Maria

MARIA

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MARIA

Es ist die Rolle ihres Lebens: Angelina Jolie spielt die berühmteste Opernsängerin des 20. Jahrhunderts, Maria Callas.

Ab 06. Februar 2025 im Kino

MARIA beginnt und endet mit einer Montage ikonischer Callas-Bilder: Anfangs perfekt nachgespielt von Angelina Jolie, zum Schluss die Originalaufnahmen der echten Diva. Dazwischen folgt die Kamera einer einsamen, unglücklichen Frau, die keine Nähe zulässt und ihrer verlorenen Schönheit und Jahrhundertstimme nachtrauert. Ihr unkontrollierter Pillenkonsum führt zu Wahnvorstellungen: So halluziniert sie ein Interview mit dem jungen Reporter Mandrax – passenderweise benannt nach ihrer Lieblingsdroge –, in dem sie von ihrer rauschhaften Vergangenheit und ihrer großen Liebe Aristoteles Onassis erzählt.

Maria

Seit Maria Anna Cecilia Sofia Kalogeropoulou am 16. September 1977 offiziell an einem Herzinfarkt starb, halten sich die Gerüchte, sie habe Selbstmord begangen oder sei an einer Tablettenüberdosis gestorben.

MARIA ist ein distanzierter Film — wenig überraschend, denn Pablo Larraíns Filme über bekannte Frauenfiguren des 20. Jahrhunderts, „Spencer“ und „Jackie“, waren ähnlich unterkühlt. Warum sich der Regisseur in seinem Biopic ausschließlich auf den Niedergang und nicht auf die erfolgreichen Jahre der Künstlerin konzentriert, bleibt sein Geheimnis.

Maria

Schauspielerisch gibt es nichts zu meckern: Angelina Jolie wurde zwischenzeitlich sogar als Oscarkandidatin gehandelt. Doch es bleibt ein Manko: Keine Sekunde glaubt man, dass Callas’ Gesangstimme wirklich aus ihrem Mund kommt. Angelina Jolie in einer großen Playbackshow — sie ist schlicht zu berühmt für diese Rolle.

Maria

Extra-Punkte gibt’s für Ausstattung, Kostüme und Kamera: Nie sahen die Jolie und das Paris der 70er-Jahre besser aus. MARIA – ein Film wie ein Coffeetablebook – hübsch anzuschauen und ein bisschen langweilig.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Maria“
Deutschland / Italien / USA 2024
124 min
Regie Pablo Larraín

Maria

alle Bilder © STUDIOCANAL

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Queer

QUEER

Queer

QUEER

Daniel Craig brilliert als homosexueller, drogensüchtiger Lebemann in den 1950er-Jahren.

Ab 02. Januar 2025 im Kino

Im Mexiko-City der 50er Jahre fristet der US-Bürger William Lee (Daniel Craig) ein unglückliches Dasein inmitten einer kleinen amerikanischen Gemeinde. Als der Student Eugene Allerton (Drew Starkey) in die Stadt kommt, verliebt sich William unsterblich in den jungen Mann.

Die blöde Bemerkung, James Bond sei jetzt schwul, kann man sich direkt sparen. Dass Daniel Craig mal im Geheimdienst ihrer Majestät unterwegs war, vergisst man schnell. Die einzige Gemeinsamkeit: Lee und Bond trinken gerne und haben eine Schwäche für Waffen.

Queer

Dass Luca Guadagnino ein gutes Händchen für Gay-Love-Stories hat, weiß man spätestens seit seinem zum Queerfilm-Klassiker zählenden „Call me by your Name“. Auch so eine Geschichte, bei der sich Liebe und Realität im Wege stehen. Zuletzt überraschte der Italienische Regisseur mit dem sehr zugänglichen Tennisfilm „Challengers – Rivalen“. Nun also seine Adaption des halbautobiografischen Romans von William S. Burroughs. Der verfasste das Buch bereits zwischen 1951 und 1953, veröffentlicht wurde es aber erst 1985 – Inhalt und Sprache waren für die prüden 50er zu offenherzig.

