RÄUBERHÄNDE

RÄUBERHÄNDE

Für eine ganze Schülergeneration gehört der 2007 erschienene Roman „Räuberhände“ von Finn-Ole Heinrich mittlerweile zur Pflichtlektüre. Dem drei Jahre später veröffentlichten „Tschick“ nicht unähnlich, geht es auch hier um zwei Jungmänner, die sich auf eine Reise begeben, um mehr über sich selbst und das Leben herauszufinden.

Janik (heißt so, sieht so aus) und Samuel machen gerade Abitur. In ihrer Freizeit hängen die beiden 18-Jährigen in ihrer Gartenhütte ab, kiffen, knutschen mit Mädchen und planen einen großen Trip nach Istanbul. Samuel hofft dort seinen verschollenen Vater wiederzufinden. Doch kurz vor der Reise wird die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Die Dinge entwickeln sich anders als geplant.

Alter, zieh dein T-Shirt aus – So lässt sich die Verfilmung von „Räuberhände“ gut zusammenfassen. Neben der etwas bemühten Jugendsprache, die jeden Satz mit „Alter“ beginnen lässt (wenigstens nicht mit Digger), müssen die beiden Hauptdarsteller in erstaunlich vielen Szenen ihre Oberteile ausziehen. Weshalb das so ist, bleibt das Geheimnis des Regisseurs. Emil von Schönfels und Mekyas Mulugeta bemühen sich halbnackt, den raschelnden Drehbuchseiten-Dialogen Leben einzuhauchen.

Trotz teils krampfiger Sprache – die Atmosphäre des jugendlichen Aufbruchs, die Zeit, in der alles egal und die Welt offen zu stehen scheint, ist gekonnt eingefangen. Und „Räuberhände“ sieht gut aus. Kamerafrau Judith Kaufmann hat für die Coming-of-age-Geschichte intime, ungekünstelte Bilder gefunden, das tröstet über so manche Inszenierungsschwäche hinweg.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2020
92 min
Regie İlker Çatak
Kinostart 02. September 2021

alle Bilder © Edition Salzgeber

ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL

Die fleißigste Regisseurin Deutschlands hat schon wieder eine Autobiografie verfilmt: Diesmal Judith Kerrs Kindheitserinnerungen „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“. Damit kommt nur ein Jahr nach „Der Junge muss an die frische Luft“ der nächste Film von Caroline Link zu Weihnachten in die Kinos.

Die neunjährige Anna Kemper muss 1933 mit ihrer Familie nach Zürich fliehen. Ihr Vater, ein berühmter Theaterkritiker (Oliver Masucci), ist der neuen nationalsozialistischen Regierung zu kritisch und als Jude ohnehin nicht mehr geduldet. Anna lässt in ihrer Heimatstadt Berlin alles zurück, auch ihr geliebtes rosa Stoffkaninchen. In der Fremde wartet ein neues Leben voller Herausforderungen auf die Familie.

Für Ausstattung und Besetzung hat die Regisseurin ein gewohnt gutes Händchen. Der Zeitkolorit Anfang der 30er Jahre in Berlin, der Schweiz und Paris ist gut eingefangen und vor allem die jungen Darsteller Riva Krymalowski und Marinus Hohmann als Geschwister Anna und Max machen ihre Sache ganz ausgezeichnet. 

Wieder liefert eine komplizierte Familiengeschichte die Vorlage. Caroline Link versucht mit viel Sinn für Tragik und Humor, die episodischen Geschehnisse einer Kindheit authentisch und wahrhaft zu inszenieren. In den Schweizer Bergen mit den pumperlgesunden, rotbackigen Einwohnern droht der Film allerdings in Heimatkitsch abzurutschen. Kamerafrau Bella Haben versucht, dem mit schnellen Zooms und Jumpcuts entgegenzuwirken, doch die moderne Bildsprache wirkt bemüht und stört den Erzählfluss. Das Drehbuch hangelt sich zu sehr an den Stationen der Flucht entlang. Trotz des echten Horrors des Naziregimes wird eine wirkliche Gefahr im Film immer nur behauptet und aus zweiter Hand berichtet. Es mag an der FSK-Freigabe von „0“ liegen, „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ bleibt zu oberflächlich und wirkt trotz seiner lobenswert kurzen Laufzeit von nur 90 Minuten zäh und langatmig.

FAZIT

Ganz okay. Der nächste große Wurf ist Caroline Link nicht gelungen.

Deutschland / Schweiz 2019
90 min
Regie Caroline Link
Kinostart 25. Dezember 2019