JOY RIDE

JOY RIDE

Ab 24. August 2023 im Kino

EIS AM STIEL 2023: JOY RIDE beweist, dass Frauen genauso dämlich sein können wie Männer.

Die Kritiken zu JOY RIDE sind in den USA überraschend positiv. Da wird das Regiedebüt von Adele Lim als „frech und urkomisch“ und wegen seiner asiatisch-weiblichen und teils nicht-binären Besetzung als „wegweisend“ und „Geschichte schreibend“ gelobt. Hm. Vielleicht gibt es verschiedene Fassungen von JOY RIDE. Die bei uns gezeigte ist nur eine alberne Klamotte mit pubertärem Flachhumor.

Schwer zu ertragender Blödsinn

Der Mädelstrip von vier asia-amerikanischen Freundinnen durch China ist von HANGOVER, BRAUTALARM und diversen Seth Rogen-Komödien (der hier als Produzent fungiert) inspiriert. Nachdem in den letzten Jahren bereits einige all female remakes wie der 2016-er GHOSTBUSTERS oder OCEAN’S 8 an der Kinokasse gefloppt sind, zeigte vor allem der sehr weibliche, sehr asiatische und in Teilen sehr komische CRAZY RICH ASIANS, dass Geschlecht und Hautfarbe für den Erfolg eines Films unmaßgeblich sind. Umso erstaunlicher, dass JOY RIDE im Jahre 5 nach CRAZY RICH ASIANS nun als die große, grenzsprengende Komödie der Zukunft gefeiert wird.

Regisseurin Adele Lim inszeniert den chaotischen Roadtrip mit genreüblichen Party-, Sex- und „verloren gegangenes Gepäck“-Klischees. Der Rest ist schwer zu ertragender Blödsinn. Erwachsene Menschen, die sich wie 13-Jährige benehmen (ein Tintenfischspieß? Witzig, den schieb ich mir mit Fellatiobewegungen in den Mund). Dazu hart am Softporno vorbeischrammende Kopulationsszenen, bei denen die Frauen zum schreienden Höhepunkt kommen, während sich die idiotischen Männer schwerste Verletzungen zuziehen. Wer darüber lachen kann, amüsiert sich auch bei LIEBESGRÜSSE AUS DER LEDERHOSE-Filmen.

Emanzipation ist ein zweischneidiges Schwert. Gleiche Rechte für alle ist selbstverständlich. Gleicher Deppenhumor für alle braucht dagegen niemand.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Joy Ride“
USA 2023
95 min
Regie Adele Lim

alle Bilder © Leonine

THE INSPECTION

THE INSPECTION

Ab 24. August 2023 im Kino

In Elegance Brattons autobiografischem Film trifft MOONLIGHT auf FULL METAL JACKET. Ein Militärdrama mit gay-twist.

Der schwule Afroamerikaner Ellis French (Jeremy Pope) wird mit 16 von seiner homophoben Mutter (Gabrielle Union) verstoßen, neun Jahre später lebt er noch immer auf der Straße. Seine letzte Chance sieht er ausgerechnet in der Verpflichtung bei den US-Marines. Er hofft, sich und seiner streng-religiösen Mutter zu beweisen, dass er mehr „als eine obdachlose Schwuchtel“ ist. Das mehrwöchige Bootcamp und ein besonders sadistischer Ausbilder drohen den jungen Ellis zu brechen.

Jeremy Pope liefert eine oscarwürdige Leistung ab

Der Film von Drehbuchautor und Regisseur Elegance Bratton ist eine halb-autobiografische Erzählung über seine Zeit bei den Marines im Jahr 2005. Frei nach der DADT-Regel („Don’t ask, don’t tell“) wurden Anfang des Jahrtausends beim amerikanischen Militär Homosexuelle geduldet, solange sie nicht darüber reden. Ellis’ Problem ist, dass man ihm sofort anmerkt, was Sache ist. Nach einer unglückseligen Versteifung im Duschraum wird er nicht nur von Vorgesetzten, sondern auch von seinen Kameraden schikaniert.

THE INSPECTION fühlt sich stellenweise ein bisschen klischeehaft an, vor allem der Ausbilder (Bokeem Woodbine) wirkt wie eine Persiflage auf den legendären Sergeant Hartman aus FULL METAL JACKET. Dieses kleine Manko machen aber die Schauspieler mehr als wett: Klares Highlight ist Jeremy Pope, der in der Rolle des queeren Soldaten eine oscarwürdige Leistung abliefert und auch Gabrielle Union ist als seine kalte, distanzierte Mutter ausgezeichnet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Inspection“
USA 2022
100 min
Regie Elegance Bratton

alle Bilder © X-Verleih

KANDAHAR

KANDAHAR

Ab 17. August 2023 im Kino

Zurück in die 90er-Jahre mit Gerard Butler. KANDAHAR ist ein Kriegsfilm von vorgestern.

Tom Harris (Gerard Butler) arbeitet als verdeckter CIA-Agent für hoch komplizierte Spezialeinsätze. Nachdem er im Iran eine unterirdische Atomanlage in den Boden sprengt und kurz darauf enttarnt wird, setzt er sich nach Afghanistan ab. Dort sind ihm nicht nur die Taliban, sondern die halbe iranische Armee und ein garstiger Killerspion auf den Fersen.

Nicht besonders mitreißend

Krieg wie gehabt: Hier die Generäle, die aus dem Hintergrund Befehle geben. Dort die Soldaten, die sich vor Ort die Hände schmutzig machen. Frauen haben in dieser Steinzeitwelt nichts verloren und tauchen höchstens am Telefon oder in Nebenrollen auf. Seit Winnetou hat sich nur die Wahl der Waffen geändert. Während sich früher Cowboys und Indianer mit Flinte und Pfeil und Bogen bekämpften, wird heute mit Maschinengewehr und Drohne gekillt.

KANDAHAR könnte locker 20 bis 30 Jahre alt sein. In den 90er und Nuller-Jahren standen für solche Filme Robert Redford oder (für die intellektuelleren Zuschauer) George Clooney vor der Kamera. Heute macht das Gerard Butler. Und der macht das, was er meistens macht: Den stoischen Haudrauf geben. KANDAHAR ist einer dieser Filme, die wahrscheinlich sehr kurz im Kino laufen und dann schnell bei einem Streaminganbieter landen. Das ist auch gut so, denn als Kriegsfilm ist er nicht besonders mitreißend und als Actionspektakel fehlt es ihm an Schauwert. Das Ganze ist vorhersehbar, nicht besonders glaubwürdig inszeniert und nur mäßig spannend. Kann man sich mal zu Hause anschauen, muss man nicht im Kino sehen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Kandahar“
USA 2023
119 min
Regie Ric Roman Waugh

alle Bilder © Leonine

BLUE BEETLE

BLUE BEETLE

Ab 17. August 2023 im Kino

Nachdem BARBIE und OPPENHEIMER nur vorübergehend Abwechslung auf die Leinwand brachten, kehren nun die Superhelden zurück.

Das ist mal wirklich eine originelle Idee: Einem (natürlich männlichen) Teenager wächst durch die Kraft eines antiken Skarabäus ein Zauberanzug, der ihm Superkräfte verleiht. Peter Parker und Tony Stark rollen mit den Augen – what else is new?

