The Dead don't hurt

THE DEAD DON’T HURT

The Dead don't hurt

THE DEAD DON’T HURT

Western sind das neue Schwarz. Bevor Kevin Kostner die Zuschauer mit seinem 3-Stunden-Epos HORIZON herausfordert, schwingt Vicky Krieps emanzipiert den Colt.

Ab 08. August 2024 im Kino

The dead don't hurt

Once upon a time in the Wild Wild West: Die junge, unabhängige Vivienne Le Coudy (Vicky Krieps) verguckt sich in den dänischen Einwanderer Holger Olsen (Viggo Mortensen). Gemeinsam siedeln die beiden von San Francisco in ein Haus in the middle of nowhere um. Als Olsen freiwillig in den Bürgerkrieg zieht, bleibt Vivienne alleine zurück. Gefährliche Zeiten, denn besonders der gewalttätige Weston (Solly McLeod), Sohn eines mächtigen Ranchers, macht ihr das Leben zur Hölle.

The dead don't hurt

Der Western feiert ein Comeback, wiedermal. Nur zwei Wochen vor Kevin Costners HORIZON, dem ersten Kapitel einer ambitionierten vierteiligen Saga, kommt THE DEAD DON’T HURT in die deutschen Kinos. Mit seiner zweiten Regiearbeit betritt Viggo Mortensen keine neuen Pfade. Die Versatzstücke Saloon, tapferer Sheriff und schießwütiger Bösewicht kennt man spätestens seit HIGH NOON in allen Varianten –  fehlt nur noch eine kriegerische Rothaut. Eine verschachtelte Erzählstruktur mit ständig wechselnden Zeitebenen macht das Drama unnötig kompliziert. Das langsame Tempo und die sehr großzügige Laufzeit von 129 Minuten arbeiten zudem eher gegen den Film. 

The dead don't hurt

Ein milder Western, der Bekanntes zitiert, es aber – und das ist neu – in eine zärtliche Liebesgeschichte bettet. Knallende Cowboys und geprügelte Barpianisten kommen zwar auch hier vor (Standards, die seit Opas Kintopp nicht fehlen dürfen), aber immerhin hebt sich THE DEAD DON’T HURT dank einer emanzipierten Frauenfigur, exzellent von Vicky Krieps verkörpert, um eine Pistolenlänge über den Durchschnitt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Dead don’t hurt“
USA 2024
129 min
Regie Viggo Mortensen

The dead don't hurt

alle Bilder © Alamode Film

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Berlin Nobody

BERLIN NOBODY

Berlin Nobody

BERLIN NOBODY

Bleierne Langeweile und schlechtes Schauspiel in einer kruden Geschichte um eine Berliner Sekte sind die Zutaten für diesen Quatsch-Film.

Ab 01. August 2024 im Kino

Der Sozialpsychologe Ben Monroe (Eric Bana im Liam Neeson-Modus) zieht von Kalifornien nach Berlin. Bei der Recherche zu seinem neuen Buch über die Gefahren des Gruppendenkens gerät er in Kontakt mit einer obskuren Sekte. Deren charismatische Leiterin Hilda (Sophie Rois) will die Menschheit von sich selbst befreien. Mittendrin Bens pubertierend schlecht gelaunte Tochter Mazzy (Sylvia Hoeks).

Berlin Nobody

Die große Lustlosigkeit. Mit Leidenschaft oder wenigstens mildem Interesse scheint hier niemand bei der Sache gewesen zu sein. Das fängt mit dem desaströsen Drehbuch voller Logikfehler und absurder Zufälle an, geht weiter mit einer uninspirierten Kamera und endet bei einer freudlosen Inszenierung. Ridley Scott hat seiner Tochter offensichtlich nichts von seinem Talent vererbt. Jordan Scott, die hier ihren zweiten Spielfilm als Regisseurin realisiert, ist höchstens Beweis dafür, dass mit der falschen Regie auch hervorragende Schauspieler wie Jonas Dassler oder Sophie Rois richtig schlecht sein können.

Berlin Nobody

Es beginnt auf niedrigem TATORT-Niveau und verschlimmert sich stetig bis zum lachhaften Ende. Einzig Volker Bertelmanns stimmungsvolle Musik ist positiv zu erwähnen. BERLIN NOBODY bietet nichts, was man nicht schon kennt oder in besser gesehen hat. Es ist einer dieser nichtssagenden Filme, die man beim Anschauen vergisst. Nach 87 Minuten setzt der Abspann ein. Zum Glück.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Sacrifice“
USA 2024
95 min
Regie Jordan Scott

Berlin Nobody

alle Bilder © SquareOne Entertainment

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Was will der Lama mit dem Gewehr?

WAS WILL DER LAMA MIT DEM GEWEHR?

Was will der Lama mit dem Gewehr?

WAS WILL DER LAMA MIT DEM GEWEHR?

Punktabzug für den ungeschickten deutschen Titel, der wie ein Karnevals-Hit aus den 70ern klingt.

Ab 01. August 2024 im Kino

Was will der Lama mit dem Gewehr?

Funfact: Bhutan erhielt 2006 als letztes Land der Welt Internetzugang. Um sein Reich ins 21. Jahrhundert zu führen, trat sogar der König zurück und ermöglichte so die Demokratisierung. THE MONK AND THE GUN (der simple, aber treffende Originaltitel) spielt in dieser bedeutsamen Zeit, als Wahlbeamte in abgelegene Regionen reisten, um den Menschen das System der Stimmabgabe zu erklären.

Was will der Lama mit dem Gewehr?

Ein älterer Lama (Kelsang Choejey) erkennt, dass ein tiefgreifender Wandel bevorsteht und ist über die möglichen Konsequenzen für die einfache Landbevölkerung besorgt. Er beauftragt seinen jungen Schüler Tashi (Tandin Wangchuk) mit einer ungewöhnlichen Mission: Vor dem nächsten Vollmond soll er zwei Gewehre ins Kloster bringen, um „alles in Ordnung zu bringen“. Tashis Suche führt ihn zu einem amerikanischen Waffensammler namens Ron, ausgesprochen schlecht von Harry Einhorn gespielt, was zu unerwarteten Komplikationen führt.

Was will der Lama mit dem Gewehr?

Obwohl WAS WILL DER LAMA MIT DEM GEWEHR? nicht gerade vor Spannung strotzt – man könnte eher von gepflegter Langeweile sprechen – überzeugt er durch den Charme seiner Figuren. Es plätschert dahin, ohne tiefere Erkenntnisse zu bringen. Regisseur Pawo Choyning Dorji inszeniert diese seltsam flache, aber nicht unsympathische Geschichte als Komödie und trifft dabei nicht immer den richtigen Ton. Die Grenze zwischen humorvoll und albern verschwimmt mitunter. Immerhin hat er mit seinem Film ganz nebenbei ein neues Genre geschaffen: die Arthouse-Klamotte.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Monk and the Gun“
Bhutan / Taiwan / Frankreich / USA 2023
107 min
Regie Pawo Choyning Dorji

Was will der Lama mit dem Gewehr?

alle Bilder © MFA+ FilmDistribution

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Tatami

TATAMI

Tatami

TATAMI

Frauenpower im Würgegriff – Martial Arts auf höchstem Niveau

Ab 01. August 2024 im Kino

Text: Anja Besch

Trotz des japanischen Titels ist „Tatami“ kein Mangamovie, sondern ein buchstäblich umwerfender Sport-Polit-Thriller, der auf der gleichnamigen Judomatte tobt.

Während der Weltmeisterschaft im georgischen Tiflis macht sich die iranische Sportlerin Leila (Arienne Mandi) berechtigte Hoffnung auf die Goldmedaille und ist angetrieben von ihrer Trainerin (Zar Amir Ebrahimi, die neben Guy Nattiv auch als Co-Regisseurin fungierte) in der Form ihres Lebens. Ebenso wie ihre israelische Kontrahentin. Dem Erzfeind im Finale möglicherweise zu unterliegen, ist jedoch nichts, was das despotische Mullah-Regime dulden kann, und so wird Laila Runde um Runde per Telefon, durch anwesende Geheimdienstler und sogar ihre eigene Trainerin drangsaliert, den Wettkampf aufgrund einer vermeintlichen Verletzung aufzugeben.