Queer

QUEER fängt stark an, lässt jedoch gegen Ende nach. Das größte Problem ist wahrscheinlich die Handlung. Denn es gibt so gut wie keine. Über lange 135 Minuten passiert ausgesprochen wenig. Spätestens in den letzten 30 Minuten strapaziert der Film die Geduld der Zuschauer mit einem künstlerisch angehauchten Fiebertraum. Da wäre man lieber noch ein wenig länger in der wunderbaren Technicolor-Welt der 50er geblieben.

Queer

Trotzdem: QUEER ist sehenswert, alleine wegen Daniel Craig als Burroughs’ Alter Ego. Dazu die ungewöhnliche Musik (immer wieder Prince) und der hübsche, an alte Fotografien und Gemälde angelehnte Look. Produziert hat das Ganze MUBI, die Streaming-Plattform, auf der vorzugsweise anspruchsvolle Kost gezeigt wird. Für die breite Masse ist das nix, QUEER fällt eher in die Kategorie „Arthouse-Festival-Liebling“.

Originaltitel „Queer“
Italien / USA 2024
137 min
Regie Luca Guadagnino

Queer

alle Bilder © MUBI

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GLORIA !

GLORIA!

GLORIA !

GLORIA!

GLORIA! ist ein schmalziger Musikfilm, der schon auf der Berlinale nicht begeistern konnte.

Ab 29. August 2024 im Kino

GLORIA! è una grande schmonzetta. Oder um es auf Deutsch zu sagen: GLORIA! ist riesengroßer Schmalz. Es verwundert schon, weshalb so was im Wettbewerb der Berlinale läuft. Die Antwort wissen alleine Mariette und Carlos, denen wir beruflich alles Gute wünschen.

Den Inhalt wiederzugeben ist ungefähr so müßig, wie eine Tiefenanalyse des neusten Rosamunde-Pilcher-Romans zu versuchen. In Kürze: Es geht um junge Frauen in einem italienischen Kloster im Jahre 1800. Die musikalisch Hochbegabten planen, dem neuen Papst ein unvergessliches Konzert zu geben. Einzig origineller Ansatz des Films: Die Frauenband spielt ganz unzeitgemäß moderne Musik, die so auch auf dem Schlagerfestival von San Remo laufen könnte. Da zücken die Anwälte von Sofia Coppola die Notizblöcke, denn die hat „History meets Popmusic“ schon 2006 um einiges besser in MARIE ANTOINETTE gemacht. Beim Berlinale-Screening gab es dafür verdientermaßen Buh-Rufe.

INFOS ZUM FILM

Italien / Schweiz 2024
100 min
Regie Margherita Vicario

Gloria!

alle Bilder © Neue Visionen Filmverleih

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Fireworks

FIREWORKS

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STRANIZZA D’AMURI, italienisch für „Seltsamkeit der Liebe“, erzählt die zarte Liebesgeschichte von zwei jungen Männern, die vor 40 Jahren in Italien ermordet wurden.

Läuft im Rahmen der Queerfilmnacht ab Juli in ausgewählten Kinos

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Die beiden knackigen Teenager Gianni und Nino krachen bei einem Mofa-Unfall ineinander und sind schockverliebt. Mofa? Klingt nach 80er-Jahre – ist es auch. Andere Zeiten, andere Sitten. Die schwule Liebe erblüht in einem sizilianischen, streng katholischen Nest, weit weg von jeder modernen LGBTQ-Großstadttoleranz. Nicht nur die Dorfjugend stört sich an den verliebten ragazzi, auch die Familien wollen die „kranke“ Beziehung so schnell wie möglich beenden.

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Flirrende Sommerhitze, staubige Luft, Rotwein zum Mittagessen – das erinnert an CALL ME BY YOUR NAME, den Publikumsliebling von 2017. Im Vergleich dazu verströmt Giuseppe Fiorellos melancholischer Film allerdings nur bedingt die Leichtigkeit des Sommers. Schließlich geht es um Mord.