Die vorletzte Zuckung einer bereits vergangenen Ära

Immerhin das: In Angel Manuel Sotos Comicbuchverfilmung steht zum ersten Mal ein Latino (niedlich: Xolo Maridueña aus COBRA KAI) im Mittelpunkt der Handlung. Ansonsten ist BLUE BEETLE die vorletzte Zuckung einer bereits vergangenen Ära. Der im Dezember startende AQUAMAN 2 ist dann der finale Film, der unter alter DC-Führung in Auftrag gegeben wurde. Inzwischen haben James Gunn und Peter Safran das Ruder beim sinkenden Kahn übernommen und versprechen, endlich frischen Wind in das ewig Marvel hinterherhechelnde Studio zu blasen. Nötig ist es, denn zuletzt waren BLACK ADAM, SHAZAM! 2 und THE FLASH böse gefloppt. So richtig zündet das Reboot erst – wenn es denn zündet – 2025 mit James Gunns SUPERMAN: LEGACY (vorausgesetzt, die Drehbuchautoren- und Schauspielergewerkschaften haben sich bis dahin geeinigt).

Die Comicfigur Blue Beetle gibt es schon seit 1939, gehört aber trotzdem zu den unbekannteren Figuren des DC-Universums. Erfrischend, dass auch die schrägeren Comichelden eine Chance im Kino bekommen. Dass das keine schlechte Idee ist und überaus erfolgreich sein kann, haben James Gunns GUARDIANS OF THE GALAXY-Filme gezeigt.

BLUE BEETLE ist ein „Best-of“ Superheroes (von Spider-Man über Iron Man bis Hulk wird so ziemlich alles „zitiert“), hat ein paar gute Gags und penetriert ansonsten die übliche Botschaft: Familie geht über alles. Und sonst? Der Film ist besser als die letzten paar DC-Abenteuer, was keine große Kunst ist, leidet aber unter den gleichen Problemen wie alle Post-Snyder-Produktionen: zu bunt, zu albern, zu schlechter Look. Gegen die plastikhaften Effekte sieht die kitschigste Las-Vegas-Show hochwertig aus. Das färbt auch auf gestandene Schauspieler ab: Wer hätte gedacht, dass Susan Sarandon (hier als Bösewichtin) so schlecht sein kann? Aber vielleicht ist es auch egal, denn nach 15 Jahren Dauerbeschuss durch Marvel und DC hat sich eine schwere Superhelden-Fatigue breitgemacht. Die großen Erfolge von BARBIE und OPPENHEIMER zeigen: Die Zuschauer hungern nach neuen Geschichten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Blue Beetle“
USA 2023
125 min
Regie Angel Manuel Soto

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

FOREVER YOUNG

FOREVER YOUNG

Ab 17. August 2023 im Kino

Der Film hat nichts mit dem gleichnamigen Alphaville-Gassenhauer zu tun, sondern heißt im Original LES AMANDIERS - was so viel wie „Die Mandelbäume“ bedeutet und im Zusammenhang mit einer Schauspielschule vielleicht noch verwirrender als der deutsch/englische Titel ist.

Schauspieler sind wie Radios: Immer auf Senden, nie auf Empfang. Besonders angehende Jungschauspieler lösen mit ihrer exaltierten Art und dem Glauben, sie seien das Zentrum des Universums oft Fremdscham aus. Jeder Blick, jede Geste scheint wichtig und will gesehen werden. Valeria Bruni Tedeschi hat mit FOREVER YOUNG einen Film über diese besondere Spezies Mensch gemacht, in dem sie ihre eigene Ausbildungszeit erinnert.

Schauspieler sind durchgedreht, drogensüchtig und sexbesessen

Ende der 80er-Jahre werden zwölf junge Erwachsene (unter ihnen das Alter-Ego der Regisseurin) in die Theaterschule „Ecole du Théâtre des Amandiers“ aufgenommen. Unter der Leitung von Patrice Chéreau planen sie die Aufführung des Stücks „Platanow“ von Anton Tschechow. Den Besten des Jahrgangs verspricht der Regisseur sogar eine Rolle in der Verfilmung des Stoffes.

Valeria Bruni Tedeschi stellt mit Stella (ausgezeichnet: Nadia Tereszkiewicz) eine jugendliche Version ihrer selbst in den Mittelpunkt dieser nicht ganz klischeefreien Reise in die Vergangenheit. An so einer Theaterschule geht es dem Film nach genauso zu, wie sich das Lieschen Müller vorstellt: Alle sind durchgedrehte Künstler (inklusive der Lehrer), drogensüchtig und sexbesessen.

Zum Glück besteht ein Großteil der Szenen aus Vorsprechen und Probearbeiten. Das ist um einiges interessanter, als den privaten Irrungen der Mitte Zwanzigjährigen zuzuschauen. Trotz ein paar Längen: FOREVER YOUNG ist sehenswert. Denn die Regisseurin hat ihr auf hübschem Retro-16mm gedrehes Drama mitreißend und voller Elan inszeniert. Und wer die Verfilmung von Tschechows „Platanow“ (Titel: HOTEL DE FRANCE) des echten Patrice Chéreaus gesehen hat, kann raten, welchen der damals beteiligten Schauspieler Bruni Tedeschi hier wieder auferstehen lässt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Amandiers“
Frankreich 2022
126 min
Regie Valeria Bruni Tedeschi

alle Bilder © Neue Visionen

DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER

DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER

Ab 17. August 2023 im Kino

„Demeter“ ist nicht nur eine Biomarktkette, sondern auch das Schiff, auf dem sich Graf Dracula von den Karpaten nach London transportieren ließ.

Die Seereise des untoten Blutsaugers wird in einem Kapitel des Bram-Stoker-Romans „Dracula“ eher nebenbei erzählt. In älteren Verfilmungen wird die Fahrt auf der Demeter deshalb meist mit dem kurzen Einblenden einer Land- und Seekarte, auf der eine rote Linie die Route anzeigt, abgehakt. Nun hatte Universal die Idee, daraus einen abendfüllenden Spielfilm zu machen. Und der ist ungefähr so gruselig wie eine Folge der Kinderhörspielserie „Draculino“.

Schlichtweg langweilig

Analoge Effekte, düstere Stimmung (man sieht kaum was), einer nach dem anderen stirbt – der norwegische Regisseur André Øvredal hatte laut eigener Aussage „ALIEN auf einem Frachter 1897“ im Sinn. Obwohl er alle Register des klassischen Horrorfilms von Dauer-Unwetter, huschenden Schatten und knarrendem Gebälk zieht, hat DIE LETZTE REISE DER DEMETER ein großes Problem: Sie ist schlichtweg langweilig. Es will trotz guten Stils keine Spannung aufkommen. Bis auf ein, zwei Schockeffekte setzt schnell das große Gähnen ein.

Die Universal-Studios geben nicht auf. Das immerhin muss man dem x-ten Versuch, ein „Dark Univers“ zu kreieren, zugutehalten. Nach dem legendären Flop THE MUMMY weckte die Low-Budget-Produktion THE INVISIBLE MAN kurz Hoffnung, aus den angestaubten 30er-Jahre-Filmmonstern doch noch eine erfolgreiche Crossover-Welt à la MCU zu schaffen. DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER macht diesen Plan mit einem lachhaft schlechten Drehbuch wieder zunichtet. Schade um die guten Schauspieler, die hier alle hoffnungslos unterfordert bleiben.