Der Film basiert auf einem tatsächlichen Ereignis, das sich 2018 in Tokio zugetragen hat, und wurde aus naheliegenden Gründen einer weiblichen Hauptfigur angepasst, die trotz oder gerade wegen ihrer Rolle als Frau zur Widerstandskämpferin wird. Eine Weltbühne in schwarz/weiß, gedreht in fast quadratischem 4:3 Format. Beklemmende Szenen in einsamen Umkleiden und labyrinthischen Gängen. Nahkampf in mitreißenden Schnitten. Wie man das Prinzip des Judos „siegen durch nachgeben“ für sich selber auslegen würde, ist die Frage, die einen noch lange nach diesem gleichermaßen spannenden wie existenziellen Film beschäftigen dürfte.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Tatami“
Georgien / USA 2023
106 min
Regie Zar Amir Ebrahimi & Guy Nattiv

Tatami

alle Bilder © Wild Bunch Germany

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DEADPOOL & WOLVERINE

DEADPOOL & WOLVERINE

DEADPOOL & WOLVERINE

DEADPOOL & WOLVERINE

Können DEADPOOL & WOLVERINE das MCU retten?

Ab 25. Juli 2024 im Kino

Der Sommer ist da und damit verlässlich wie die Kuckucksuhr, jede Menge Sequels und Prequels in den Kinos. Neben einer Neuauflage von TWISTERS und der Fortsetzung zu INSIDE OUT wird auch der dritte Teil des Deadpool-Franchise zu einem garantierten Kassenhit.

Deadpool & Wolverine

DEADPOOL & WOLVERINE ist der einzige Film, den die Marvelstudios 2024 in die Kinos bringen. Das liegt zum einen an den Streiks im letzten Jahr (es wurde schlicht nichts produziert), hat aber vor allem einen Grund: Die letzten Superheldenfilme waren ausnahmslos veritable Flops. Zumindest im Vergleich zu den Milliarden Dollar generierenden Hits der MCU-Hochzeit. Nicht nur finanziell, auch künstlerisch war den Superhelden und Heldinnen zuletzt die Puste ausgegangen. Statt Abenteuer und Charme gab es immer komplizierter werdende Multiverse-Storylines im unattraktiven Videogame-Look. Ein Reset war nötig. Und Deadpool soll es richten. Dass der überhaupt noch existiert, ist vielleicht die größte Überraschung. Nachdem Marvel vom kinderfreundlichen Mäuse-Konzern Disney gekauft wurde, schienen die Tage des politisch unkorrekten, dauerfluchenden Antihelden gezählt.

Deadpool & Wolverine

Mit Multiverse geht es bei DEADPOOL & WOLVERINE trotzdem erstmal weiter. In einer putzigen ersten halben Stunde versucht der sarkastische Superheld seinen toten Kumpel Wolverine zu reaktivieren. Bei einem Trip durch diverse Parallelwelten trifft er dabei auf unterschiedliche Versionen des von Hugh Jackman verkörperten X-Man. Die beiden müssen sich gegen eine tödliche (was sonst?) Bedrohung zusammentun, die das komplette Multiversum zerstören will. Man drückt als Zuschauer die Daumen, dass das mit der Zerstörung glückt, damit es danach vielleicht mal wieder ein paar neue Drehbuchideen gibt.

Deadpool & Wolverine

Third time‘s a charme. Nicht, dass Teil 1 und 2 nicht auch unterhaltsam gewesen wären. Aber der dritte Teil setzt noch mal einen drauf. Möglicherweise einen zu viel, denn das Dauerfeuerwerk aus Gags und Insider-Jokes ist auf Dauer auch anstrengend. Aber natürlich funktioniert die erprobte Mischung aus sarkastischem Humor und ultrabrutalen Actionszenen nach wie vor, der größte Trumpf ist ganz klar die Rückkehr von Hugh Jackman als Wolverine. Der australische Schauspieler, der eigentlich die Rolle seines Lebens vor sieben Jahren in LOGAN buchstäblich zu Grabe getragen hat, ließ sich von Ryan Reynolds und (mutmaßlich) viel Geld überreden. Zum Glück. Denn der stoische X-Man und das aufgedrehte Lästermaul Deadpool sind ein perfektes odd-couple.

Deadpool & Wolverine

Inhalt ist eher Nebensache, dafür erfreut DEADPOOL & WOLVERINE mit unzähligen Cameo-Auftritten diverser Stars, viel Metaebenengeschacher und dem Durchbrechen der vierten Wand (ein Markenzeichen der DEADPOOL-Filme). Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft hat zwar ein paar Längen und möglicherweise kann man sich fragen, ob nicht ein „sie schlagen sich, aber sie mögen sich trotzdem“-Kampf gereicht hätte (es gibt drei), doch insgesamt ist der einzige Marvel-Film in diesem Jahr die volle Ladung Sommer-Popcorn-Kino und um Längen besser als alles, was zuletzt aus dem MCU geflattert kam.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Deadpool & Wolverine“
USA 2024
127 min
Regie Shawn Levy

Deadpool & Wolverine

alle Bilder © 20th Century Studios / Marvel

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Love lies bleeding

LOVE LIES BLEEDING

Love lies bleeding

LOVE LIES BLEEDING

Ab 18. Juli 2024 im Kino

Kristen Stewart is back with a vengeance. Die Berlinale-Jurypräsidentin 2023 präsentiert mit LOVE LIES BLEEDING ihren sehr speziellen Beitrag zum Thema Girlpower.

Die junge Liebe zwischen Fitnessstudioleiterin Lou und Bodybuilderin Jackie steht unter keinem guten Stern, denn Lous Familie ist ein Haufen gewalttätiger Verbrecher. LOVE LIES BLEEDING hat von allem sehr viel: lesbischen Sex, Muskeln, Blut und heftige Chemie zwischen Kristen Stewart und Katy O’Brian. Regisseurin Rose Glass provoziert ihr Publikum, wo sie nur kann – das ist zwar alles andere als subtil, bereitet aber bis zur letzten Szene großen Spaß.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Love Lies Bleeding“
USA / GB 2023
104 min
Regie Rose Glass

Love Lies Bleeding

alle Bilder © PLAION PICTURES

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Ein kleines Stück vom Kuchen

EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN

Ein kleines Stück vom Kuchen

EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN

Frisch von der Berlinale 2024 kommt diese ungewöhnliche Liebesgeschichte aus dem Iran.

Ab 11. Juli 2024 im Kino

Ein kleines Stück vom Kuchen

Mahin (70) lebt allein in Teheran, ihre Kinder sind ins Ausland gezogen. Eines schönen Tages beschließt sie, dass es genug mit der Einsamkeit ist und ihr Liebesleben einen Neustart braucht. Die Spontanromanze mit einem Taxifahrer entwickelt sich rasch zu einem in vielerlei Hinsicht unvergesslichen Abend.

Zarte Liebesgeschichte mit Humor

Schon Maryam Moghaddams und Behtash Sanaeehas vorheriger Film BALLAD OF A WHITE COW  entwickelte sich zum Publikumsliebling der Berlinale 2021 und wurde nicht nur hier auf Framerate in den höchsten Tönen gelobt. Auch EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN lief in diesem Jahr im Wettbewerb. Einen Bären gab es zwar nicht, aber immerhin den „Ökumenischen (Trost)-Preis“.

Ein kleines Stück vom Kuchen

Zwei Fremde begegnen sich zufällig, verlieben sich und erleben eine gemeinsame magische Nacht. Die zarte Tragikomödie hat alles, was gutes Kino braucht: eine interessante Story, mit Lily Farhadpour und Esmail Mehrabi zwei herausragende Darsteller und trotz Humor und Leichtigkeit die nötige Tiefe. Das wahre Leben ist dagegen gar nicht lustig: Wegen vermeintlich kritischer Szenen wurde gegen die Filmemacher Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha ein Ausreiseverbot im Iran verhängt. Ihre Pässe wurden konfisziert, nun droht ihnen ein Gerichtsverfahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Keyke Mahboobe Man“
Iran / Frankreich / Schweden / Deutschland 2024
97 min
Regie Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha

Ein kleines Stück vom Kuchen

alle Bilder © Alamode Film

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To the Moon

TO THE MOON

To the Moon

TO THE MOON

Screwball-Komödie über eine eventuell gefälschte Mondlandung mit einer bestens aufgelegten Scarlett Johansson.

Ab 11. Juli 2024 im Kino

To the Moon

Kelly Jones (Scarlett Johansson) ist eine notorische Lügnerin. Hauptberuflich als Marketingexpertin unterwegs, ist das nicht unbedingt von Nachteil. Um einen lukrativen Job an Land zu ziehen, schnallt sie sich auch mal einen künstlichen Babybauch um. Denn der vermeintlich werdenden Mutter frisst die durchweg männliche Kundschaft aus den Händen.