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Der tolle Cast spielt die tragische Coming-of-Age-Story einfühlsam und mit hohem Niedlichkeitsfaktor. Besonders bemerkenswert ist Samuele Segretos Darstellung des Gianni, der mit stiller Wut den im Dorf gemobbten „zarten“ Jungen verkörpert. Gabriele Pizzurro überzeugt als bodenständiger Nino, Sohn des titelgebenden Feuerwerkers. Interessanterweise brechen die Rollen optisch mit den üblichen Klischees, was zusätzliche Spannung erzeugt. Allerdings wirken die restlichen Charaktere etwas grob gezeichnet. Ist es wirklich plausibel, dass eine ganze Dorfgemeinschaft sich an der ersten Liebe zweier Teenager derart abarbeitet?

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Die Antwort lautet: Leider ja. Denn die dramatische Geschichte hat sich kein Drehbuchautor ausgedacht, sondern das wahre Leben. Giorgio Agatino Giamonna und Antonio Galatola wurden im Spätjahr 1980 tot aufgefunden, beide erschossen. Der Film ist von ihrem Doppelmord inspiriert, der in Italien als „Delitto di Giarre“ in die Kriminalgeschichte einging. Das Verbrechen war für die italienische Homosexuellenbewegung von großer Bedeutung und führte zur Gründung der ARCI GAY, der wichtigsten queeren Organisation in Italien.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Stranizza d’amuri“
Italien 2023
134 min
Regie Giuseppe Fiorello

Fireworks

alle Bilder © Salzgeber

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Morgen ist auch noch ein Tag

MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG

Morgen ist auch noch ein Tag

MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG

In Italien war MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG ein gigantischer Erfolg und schlug mit mehr als 5 Millionen Besuchern sogar BARBIE und OPPENHEIMER an der Kinokasse.

Ab 04. April 2024 im Kino

Paola Cortellesi ist in ihrer Heimat vor allem als Moderatorin und Fernsehkomikerin bekannt. Mit MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG hat sie den Sprung in ein völlig neues Genre gewagt. Ihr Debüt als Filmemacherin ist eine fulminante One-Woman-Show: Cortellesi ist Regisseurin, Autorin und Hauptdarstellerin in Personalunion. Das hätte auch schief gehen können – ist es aber nicht.

Sinnbild einer ganzen Frauengeneration

Der Film, angesiedelt in den Arbeitervierteln Roms 1946, erzählt von der gepeinigten Delia (Paola Cortellesi), die sich schon vor dem Aufstehen eine Backpfeife von ihrem brutalen Ehemann Ivano (Valerio Mastandrea) einfängt. Jeder Tag verläuft gleich: Frühstück machen, tausend kleine Arbeiten verrichten, ein wenig Geld verdienen, nur um trotzdem weiter Prügel einzustecken. Die Rollen waren seinerzeit klar verteilt: Männer hatten das Sagen, Frauen mussten parieren. Delia erträgt das alles vor allem, um ihre 20-jährige Tochter vor dem gleichen Schicksal zu bewahren.

Paola Cortellesi hat mit ihrem ersten Film ein kleines Meisterwerk geschaffen: Momente der Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit bleiben bis zum Ende in perfekter Balance. C’È ANCORA DOMANI (Originaltitel) zeigt die Ungerechtigkeit eines patriarchalischen Systems, Delia wird dabei zum Sinnbild einer ganzen Frauengeneration. Der Querschnitt durch das Alltagsleben vor achtzig Jahren schlägt keinen belehrenden Ton an und überrascht stattdessen mit Wärme, Humor und ungewöhnlichen Inszenierungsideen.