Der Markt wird es richten – es wäre der größte Schocker, wenn der zahnlose Vampirfilm Erfolg an der Kinokasse hätte. Wem der Sinn nach echtem Horror auf einem Schiff im 19. Jahrhundert steht, dem sei die fantastische Miniserie THE TERROR empfohlen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Last Voyage of the Demeter“
USA / Deutschland 2023
118 min
Regie André Øvredal

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

PAST LIVES

PAST LIVES

Ab 17. August 2023 im Kino

Was wäre, wenn? Simple Entscheidungen können das Leben in dramatisch andere Richtungen wenden. Celine Songs zarte Liebesgeschichte über verpasste Chancen war der Publikumsliebling bei der Berlinale 2023.

Das kennt man aus der eigenen Kindheit: Eltern ziehen um, und schwups verschwindet der beste Freund oder die beste Freundin aus dem Leben. So geht es auch Hae Sung und Nora, als deren Familie aus Südkorea in die USA emigriert. 20 Jahre später treffen sich die Kindheitsfreunde in New York wieder, wo Nora inzwischen mit ihrem amerikanischen Mann lebt.

Das Festival-Publikum liebt PAST LIVES

Mit PAST LIVES – IN EINEM ANDEREN LEBEN gibt Celine Song ihr Kinodebüt als Regisseurin und Drehbuchautorin und geht den schicksalhaften „Was wäre, wenn…“-Fragen des Lebens klug und berührend auf den Grund. In den Hauptrollen spielen die wunderbare Greta Lee, Teo Yoo und John Magaro.

Das Festival-Publikum liebt PAST LIVES – in Berlin wie in Sundance. Und tatsächlich, beim Thema verpasste Chancen kann sich wohl jeder wiederfinden … wäre der Jugendfreund vielleicht doch der bessere Ehepartner gewesen? Aber niemand ist umsonst da, wo er ist und hat den Menschen geheiratet, den er geheiratet hat – so das Fazit des Films. Am Ende der berührenden Lebens- und Liebesgeschichte fließen die Tränen. Sowohl auf der Leinwand – als auch im Publikum.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Past Lives“
USA 2022
106 min
Regie Celine Song

alle Bilder © STUDIOCANAL

GRAN TURISMO

GRAN TURISMO

Ab 10. August 2023 im Kino

Von der Spielekonsole nach Le Mans - GRAN TURISMO erzählt die wahre und wahrhaft unglaubliche Geschichte eines Gamers, der zum erfolgreichen Rennfahrer wird.

Und da ist auch schon der erste inhaltliche Fehler: Gamer. Denn Gran Turismo ist kein klassisches Videospiel, sondern eine höchst komplexe Fahrsimulation. Lenkrad und Gaspedal inklusive. Und damit kennt sich der 17-jährige Jann Mardenborough (Archie Madekwe) bestens aus. Seine große Stunde schlägt, als der Marketingchef von Nissan Danny Moore (leicht schmierig und immer hart am Rande des overactings: Orlando Bloom) auf die Idee kommt, gemeinsam mit Sony PlayStation ein Fahrercamp einzurichten, um dort die besten Spieler der Welt zu echten Formel-3-Piloten auszubilden. Mit strenger Hand nimmt der Ex-Rennfahrer Jack Salter (schön schlecht gelaunt: David Harbour) die jungen Talente in die Mangel, bis der Beste von ihnen reif für sein erstes echtes Rennen ist.

Es riecht nach Adrenalin und Gummireifen

Viel Story gibt es in den 134 Minuten nicht. Neben den ohne großen Tiefgang erzählten Problemen Janns mit seinem Vater (hat er Verständnis? hat er kein Verständnis?) und einer ausgesprochen untertemperierten Liebesgeschichte konzentriert sich GRAN TURISMO vor allem auf zwei Dinge: schamlos Werbung für das Produkt PlayStation zu machen und jede Menge Autorennen. Die allerdings haben es in sich. Unglaublich rasant inszeniert und selbst bei der x-ten Wiederholung nicht langweilig. Im Gegensatz zu den mittlerweile lachhaften CGI-Schlachten der FAST AND FURIOUS-Reihe riechen die Rennszenen hier nach Adrenalin und Gummireifen, wirken extrem realistisch. Mit David Harbour und Archie Madekwe hat Blomkamp zudem zwei charismatische Hauptdarsteller, die selbst Drehbuch-Peinlichkeiten professionell wegspielen. In Nebenrollen, so klein, dass man sie fast verpasst, sind Maximilian Mundt (HOW TO SELL DRUGS ONLINE (FAST)) und der unvermeidliche Thomas Kretschmann dabei.

Vom bejubelten DISTRICT 9 über den nicht mehr ganz so geglückten ELYSIUM bis zum schrottigen DEMONIC verschlechtert sich der Output des südafrikanischen Regisseurs Neill Blomkamp von Film zu Film. GRAN TURISMO ist zwar keine Rückkehr zur Topform, aber immerhin mitreißende Unterhaltungsware, die ihren Zweck erfüllt. Die Adaption vom Spiel (nein: Simulation) zum Spielfilm ist geglückt – nicht das Game, sondern die Gamer sind clever in den Mittelpunkt der Handlung gerückt. Ob sich allerdings außer männlichen Teenagern genügend Zuschauer für den abendfüllenden Sony-Werbespot interessieren, bleibt abzuwarten.

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Originaltitel „Gran Turismo“
USA 2023
134 min
Regie Neill Blomkamp

alle Bilder © Sony Pictures

BLACK BOX

BLACK BOX

Ab 10. August 2023 im Kino

ChatGTP, schreibe ein Drehbuch mit folgenden Themen: Gentrifizierung, Immobilienhaie, Alt-68er, Profitgier, Geldsorgen, Muslime, Asylanten, Corona-Pandemie, Mord, politischer Aktivismus, Tollwut, Sex, Polizeigewalt - brrr - zzzzp - spratzel - fertig ist das Drehbuch zu BLACK BOX.

Es beginnt symbolisch: Ein moderner Glas-Stahlcontainer senkt sich wie ein UFO an maroder Fassade vorbei in einen Berliner Hinterhof. Der Anfang vom Ende der Gemütlichkeit. Das Pop-up-Office soll Kaufinteressenten anlocken, die alteingesessenen Mieter sind entsetzt. Als am nächsten Morgen die Hofzugänge von der Polizei abgeriegelt werden, mehrfach der Strom ausfällt und sich die Gerüchte vom bevorstehenden Verkauf der Wohnungen verselbstständigen, kippt die Stimmung Richtung Ausnahmezustand.

Druck auf dem Kessel

Regisseurin und Drehbuchautorin Aslı Özge hat Druck auf dem Kessel. Die ganze Wut muss raus, am besten in einem Film. In BLACK BOX versteckt sich unter ungefähr zweihundert angerissenen Themen eine interessante Metapher auf unsere Gesellschaft: Der Mikrokosmos Hinterhof, stellvertretend für die Spaltung eines ganzen Landes. Hochkarätig besetzt, ausgezeichnet gespielt (unter anderem Luise Heyer, Felix Kramer, Christian Berkel, Jonathan Berlin, Anne Ratte-Polle) und souverän inszeniert.

Der ätzende Kampf zwischen Mietern und Vermietern hätte als Bild für das zerfallende Gemeinschaftsgefühl und das Auseinanderdriften demokratischer Strukturen gereicht. Aber es ist von allem viel zu viel. Schere im Kopf, mal anders: Wenn es der innere Editor schafft, all die thematischen Nebenschauplätze auszublenden, dann funktioniert BLACK BOX als ein interessantes Psychodrama aus Deutschland.