Optimistischer Charme

Es ist das Jahr 1969 und die USA stehen unter galaktischem Druck: Die Sowjets hatten schon einen Menschen im All, nun muss Amerika mit dem ersten Mann auf dem Mond nachziehen. Auftritt Moe Berkus (Woody Harrelson). Der zwielichtige Regierungsbeamte engagiert Kelly, um die eingeschlafene Begeisterung der Amis für das NASA-Projekt neu zu entfachen. Bei ihrem Marketingjob bringt sie jedoch den technischen Leiter der Mondmission, Cole Davis (Channing Tatum), gehörig durcheinander. Weil das Weiße Haus unbedingt einen Erfolg sehen will, wird Kelly angewiesen, notfalls eine Mondlandung zu faken.

To the Moon

FLY ME TO THE MOON (Originaltitel) ist eine klassische Screwball-Komödie, wie sie nur Amerikaner drehen können. Scarlett Johansson und Channing Tatum funktionieren gut als modernes Cary-Grant-Katharine-Hepburn-Pendant. Alles von der Ausstattung und den Kostümen bis zur Bildsprache atmet Hollywood. Dazu ein optimistischer Charme, der alle Hindernisse rasch aus dem Weg räumt.

To the Moon

Regisseur Greg Berlanti kennt sich als Produzent zahlloser Fernsehserien (RIVERDALE, THE FLASH, TITANS) vor allem damit aus, wie man auf den nächsten Commercial-Break hinarbeitet. Das merkt man auch TO THE MOON an. Manche Szenen wirken so holprig aneinadergeflanscht, als wäre dazwischen ein Werbeblock geplant gewesen. Elegantes Filmemachen geht anders.

To the Moon

Über solche Schwächen tröstet die spielfreudige Besetzung hinweg. Bis in die kleinsten Nebenrollen (hier stimmt die Phrase ausnahmsweise wirklich) hervorragend besetzt, ist dies vor allem Scarlett Johanssons Film. Dank ihres Megacharmes und ihrer sexy-rauchigen Stimme (zumindest im Original) trägt sie das Ganze. Da verzeiht man auch, dass die Komödie locker 30 Minuten zu lang ist. Obwohl nicht jeder Gag zündet und einige Dialoge Feinschliff vertragen hätten (über die teils grotesk schlechten Greenscreen-Effekte wollen wir schweigen), ist TO THE MOON vergnügliche Unterhaltungsware. Es muss ja nicht immer große Kunst sein – manchmal reicht auch „niedlich“.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Fly Me to the Moon“
USA 2024
131 min
Regie Greg Berlanti

To the Moon

alle Bilder © Sony Pictures

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Fireworks

FIREWORKS

Fireworks

FIREWORKS

STRANIZZA D’AMURI, italienisch für „Seltsamkeit der Liebe“, erzählt die zarte Liebesgeschichte von zwei jungen Männern, die vor 40 Jahren in Italien ermordet wurden.

Läuft im Rahmen der Queerfilmnacht ab Juli in ausgewählten Kinos

Fireworks

Die beiden knackigen Teenager Gianni und Nino krachen bei einem Mofa-Unfall ineinander und sind schockverliebt. Mofa? Klingt nach 80er-Jahre – ist es auch. Andere Zeiten, andere Sitten. Die schwule Liebe erblüht in einem sizilianischen, streng katholischen Nest, weit weg von jeder modernen LGBTQ-Großstadttoleranz. Nicht nur die Dorfjugend stört sich an den verliebten ragazzi, auch die Familien wollen die „kranke“ Beziehung so schnell wie möglich beenden.

Fireworks

Flirrende Sommerhitze, staubige Luft, Rotwein zum Mittagessen – das erinnert an CALL ME BY YOUR NAME, den Publikumsliebling von 2017. Im Vergleich dazu verströmt Giuseppe Fiorellos melancholischer Film allerdings nur bedingt die Leichtigkeit des Sommers. Schließlich geht es um Mord.

Fireworks

Der tolle Cast spielt die tragische Coming-of-Age-Story einfühlsam und mit hohem Niedlichkeitsfaktor. Besonders bemerkenswert ist Samuele Segretos Darstellung des Gianni, der mit stiller Wut den im Dorf gemobbten „zarten“ Jungen verkörpert. Gabriele Pizzurro überzeugt als bodenständiger Nino, Sohn des titelgebenden Feuerwerkers. Interessanterweise brechen die Rollen optisch mit den üblichen Klischees, was zusätzliche Spannung erzeugt. Allerdings wirken die restlichen Charaktere etwas grob gezeichnet. Ist es wirklich plausibel, dass eine ganze Dorfgemeinschaft sich an der ersten Liebe zweier Teenager derart abarbeitet?

Fireworks

Die Antwort lautet: Leider ja. Denn die dramatische Geschichte hat sich kein Drehbuchautor ausgedacht, sondern das wahre Leben. Giorgio Agatino Giamonna und Antonio Galatola wurden im Spätjahr 1980 tot aufgefunden, beide erschossen. Der Film ist von ihrem Doppelmord inspiriert, der in Italien als „Delitto di Giarre“ in die Kriminalgeschichte einging. Das Verbrechen war für die italienische Homosexuellenbewegung von großer Bedeutung und führte zur Gründung der ARCI GAY, der wichtigsten queeren Organisation in Italien.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Stranizza d’amuri“
Italien 2023
134 min
Regie Giuseppe Fiorello

Fireworks

alle Bilder © Salzgeber

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MaXXXine

MAXXXINE

MaXXXine

MAXXXINE

Mia Goth hat zwar keine Augenbrauen, ist aber trotzdem eine begnadete Schauspielerin. Im Finale der X-Trilogie von Ti West zeigt sie wieder, was sie kann.

Ab 04. Juli 2024 im Kino

MaXXXine

Das Gute an Ti Wests 2022 mit X begonnener Horror-Trilogie ist, dass man sich problemlos jeden einzelnen Film anschauen kann, ohne die anderen gesehen haben zu müssen. Jeder Teil hat eine abgeschlossene Geschichte und seinen ganz eigenen Stil. Die chronologisch korrekte Reihenfolge wäre: PEARL, X und zum Abschluss MAXXXINE (drei X, weil dritter Teil und gleichzeitig ein Verweis auf das US-Ratingsystem für Filme, die als „nicht für Jugendliche geeignet“ eingestuft werden).

MaXXXine

Original, Prequel, Sequel – es ist nicht unkompliziert: Den Anfang macht vor zwei Jahren X, in dem die greise Farmbesitzerin Pearl (gespielt von Mia Goth, versteckt unter vielen Schichten Latex und Make-up) Ende der 70er-Jahre ein Pornofilmteam abschlachtet. Einzige Überlebende ist Maxine (ebenfalls Mia Goth). Das Prequel PEARL bietet dann die Erklärung, wie 50 Jahre zuvor aus einem jungen, künstlerisch ambitionierten Mädchen die mörderische Psychopathin Pearl wird. MAXXXINE spielt 1985 und ist die Fortsetzung zu X. Maxine Minx (wiederum Mia Goth) hat sich inzwischen als erfolgreicher Pornostar etabliert, doch sie strebt nach mehr: Sie möchte als ernsthafte Schauspielerin weltberühmt werden. Im schmuddeligen Hollywood der 1980er-Jahre gar nicht so einfach, vor allem, weil ein satanistischer Serienmörder sein Unwesen treibt und dessen Opfer allesamt aus Maxines Freundeskreis stammen.

MaXXXine

Dass dies ein furchtbares und zugleich großes Vergnügen ist, darf man von Ti West erwarten. Die Trilogie überrascht nicht nur mit visuellen Ideen, sondern ist vor allem und in erster Linie wegen Mia Goth ein Genuss. Nach ihrem legendären One-Take am Ende von PEARL liefert sie auch hier wieder eine grandiose Performance.