Die Gesichter der Schauspieler, die Ausstattung, die Kulissen – der Schwarz-Weiß-Film könnte tatsächlich aus den 1940er-Jahren stammen, wären da nicht die irritierenden, aber ausgesprochen wirkungsvoll eingesetzten modernen Musikstücke. Auch die Szenen des prügelnden Ehemanns werden hier zu einem künstlerischen Ausdruckstanz von makabrer Eleganz, das ist erschütternd und vermeidet gleichzeitig ein Abgleiten in unnötige Gewalt und Voyeurismus. Regisseurin Cortellesis weiß offensichtlich genau, was sie tut. MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG ist einer der schönsten (und überraschendsten) italienischen Filme der letzten Jahre.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „C’è ancora domani“
Italien 2023
118 min
Regie Paola Cortellesi

alle Bilder © TOBIS Film

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ICH CAPITANO

ICH CAPITANO

Gekenterte Boote mitten auf dem Meer, im Wasser treibende Leichen, verzweifelt um Hilfe flehende Migranten - ein Großteil der Welt hat sich an die Schreckensbilder gewöhnt oder schaut weg. ICH CAPITANO ist ein zutiefst berührender Film, der die Flüchtlingskrise neu und einfühlsam beleuchtet.

Ab 04. April 2024 im Kino

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Seydou und Moussa, zwei Teenager im Senegal, deren Traum es ist, als Popstars in Europa zu leben. Entgegen aller guten Ratschläge machen sie sich auf den Weg nach Italien. Ihre gefährliche Reise führt sie durch die Wüste, libysche Gefängnisse und das lebensbedrohliche Mittelmeer.

Findet immer wieder magische Momente

Für ICH CAPTIONO nimmt Regisseur Matteo Garonne die gegenteilige Perspektive zur klassischen Medienberichterstattung ein: „Ich wollte aus der Sicht der Migranten erzählen, die auf ihrer Flucht um ihr Leben bangen müssen“, sagt er.

Hauptdarsteller Seydou Saar ist eine Entdeckung. Seine Darbietung ist intensiv und authentisch – kaum zu glauben, dass dies sein Filmdebüt ist. Auch visuell beeindruckt ICH CAPITANO. Die Bilder sind nicht nur ästhetisch, sondern helfen auch, sich dem schwierigen Thema zu öffnen. Die Farben, die Bildsprache, die gesamte künstlerische Gestaltung verleihen der Geschichte eine große Zugänglichkeit.

ICH CAPITANO konfrontiert nicht nur mit der Realität der Flüchtlingskrise, sondern findet dabei immer wieder magische Momente. Der Aufruf zur Empathie und zum Verständnis erinnert daran, dass hinter jeder Flüchtlingsgeschichte Menschen mit Träumen, Hoffnungen und einem unstillbaren Überlebenswillen stehen. Ein herausragender Film, der trotz aller Schwere einen Funken Hoffnung entfacht.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Io Capitano“
Italien / Belgien 2023
124 min
Regie Matteo Garrone

alle Bilder © X Verleih

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A HAUNTING IN VENICE

A HAUNTING IN VENICE

Ab 14. September 2023 im Kino

Wie langweilig können 103 Minuten sein? Kenneth Branagh setzt mit seinem dritten Hercule-Poirot-Film neue Maßstäbe.

Venedig in den 1940er-Jahren. Noch keine Spur von Massentourismus. Morbide Stimmung in der ewig dem Untergang geweihten Stadt. Ein alter Palazzo, in dem die Geister von gequälten Kindern spuken. Peitschender Regen, Düsternis, ein Mord. Und mittendrin Hercule Poirot (Kenneth Branagh), der den Fall mit analytischem Verstand knacken will.

Todlangweiliges Schnarchfest

Klingt erst mal alles gut. Leider hat Regisseur Brannagh auch bei seiner dritten Agatha-Christie-Verfilmung vieles falsch gemacht. Obwohl Setting und Geschichte geradezu nach einem atmosphärischen, unheimlichen Thriller schreien, ist davon nichts zu spüren. A HAUNTING IN VENICE ist ein geschwätziges, todlangweiliges Schnarchfest.