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Deutschland 2023
120 min
Regie Aslı Özge

alle Bilder © Port au Prince Pictures

HYPNOTIC

HYPNOTIC

Ab 10. August 2023 im Kino

Das INCEPTION des armen Mannes: Ben Affleck jagt als Cop einen hypnotisierenden Bankräuber durch Traumwelten.

Kurz auf dem Spielplatz nicht aufgepasst, schon ist das ganze Leben im Arsch. Seit der Entführung seiner Tochter versinkt Detective Danny Rourke (Ben Affleck) in Trauer und Verzweiflung. Doch dann stößt er bei den Ermittlungen zu einer Serie von Banküberfällen auf eine Spur seiner vermissten Tochter. Zusammen mit Diana Cruz (Alice Braga) macht er sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Bankräuber (William Fichtner), der sein Umfeld auf mysteriöse Weise kontrollieren kann.

Bedient sich schamlos bei INCEPTION

Da wird die Hypnosekröte neidisch! Menschen, die andere Menschen manipulieren und dazu bringen, schlimme Dinge zu tun. Der zweite M. Night Shyamalan Hollywoods, Robert Rodriguez, stellt mit seinem neuen Film HYPNOTIC nicht nur die Welt auf den Kopf, sondern auch die Geduld der Zuschauer auf die Probe. Gut eine Stunde muss man über sich ergehen lassen, bevor die krude Story mit einer überraschenden Wendung vorübergehend die Kurve kriegt. Bis dahin kann man kaum glauben, wie unterdurchschnittlich, um nicht zu sagen schlecht HYPNOTIC ist.

Regisseur Rodriguez ist für seine sparsame Arbeitsweise bekannt. Doch diesmal hat er es übertrieben: Sein neuer Psychothriller sieht wie ein billig produzierter TV-Pilotfilm aus, der sich schamlos bei INCEPTION bedient. Es gibt zwar im Mittelteil ein paar clevere Drehbucheinfälle, doch in keinem Moment wird die komplexe Genialität des Christopher Nolan-Films erreicht. Erstaunlich, dass sich Ben Affleck für so einen Schmarren hergibt. Eben noch zu alter Form in AIR zurückgefunden, nun Hauptdarsteller in einem C-Picture? Kein Wunder, dass der Oscar-Preisträger mit mahlendem Kiefer, starrem Blick und düsterer Batman-Resterampe-Stimme auf Autopilot spielt.

Ein lachhaft schlechter Anfang entwickelt sich zu einem halbwegs interessanten Thriller, der am Ende mit einer Über-Erklärung für Doofe alles wieder zunichtemacht. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Hypnotic“
USA 2023
93 min
Regie Robert Rodriguez 

alle Bilder © TELEPOOL

ZOE & STURM

ZOE & STURM

Ab 10. August 2023 im Kino

Gefühlvoll, aber nicht kitschig. Rührend, aber nicht rührselig. Ein Pferdefilm, der nicht nur Reiter und kleine Mädchen zum Weinen bringt.

„Das Leben ist kein Ponyhof“ – wer so was sagt, beweist eher wenig Pferdeverstand, schließlich gehört neben viel Liebe auch eine Menge Drecksarbeit dazu, wenn sich Mensch und Gaul gegenseitig auf Trab halten. In ein Gestüt in der Normandie führt der französische Pferdefilm TEMPÊTE – zu Deutsch ZOE & STURM.

Atemberaubende Tier- und Landschaftsbilder

Er beginnt mit einer Doppelgeburt: die Stute Sturm und das Mädchen Zoe, Tochter der Pferdehofbesitzer, erblicken in derselben Nacht Seite an Seite das Licht der Welt. Die Quasi-Zwillinge kommen zwar aus gutem Stall, doch gehört dieser irgendwann einem amerikanischen Investor samt Ehefrau (mutmaßlich aus Gründen der US-Vermarktbarkeit gespielt von Danny Huston und Ex-Bondgirl Carole Bouquet). Damit nicht genug, bringt ein Unwetter die begeisterte Reiterin Zoe eines Nachts auch noch in den Rollstuhl. Wie sich der querschnittsgelähmte Teenager mithilfe seiner Eltern (Melanie Laurent und Pio Marmaï) ins Leben und sogar in den Sattel zurückkämpft, wird in atemberaubenden Tier- und Landschaftsbildern, realistischen Dialogen, einer in allen Altersstufen bestens besetzten Zoe (u. a. von Carmen Kassovitz, Tochter von Améliestar Mathieu Kassovitz) und einem unerwartet listigen Finale erzählt.

Zoe & Sturm ist eine Adaption des Erfolgsromans „Tempête dans un haras“ von Christophe Donner unter der Regie von Christian Duguay. Ein bewegendes und fesselndes Familiendrama – empfehlenswert für Zwei- und Vierbeiner jeglicher Schulterhöhe.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Tempête“
Frankreich 2023
111 min
Regie Christian Duguay

alle Bilder © DCM

IM HERZEN JUNG

IM HERZEN JUNG

Ab 03. August 2023 im Kino

Mehr MILF geht nicht: die Liebesgeschichte zwischen einer 70-Jährigen und einem Mittvierziger.

In Würde altern. Gar nicht so einfach, vor allem im Showgeschäft. Was zu viel Wasser, Schlaf und Sex (aka Filler, Facelift und Botox) mit einem Gesicht anrichten können, hat zuletzt Lionel Richie bei King Charles’ Krönungszeremonie gezeigt. Es hat eben nicht jeder so gute Gene wie Fanny Ardant. Denn die sieht immer noch fabelhaft aus und steht zu ihren Fältchen. Kein Wunder, dass sich der Arzt Pierre (Melvil Poupaud) gleich bei seiner ersten Begegnung in die pensionierte Architektin Shauna schockverliebt.

Bis in die Nebenrollen außergewöhnlich gut besetzt

Beim Wiedersehen nach 15 Jahren ist es endgültig um die beiden geschehen. Obwohl die Umstände eher dagegensprechen: Pierre führt ein glückliches Familienleben und liebt seine kluge Frau (Cécile de France), Shauna ist mit ihrem Dasein zufrieden, mit Beziehungsdramen hat sie längst abgeschlossen. Und dann wäre da noch der kleine Altersunterschied von 25 Jahren. Heutzutage ist das jenseits der 40 gesellschaftlich akzeptabel, aber meist nur in die eine Richtung. Ältere Frau mit jüngerem Mann hat immer noch Seltenheitswert.

IM HERZEN JUNG basiert auf einem Drehbuch von Solveig Anspach, ihr letztes vor ihrem frühen Tod, das vom Leben ihrer eigenen Mutter inspiriert wurde. Mit Feingefühl und Menschenkenntnis hat Regisseurin Carine Tardieu diese Geschichte einer besonderen Liebe sechs Jahre nach dem Tod der Autorin verfilmt. Das Melodram ist bis in die Nebenrollen außergewöhnlich gut besetzt. Neben Fanny Ardant und Melvil Poupaud sind es vor allem Cécil de France, Florence Loiret-Caille und Sharif Andoura, die IM HERZEN JUNG sehenswert machen. Ein leiser, schöner Film, der alle Klischees elegant umschifft.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les jeunes amants“
Frankreich / Belgien 2021
112 min
Regie Carine Tardieu

alle Bilder © Alamode Film

GEISTERVILLA

GEISTERVILLA

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Cash Grab: A product designed primarily or solely with the intent of generating profits or money. Der neue Disney-Film GEISTERVILLA ist Cash Grab in Reinstform.

