EIN NASSER HUND

EIN NASSER HUND

Der 16-jährige Iraner Soheil zieht mit seinen Eltern nach Berlin-Wedding. Schnell freundet er sich beim Kicken mit ein paar Migrantenjungs an, verliebt sich in das türkische Mädchen Selma. Was Soheil seinen neuen Freunden verschweigt: Er ist kein Muslim, sondern Jude. Als er sich gezwungenermaßen outet, ist der Beef (#Jugendsprache) vorprogrammiert. Krass antisemitisch! Ja, Mann!

Der Wedding ist nicht nur im Kommen (seit über 50 Jahren), sondern auch Heimat für Araber, Kurden, Türken, Palästinenser – alles eine große Familie. Doch wehe, ein Jude verirrt sich hierhin, dann ist es mit der Toleranz vorbei. „Für die Deutschen bin ich ein Kanake, für die Türken ein Jude und für die Israelis ein Terrorist“, stellt Soheil resigniert fest. Wie soll es da jemals Weltfrieden geben?

Viel zu viel reißt der Film in zu kurzer Zeit an: Die Hauptfigur Soheil verändert sich im Sauseschritt vom guten Jungen zum gefeierten Sprayer, dann zum bösen Dealer, Messerstecher, unfreiwilligen Vater, Bandenopfer, Fachmann für Nahostkonflikte und schließlich zum israelischen Soldaten. Jeder Erinnerungsfetzen aus der Buchvorlage von Arye Sharuz Shalicar wird unmotiviert zu einer Filmszene verwurstet, egal, ob das einen größeren Zusammenhang ergibt oder nicht. Möglich, dass der Film erst am Schneidetisch zerhackstückt wurde, aber flüssig erzählt geht anders.

Damir Lukačević verfolgt das hehre Ziel, einen politischen Film über Hass und Gewalt, Toleranz und das schwierige Zusammenleben verschiedener Kulturen zu machen. Das ist nur teilweise geglückt. Die jungen (Laien)-Darsteller machen ihre Sache ordentlich, doch einige Szenen, besonders die mit Kida Khodr Ramadan (unvermeidlich), bewegen sich auf gehobenem Schüler-Theater-Niveau.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2021
102 min
Regie Damir Lukačević
Kinostart 09. September 2021

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

NARZISS UND GOLDMUND

Was für Unwissende wie eine hippe Bar in Berlin Neukölln klingt, ist natürlich ein Klassiker der deutschen Literatur – Hermann Hesses berühmteste Erzählung aus dem Jahr 1930.

Die Geschichte spielt in der Klosterschule Mariabronn im Mittelalter und handelt von der Freundschaft zwischen den Schülern Narziß (im Buch immer noch mit ß) und Goldmund. Narziß ist streng gläubig, lebt in Askese und fühlt sich mehr als freundschaftlich zu Goldmund hingezogen. Der ist das genaue Gegenteil, ein Freigeist und Künstler, der der klösterlichen Enge bald entfliehen will.

Gregorianische Choräle, wollüstige Huren, zahnlose Wegelagerer und holde Jungfern, die mit blumengeschmücktem Haar über die Wiese laufen – Stefan Ruzowitzkys Verfilmung strotzt vor ausgelutschten Mittelalter-Klischees. Damit sich auch die heutige Jugend angesprochen fühlt, wird zwischendurch seltsam modern gesprochen: „Echt?“, fragt der kindliche Goldmund einmal. Besonders Kida Khor Ramadans Auftritte sorgen für unfreiwillige Lacher, wenn der „4 Blocks“-Schauspieler seine Dialoge in kaum unterdrücktem Gettodeutsch spricht. Die Anpassung an eine zeitgemäße Sprache bleibt inkonsequent, ist deshalb umso störender.

Lob für die beiden Hauptdarsteller, die tapfer gegen die schwache Inszenierung anspielen. Sabin Tambrea, bekannt als depressiver Ehemann aus „Ku’damm 56/59“, taucht glaubhaft in die düstere Welt der Tonsuren und Selbstgeißelung ein – ihm nimmt man uneingeschränkt den von unterdrückten Gefühlen gepeinigten Narziß ab. Jannis Niewöhner zieht so oft es geht sein Hemd (und manchmal auch die Hose) aus und empfiehlt sich mit gestähltem Body, blondierten Haaren und angeklebtem Bart als deutsche Antwort auf Charlie Hunnam. Mit seiner lebendigen Ausstrahlung und Körperlichkeit verleiht er dem Abenteurer Goldmund die nötige Portion Wildheit.

FAZIT

Ob man mit dieser Verfilmung zukünftigen Schülergenerationen einen Gefallen tut? Besser noch mal das Buch lesen.

Deutschland 2020
118 min
Regie Stefan Ruzowitzky
Kinostart 12. März 2020