebt zurückgezogen. Im Film taucht sie nur als Schattenriss auf und ihre Stimme ist beim Verlesen eines ihrer Gedichte zu hören.

FAZIT

Ein mäanderndes Roadmovie, schlau und tiefgründig.

Iran, 2018
Regie Jafar Panahi
100 min
Kinostart 26. Dezember 2018

Der Junge muss an die frische Luft

⭐️⭐️⭐️⭐️

Wenn die Großeltern „Omma“ und „Oppa“ genannt werden, dann weißte Bescheid: Wir sind im Ruhrpott, genauer gesagt Recklinghausen, Anfang der 70er-Jahre. Der 9-jährige Hans-Peter ist ein aufgewecktes Kerlchen und hat das große Talent, andere zum Lachen zu bringen. Nicht von ungefähr, ist er doch mit einer ausgesprochen exaltierten und feierwütigen Verwandtschaft gesegnet. Eine Kindheitsgeschichte über Verlust, Lebensmut und Optimismus, auf dem autobiografischen Bestseller Roman von Hape Kerkeling basierend.

Oscarpreisträgerin Caroline Link („Nirgendwo in Afrika“, „Jenseits der Stille“) erzählt voller Liebe und mit großem Humor, von dem kleinen pummeligen Jungen, der zu einem der bekanntesten Entertainer Deutschlands wurde. Der Junge muss an die frische Luft  berührt und hat den nötigen Tiefgang, ist also das genaue Gegenteil von der gründlich missratenen Kerkeling-Romanverfilmung „Ich bin dann mal weg“.

Eine Lobeshymne auf Julius Weckauf, der hier sein Debüt gibt: der Junge ist ein echtes Talent und stiehlt den erwachsenen Schauspielern mit seiner Unbefangenheit die Show. Die präzise Regie, die stimmungsvollen Bilder von Judith Kaufmann und der erfreulich zurückgenommene Filmscore von Niki Reiser machen Der Junge muss an die frische Luft zu einem herzerwärmenden Film mit viel Sinn für Lokal- und Zeitkolorit.

FAZIT

Humorvolle und anrührende Kindheitserinnerung mit einem hinreißenden Hauptdarsteller.

Deutschland, 2018 
Regie Caroline Link
95 min 
Kinostart 25. Dezember 2018

Mary Poppins‘ Rückkehr

London, 30er Jahre: die Wirtschaftskrise drückt aufs Gemüt und auch im Kirschbaumweg Nummer 17 sind die Zeiten alles andere als rosig. Michael Banks ist mittlerweile ein erwachsener Strickjackenträger und muss seine drei Kinder als Witwer alleine großziehen. Nun soll das geliebte Elternhaus gepfändet werden. Um das zu verhindern, müssen er und seine Schwester Jane binnen weniger Tage beweisen, dass sie die rechtmäßigen Besitzer sind. Auftritt: Mary Poppins. Durch die Wolken geschwebt, übernimmt sie kurzerhand noch einmal das Ruder und rettet den Tag.

Mit „Das Dschungelbuch“ kam 2016 eine kongeniale Realverfilmung des Zeichentrickklassikers in die Kinos. Im kommenden Jahr starten Neuauflagen von „Dumbo“, „Aladin“ und „Der König der Löwen“: Disney hat das Recycling entdeckt. Mittlerweile wird das gesamte Portfolio einem Makeover unterzogen, nun also Mary Poppins. Für die Fortsetzung des Chim Chim Cher-ee-Erfolgs von 1964 sind die Erwartungen hoch, das Original hat seinerzeit fünf Oscars gewonnen und machte Julie Andrews zum Weltstar.

Erstmal die gute Nachricht: Der Film sieht toll aus. Die Sets, die Choreografien, die Kostüme – das ist fantasievoll inszeniert und bietet jede Menge perfekt gemachtes Augenfutter. Besonders die quietschbunten Realfilm-Zeichentricksequenzen machen durch ihren retro „handmade“ Look gute Laune. Die Besetzung ist so erlesen wie prominent: Ben Whishaw, Julie Walters, Meryl Streep, Colin Firth. Das Beste an Mary Poppins‘ Rückkehr ist aber ohne Zweifel Emily Blunt. Die überzeugt mit der nötigen Portion Schrägheit und jeder Menge Charme in der Titelrolle des fliegenden Kindermädchens.

Nun die schlechte Nachricht: In Musicals wird gesungen, in diesem besonders viel. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn die Songs nicht so banal wären. Lalala, reichlich belanglos plätschert es von einer nichtssagenden Nummer zur nächsten. Da fehlt jegliches Mitsing- oder Ohrwurmpotenzial. Hätten die Macher genauso viel Liebe in die Entwicklung der Songs wie in die visuelle Umsetzung gesteckt, Mary Poppins’ Rückkehr hätte das Zeug zum modernen Klassiker gehabt.

FAZIT

Charmante Fortsetzung, mehr fürs Auge als fürs Ohr.
Die Hälfte der Songs, dafür supercalifragilistig expialigetischer, hätte es auch getan.

USA, 2018 
Regie Rob Marshall 
131 min 
Kinostart 20. Dezember 2018