Das Whodunit sieht dank famoser Ausstattung und exzentrisch weitwinkliger Kamera (Haris Zambarloukos) zwar ganz hübsch aus, doch weder die Figuren noch die Handlung wecken auch nur einen Funken Interesse. Von Spannung ganz zu schweigen. Die ganz großen Stars hat Branagh diesmal nicht verpflichtet (dabei macht der Cast aus aktuellen und ehemaligen Superstars ja gerade den Reiz der Agatha-Christie-Filme aus). Tina Fey, Michelle Yeoh und Jamie Dornan liefern solide Leistungen ab, doch für ihre zweidimensionalen Figuren interessiert man sich nie wirklich.

Bleibt die Erkenntnis, dass sogenannte „first reactions“ von Influencern ungefähr so ernst zu nehmen sind wie das Werbeversprechen, Nutella sei gesund. Da wird A HAUNTING IN VENICE als „großartig“ und das „Beste der drei Poirot-Abenteuer“ gelobt. Das Gegenteil ist der Fall: Seit dem annehmbaren MORD IM ORIENTEXPRESS verschlechterten sich die Filme von Mal zu Mal. Immerhin wurde diesmal weitestgehend in realen Sets gedreht, was gegenüber dem Greenscreen-Fiasko on TOD AUF DEM NIL ein kleiner Fortschritt ist.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „A Haunting in Venice“
USA 2023
103 min
Regie Kenneth Branagh

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER

L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Ja, Penélope Cruz könnte auch das viel zitierte Telefonbuch vorlesen - es wäre trotzdem unmöglich, die Augen von ihr zu nehmen. In L’IMMENSITÀ spielt sie eine liebende Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Kombiniert mit aufregendem 70er-Jahre Style wird es dabei fast so gut wie bei Almodóvar.

Rom in den 1970er-Jahren: Im Mittelpunkt des Films steht eine ganz normale Familie. Clara und Felice sind in eine neue Wohnung gezogen, doch ihre Ehe wird nur noch von den drei Kindern zusammengehalten. Er hat Affären, sie ist unglücklich, aber sie kommen (noch) nicht voneinander los. Die zwölfjährige Tochter Adriana ringt mit ihrer Identität. Sie ist als Mädchen geboren, will aber lieber ein Junge sein. Andere Zeiten, moderne Probleme: Das fragile Familiengebilde droht an Adrianas Genderfindung zu zerbrechen.

Nicht alles hat ein Happy End

L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER ist großes Erinnerungskino. Und das nicht nur, weil Regisseur Emanuele Crialese seine eigene Biografie verarbeitet. Wer selbst in den 1970er-Jahren aufgewachsen ist, fühlt sich immer wieder an die eigene Kindheit erinnert. Das Entdecken neuer, verbotener Orte, das gemeinsame Spielen, die heißen Sommertage, die streitenden Eltern, die sich oft um sich selbst und nicht um die Kinder drehen. Regisseur Crialese hat neben der wie immer tollen Penélope Cruz eine aufregende Neuentdeckung vor die Kamera geholt: Luana Giuliani spielt die geschlechtsverwirrte Tochter so glaubwürdig und intensiv – man mag kaum glauben, dass das Mädchen hier sein Leinwanddebüt gibt.

Selten war Traurigkeit so farbenfroh und poppig bunt. Die Musik von Raffaella Carrà, Patty Pravo und Adriano Celentano tut ihr Übriges. Trotzdem ist L’IMMENSITÀ – MEINE FANTASTISCHE MUTTER niemals kitschig oder melodramatisch. Vielleicht sogar ein bisschen zu ernst. Die episodenhafte Erzählweise spiegelt das wahre Leben wieder: Auch da bleibt vieles ungelöst, nicht alles hat ein Happy End.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „L’Immensità“
Italien / Frankreich 2022
94 min
Regie Emanuele Crialese

alle Bilder © STUDIOCANAL

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

Ab 11. Mai 2023 im Kino

So authentisch wie eine Packung Mirácoli: Vier aufgedrehte Seniorinnen machen einen Ausflug nach Bella Italia.