MaXXXine

MAXXXINE ist die volle Dröhnung Wahnsinn und blutiger Bodyhorror. Um alle Anspielungen und Eastereggs auf die vorherigen Teile und zahlreichen Hollywood-Klassiker zu entdecken, müsste man den Film mindestens zweimal sehen. Ti West bleibt sich also treu, doch trotz hervorragender Kamera und Ausstattung ist MAXXINE das schwächste Kapitel der Trilogie. Nach seinem technicolorbunten Siebzigerjahre-Slasher-Retrotrip X und dem albtraumhaften Ausflug in die 1920er mit PEARL versucht er diesmal, die krisseligen Achtziger und das Serienmörder-Genre wiederzubeleben. Dies gelingt ihm nur bedingt. Ist der Film eine opulente Showbiz-Satire? Ein Hardcore-Horrorfilm? Ein Krimi? MAXXXINE landet irgendwo dazwischen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „MaXXXine“
USA 2024
104 min
Regie Ti West

MaXXXine

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT – ABBÉ PIERRE

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT – ABBÉ PIERRE

Güte hat ein Gesicht. Der bei uns wenig bekannte Bruder Abbé ist in Frankreich so etwas wie ein Nationalheiliger.

Ab 04. Juli 2024 im Kino

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE

Menschen wie ihn (oder die 1997 verstorbene Mutter Theresa) gibt es heute nicht mehr. Ein Gutmensch, durch und durch. Und das ist nicht abfällig gemeint, denn der französische Priester und Kapuziner Abbé Pierre hat in seinem Leben unzähligen Menschen in Not geholfen, ganz uneigennützig, nur von christlicher Nächstenliebe getrieben.

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE

Zwischentitel – der Film. Selten gab es mehr „3 Monate später“ oder „2 Jahre später“-Einblendungen wie hier. Das ist dann auch das größte Manko des chronologisch und viel zu detailliert nacherzählten Biopics: sein Unvermögen, Dinge wegzulassen. Der erste Teil, der während des Zweiten Weltkrieges spielt, ist der interessantere. Man spürt das Leiden der Soldaten, die Figuren durchleben echte Qualen. Der zweite Teil wirkt dagegen zäher und bleibt durch das Abhandeln zu vieler Ereignisse oberflächlich. Abbé Pierre (Benjamin Lavernhe) vollbringt eine gute Tat nach der anderen –  ein Mann ohne Fehler und Schwächen; das macht es schwierig, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Sehenswert ist EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT – ABBÉ PIERRE vor allem wegen der tollen Kamera und wegen des Hauptdarstellers. Benjamin Lavernhe überzeugt genauso als junger Mann, wie auch als über 90-jähriger Greis.

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE

Diejenigen, die das Leben und Werk des berühmten Kirchenmannes schon kennen, werden durch das episodenhaft erzählte Biopic kaum Neues erfahren. Für alle anderen ist der Film über den 2007 verstorbenen Gründer der Obdachenlosenhilfe „Emmaus“ eine erhellende Geschichtslektion mit ein paar Längen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „L’Abbé Pierre – Une vie de combats“
Frankreich 2023
138 min
Regie Frédéric Tellier

EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE

alle Bilder © Splendid Film

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Daddio - Eine Nacht in New York

DADDIO – EINE NACHT IN NEW YORK

Daddio - Eine Nacht in New York

DADDIO – EINE NACHT IN NEW YORK

Analysize this! Sean Penn gibt Dakota Johnson Beziehungstipps.

Ab 27. Juni 2024 im Kino

So eine Taxifahrt kann furchtbar sein. Es stinkt, die Musik ist falsch und zu laut, der Fahrer griesgrämig oder eine Labertasche. DADDIO ist eine einzige Taxifahrt. 95 % des Films spielen in einem New Yorker Cab auf dem Weg vom Flughafen nach Midtown. Dass der Film trotzdem kurzweilig und sehenswert ist, liegt an der straffen Inszenierung von Christy Hall, die hier ihren ersten Kinofilm realisiert hat, der ideenreichen Kamera von Phedon Papamichael und der hervorragenden Besetzung.

Daddio - Eine Nacht in New York

DADDIO ist ein intensives Gespräch darüber, wie Männer und Frauen ticken. Ein Kammerspiel, dessen Qualität mit den beteiligten Schauspielern steht und fällt. Die große Überraschung: Dakota Johnson ist gut. Wer hätte das nach den lustlos heruntergespielten SHADES OF GREY-Filmen und ihrem unterirdisch schlechten Auftritt als MADAME WEB gedacht? Man muss der Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson zugutehalten, dass sie ihren Ausflug ins Superheldengenre selbst am kritischsten sieht und lakonisch feststellt: „Ich werde wahrscheinlich nie wieder in so etwas mitspielen, weil ich in dieser Welt keinen Sinn mache.“

Das Gegenteil eines Marvel-Comics

Nun also das absolute Gegenteil eines Marvel-Comics: ein tiefgründiger Dialogfilm an der Seite von Sean Penn. Dessen Besetzung als lebenskluger Taxifahrer ist ein genialer Schachzug, denn ob er harmlos ist oder Böses im Schilde führt, entdeckt der Zuschauer erst nach und nach. Geht man ganz und gar unvorbereitet in den Film, weiß man zunächst im wahrsten Sinne nicht, wohin die Reise führt. Penn verströmt eine unterschwellige Creepiness; würde er die junge Frau auf dem Rücksitz entführen oder vergewaltigen, es würde einen nicht überraschen. Doch stattdessen entwickelt sich ein ehrliches Gespräch zwischen den beiden, das bald zum intimen Seelenstriptease wird. Die junge Frau, die ihren Namen nicht preisgibt, ist in eine Affäre mit einem verheirateten Mann, den sie Daddy nennt, verstrickt. Taxifahrer Will – been there, done that – hat jede Menge Ratschläge; wie sich herausstellt, war er selbst vor vielen Jahren in der Rolle des Fremdgängers, er weiß also, wovon er spricht.

Eine packende Geschichte

Am Ende gibt es ein paar gut gemeinte Lebenstipps zu viel, doch Johnson und Penn machen das Zweipersonenstück mit ihrem nuancierten und souveränen Spiel absolut sehenswert. DADDIO zeigt, dass eine Taxifahrt, auch wenn sie manchmal furchtbar sein kann, das Potenzial für eine packende Geschichte hat – vorausgesetzt, man hat die richtigen Passagiere an Bord.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Daddio“
USA 2023
101 min
Regie Christy Hall

Daddio - Eine Nacht in New York

alle Bilder © LEONINE Studios

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Sting

STING

Sting

STING

Eine dicke Spinne treibt ihr Unwesen in diesem australischen B-Picture mit tollen Effekten.

Ab 20. Juni 2024 im Kino

Es fängt relativ harmlos an: Ein kieselsteingroßes Objekt rast aus dem Weltraum auf die Erde zu, schlägt durch eine Fensterscheibe in Brooklyn und landet in einem Puppenhaus. Aus dem extraterrestrischen Ei schlüpft eine kleine Spinne, die von der 12-jährigen Charlotte als neue Freundin aufgenommen wird. Das intelligente Insekt entwickelt einen ungewöhnlichen Appetit auf alles Lebendige und wächst innerhalb kürzester Zeit zu einem Monstrum heran.

Sting

STING ist einer der Filme, bei denen man hinterher froh ist, dass die Wände der eigenen Wohnung hell gestrichen sind und die Heizung nicht über Lüftungsschächte betrieben wird. Dass es einen trotzdem noch Stunden später überall am Körper juckt, spricht für die Wirksamkeit des australischen Horrorfilms.

Auch wenn es sich um eine Low-Budget-Produktion handelt, STING sieht alles andere als billig aus. Die praktischen und CGI-Effekte hat die australische Firma Weta realisiert, die bereits Gollum im HERR DER RINGE zum Leben erweckt hat.

Sting

Wenn schon Spinnenhorror, dann bitte so: Eine simple, aber packende Geschichte, sich kontinuierlich steigernde Spannung und Figuren, mit denen man mitfiebern kann. Dass die Zutaten vertraut sind, stört dabei nicht weiter. Charlotte (Alyla Browne, zuletzt in FURIOSA zu sehen) erinnert an eine jugendliche Version von Ripley, die bald ganz alleine gegen ein außerirdisches, tödliches Alien kämpft.

Sting

Regisseur Kiah Roache-Turners spannender Arachno-Schocker könnte auch von Guillermo del Toro stammen. Das Kammerspiel überzeugt mit sorgfältig entwickelten Charakteren und einem furchteinflößenden Ungeheuer. Dazu ist das Ganze überraschend gut gemacht. Die besten Horrorfilme kommen derzeit ohnehin aus Australien –  nach TALK TO ME ein weiteres Genre-Highlight aus Down Under.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Sting“
Australien / USA 2024
92 min
Regie Kiah Roache-Turner

Sting

alle Bilder © STUDIOCANAL

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Niemals allein immer zusammen

NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN

Niemals allein immer zusammen

NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN

Das große Labern. Dokfilm über die nächste Generation linker Aktivisten.