Auf dem Stoff liegt kein Segen: Schon die 2003-Version mit Eddie Murphy war verflucht schlecht. Basierend auf der Vergnügungspark-Attraktion „The Haunted Mansion“ in Disneyland ist dies der zweite Versuch, aus keiner Story über ein Gespensterhaus einen Film zu zimmern. Ein Thrillride als Drehbuchidee kann unter Umständen funktionieren – wie beim ersten PIRATES OF THE CARRIBEAN – oder komplett schiefgehen, wie nun Justin Simiens lieb- und seelenlose Gruselkomödie zeigt.

Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten

Die unoriginelle Geschichte – eine von Geisterfotograf Ben zusammengewürfelte Truppe von Experten will der frisch in einer Südstaaten-Villa eingezogenen Sarah und ihrem 9-jährigen Sohn helfen, ungebetene Hausgeister loszuwerden – ist zwar mit namhaften Darstellern besetzt (unter anderem Danny DeVito, Jamie Lee Curtis, Owen Wilson), doch die Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten.

GEISTERVILLA funktioniert auf so vielen Ebenen nicht, dass es schon fast unheimlich ist. Man fragt sich, wer hat entschieden, den Film in dieser Version in die Kinos zu bringen? Ein Haus voller Untoter in New Orleans wäre eigentlich eine hübsche Ausgangsidee, wenn Drehbuch und Regie ein bisschen Humor oder wenigstens Mut zu echtem Schrecken hätten. Doch das Ganze ist so öde wie die Fahrt in einer Kirmesgeisterbahn am helllichten Tag.

Trotz aller gezogenen Spukhaus-Register kommt keinerlei Spannung oder gar Horror auf. Miserables Timing sorgt dafür, dass so gut wie jeder Gag verpufft. Na schön, der Film ist für ein junges Publikum gemacht. Aber selbst 10-Jährige dürften sich bei dem unter anderem von Burger King sehr sichtbar gesponserten Geisterquatsch zu Tode langweilen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Haunted Mansion“
USA 2023
123 min
Regie Justin Simien

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER

L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Ja, Penélope Cruz könnte auch das viel zitierte Telefonbuch vorlesen - es wäre trotzdem unmöglich, die Augen von ihr zu nehmen. In L’IMMENSITÀ spielt sie eine liebende Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Kombiniert mit aufregendem 70er-Jahre Style wird es dabei fast so gut wie bei Almodóvar.

Rom in den 1970er-Jahren: Im Mittelpunkt des Films steht eine ganz normale Familie. Clara und Felice sind in eine neue Wohnung gezogen, doch ihre Ehe wird nur noch von den drei Kindern zusammengehalten. Er hat Affären, sie ist unglücklich, aber sie kommen (noch) nicht voneinander los. Die zwölfjährige Tochter Adriana ringt mit ihrer Identität. Sie ist als Mädchen geboren, will aber lieber ein Junge sein. Andere Zeiten, moderne Probleme: Das fragile Familiengebilde droht an Adrianas Genderfindung zu zerbrechen.

Nicht alles hat ein Happy End

L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER ist großes Erinnerungskino. Und das nicht nur, weil Regisseur Emanuele Crialese seine eigene Biografie verarbeitet. Wer selbst in den 1970er-Jahren aufgewachsen ist, fühlt sich immer wieder an die eigene Kindheit erinnert. Das Entdecken neuer, verbotener Orte, das gemeinsame Spielen, die heißen Sommertage, die streitenden Eltern, die sich oft um sich selbst und nicht um die Kinder drehen. Regisseur Crialese hat neben der wie immer tollen Penélope Cruz eine aufregende Neuentdeckung vor die Kamera geholt: Luana Giuliani spielt die geschlechtsverwirrte Tochter so glaubwürdig und intensiv – man mag kaum glauben, dass das Mädchen hier sein Leinwanddebüt gibt.

Selten war Traurigkeit so farbenfroh und poppig bunt. Die Musik von Raffaella Carrà, Patty Pravo und Adriano Celentano tut ihr Übriges. Trotzdem ist L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER niemals kitschig oder melodramatisch. Vielleicht sogar ein bisschen zu ernst. Die episodenhafte Erzählweise spiegelt das wahre Leben wieder: Auch da bleibt vieles ungelöst, nicht alles hat ein Happy End.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „L’Immensità“
Italien / Frankreich 2022
94 min
Regie Emanuele Crialese

alle Bilder © STUDIOCANAL

VERRÜCKT NACH FIGARO

VERRÜCKT NACH FIGARO

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Wer fest genug an seine Träume glaubt, der kann alles schaffen! So die plumpe Message der schon leicht modrig riechenden Opernkomödie von 2020.

Reich müsste man sein! So wie die junge Fondsmanagerin Millie Cantwell (Danielle Macdonald), die mal eben ihren gut bezahlten Job hinschmeißt, um statt dessen Opernsängerin zu werden. Professionelles Gesangstraining hatte sie zwar bislang keins, aber was soll’s?

Vom quakenden Entlein zum Stimmwunder

Millie lässt ihren Freund Charlie (Shazad Latif) in London sitzen, zieht in die schottischen Highlands, um dort bei der legendären Ex-Operndiva Meghan Geoffrey-Bishop (Joanna Lumley) Privatstunden zu nehmen. Natürlich wird die neue, nicht überbegabte Schülerin angenommen, Geld stinkt nicht. Dem anderen Schüler der Gesangslehrerin, Max (Hugh Skinner), stinkt es allerdings gewaltig, denn wie Millie träumt auch er davon, den Gesangswettbewerb “Singer of Renown” zu gewinnen. Da stört jede Konkurrenz.

Kein body-shaming. Wirklich nicht. Aber dass die sehr beleibte Zwillingsschwester von Ricarda Lang gleich mehrere gut aussehende Typen um die Wurstfinger wickelt – wer’s glaubt … Dass Millie dann auch noch innerhalb weniger Monate vom quakenden Entlein zum Stimmwunder mutiert, geht den entscheidenden Jump-the-whale-Schritt zu weit. Zumal die Unterrichtsmethoden der schlecht gelaunten Gesangslehrerin größtenteils aus Beleidigungen und Halswürgen zu bestehen scheinen.

Schon klar, was die Macher da im Sinn hatten. Typisch britische, schrullige Charaktere, kombiniert mit einem Best-of-Opernhits. Herausgekommen ist aber nur eine mäßig lustige Durchschnittskomödie. Wer will, kann die Augen zumachen und die Musik genießen. Die Schauspieler bewegen nur die Münder, gesungen wird von Profis.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Falling for Figaro“
Australien / UK 2020
105 min
Regie Ben Lewin

alle Bilder © 24Bilder

TALK TO ME

TALK TO ME

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Geständnis eines Boomers: Danny und Michael Philippou? Nie gehört!

Da rollt die Generation youtube mit den Augen. Voll cringe, die sind doch weltberühmt! Aber eben nur in der Welt der U-20-Jährigen. Die australischen Brüder betreiben einen sehr erfolgreichen Youtube-Kanal mit dem hübschen Namen „RackaRacka“. Mit TALK TO ME geben sie nun ihr Spielfilmdebüt.