Kaum hat man sich vom katastrophalen BRADY’S LADIES erholt, biegt Jane Fonda schon mit der nächsten cineastischen Implosion um die Ecke: BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL ist die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Ü-60-Komödie BOOK CLUB aus dem Jahr 2018.

Una festa di clichés

Wie so oft, wenn den Autoren nichts Besseres einfällt, wird die „Handlung“ von Amerika in ein exotisches Land verlegt, diesmal ins fotogene Italien. Es folgt una festa di clichés: Spanische Treppe, Seufzerbrücke und Zypressenlandschaft inklusive. Bei der Geschichte hat man sich in etwa so viel Mühe gegeben wie bei der nun folgenden Inhaltsangabe:

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Und sonst? Diane Keaton trägt Hut und Hosenanzug, Candice Bergen ist burschikos und trinkt, Mary Steenburgen spielt weiter niedlich und über Jane Fondas balsamiertes Aussehen ist schon jeder menschenmögliche Witz gemacht worden. Sie selbst nimmt ihren Beautywahn auch auf die Schippe, haha, wie schon in den letzten zwanzig Filmen davor. Was beim ersten Mal noch lustig war, ist mittlerweile nur noch faules Drehbuchschreiben.

Endstation Traualtar: Mit Büchern oder einem Lesezirkel hat der alberne Junggesellinnenabschied in Italien rein gar nichts zu tun. Der Film könnte ebenso gut SEX AND THE CITY 15 oder WEDDING CLUB heißen. Zwischen den Fantasy-Geschichten von jüngeren Männern, die scharf auf Mitte-80-jährige Frauen sind, verstecken sich ein, zwei nette Gags, der Rest ist trotz geballter Starpower kaum zu ertragen. Kann nicht mal jemand einen GUTEN Film mit dieser geriatrischen Traumbesetzung machen – bevor es zu spät ist?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Book Club: The Next Chapter“
USA 2023
107 min
Regie Bill Holderman

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

ENNIO MORRICONE – DER MAESTRO

ENNIO MORRICONE – DER MAESTRO

Kinostart 22. Dezember 2022

Meist genügt nur ein Takt, um zu erkennen, dass die Filmmusik von ihm stammt. Mundharmonika, überirdischer Frauengesang – Ennio Morricone wertet mit seinem unverkennbaren Sound zahllose Spaghettiwestern auf. Der Mann war schon zu Lebzeiten eine Legende. Höchste Zeit für einen Dokumentarfilm über den genialen Komponisten. Regisseur Giuseppe Tornatore arbeitet die faszinierende Karriere seines langjährigen Freundes in „Ennio Morricone – Der Maestro“ chronologisch ab. Das ist zwar konventionell gemacht, aber auch angenehm unaufgeregt.

In gleichermaßen anrührenden wie erhellenden Interviewszenen erinnert Morricone sein Leben von der Kindheit bis zum sehr späten Oscargewinn für „The Hateful Eight“. Dazwischen gestreut kommen in kurzen O-Tönen – etwas zu hektisch aneinandergereiht – Weggefährten wie Quentin Tarantino, Bernardo Bertolucci, Joan Baez, Hans Zimmer, Bruce Springsteen oder Clint Eastwood zu Wort.

Tatsächlich ist die größte Überraschung, wie viele eingängige Schlager-Hits Morricone zu Beginn seiner Karriere in den 50er und 60ern geschrieben hat. Auch dass er vor seinen Welterfolgen wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Es war einmal in Amerika“ unzählige Filmmusiken für heute längst vergessene italienische Filme komponiert hat, dürfte den Wenigsten bekannt sein.

Morricone ist während seiner gesamten Karriere bereit, zu experimentieren, sich neu zu erfinden. Filmen verleiht er mit seiner Musik eine Dimension, die mancher Regisseur selbst noch gar nicht begriffen hat. Bei so viel aufregender Kreativität braucht es keine filmischen und erzählerischen Tricks. „Ennio Morricone – Der Maestro“ ist zwar ein etwas artig gemachter, aber trotzdem spannender Film über einen genialen Ausnahmekünstler.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Ennio“
Italien / Belgien / Japan / Niederlande 2021
156 min
Regie Giuseppe Tornatore

alle Bilder © PLAION PICTURES

BONES AND ALL

Kinostart 24. November 2022

Das Rückgrat geknickt,
Die Knochen zerknackt,
Die Schenkel gespickt,
Die Lebern zerhackt.