Ab 13. Juni 2024 im Kino

Niemals allein immer zusammen

Die Urenkel von Marx und Engels finden alles voll gut, voll schön und voll wichtig. Aber auch irgendwie krass, cute und sad. Als Boomer tut man sich schwer, Jugendsprache auszuhalten. Man versteht zwar, was gemeint ist, doch die eintönige, mit wahllosem Englisch durchsetzte Wortwahl nervt. Spätestens beim fünfundzwanzigsten „safe“ wünscht man sich eine Sprachpolizei, aber das ist so unrealistisch wie die Rückkehr des Münzfernsprechers.

Niemals allein immer zusammen

Wenig Optimismus, große Unzufriedenheit und tiefe Verunsicherung kennzeichnen die Generation der 14- bis 29-Jährigen von heute. Das ergab die kürzlich veröffentlichte Trendstudie „Jugend in Deutschland“. Schuld ist – wenig überraschend – das permanente Abtauchen ins Handy. Doch ohne Social Media geht heutzutage nichts. Dass die politisch engagierten Twens Quang, Patricia, Simin, Zaza und Feline ihre Botschaften mittels nicht besonders witziger TikTok-Videos unter die Menschheit bringen – geschenkt. Man freut sich, dass überhaupt noch jemand für etwas brennt und nicht nur stumpf konsumiert. Sich mit Idealismus für soziale und politische Anliegen zu engagieren, um die Welt besser zu machen – daran gibt es nichts auszusetzen.

Niemals allein immer zusammen

Leider findet Joana Georgi für ihren Dokumentarfilm über die nächste Generation der Linken keine interessante Erzählstruktur oder wenigstens originelle visuelle Ideen. Funktion folgt hier oft der Form: Wenn es gut aussieht, verliert sich die Kamera in Eitelkeiten. Eine langatmige Unterhaltung über die Ungerechtigkeiten auf dem Berliner Wohnungsmarkt (passenderweise auf dem Tempelhofer Flugfeld gedreht) wird mit Club-Mate und Sonnenflares in Social-Media-affinen Bildern inszeniert.

Niemals allein immer zusammen

Alle sind überengagiert, aber die schiere Menge an Missständen lässt den Protest beinahe beliebig wirken. Enteignung, unterdrückte Frauen, unterbezahlte Azubis – worum geht’s heute? Egal. Hauptsache, das „Narrativ“ stimmt. Wenn die ohnehin im Denglish verlorene Feline eine „cake“ mit Marzipangesichtern verziert, um damit an die Opfer von Hanau zu erinnern, wird der Protest zur cringen Lachnummer. So erweist NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN der gutgemeinten Sache der Aktivistinnen und Aktivisten einen Bärendienst.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2024
91 min
Regie Joana Georgi

Niemals allein immer zusammen

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih

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King's Land

KING’S LAND

King's Land

KING’S LAND

Die Verfilmung der wahren Geschichte vom mutigen Bauern Ludvig Kahlen ging für Dänemark bei den Oscars ins Rennen.

Ab 6. Juni 2024 im Kino

King's Land

1755: Dänemarks König Frederik V träumt davon, die Heidelandschaften Jütlands urbar zu machen. Auftritt Ludvig Kahlen – der ehemalige Soldat ist ehrgeizig und verspricht, die sandige Ödnis zu bezwingen. Doch der ebenso grausame wie machthungrige Gutsherr Frederik De Schinkel erhebt Besitzansprüche auf das Land und versucht, Kahlen mit allen Mitteln zu beseitigen. Ein blutiger Kampf zwischen den beiden Männern beginnt.

King's Land

BASTARDEN (Originaltitel) ist eine brutale Geschichte über die Dynamik von Macht und Klassenkampf im Dänemark des 18. Jahrhunderts. Mads Mikkelsen liefert eine großartige Leistung als verarmter Ex-Militär, der versucht, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen. Neben einem stimmigen Drehbuch mit nuanciert ausgearbeiteten Charakteren beeindruckt der nordische Western durch die Art und Weise, wie er Themen wie Rassismus, den Kampf der Frauen gegen die männliche Vorherrschaft und persönlichen Freiheitsdrang elegant in die Handlung einbaut.

KIng's Land

Intrigen, Folter, Giftmord: Das Epos erinnert an GAME OF THRONES, nur ohne Drachen. Mit KING’S LAND ist Regisseur Nikolaj Arcel ein visuell prächtiges Historiendrama gelungen, mitreißend inszeniert und herausragend besetzt. Mads Mikkelsen wurde für seine Rolle als stoischer Landwirt mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bastarden“
Dänemark / Deutschland / Schweden 2023
127 min
Regie Nikolaj Arcel

King's Land

alle Bilder © PLAION PICTURES

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Green Visions Potsdam

FILMFESTIVAL FÜR NACHHALTIGES LEBEN

Green Visions Potsdam

FILMFESTIVAL FÜR NACHHALTIGES LEBEN

„Kann Klima Spaß machen? Aber ja.“ -meint Dieter Kosslick. Ja genau, DER Dieter Kosslick. Unter Leitung des ehemaligen Berlinale-Chefs findet noch bis heute erstmals das Filmfestival Green Visions in Potsdam statt.

Klimawandel und Kino – zwei Begriffe, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben. Doch Hollywood hat mehr Einfluss auf unser Umweltbewusstsein, als wir denken. Vom Blockbuster über Dokumentationen bis hin zu dystopischen Zukunftsvisionen - Filme sind ein mächtiges Werkzeug, um die Dringlichkeit der Klimakrise zu vermitteln und die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen. Kuratiert von der Amerikanerin Karen Arikian wird in Potsdam eine Auswahl von 18 Spiel- und Dokumentarfilmen rund um die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ernährung gezeigt. Dazu gibt's erhellende Expertengespräche vor und nach den Vorführungen. Bleibt zu hoffen, dass das noch zarte Pflänzchen „Green Visions Potsdam“ in den kommenden Jahren kräftig Wurzeln schlägt.

LES GARDIENNES DE LA PLANÈTE

LES GARDIENNES DE LA PLANÈTE

Mit Jean-Albert Lièvres LES GARDIENNES DE LA PLANÈTE (WHALE NATION) wurde das Festival am vergangenen Donnerstag eröffnet. Der Mensch bevölkert (und zerstört) die Erde gerade mal seit 2 Millionen Jahren, da kann der Buckelwal nur milde lächeln. Seit über 50 Millionen Jahren schwimmen die gigantischen Tiere durch unsere Ozeane. Lampenöl, Korsetts, Klaviertasten, Kosmetika – Wale wurden in den vergangenen Jahrhunderten fast ausgerottet, nur langsam erholen sich die Bestände wieder. WHALE NATION begleitet die höchst eleganten Meeressäuger auf ihrer Reise rund um den Globus. In Abwandlung von Loriots „Der Hund kann ja gar nicht sprechen“ leiht dabei der britische Schauspieler Richard E. Grant einem der Buckelwal seine sonore Stimme. Vielleicht braucht es diese Vermenschlichung, um sich am Ende selbst wie ein Wal zu fühlen. Poetisch und schön.

INFOS ZUM FILM

Englischer Titel „Whale Nation“
Frankreich 2023
82 Min.
Regie: Jean-Albert Lièvre

The End We Start From

THE END WE START FROM

Apropos Ende: Der Klimawandel wird uns alle zu Flüchtlingen machen. Wer bei dem Thema einen Roland-Emmerich-tauglichen Katastrophenfilm erwartet, wird überrascht. Es pieselt zwar viel, aber einstürzende Dämme und untergehende Großstädte muss man sich vorstellen, gezeigt wird nur eine typisch britische Regenlandschaft. Dazu die bekannten Endzeit-Versatzstücke aus zwischenmenschlichem Chaos und sich neu bildenden Gesellschaftsformen. Trotz guter Kamera (Suzie Lavelle) und hochkarätiger Gastauftritte von Benedict Cumberbatch und Mark Strong bleibt die ganze Angelegenheit insgesamt eher schleppend.

Die ausführliche Kritik ist bereits letzte Woche erschienen, hier zum Nachlesen: THE END WE START FROM

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The End We Start From“
Großbritannien 2023
102 min
Regie Mahalia Belo

FASHION REIMAGINED

FASHION REIMAGINED

Viel besser dagegen der Dokumentarfilm FASHION REIMAGINED aus Großbritannien. Amy Powney ist in ihrer Heimat ein aufstrebender Star. Vor sechs Jahren stellt die Modedesignerin und Inhaberin des Labels Mother of Pearl ihr Unternehmen auf den Prüfstand, gestaltet es daraufhin gründlich um. Bisher auf Gewinn und immer weiter steigende Produktionszahlen fixiert, fühlt sich Powney als Teil des Klimaproblems. Als sie 2017 den British Fashion Council and Vogue Fashion Fund Award gewinnt, nutzt sie das Preisgeld, um ihre Firma umweltfreundlicher zu machen. Die Filmemacherin Becky Hutner begleitet die grundsympathische Powney bei ihrem Versuch, eine komplett nachhaltige Bekleidungskollektion zu entwerfen. Was sich als schwieriger erweist als gedacht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Fashion Reimagined“
Großbritannien 2022
100 min
Regie Becky Hutner

FOOD, INC. 2

FOOD, INC. 2

Ein neuer Trend: Dokumentarfilme bekommen, wie bei Blockbustern schon lange üblich, eine Fortsetzung. Demnächst startet DIE UNBEUGSAMEN 2 im Kino, nun also auch das Sequel zur oscarnominierten Doku FOOD, INC. aus dem Jahr 2008. Die Filmemacher Robert Kenner und Melissa Robledo haben ihr erklärtes Ziel verfehlt, aus stumpfen Allesfressern, die jede von der Industrie angerührte processed-food-Pampe schlucken, kritische Konsumenten zu machen. Zwar sind heutzutage sogar Mars-Riegel „Bio“ und an jeder Straßenecke versprechen organische Bauernmärkte gesunde Kost (zu Höchstpreisen), doch der Markt wird weiterhin „von einer Handvoll sehr großer und sehr mächtiger Unternehmen“ bestimmt, so der Produzent des Films. FOOD, INC. 2 beschränkt sich nicht auf Negativbeispiele, sondern zeigt Alternativen: Politiker, Landwirte und Lebensmittelproduzenten, die mit Engagement und Ideenreichtum versuchen, den Menschen eine gesündere Ernährung zu ermöglichen und dabei die Umwelt zu schonen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „FOOD, INC. 2“
USA 2023
100 min
Regie Robert Kenner, Melissa Robledo

UKJENT LANDSKAP

UKJENT LANDSKAP

Zum Schluss noch ein Abstecher in die Wildnis: UKJENT LANDSKAP (A NEW KIND OF WILDERNESS) ist ein norwegischer Dokumentarfilm, der von einer sechsköpfigen Familie erzählt, die fernab aller Zivilisation als Selbstversorger eine Farm betreibt. Morgens erst mal einen Baum umarmen, das Leben kann wundervoll sein. Doch dann macht die Krebserkrankung der Mutter das schöne, freie Dasein zunichte. Nach ihrem Tod ist die Familie gezwungen, ihr Leben komplett umzustellen. Das Geld reicht nicht, der Vater ist mit der Alleinerziehung überfordert. Auch Regisseurin Silje Evensmo Jacobsen musste ihre ursprüngliche Idee, ein Porträt über die britisch-norwegische Aussteigerfamilie zu drehen, aufgeben. Ihr Film begleitet den Vater und seine Kinder bei ihrem langen und oft schweren Weg aus der Trauer zurück in einen halbwegs funktionierenden und glücklichen Alltag. Die zu Herzen gehende Dokumentation gewann in diesem Jahr den Grand Jury Prize auf dem Sundance Filmfestival.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A New Kind of Wilderness“
Norwegen 2024
84 min
Regie Silje Evensmo Jacobsen

Festivallogo © Green Visions Potsdam
LES GARDIENNES DE LA PLANÈTE © Goodfellas
THE END WE START FROM © Anika Molnar
FASHION REIMAGINED © Nick Prendeville
FOOD, INC. 2 © River Road and Participant
UKJENT LANDSKAP © A5 Film

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Nathalie - Überwindung der Grenzen

NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN

Nathalie - Überwindung der Grenzen

NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN

Zahme Schweizer Politkomödie zum Thema Flüchtlingskrise.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Nathalie Adler (Isabelle Carré) arbeitet für die Europäische Union und soll für den französischen Präsidenten Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel einen Besuch in einem Flüchtlingslager auf Sizilien organisieren. Aber weil es da viel zu ordentlich aussieht, werden für den dramatischen Effekt hektisch marode Zelte aufgebaut und Schmutz verteilt. Während der Arbeiten trifft Nathalie ihren Sohn wieder, den sie vor neun Jahren verlassen hatte.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Kurios wird es, als die Delegierten aus Berlin und Paris einen ausgewählten Vorzeigeflüchtling kritisieren, weil er zu eloquent spricht. Besonders sein fließendes Französisch wird beanstandet. „Bitte etwas zögerlicher reden“ wird ihm nahegelegt, um vor den Fernsehkameras mehr Mitgefühl zu erzeugen. Von zynischem Humor wie diesem hätte der Film gut mehr vertragen, der Rest ist für eine politische Satire überraschend zahm.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Nathalies Sohn Albert (Théodore Pellerin) hingegen ist wütend und stellt die gesamte Politik an den Pranger. Als engagiertes Mitglied einer NGO gibt der Einundzwanzigjährige einer kritischen Journalistin vertrauliche Informationen zur europäischen Asylpolitik weiter, vor allem, um damit seiner verhassten Mutter zu schaden. Die hatte ihn im Alter von 12 beim Vater zurückgelassen und war mit einer Frau durchgebrannt. Neben Hauptdarstellerin Isabelle Carré ist der junge Kanadier Théodore Pellerin das andere Highlight des Films: eine Entdeckung. Demnächst ist er in der Disney+-Serie BECOMING LAGERFELD als dessen große Liebe Jacques de Bascher zu sehen.

Nathalie - Überwindung der Grenzen

Flüchtlingskrise, Boatpeople, Mutter-Sohn-Konflikt, lesbische Liebe, Politik: Regisseur Lionel Baier packt zu viel in 84 Minuten. NATHALIE – ÜBERWINDUNG DER GRENZEN bietet einige gute Momente und starke schauspielerische Leistungen, aber insgesamt bleibt die Mischung aus Familiendrama und Politsatire zu harmlos.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La Dérive des continents (au sud)“
Schweiz / Frankreich 2022
84 min
Regie Lionel Baier

Nathalie - Überwindung der Grenzen

alle Bilder © W-FILM / Les Films du Losange

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Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN

HINTER GUTEN TÜREN ist Julia Beerholds Auseinandersetzung mit der eigenen Familie. Ihr Dokumentarfilm deckt schmerzhafte Erinnerungen auf.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Hinter guten Türen

Ein junges Mädchen steht mit Tränen in den Augen vor seinem Vater, einem erfolgreichen Unternehmer. Er schlägt ihr ins Gesicht, obwohl sie nicht weiß, was sie falsch gemacht hat. Anschließend holt der Vater die Kamera und fotografiert seine weinende Tochter – eine verstörende Erinnerung für das Familienalbum.

Die Abgründe hinter den Türen

Die Schauspielerin und Regisseurin Julia Beerhold hat einen Film über ihre Kindheit und Jugend in den 1960er und 70er-Jahren gedreht, in der Prügel für sie und ihren Bruder zum Alltag gehören. Vielleicht noch schlimmer als die körperliche Gewalt des Vaters ist die emotionale Kälte der Mutter. „Dann ward ihr da und dann war gut“, antwortet die alte Frau auf die Frage ihrer erwachsenen Tochter, warum sie trotz des Wunsches nach Kindern immer so distanziert war. „Ich habe mir gesagt, ich bin eine alte Mutter und nein, nein, die Kinder dürfen dich nicht zu sehr lieben. Wenn Du stirbst, ist das sonst zu schlimm für sie.“ Eine verdrehte Rechtfertigung der über 90-Jährigen. Die eigene Gefühllosigkeit tut sie als „Macke“ ab.

Hinter guten Türen

Wie oft denkt man selbst, man müsste ein Buch schreiben oder einen Film über das Leben der Eltern machen. Julia Beerhold hat es einfach getan. Ihre autobiografische Dokumentation schildert die Geschichte ihrer Kindheit, die von Liebe und Förderung ihrer Eltern geprägt ist, aber auch von Brutalität überschattet wird. Nicht ohne Konsequenzen: Mit elf Jahren beginnt sie zu trinken, später kommen Drogen dazu, drei Selbstmordversuche folgen.

Hinter guten Türen

HINTER GUTEN TÜREN erzählt keinen Einzelfall. Bei den meisten Familien würde sich ein Blick in die Abgründe hinter den Türen lohnen. Beerholds reduzierte Dokumentation ist zwar handwerklich simpel gemacht, dafür inhaltlich umso komplexer. Schicht um Schicht legt sie die Erinnerungen frei, ohne sich dabei selbst zu schonen. Am Ende muss sie erkennen, dass sie als Jugendliche ähnlich grausam wie ihre Eltern war und den Schmerz an ihre beste Freundin weitergegeben hat.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
79 min
Regie Julia Beerhold

Hinter guten Türen

alle Bilder © mindjazz pictures

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The End We Start From

THE END WE START FROM

The End We Start From

THE END WE START FROM

In England regnet es seit Monaten. Klingt wie ein normaler Wetterbericht der BBC, ist aber die Idee zu einem Katastrophenfilm der etwas anderen Art.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

The End We Start From

Der Wasserpegel steigt unaufhörlich. Allerdings nur in der Wanne, denn eine hochschwangere junge Frau (Jodie Comer) gönnt sich erst mal ein Bad. Kurz darauf setzen die Wehen ein. Während die Mutter ihr Kind aus dem Geburtskanal in die Welt presst, brechen Wassermassen über England ein. Land unter. Gemeinsam mit Ehemann R. (Joel Fry) begibt sich die Kleinfamilie auf die Flucht.

Dauertraurig und fast sediert

Den Inhalt von THE END WE START FROM könnte man in zwei Sätzen so zusammenfassen: Während eine Frau von A nach B nach C und dann wieder (Spoiler!) zurück nach A fährt, regnet es. Dazu schreit nonstop ein Baby. Die vor allem als Villanelle in der Serie KILLING EVE liebgewonnene Jodie Comer wird hier ihres größten Talents beraubt. Statt als zynische Spaß-Irre muss sie dauertraurig und fast sediert ihen Roadtrip durch die Apokalypse überstehen. Sad Smiley.

The End We Start From

Der Klimawandel wird uns alle zu Flüchtlingen machen. Wer bei dem Thema einen Roland-Emmerich-tauglichen Katastrophenfilm erwartet, wird enttäuscht. Es pieselt zwar viel, aber einstürzende Dämme und untergehende Großstädte muss man sich vorstellen, gezeigt wird nur eine typisch britische Regenlandschaft. Dazu die üblichen Endzeit-Versatzstücke aus zwischenmenschlichem Chaos und sich neu bildenden Gesellschaftsformen.

Trotz guter Kamera (Suzie Lavelle) und hochkarätiger Gastauftritte von Benedict Cumberbatch und Mark Strong bleibt die ganze Angelegenheit insgesamt eher langweilig bis zäh. Am Ende gibt es noch ein paar hübsche Bilder vom überschwemmten London zu sehen, aber nur für die Zuschauer, die bis dahin durchgehalten haben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The End We Start From“
GB 2023
102 min
Regie Mahalia Belo

The End We Start From

alle Bilder © Universal Pictures Germany

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Alle die Du bist

ALLE DIE DU BIST

Alle die Du bist

ALLE DIE DU BIST

„Paul, warum liebe ich dich nicht mehr?“ Eine überraschende Frage, denn Paul, der Lebensgefährte von Nadine, ist ein vorbildlicher Vater, liebt seine Freundin über alles und hat das große Herz am rechten Fleck. Und doch, Nadine hat sich entliebt. Vielleicht liegt es daran, dass Paul wortwörtlich zu viele ist.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Alle die Du bist

ALLE DIE DU BIST ist ein bemerkenswerter deutscher Film, der auf der Berlinale 2024 Premiere feierte. Die Handlung ist schnell erzählt: Arbeitern in der Kohleindustrie bei Köln droht Massenentlassung. Die resolute Nadine (Aenne Schwarz) kämpft für ihre Kollegen und deren Arbeitsplätze. Doch ihre Kraft lässt nach, da die Beziehung zu ihrem Mann Paul (Carlo Ljubek) zunehmend schwieriger wird.

Überraschende Erzähltechnik

“Kennst du das, dass du dir einen Fremden anschaust und es komisch findest, was er sagt, oder wie er redet und dir nach einer Zeit auffällt, dass es dein Mann ist?” Die sich auflösende Liebe Nadines zu Paul steht im Zentrum der Handlung. Regisseur Nathansky bedient sich dabei eines besonderen Kunstgriffs: In die Rolle Pauls schlüpft nicht nur Carlo Ljubek, sondern eine ganze Reihe weiterer Schauspieler. Je nach Gemütszustand ist er ein unsicherer kleiner Junge, ein verliebter Twen, mal eine patente alte Mutter und in Stresssituationen gar ein schnaufender Bulle.

Alle die Du bist

Die schauspielerischen Leistungen in ALLE DIE DU BIST sind durchweg beeindruckend. Besonders herausragend ist Aenne Schwarz, die Nadines innere Zerrissenheit und ihr Kämpferherz authentisch und berührend verkörpert. Auch visuell überzeugt der Film: Die kühlen, grau-blauen Bilder reflektieren die allgegenwärtige Melancholie. Der Soundtrack ergänzt die Stimmung des Films perfekt.

Alle die Du bist

Schwach dagegen die manchmal fragmentierte Struktur, die den Zuschauer aus dem Fluss der Geschichte reißt. Auch bei den Dialogen rascheln immer wieder die Drehbuchseiten. Zudem wirkt die Anfangs originelle Idee der Mehrfachbesetzung auf Dauer etwas bemüht.

Alle die Du bist

Trotzdem: Das Regiedebüt von Michael Fetter Nathansky ist ein poetischer und zugleich realistischer Liebesfilm mit überraschender Erzähltechnik, der zum Nachdenken anregt und im Gedächtnis bleibt.

INFOS ZUM FILM

Deutschland / Spanien 2024
108 min
Regie Michael Fetter Nathansky

Alle die Du bist

alle Bilder © Port au Prince

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Golda - Israels eiserne Lady

GOLDA – ISRAELS EISERNE LADY

Golda - Israels eiserne Lady

GOLDA – ISRAELS EISERNE LADY

Kippen und Kaffee. Die notorische Kettenraucherin Golda Meir war die erste Frau im israelischen Ministerpräsidialamt.

Ab 30. Mai 2024 im Kino

Golda - Isreales eiserne Lady

Am jüdischen Feiertag Jom Kippur, am 6. Oktober 1973, griffen Syrien und Ägypten Israel an, um die Golanhöhen und die Sinai-Halbinsel zurückzuerobern. Israels Armee war zunächst unvorbereitet, konnte jedoch durch US-Waffenlieferungen die Angriffe abwehren und rückte nahe Kairo und Damaskus vor. Unter Golda Meirs Führung gewann Israel zwar den Konflikt, doch Tausende bezahlten dafür mit ihrem Leben. Der Film zeigt die Gespräche Meirs mit ihren Top-Militärberatern und US-Außenminister Henry Kissinger (Liev Schreiber).

Golda - Israels eiserne Lady

GOLDA ist ein klassischer Faktenfilm, ohne allzu viel Experimentierfreude inszeniert. Ein ordentlich gemachtes Geschichtsdrama, wie es sie dutzendfach gibt. Erst in der zweiten Hälfte wird der Film besser, vor allem weil er dann Meirs Geschichte aus einer etwas persönlicheren Perspektive erzählt.

Golda - Israels eiserne Lady

Die größte Kritik: Regisseur Guy Nattiv vertraut nicht auf Helen Mirrens Schauspielkunst und vergräbt ihr Gesicht unter einer dicken Latexschicht. Als ob sich die Zuschauer auf Golda Meirs Kampf um Israel nur dann einlassen könnten, wenn die Schauspielerin das Aussehen des Originals bis in die letzte Falte imitiert. Höhepunkt des Mummenschanzes ist eine FORREST GUMP-artige Szene, in der die verkleidete Helen Mirren mit echten Archivaufnahmen verschmilzt. Gumminase und technische Spielereien lenken von der eigentlich spannenden Geschichte ab.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Golda“
GB 2022
100 min
Regie Guy Nattiv

Golda - Israels eiserne Lady

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

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Von Vätern und Müttern

VON VÄTERN UND MÜTTERN

Von Vätern und Müttern

VON VÄTERN UND MÜTTERN

Eine harmlose Satire aus Dänemark über unmögliche Eltern auf Klassenfahrt.

Ab 23. Mai 2024 im Kino

Von Vätern und Müttern

In VON VÄTERN UND MÜTTERN macht die 6. Klasse einer Privatschule einen Hüttenausflug. Mit dabei sind nicht nur Schüler, Lehrer und der gurugleiche Schulleiter, sondern auch die Eltern. Der Titel legt es nahe: Die Kinder spielen eine eher untergeordnete Rolle, Regisseurin Paprika Steen interessiert sich mehr für die absurden Hahnen- und Hühnerkämpfe der überengagierten Väter und Mütter.

Von Vätern und Müttern

Piv (Katrine Greis-Rosenthal) und Ulrik (Jacob Lohmann) kriechen Schuldirektor Adrian ordentlich in den Arsch, schließlich ist es schon der vierte Schulwechsel für Tochter Hanna. Das Mädchen selbst ist nicht begeistert, wird aber aufgenommen, und vier Wochen später ist es Zeit für den jährlichen Hüttenausflug. Dort kommt es (ganz nach alter „Paukerfilm“-Tradition) zu den üblichen Streitereien, Intrigen und Besäufnissen, nur dass hier die Kinder Statisten im Hintergrund bleiben und stattdessen die Eltern über die Stränge schlagen. Cringe.

Von Vätern und Müttern

Sie sind alle dabei: Die Streberin, der Klassenclown, die Verführerin, der Besserwisser und der unterdrückte Homosexuelle. Ein Figurenkabinett, das so auch in FACK JU GÖHTE auftauchen könnte. Oder im Pilotfilm zu einer neuen Vorabendserie. Die vielen Charaktere bleiben unausgereift, was wohl der kurzen Laufzeit von 97 Minuten geschuldet ist. Es mangelt an zündenden Momenten, der Film bleibt zu harmlos, kommt nicht richtig in Schwung. Erst gegen Ende, wenn die Masken fallen und es zu handfesten Streitereien kommt, gewinnt die Geschichte an Fahrt.

Von Vätern und Müttern

Themen wie Missbrauchskultur, Untreue und Beziehungskrisen werden angerissen, doch eine schärfere Satire über manische Helikoptereltern wäre sicher unterhaltsamer gewesen. Langweilig ist das zwar nicht, aber richtig originell eben auch nicht. Guter Humor lebt von Fallhöhe, und daran mangelt es den Vätern und Müttern. Der Film wird mit „nach dem Vorbild von DAS FEST und DER RAUSCH“ beworben. Doch von deren Genialität ist VON VÄTERN UND MÜTTERN meilenweit entfernt. Paprika Steens Film bietet harmlose Unterhaltung, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Fædre & mødre“
Dänemark 2022
97 min
Regie Paprika Steen

Von Vätern und Müttern

alle Bilder © mindjazz pictures

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Furiosa - A Mad Max Saga

FURIOSA – A MAD MAX SAGA

Furiosa - A Mad Max Saga

FURIOSA – A MAD MAX SAGA

Das oktangeladene Prequel zum Sequel: Lohnt sich der fünfte Ausflug in die Endzeit-Wüste?

Ab 23. Mai 2024 im Kino

Furiosa - A Mad Max Saga

Mad Max und kein Ende: Mel Gibson ist schon lange nicht mehr dabei. Seine Rolle des Max Rockatansky übernahm 2016 Tom Hardy in MAD MAX: FURY ROAD. Doch der heimliche Star des Kassenschlagers war Charlize Theron als einarmige Kriegerin Furiosa. Nun erzählt der fünfte Teil der Saga deren Vorgeschichte.

Furiosa - A Mad Max Saga

Chris Hemsworth, der wie schon in seiner Thor-Rolle schauspielerisch non-stop auf die Zwölf geht, entführt als Anführer einer Rockerbande die kindliche Furiosa aus einem paradiesischen Refugium und murkst auch noch ihre Mutter ab. Das schreit nach Rache. Als junge Frau, gespielt von Anya Taylor-Joy, liquidiert Furiosa ihre Gegner quer durch das postapokalyptische Ödland von Australien. Auf einer Wutskala von 1 bis Schädelspalten bewegt sie sich im oberen Bereich. Viel mehr Handlung gibt es nicht. FURIOSA ist ein Female-Revenge-Movie mit vielen Verfolgungsjagden und wenig Inhalt.

Furiosa - A Mad Max Saga

Gerade nach dem fulminanten FURY ROAD wirkt FURIOSA wie eine schwächere Kopie mit vertrauten Zutaten. Das hat man alles schon einmal gesehen, und zwar besser. Besonders die erste Hälfte hat stellenweise den Look eines hochbudgetierten tschechischen Märchenfilms. Erst in der zweiten Hälfte, wenn die bereits bekannten Riesentrucks mit schwingenden Leitern und glatzköpfiger Albinobesatzung über den Wüstensand brettern, entwickeln die Bilder echte Größe.

Furiosa - A Mad Max Saga

Wem das alles nichts sagt – auch egal. Vorwissen ist nicht unbedingt nötig, um der simplen Handlung zu folgen. Spektakulär sind wie schon im ersten Teil vor allem die Stunts. Müsste man die 149 Minuten lange Materialschlacht in einem Satz zusammenfassen: FURIOSA ist eine Mischung aus STAR WARS auf Adrenalin und ganz viel DUNE ohne dessen Stilsicherheit und visuelle Power. Kann man sich als Sommerblockbuster anschauen, muss man aber nicht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Furiosa: A Mad Max Saga“
Australien 2024
149 min
Regie George Miller

Furiosa - A Mad Max Saga

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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What Happens Later

WHAT HAPPENS LATER

What Happens Later

WHAT HAPPENS LATER

30 Jahre nach SLEEPLESS IN SEATTLE kehrt Meg Ryan zu dem Genre zurück, mit dem sie seinerzeit weltberühmt wurde.

Ab 16. Mai 2024 im Kino

What Happens Later

Das Ex-Paar Bill (David Duchovny) und Willa (Meg Ryan) läuft sich zufällig an einem Flughafen in the middle of nowhere über den Weg. Wegen eines Schneesturms sind die beiden gezwungen, die Nacht in der Abflughalle miteinander zu verbringen.

Trifft die falschen Töne

Meg Ryan, die Queen of Romcom, nimmt 25 Jahre nach ihrem letzten großen Erfolg E-M@IL FÜR DICH die Sache selbst in die Hand: In dreifacher Funktion als Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin hat sie das Theaterstück SHOOTING STAR von Steven Dietz adaptiert.

What Happens Later

Eine Komödie mit Americas Sweetheart Meg Ryan – was kann da schon schief gehen? Überraschenderweise fast alles. Was bei einer 22-Jährigen noch als niedlich schusselig durchgehen mag, wirkt bei der 62-jährigen Meg schlicht deplatziert. Mit weißem Hängekleidchen, wilder Lockenmähne und Springerstiefeln sieht sie aus, als hätte sie sich als ihre eigene Enkelin verkleidet. Über ihre missglückten Gesichts-OPs ist ohnehin schon alles gesagt. Würde ihr Name nicht im Vorspann stehen, man hätte Probleme, sie zu erkennen.

What Happens Later

Auch als Regisseurin macht sie keine allzu gute Figur: Statt die Klaviatur der romantischen Komödie zu spielen, trifft der Film durchweg die falschen Töne. Die geschwätzigen Dauerdialoge nerven kolossal, die immer gleiche Kulisse des Flughafens sorgt auch visuell für Eintönigkeit.

What Happens Later

Wenigstens überzeugt David Duchovny im Walter-Matthau-Gedächtnis-Look. In einer der besseren Szenen läuft auf einem Monitor in der Flughafenhalle ein Werbespot für eine Romcom. Bill zieht kurzerhand den Stecker, schließlich braucht er Strom für sein Handy. Wer nach dieser klaren Ansage (This is NOT a Romcom) eine niedliche Komödie mit Lachen und Weinen erwartet, für die Meg Ryan in der Vergangenheit berühmt war, ist selbst schuld. Doch das Konzept der Anti-Romcom geht nicht auf. Es macht einen Unterschied, ob man zwei Menschen dabei zusieht, wie sie sich verlieben oder zwei Menschen dabei zusieht, wie sie ihre gescheiterte Beziehung aufarbeiten. Letzteres ist ziemlich langweilig. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „What happens later“
USA 2023
104 min
Regie Meg Ryan

alle Bilder © Universal Pictures Germany

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