Der Horror kriecht den Nacken hoch

Vielleicht hat jedes Land die Youtube-Stars, die es verdient. Während bei uns mit dem nach Dubai ausgewanderten Mr. Tutroial, Daggi Bee oder Julian Bam die Kreativlatte eher niedrig liegt, sind am anderen Ende der Welt zwei sagenhafte Regietalente aus der Youtube-Blase geschlüpft. Denn das ist das Überraschendste an TALK TO ME – der Horrorthriller ist richtig gut. Gut gespielt, ausgezeichnet gedreht, souverän inszeniert.

Be careful what you wish for: Die Geschichte ist eine zeitgemäße Variation des Gruselklassikers „The Monkey’s Paw“ von W.W. Jacobs. Eine Gruppe Jugendlicher trifft sich regelmäßig zu einem obskuren Partyspiel. Dabei berührt jeweils einer der Teilnehmer die (angeblich abgeschlagene) Hand eines Mediums und kann so in Kontakt mit den Toten treten. Aber Achtung: Länger als 90 Sekunden darf die Verbindung nicht bestehen. Handyvideos von besessenen Mitschülern machen auch Mia und Jade neugierig: Die beiden besten Freundinnen wollen selbst an einer Séance teilnehmen. Doch bald schlägt der Spaß in höllischen Ernst um.

Verweste Leichen, Unwetter, dunkle Familiengeheimnisse. TALK TO ME spielt die Klaviatur der Ängste perfekt und bietet dabei mehr als nur die üblichen Jump-Scares. Der Horror kriecht den Nacken hoch, löst echtes Unbehagen aus. Dass TALK TO ME ein Erstlingswerk ist, kann man kaum glauben. So einen stilsicher inszenierten und gut getimeten Horrorfilm gab es lange nicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Talk to me“
Australien 2022
94 min
Regie Danny und Michael Philippou

alle Bilder © capelight pictures

OPPENHEIMER

OPPENHEIMER

Ab 20. Juli 2023 im Kino

Mehr Vielfalt geht nicht: Heute starten OPPENHEIMER und BARBIE parallel in den Kinos. Die US-Presse tauft den Boxoffice-Showdown der ungleichen Großproduktionen passenderweise „Barbenheimer“. Die Wetten stehen im Moment eher zugunsten BARBIE - Ist OPPENHEIMER wirklich zu intellektuell und anspruchsvoll für die breite Masse?

Ein neuer Film von Christopher Nolan: Das kann alles zwischen großartig und Kopfschmerzen bedeuten. Besonders in seinem letzten Werk TENET verzettelte sich der britische Regisseur in einer nicht nachvollziehbaren Story um den nonlinearen Ablauf von Zeit. Wer den Film verstanden hat, möge sich bitte melden. Aber natürlich steht Nolan auch für maximales Actionkino mit Hirn. INCEPTION, INTERSTELLAR oder die DARK KNIGHT-Trilogie sind moderne Klassiker. OPPENHEIMER, so viel Spoiler sei erlaubt, erzählt eine Geschichte, der man (halbwegs) folgen kann.

Größtmöglicher Schau- und Unterhaltungswert

Joseph M. Oppenheimer ist als Erfinder der Atombombe berühmt-berüchtigt. Erst nach den verheerenden Folgen von Hiroshima und Nagasaki ändert sich seine Haltung grundlegend, sodass ihn im paranoiden Amerika der 50er-Jahre bald das FBI ins Visier nimmt. „Er muss die Zerstörung der Welt riskieren, um sie zu retten“, wie das Presseheft den Kern der Story etwas reißerisch auf den Punkt bringt.

Nolan weiß genau, wie man selbst ein Biopic über einen nerdigen Wissenschaftler mit größtmöglichem Schau- und Unterhaltungswert inszeniert. Dazu hat er ein einfaches Erfolgsrezept entwickelt: Er schart die besten Leute um sich. Die in Schwarzweiß und Farbe gedrehten Bilder von Kameramann Hoyte van Hoytema sind so schön, dass man sich jedes einzelne Frame ausgedruckt an die Wand hängen möchte. Ludwig Göranssons Score erreicht Hans-Zimmer-Größe, Ausstattung, Schnitt, Sound – alles ist vom Feinsten.

Spektakulär auch die Besetzung: Cillian Murphy spielt den Vater der Atombombe mit Borderline verrückter Eleganz. Robert Downey jr. war lange nicht mehr so gut und schön aasig wie hier, Emily Blunt hat als Oppenheimers Ehefrau Kitty vor allem gegen Ende des Films eine grandiose Szene. In prominenten Nebenrollen sind unter anderem Gary Oldman, Casey Affleck, Rami Malek, Kenneth Branagh, Florence Pugh und Matt Damon dabei.

OPPENHEIMER ist ein erzählerischer und technischer Triumph in IMAX-Format gedreht. Größer und anspruchsvoller wird Kino in diesem Sommer nicht mehr. Und wer gewinnt nun den Barbenheimer-Showdown? Ganz klar, OPPENHEIMER ist der um Längen bessere Film. Aber gegen ein bisschen pinke Zuckerwatte zum Nachtisch ist auch nichts einzuwenden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Oppenheimer“
USA 2023
180 min
Regie Christopher Nolan

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BARBIE

BARBIE

Ab 20. Juli 2023 im Kino

Die Zeichen stehen auf Pink - und nein, es liegt zwar auf der perfekt manikürten Plastikhand - aber in dieser Kritik wird auf keinen Fall „Barbie Girl“ von Aqua zitiert.

Warum auch? Greta Gerwigs nach gefühlt ewigem Hype endlich das Licht der Leinwand erblickende Film ist weit von miesem Eurodancetrash entfernt. BARBIE ist die wunderbar groteske Antwort auf die Frage: Was wäre, wenn sich Barbie und Ken aus ihrer makellosen Mattel-Plastikwelt in unsere Realität verirrten? Die Musik-Komödie ist gleichzeitig ein schlauer Kommentar auf unsere komplett dem Konsum und Oberflächlichkeiten erlegene Gesellschaft.

Knallbunte Lektion in Sachen Emanzipation

Aber keine Sorge: Schlau muss nicht langweilig sein. Dafür sorgen die perfekt besetzten Schauspieler, allen voran Margot Robbie, die dem ewig gut gelaunten Puppentraum fast aller Mädchen dank Existenzkrise eine erstaunliche Tiefe verleiht. Und Ryan Gosling stiehlt ihr als dumm-geiler Ken mit nacktem Oberkörper fast die Show.

Natürlich ist BARBIE vor allem ein einziger Augenschmaus. Vorausgesetzt, man hat keine Pink-Phobie. Aber an Sets und Kostümen kann man sich kaum sattsehen. Das ist ein herrlich künstlicher Fiebertraum und trotzdem niemals platt oder zu viel. Und wenn, dann nur im Liberace-Sinne.

BARBIE ist alles, was der Trailer verspricht … und ein bisschen mehr. Besonders die zweite Hälfte ist eine knallbunte und kindgerechte Lektion in Sachen Emanzipation. Kleine Mädchen mithilfe einer konsumbesessenen Plastikpuppe in ihrem Selbstbewusstsein stärken: Mehr kann man von einem Sommer-Blockbuster nicht erwarten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Barbie“
USA / GB 2023
114 min
Regie Greta Gerwig

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING TEIL EINS

MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING TEIL EINS

Ab 13. Juli 2023 im Kino

Mission accepted: Tom Cruise rettet nach TOP GUN: MAVERICK erneut das Sommerkino.

Kein Spoiler: Ethan Hunt und sein Team müssen die Welt retten. Mal wieder. Tagesaktuell wie selten ist die Bedrohung im siebten Teil der Franchise-Reihe eine Art Super-ChatGPT. Die artifizielle Intelligenz will (was sonst?) die Weltherrschaft übernehmen. Da blinkende Computerdisplays nicht besonders furchteinflößend sind und auf Dauer keinen allzu hohen Unterhaltungswert haben, gibt es natürlich auch Bösewichter aus Fleisch und Blut.

Traue nichts und niemandem

Seit Christopher McQuarrie im fünften Teil die Regie übernommen hat, lieben Fans die Mission: Impossible-Filme besonders wegen ihrer real gedrehten Stuntszenen. Tom Cruise geht dabei keiner Gefahr aus dem Weg, lässt sich an startende Flugzeuge schnallen, stellt neue Tauchrekorde auf oder klettert wie Spiderman am Burj Khalifa über die Glasfassade. Ganz ohne Trickserei. Das hebt die Filme wohltuend von den oft faden CGI-Schlachten der Marvel- und DC-Produktionen ab.

Wie bei Bond sollte man allerdings keine tiefschürfende Handlung erwarten. DEAD RECKONING ist eine Non-Stop-Hetze nach einem MacGuffin rund um die Erde. Die perfekt choreografierten Verfolgungsjagden, Schießereien und Stunts sind gewohnt atemberaubend. Weil das alleine keinen zweiteiligen Kinofilm rechtfertigt, gibt es dazwischen etwas langatmige Dialoge, in denen wieder und wieder der Plot erklärt wird. Wer am Ende der 164 Minuten immer noch nicht kapiert hat, dass ein blinkender Schlüssel über Wohl und Wehe der Menschheit entscheidet, leidet wohl an ADHS.

Seit dem Bild vom Papst im Daunenmantel gilt: Traue nichts und niemandem. Auch den Meistern der Täuschung vom IMF-Team fallen ihre eigenen Tricks vor die Füße. Da die lernfähige AI digitales Bildmaterial und sogar Stimmen über Funk manipulieren kann, muss auf altmodische Technik zurückgegriffen werden. Eine besonders hübsche Szene zeigt die Konsequenzen des digitalen Super-GAUs: Da sitzen Hundertschaften von Regierungsangestellten an altmodischen Schreibmaschinen und tippen die staatlichen Topsecret-Unterlagen ab. Sicher ist sicher. Wie es ausgeht und ob Tom wirklich die Menschheit vor dem Untergang bewahren kann, erfahren wir erst im nächsten Jahr – dann startet DEAD RECKONING TEIL 2.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One“
USA 2023
164 min
Regie Christopher McQuarrie

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

LOVE AGAIN

LOVE AGAIN

Ab 06. Juli 2023 im Kino

Flirten für Dummies. Reich werden für Dummies. BWL für Dummies. Schneckenzucht für Dummies. Von der berühmten US-Buchreihe gibt es mittlerweile unzählige Titel. Komplexe Themen einfach erklärt. LOVE AGAIN ist Romantic Comedy für Dummies.

Wenn zwischen zwei Verliebten im Café die Gespräche tief und die Blicke lang und intensiv sind, der Mann beim Rausgehen noch einmal schmachtend schaut – dann ahnt selbst der ahnungsloseste Zuschauer: Gleich passiert etwas Schlimmes. Und schon macht‘s Quietsch und Krach. Tot. Zwei Jahre später trauert Mira noch immer um ihre große Liebe. Eines besonders trüben Abends beschließt sie weinselig, ihrem toten Freund eine sms zu schicken. Die landet auf dem Handy von Rob, einem Musik-Journalisten, der gerade eine große Story über Céline Dion schreibt. Haha, dabei hört er privat viel lieber Rockmusik. Witzige Drehbuchidee. Wie die Liebesschnulze weitergeht, kann man sich denken.

LOVE AGAIN ist das US-Remake von SMS FÜR DICH

Wem das vage bekannt vorkommt – LOVE AGAIN ist das US-Remake des deutschen Kinoerfolgs SMS FÜR DICH von Karoline Herfurth. Allerdings macht die Neuverfilmung alles gründlich falsch. Aus einer charmanten Berlin-Komödie wird eine Romcom nach Schema F. F wie fad. Der größte Unterschied zum Original: LOVE AGAIN ist ein plumpes Werbevehikel für Céline Dion. Die spielt sich selbst und das gar nicht mal so gut. Die Sängerin verbrät ihre eigene tragische Liebesgeschichte und den Tod ihres Mannes, gibt öde Kalenderratschläge und singt ein paar Lieder.

Jede Wendung ist vorhersehbar, jede Emotion wird erklärt: Filmemachen für Dummies. Ein unglaubwürdiger Blödsinn, den man sich nicht einmal auf Netflix antun möchte. Vertane Zeit.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Love Again“
USA 2023
104 min
Regie Jim Strouse

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN

MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN

Ab 06. Juli 2023 im Kino

Auch ein Meisterregisseur schwächelt mal. François Ozons hochkarätig besetzte Boulevard-Klamotte läuft ab Donnerstag im Kino.

Sie ist jung, hübsch und bitterarm. Nun steht die mäßig begabte Möchtegernschauspielerin Madeleine Verdie vor Gericht. Angeklagt für einen Mord, den sie nicht begangen hat. Ein einflussreicher Filmproduzent wurde erschossen aufgefunden, kurz nachdem Madeleine dessen Villa überstürzt verlassen hat. Auf der Anklagebank gesteht sie überraschend – aus Notwehr habe sie gehandelt. Der Freispruch bringt ihr Rollenangebote, Ruhm und Reichtum. Da taucht der ehemalige Stummfilmstar Odette Chaumette auf und behauptet, sie sei die wahre Mörderin.

Erstaunlich durchschnittliche Boulevardkomödie

Das sieht zwar alles gut aus: Kostüme, Sets und Ausstattung sind vom Feinsten. Aber die erstaunlich durchschnittliche und vor allem in der ersten Hälfte gepflegt langweilige Boulevardkomödie wird nur durch seinen erlesenen Cast am Leben gehalten. Mit weniger prominenten Schauspielern besetzt wäre MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN auch als Ohnsorg-Theaterstück im deutschen Fernsehen der 1970er-Jahre durchgegangen.

François Ozon wäre nicht François Ozon, hielte er nicht auch hier ein flammendes Plädoyer für die Stärke der Frauen. Immerhin. Ansonsten fragt man sich, was den Starregisseur geritten hat, diese schnell zu vergessende Komödie mit Hang zum Melodramatischen als sein neues Projekt zu wählen. Besonders nach dem sehr gelungenen SOMMER 85 eine überraschende Entscheidung. Es muss wohl der Spaß an ein paar theaterhaften Effekten, den (zu) vielen Plot-Twists und einem hochkarätigen Ensemble gewesen sein. Neben Isabelle Huppert als alternde Diva glänzt das who is who des französischen Films – unter anderem Danny Boone, Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Fabrice Luchini und André Dussollie.

Als launige Fingerübung geht MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN durch, von Ozon darf man sonst deutlich mehr erwarten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Mon Crime“
Frankreich 2023
102 min
Regie François Ozon

alle Bilder © WELTKINO

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS

Ab 29. Juni 2023 im Kino

Da da da da ... da da da ... da da da da ... da da da da da: Indy is back in einem Best-of-Abschluss der Abenteuer-Saga.

„Regisseur James Mangold versucht verzweifelt, den Zauber des Hollywood-Films alter Schule wiederzuerlangen, greift dabei aber nur auf die abgenutzten Werkzeuge des heutigen Blockbuster-Filmemachens zurück.“

„… ein pflichtbewusstes, aber letztlich eher freudloses Stück nostalgischen Humbugs.“

„…eine fast völlige Zeitverschwendung und eine Erinnerung daran, dass manche Relikte besser dort bleiben sollten, wo sie hingehören.“ 

Keine Liebe für Indiana Jones: Die Kritiken sind – zumindest in den USA –  harsch. Da wird sich über „künstlich aussehende Bilder“ mokiert, die Geschichte sei albern und der Film insgesamt höchstens „ok“. 

Ein in Würde gealterter Harrison Ford

Das Gemecker kann man getrost ignorieren. Denn das fünfte und zu 99,9 % letzte Abenteuer (zumindest mit Harrison Ford) des fedoratragenden und peitschenschwingenden Archäologieprofessors hat alles, was man sich von echtem Kintopp erhoffen darf. Ja, der in den Anfangsszenen digital verjüngte Ford sieht ein bisschen wie eine animatronische Puppe aus. Ja, der Film ist mit 154 Minuten deutlich zu lang – aber welcher Film ist das heutzutage nicht? Und ja, eine Verfolgungsjagd weniger hätte auch nicht geschadet – aber – Indiana Jones hat (wie STAR WARS) seine Wurzeln in den Abenteuer-Serials der 30er-Jahre. Da geht es nicht um tiefschürfende Geschichten. Alles was zählt, sind Spannung und Action. Und dass die Effekte dabei manchmal ein bisschen künstlich aussehen, ist ja gerade Teil des Spasses.

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS ist ein wunderbar altmodischer Sommer-Blockbuster. Fans bekommen alles, was das Herz begehrt: fiese Nazis (mit einem ausgezeichneten Mads Mikkelsen), Non-stop-Action, exotische Locations, geheimnisvolle Grabkammern und einen in Würde gealterten, brummig-charmanten Harrison Ford. Nur die Damsel in Distress hat ausgedient und ist mit Phoebe Waller-Bridge als selbstbewusste und schlagkräftige Partnerin in der Neuzeit angekommen. Ein würdiger Abschluss nach 40 Jahren Abenteuer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Indiana Jones and the Dial of Destiny“
USA 2022
154 min
Regie James Mangold

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

DIE UNSCHÄRFERELATION DER LIEBE

DIE UNSCHÄRFERELATION DER LIEBE

Ab 29. Juni 2023 im Kino

Ein Film kann auf der Klaviatur der Gefühle vieles spielen: Angst, Freude, Erstaunen, Neugierde. DIE UNSCHÄRFERELATION DER LIEBE klimpert dagegen nur einen penetranten Ton und löst damit schwerste Genervtheit aus.

Ach Berlin, dicke Perle an der Spree, watt biste schön. Der Glockenturm im Tiergarten spielt nachts Erik Satie, Männer küssen sich auf der Friedrichstraße, glückliche Paare rollern zu zweit auf E-Scootern durchs Bild. Und der Britzer Garten ist ein menschenleeres Idyll an einem goldenen Herbsttag. Könnte alles so schön sein – wenn da nicht Greta wäre.

Es nervt

Die aufgedrehte Mittfünfzigerin gibt an einer Bushaltestelle dem Fleischermeister Alexander „versehentlich“ einen Kuss. Sie habe ihn mit ihrem verstorbenen Mann verwechselt. Nach dieser verwirrenden Erklärung heftet sie sich an die Fersen des bedauernswerten Singles und kaut ihm ein Ohr ab. Folgt ihm in die U-Bahn. Läuft ihm auf der Straße hinterher. Besucht ihn in seiner Metzgerei. Und quasselt dabei pausenlos Banalitäten, stellt übergriffige Fragen ohne Punkt und Komma. Wäre das verbale Dauerfeuer wenigstens charmant oder lustig. Aber es nervt. Sehr. Nicht nur Alexander, der einfach seine Ruhe haben will – sondern in erster Linie den Zuschauer.

Besonders bedauerlich ist die Verschwendung der guten Schauspieler. Vor allem um Burghart Klaußner ist es schade. Aber auch Caroline Peters hat man schon in anderen Rollen weitaus weniger nervtötend gesehen. Es muss also an der Regie liegen. Lars Kraume und sein Kameramann Jens Harant schaffen es nicht, die Vorlage von Simon Stephens inspiriert von der Theaterbühne zu lösen. Die Schauspieler stehen oft verloren nebeneinander und beten ihre Dialoge – oder vielmehr Monologe – herunter, als hätten sie eine Leseprobe am Theater. Der Funke springt nicht über und man wünscht sich von der ersten bis zur letzten Einstellung, Greta möge einfach die Klappe halten und den armen Alexander in Ruhe lassen. Nein, das anzusehen macht keinen Spaß und unterhaltsam ist das auch nicht. Und nein, da kommt nix mehr, außer: Schade um die schönen Fördergelder – nervigster deutscher Film seit langem.

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Deutschland 2023
89 min
Regie Lars Kraume

alle Bilder © X Verleih

ASTEROID CITY

ASTEROID CITY

Ab 15. Juni 2023 im Kino

Nichts Neues aus der absurden Welt des Wes Anderson. ASTEROID CITY ist eine schräge-schlaue Komödie in Technicolor mit Starbesetzung.

Wer Wes Anderson bestellt, der bekommt Wes Anderson. Der Regisseur, der seit vielen Jahren gefühlt den immer gleichen Film in wechselnden Settings dreht, liefert mit ASTEROID CITY ein gewohnt liebenswert-spinnertes, überartifiziell inszeniertes Theaterstück. Die Besetzung liest sich wie das who is who von Hollywood. Es wäre wahrscheinlich einfacher, die Stars aufzuzählen, die NICHT in ASTEROID CITY mitspielen. Achtung, jetzt kommt eine lange Liste:

Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Steve Carell, Matt Dillon, Willem Dafoe, Margot Robbie, Jeff Goldblum und und und.

Dauert das noch lange?

Als Rahmenhandlung dient eine von Bryan Cranston moderierte Fernsehsendung aus den Fünfzigerjahren, die in Asteroid City, irgendwo in der amerikanischen Wüste spielt. Dort landet ein Außerirdischer, klaut den namensgebenden Mini-Asteroiden und haut mit seiner fliegenden Untertasse in den Nachthimmel ab. Die Kleinststadt wird darauf vom Militär zur Sperrzone erklärt, und so werden eine Reihe eigenwilliger Charaktere für ein paar Tage zur Zwangsgemeinschaft verdonnert. Keine Angst, Science-Fiction ist ASTEROID CITY nicht.

Wie so oft hat Anderson auch seinen neuen Film in Kapitel inklusive Zwischentafeln unterteilt. Die Struktur bewirkt, dass man sich spätestens nach dem zweiten Akt unweigerlich fragt: Dauert das noch lange? Denn die detailverliebten Sets und furztrocken ironisch agierenden Figuren kennt man bis zum Überdruss aus anderen Werken des Regisseurs. Jammern auf hohem Niveau: Die Schauspieler sind natürlich alle in Topform, die Dialoge schnittig, die Kulissen schön bunt und es gibt immer wieder niedliche Szenen, die die Fans begeistern werden. Es ist halt wie immer: alles hübsch, alles clever, alles Anderson – und ein kleines bisschen ermüdend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Asteroid City“
USA 2023
105 min
Regie Wes Anderson

alle Bilder © Universal Pictures International Germany