Joachim Ringelnatz beschreibt in seinem Gedicht „Silvester bei den Kannibalen“ genau wie’s geht. Derlei Anleitung könnte auch Maren gut gebrauchen, denn sie ist seit Kindesbein scharf auf Menschenfleisch. Als sich pünktlich zu ihrem 18. Geburtstag ihr Vater aus dem Staub macht, begibt sie sich auf die Suche nach ihrer verschollen geglaubten Mutter – ein Roadtrip quer durch die Vereinigten Staaten der Reagan-Ära. Unterwegs trifft sie Gleichgesinnte (man kann sich gegenseitig erschnuppern) und findet im Wild Boy Lee ihre erste große Liebe. Liebe unter Kannibalen. Schön.

Regisseur Luca Guadagnino ist ein Meister der Stimmung

„Bones and All“ würde in der modernen Gastronomie wohl „Nose to Tail“ heißen. Denn in der Adaption von Camille Deangelis’ Jugendroman geht es (auf den ersten Blick) genau darum: das Verspeisen von Menschen mit Haut und Haar. Regisseur Luca Guadagnino hat sich dafür erneut Timothée Chalamet vor die Kamera geholt und der macht, was er am besten kann: mit niedlichem Hundeblick unter der Lockenfrisur hervorschauen und sexuelle Ambivalenz verströmen. Sehr putzig auch Oscarpreisträger Mark Rylance als gruselig-irrer Körperfresser mit Prinzipien: Ihm kommen nur bereits Verstorbene auf den Teller. Die Hauptrolle ist mit Taylor Russell besetzt, die schon im sträflich vom Publikum ignorierten Coming-of-Age-Drama „Waves“ begeistern konnte.

Was dem Immobilienmakler „Locatio, Location, Location“, ist für Luca Guadagnino „Mood, Mood, Mood“. Die Filme des italienischen Regisseurs sind in erster Linie perfekt eingefangene Atmosphäre, weniger klassisch erzählte Geschichte. Wer wollte nach „Call Me by Your Name“ nicht sofort die Koffer packen und einen sonnenflirrend verliebten Urlaub im Süden verbringen? Ein Meister der Stimmung also. Mit „Bones and All“ hat er nun einen – sich selbst vielleicht etwas zu ernst nehmenden – romantischen Arthousefilm mit Horrorelementen gedreht. Top besetzt, zwischendurch mit Längen, aber insgesamt sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Bones and All“
Italien / USA 2022
131 min
Regie Luca Guadagnino

alle Bilder © Warner Bros. Pictures (international)

ATLANTIDE

Kinostart 08. September 2022

Bunt beleuchtete Motorboote fahren mit lauter Musikbeschallung durch nächtliche venezianische Kanäle. Das sieht zwar hübsch aus, ist für die Anwohner aber wahrscheinlich genauso enervierend wie die monströsen Kreuzfahrtschiffe, die bis vor Kurzem viel zu dicht an der Lagunenstadt vorbeiziehen durften. Regisseur Yuri Ancarani hat sich der eigenwilligen Szene aus jungen Männern und ihren Speedbooten drei Jahre lang angeschlossen und einen semi-dokumentarischen Film über sie gedreht.

„Atlantide“ könnte auch als Videoinstallation in einer Galerie oder als visuelle Begleitung einer Trance/Technoparty laufen. Dieser Stil kommt nicht von ungefähr, Yuri Ancarani ist ein italienischer Künstler, der sich komplett einer klassischen  Dramatik verweigert. Damit erinnert sein Film an Arbeiten des US-Regisseurs Larry Clark. Auch hier ist die Handlung eher eine dahingestreute Skizze von Liebe, Sehnsucht und Tod. Weil man es kaum besser beschreiben könnte, hier ein Auszug aus dem Pressetext:

„Dies ist kein Film über Venedig (…), sondern über seine „Backstreets“, die weiten Wasserwege der Lagune. Ancarani findet dort die seltene Schönheit einer kristallklaren Landschaft, die von einer Gruppe junger Leute bewohnt wird, deren Lebensinhalt es ist, Speedboote aufzumotzen und in einem Rhythmus aus Adrenalin und Chill-out zu leben.“

„Im Rhythmus aus Adrenalin und Chill-out leben“! Wer will das nicht? Weniger lyrisch ausgedrückt: „Atlantide“ ist ein audio-visuelles Erlebnis, ein softer LSD-Trip, untermalt von einem treibenden elektronischen Soundtrack, Hip-Hop und symphonischer Orchestermusik. Die stärkste Szene des Films (siehe Trailer unten) zeigt ein junges Mädchen, das im Drogenrausch auf einem Schnellboot durch das nächtliche Venedig gefahren wird und sich dazu ekstatisch bewegt. Aufregender wird es auch in den restlichen 100 Minuten nicht, darauf muss man sich einlassen wollen.
Jetzt noch mal in poetisch: „Atlantide“ ist ein kunstvoller Fiebertraum aus Musik, Licht und Farben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Atlantide“
Italien / Frankreich / USA / Qatar 2021
104 min
Regie Yuri Ancarani

alle Bilder © Rapid Eye Movies

HOUSE OF GUCCI

HOUSE OF GUCCI

Der Gucci-Clan: eine Familie so glamourös und abgründig wie zehn Soap-Operas zusammen. Kein Wunder, dass Ridley Scotts Ausstattungstraum über das italienische Modeimperium näher an edlem Denver-Clan-Trash als an Hochkultur angesiedelt ist.

„House of Gucci“ ist bahnbrechend. Nicht als Film, denn nach dem Vorfreude weckenden Trailer bleibt das Gesamtprodukt ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Trotz überdrehtem Schauspiel – vor allem Jared Leto definiert den Begriff des overactings neu – lässt das Drama um den Auftragsmord an Maurizio Gucci eher kalt. Nein, „House of Gucci“ ist bahnbrechend, da es der erste Film in der Menschheitsgeschichte ist, der in der deutschen Synchronisation wahrscheinlich besser als im Original ist. Porco dio, sind die Akzente in der US-Version schlecht. Die Schauspieler sprechen ein Miracoli-englisch, ungefähr so authentisch wie der „Isch abe gar kein Auto“-Italiener aus der Nescafé-Werbung. Auch hier schlägt der seinen Dialogtext fast jodelnde Jared Leto seine Mitstreiter um Längen. Jeremy Irons, innerhalb eines Satzes wahllos zwischen Teatime-british und Mafiosi-italiano changierend, folgt direkt auf Platz zwei. Der US-Modedesigner Tom Ford bringt es nach der Premiere auf den Punkt: „Zwischendurch war ich mir nicht sicher, ob ich da gerade einen Sketch von Saturday Night Live sehe.“

Ansonsten: Lustige 80er-Jahre-Mode mit Schulterpolstern, absurde Elnett-de-Luxe-Frisuren und das musikalisch Beste der 70er, 80er und 90er-Jahre: Das stargestopfte 3-Stunden Epos ist mit Adam Driver, Salma Hayek und Al Pacino erlesen besetzt. Die Show stiehlt allerdings Lady Gaga, die als mörderische Patrizia Reggiani neben den exquisiten Kostümen das Highlight des Films ist.

FAZIT

Beim Rennen um das beste „Erschossener-Modeschöpfer-aus-Italien-Biopic“ bleibt die Ryan Murphy-Serie um Gianni Versace Sieger.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „House of Gucci“
USA 2021
158 min
Regie Ridley Scott
Kinostart 02. Dezember 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany