PEARL

PEARL

Ab 01. Juni 2023 im Kino

Ein gut geshakter Cocktail mit viel Blut: Regisseur Ti West hat für seinen neuen Slasher-Film ein paar Genre-Klassiker neu gemixt.

Man fülle einen guten Schuss PSYCHO ins Glas, dazu 0,5 cl TEXAS CHAINSAW MASSACRE, einen Spritzer UNSERE KLEINE FARM oder ersatzweise DIE WALTONS, gieße das Ganze großzügig mit WHATEVER HAPPENED TO BABY JANE? auf, gut schütteln – fertig ist PEARL. Das Prequel zum Überraschungserfolg X erzählt von den Jugendjahren der durchgeknallten Farmbesitzerin Pearl, die im Vorgänger-Film ein Siebzigerjahre-Porno-Drehteam killte.

Schock! Camp! Blutrausch!

USA 1918, in the middle of nowhere. Während andere Hunger leiden oder von der damals wütenden Spanischen Grippe dahingerafft werden, geht es Pearls Familie verhältnismäßig gut. Auf den ersten Blick. Doch hinter den Fliegengittern rumort es. Der Vater vegetiert als sabbernder Pflegefall im Rollstuhl, die Mutter ist ein verbittertes Biest und bei Pearl sitzt ein ganzer Schraubenkasten locker. So hat sie beispielsweise große Freude daran, friedliche Tiere mit einer spitzen Heugabel aufzuspießen und sie ihrer Freundin, dem Krokodil Theda zum Fraß vorzuwerfen. Ansonsten plant sie, eine berühmte Tänzerin zu werden und in die große weite Welt des Showbusiness zu ziehen. Lalala. Als im Gemeindehaus ein Vortanzen für eine christliche Revue stattfindet, wittert Pearl ihre Chance.

Schock! Camp! Blutrausch! Fans von X werden nicht enttäuscht sein. PEARL ist eine Perle des Horrorfilms im Technicolor-Look mit einer herausragenden Mia Goth in der Titelrolle. Ihre Darstellung der langsam immer verrückter werdenden jungen Frau ist eine schauspielerische Meisterleistung, furchteinflößend und tragisch zugleich. Höhepunkt ist ihr minutenlanger One-Take-Monolog gegen Ende des Films – grandios. Am besten als Double-Feature in umgekehrter Reihenfolge genießen: zuerst PEARL, dann X.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Pearl“
USA 2022
102min
Regie Ti West

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

EISMAYER

EISMAYER

Ab 01. Juni 2023 im Kino

Noch schlimmer als Schule war nur die Zeit beim Militär. David Wagners Film über Männer, Liebe und Soldaten.

Vizeleutnant Charles Eismayer ist ein Schleifer. Von Jungsoldaten gefürchtet, von seinen Vorgesetzten als Relikt aus einer vergangenen Zeit geduldet. Der drahtige Mittfünfziger hat drei Gesichter. Beim Österreichischen Bundesheer ist er der berüchtigte Ausbilder, zu Hause bei Frau und Kind ein unbeholfener Vater, nach Dienstschluss sucht er anonymen Sex mit Männern auf dem Parkplatz. In diesen komplizierten Lebensentwurf platzt eines Tages der charmante Rekrut Mario. Jung, selbstbewußt und offen schwul. Die beiden ungleichen Männer verlieben sich ineinander. Eismayer weiß nicht wohin mit seiner durcheinandergewirbelten Gefühlswelt: Soll er seine Verletzlichkeit weiter hinter harter Fassade verbergen oder der Liebe eine Chance geben?

Die Menschheit ist besser als ihr Ruf

Zweierlei macht den realistischen, unbeschönigten Einblick in die Macho-Hölle bemerkenswert: Erstens die Besetzung. Gerhard Liebmann ist eine Reinkarnation des 2002 verstorbenen Klaus Löwitsch. Sollte irgendein Produzent mal eine Neuauflage der unvergessenen Serie PETER STROHM planen, hier ist euer Mann.

Da verdreht der zynische Zuschauer die Augen: im Film küssen sich die beiden Männer vor einer Gruppe Soldaten und ernten dafür Beifall. Unrealistischer Kitsch! Wären die im wahren Leben nicht gelyncht oder zumindest gemobbt worden? Von wegen, denn zweitens ist die Menschheit besser als ihr Ruf. Überraschung: Es handelt sich bei EISMAYER um eine wahre Geschichte. Der echte Charles Eismayer und sein Partner Mario gaben sich 2014 in Galauniform auf dem Kasernenhof das Ja-Wort. Ein Sieg der Liebe. Hach!

INFOS ZUM FILM

Österreich 2022
87 min
Regie David Wagner

alle Bilder © Salzgeber

RENFIELD

RENFIELD

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Was tun, wenn der Chef ein echter Blutsauger ist und die Kündigungsfrist 100 Jahre beträgt? „Renfield“ erzählt die sterbenslangweilige Selbstfindungsgeschichte eines devoten Untoten.

Wie Siebenbürgens anderer Exportschlager Peter Maffay verweigert auch Ex-Transsylvanier Graf Dracula (Nicolas Cage) vehement den wohlverdienten Ruhestand. Schurigelt stattdessen im New Yorker Exil sein Faktotum Renfield (Nicholas Hoult), der ihn mit blutjungen Cheerleaderinnen und anderen Leckerbissen versorgt und ausgerechnet bei den Anonymen Beziehungsgeschädigten moralische Unterstützung sucht.

Auch die Besetzung reißt es nicht raus

Klingt albern, ist es leider nicht. Eher überfrachtet mit Prototypen sämtlicher Genres. Denn das unterbelichtete Reich des Fürsten der Finsternis wird bevölkert von dumpfbackigen Kleinkriminellen, Mobstern und korrupten Cops. Bram Stokers 1897 erschienene Horror-Novelle ist nicht totzukriegen, wurde seit der Stummfilmzeit mehr als zweihundertmal adaptiert. Was Chris McKay nun bewog, den Klassiker zu einer unspaßigen Komödie zu verhunzen, weiß der Regisseur allein.

Auch die Besetzung reißt es nicht raus: Nicholas Hoult als kulleräugiger Demkannmaneinfachnichtbösesein und Nicolas Cage, grimassierend und chargierend, dass man den Pflock ansetzten möchte. Einziger Lichtblick ist Awkwafina als toughe Polizistin, die ihre männlichen Filmkollegen an die Wand spielt – und prügelt. Wirklich spitze sind hier nur die Zähne, wahrhaft schauerlich die deutsche Synchronisation.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Renfield“
USA 2023
93 min
Regie Chris McKay

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

UND DANN KAM DAD

UND DANN KAM DAD

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Ach Mensch, Opa! Robert De Niro spielt mal wieder in einer Komödie mit. Ist die Geschichte vom italienischen Friseur und seinem Sohn zum hin- oder wegschauen?

Robert De Niro: Der früher unbestritten beste Schauspieler der Welt hat mit 79 gerade sein siebtes Kind bekommen. Das kostet Geld. Und das will verdient werden. Irgendwer (der- oder diejenige möge in der Hölle schmoren) hat dem Ausnahmeschauspieler mal geflüstert, er habe eine komische Ader und müsse daher unbedingt in Komödien mitspielen. Statt cooler Mafiabosse gibt der Oscarpreisträger deshalb seit ein paar Jahren immer wieder den Clown.

Der Klamauk hält sich in Grenzen

Es verhält sich mit Robert De Niro wie mit einem einst bewunderten Verwandten oder Freund, der sich komplett daneben benimmt. Fremdscham. Man leidet und hofft, dass die Peinlichkeit schnell vorübergeht. Mit dieser negativen Erwartungshaltung ist UND DANN KAM DAD überraschend ok. Der Klamauk hält sich in Grenzen. De Niro macht sich nur einmal zum Horst, spielt ansonsten seine Figur mit einer angenehmen Ernsthaftigkeit.

Die Geschichte: Sebastian (Sebastian Maniscalco) verliebt sich in die aus steinreichem Haus stammende Ellie (Leslie Bibb). Über die Feiertage des 4. Julis wollen ihre konservativen Eltern (Kim Cattrall und David Rasche) den Schwiegersohn in spe kennenlernen. Da er seinen verwitweten Vater Salvo (Robert de Niro) nicht alleine lassen will, nimmt Sebastian ihn kurzerhand mit. Wird sich der alte italienische Kauz mit der neuen Verwandtschaft verstehen?

Regisseurin Laura Terruso schafft es immer wieder, echte Gefühle zwischen die Albernheiten zu schmuggeln und vermeidet allzu derbe Zoten. UND DANN KAM DAD ist Mainstream-Unterhaltung mit ein paar guten Gags und einer Top-Besetzung. Es gab wahrhaftig schon schlimmere Komödien mit De Niro. Kann man sich anschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „About My Father“
USA 2023
89 min
Regie Laura Terruso

alle Bilder © LEONINE

ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU

ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Fünf Gründe, weshalb man sich die kitschige Neuverfilmung von der kleinen Meerjungfrau sparen kann

Disney hat es schon wieder getan und einen seiner Zeichentrickklassiker zu einem Realfilm verhunzt. Die simple Geschichte ist bekannt: Arielle verliebt sich in Prinz Erik. Da Meerjungfrauen der Umgang mit Menschen verboten ist, geht sie einen Pakt mit der bösen Meerhexe Ursula ein. Sie bekommt für drei Tage Beine, muss aber in dieser Zeit vom Prinzen geküsst werden.

„Under the Sea“ - das einzige Highlight des Films

Erstens: Notiz an mich selbst – Wenn man Musicals nicht mag, sollte man sich keine anschauen.

Zweitens: ARIELLE beeindruckt zwar technisch, ersäuft aber in quietschbuntem Las-Vegas-Kitsch.

Drittens: Halle Bailey singt ihre Powerballaden so laut und penetrant, dass es in den Ohren schmerzt. Im Gegensatz zu anderen Disney-Musicals hat ARIELLE nur einen echten Hit: „Under the Sea“ – das einzige Highlight des Films.

Viertens: Warum haben die Drehbuchautoren das Ganze nicht modernisiert? Es reicht nicht, ein Märchen aus der Mottenkiste mit einem diversen Cast zu besetzen. Die Geschichte wirkt im Jahr 2023 extrem altbacken und aus der Zeit gefallen.

Und Fünftens: Gutes Aussehen ist nicht alles. Wenn die Gags nicht zünden, die Figuren beliebig bis unsympathisch sind, der Cast verschenkt ist (unter anderem Javier Bardem, Melissa McCarthy, Awkwafina), dann lässt die ganze Pracht am Ende kalt.

Lieber noch mal das Original auf Disney+ schauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Little Mermaid“
USA 2023
135 min
Regie Rob Marshall

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Dok-Film über die Leiden der Starfotografin Nan Golding

Ihr Leben beginnt furchtbar und wird von da an immer schlimmer. Der Selbstmord der depressiven Schwester. Das Schweigen der Eltern. Der Lebensgefährte, der sie fast totschlägt. Die zahllosen Freunde, die ab den 1980er-Jahren der AIDS-Epidemie zum Opfer fallen. Dazwischen Jobs als Tänzerin in einem Stripclub, später als Prostituierte in einem Puff.

Sie ist ein Star in der modernen Kunstwelt

Der Titel legt es nahe: Neben Schönheit ist Blutvergießen das bestimmende Thema in Nan Goldings Leben. Die amerikanische Fotografin ist ein Star in der modernen Kunstwelt. Verwurzelt in der New Yorker No-Wave-Underground-Bewegung, hat sie die Fotografie revolutioniert. Mit ihrem herausragenden Gespür, den richtigen Moment einzufangen, widmen sich ihre Arbeiten Themen wie Sexualität, Sucht und Tod – voll schonungsloser Direktheit. 

Der Medikamentenhersteller Purdue Pharma treibt seit Mitte der 90er-Jahre Millionen Amerikaner in die Sucht. Eine davon: Nan Goldin. Nach einer Operation wird sie vom Schmerzmittel Oxycontin abhängig. Im Gegensatz zu vielen anderen schafft sie den Ausstieg. Seitdem setzt sie sich unermüdlich als Aktivistin gegen die Familie Sackler ein, die als Besitzer von Purdue Pharma maßgeblich für die Opioid-Epidemie verantwortlich ist (mehr dazu in der herausragenden Miniserie DOPESICK). Allerdings zählen die Sacklers auch zu den bedeutendsten Mäzenen weltweit, auf deren Unterstützung viele Künstler angewiesen sind. Das hält Golding aber nicht davon ab, durch couragierte Aktionen bekannte Museen dazu zu bringen, sich von den Sacklers zu distanzieren.

Sucht, Krankheit, Tod: Regisseurin Laura Poitras konzentriert sich in ihrem Dokumentarfilm stark auf Nan Goldings Leidensstationen, die Arbeiten der Fotografin bleiben fast Nebensache. So viel geballtes Unglück erfordert Durchhaltevermögen, auch vom Zuschauer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „All the Beauty and the Bloodshed“
USA 2022
117 min
Regie Laura Poitras

alle Bilder © PLAION PICTURES

Mama Ante Portas

MAMMA ANTE PORTAS

Mama Ante Portas

MAMMA ANTE PORTAS

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Rentnerkinder mit greisen Eltern - die neue Normalität

Zum Thema alte Kinder mit noch älteren Eltern schreibt Gabriela Herpel im Süddeutsche Zeitung Magazin: Heute verbringen wir 50 bis 60 gemeinsame Jahre mit unseren Eltern oder einem Elternteil, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es 15 bis 20 Jahre. Es ist also eine verdammt lange Beziehung, die wir mit ihnen führen.

Wohl wahr. Dass sich ergraute Rentner mit ihren leicht gebrechlichen, aber immer noch topfitten Eltern beschäftigen müssen, ist heutzutage Normalzustand. Höchste Zeit, einen Film darüber zu machen.

Belanglose Familienkomödie aus Frankreich

Jacqueline ist zwar schon 70, hat aber sehr moderne Probleme: Mit ihrem Verlobten hat sie sich verkracht, ihre Wohnung ist dank fauler Handwerker eine ewige Baustelle. Also zieht sie kurzerhand zu ihrer erwachsenen Tochter Carole und nervt die, wie es nur eine Mutter kann. Die Schale passt nicht zur Kommode, das Essen schmeckt nicht, die Küchenschränke sind falsch eingeräumt und so weiter und so fort. Als dann auch noch die 90-jährige Großmutter auftaucht, bekommt Jacqueline von ihrer eigenen bitteren Medizin zu schmecken.

Ich freue mich über deinen hübschen Anhänger!
Ja, den hat Mutter lange getragen.
Schade, er macht dich so blass …

Ein Dialog wie aus dem Handbuch der Sticheleien. Ausgedacht hat ihn sich Vicco von Bülow 1991 für seinen Film PAPPA ANTE PORTAS. Etikettenschwindel: Von der bitterbösen Genialität des Loriot-Klassikers ist die französische Komödie MAMMA ANTE PORTAS (im Original UN TOUR CHEZ MA FILLE) meilenweit entfernt.

Éric Lavaine vermeidet in seiner Familienaufstellung echte Gemeinheiten, alles bleibt harmlos leicht. Dabei hält das Thema reichlich Konfliktstoff parat. Das hätte ein paar giftigere Dialoge und scharfzüngig ausgetragene Streitereien vertragen, ganz wie im richtigen Leben. Wenn es dann doch mal kracht, ist alles schnell wieder verziehen und die Streithähne liegen sich versöhnt in den Armen. Wer Familienhölle kennt, weiß: so viel Nettigkeit gibt es in der Realität selten. MAMMA ANTE PORTAS vertut seine Chance und bleibt eine unterhaltsame, aber belanglose Komödie.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Un tour chez ma fille“
Frankreich 2021
85 min
Regie Éric Lavaine

alle Bilder © FILMWELT

FAST & FURIOUS 10

FAST & FURIOUS 10

Ab 17. Mai 2023 im Kino

Diese Hände können sehen! Medium Madame Bauer weissagt die Kritik zum neuen FAST & FURIOUS

So was kennt man sonst nur von Til Schweiger: Ein neuer FAST & FURIOUS startet am Mittwoch in den Kinos, die Pressevorführung findet aber erst Dienstag Abend um 21 Uhr statt. Das kann nur zweierlei bedeuten: Entweder ist der Film so schlecht wie MANTA MANTA, ZWOTER TEIL. Oder noch schlechter.

Physikalische Grenzen sind im Hot oder Schrottversum schon lange aufgehoben

Neben Vin Diesel gibt es ein Wiedersehen mit Michelle Rodriguez, Charlize Theron, Tyrese Gibson und Helen Mirren. Neu dabei sind der einzig wahre Milleniumwolf Jason Momoa, sowie Oscar-Preisträgerin und Captain Marvel persönlich: Brie Larson. Höchstwahrscheinlich werden sich auch diesmal die Verfolgungsjagden von Szene zu Szene ins immer Groteskere steigern, physikalische Grenzen sind im Hot oder Schrottversum schon lange aufgehoben (zur Erinnerung: in Teil 9 fliegt ein Auto inklusive Fahrer und Beifahrer durchs Weltall). 

Aber ist es seriös, eine Kritik nur aufgrund von Presseheft und Vermutungen zu schreiben? Nein. Sich aber für einen Text zum zehnten Teil eines bis auf den letzten Tropfen Sprit ausgelutschten Franchise die Nacht um die Ohren zu schlagen, ist auch keine Option. Wir haben deshalb Medium Madame Bauer von Astro-TV befragt und sie gebeten, uns eine möglichst präzise Analyse des Actionblockbusters zu weissagen: „Ich sehe Zündschlüssel, Kupplung, ein Gaspedal und Reifen. FAST & FURIOUS 10 handelt vielleicht von schnell fahrenden Autos. (Mischt mit flinker Hand die Karten) Ein Mann mit vielen Haaren sinnt auf Rache oder will die Weltherrschaft an sich reißen. Oder beides. Ein anderer Mann ohne Haare – er heißt Don oder Dom – spricht viel von seiner Familie, kann aber dabei seine Gesichtsmuskeln nicht bewegen. Das Ganze dauert sehr lange, wahrscheinlich 141 Minuten. Schon bald wird es eine Fortsetzung geben …“  – soweit Madame Bauer.

23:15 Uhr, nach dem Screening. Hier kommt die ungebremste Wahrheit in einem Satz: FAST & FURIOUS 10 ist eine zarte, fast introvertierte Reflexion über geschlechtsbezogene Verhaltensweisen von Mann und Frau im heutigen Straßenverkehr.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Fast X“
USA 2023
141 min
Regie Louis Leterrier

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

SHE CHEF

SHE CHEF

Ab 18. Mai 2023 im Kino

Schon als Teenager wollte sie statt einer neuen Handtasche lieber eine Pastamaschine. Kann sich Agnes Karrasch ihren Platz in der Männerdomäne der Sterneküche erkämpfen?

Es bricht einem das Herz. Nur weil in China ein kranker Affe ins Essen spuckt, macht die verheißungsvolle Karriere der jungen Kochweltmeisterin Agnes eine Vollbremsung. Gerade arbeitet sie sich in Barcelona in die komplizierte Molekularküche des „Disfrutar“ ein, da wird die Welt dank Covid in die Knie gezwungen.

Perfektion erfordert klare Hierarchien. Oder?

SHE CHEF lebt vor allem von der leicht sperrigen und deshalb umso sympathischeren Agnes Karrasch. Nach einem Praktikum im Sternerestaurant Vendôme führen sie ihre Lehr- und Wanderjahre über Barcelona nach Dänemark. Melanie Liebheit und Gereon Wetzel begleiten die 25-jährige Österreicherin auf ihrem Weg zur Spitzenköchin. Dabei wird dem Zuschauer ein ungewöhnlich offener Blick hinter die Kulissen der Spitzengastronomie erlaubt. Dominiert wird diese Welt immer noch von Männern. Die clevere Agnes macht sich zwischendurch ihre ganz eigenen Gedanken zu Karriere, Familie und Frausein. Neugierig und selbstbewusst lernt sie von den Besten, um vielleicht irgendwann ein eigenes Restaurant zu eröffnen. 

Während unsereins vorne schlemmt und am Ende freudig den Zaster aus der Börse zückt, läuft im Hintergrund eine perfekt geölte Maschinerie ab. Vom sorgfältigen Dampfbügeln der Tischdecken bis zu den pinzettengezupften Kräutern. So viel Perfektion erfordert klare Hierarchien. Oder? Dass es auch anders geht, erfährt Agnes erst im „Koks“, einem entlegenen Sternerestaurant auf den Färöer Inseln, das aussieht, als habe sich der Herr der Ringe mit einem Koch zusammengetan und ein Lokal in Mittelerde aufgemacht. Bucket List: Da will ich auch mal hin.

SHE CHEF ist ein herrlich unaufgeregter Dokumentarfilm über Qual und Erfüllung in der Spitzengastronomie. Inspirierend und vom Chefkoch empfohlen.

INFOS ZUM FILM

Österreich / Deutschland 2022
105 min
Regie Melanie Liebheit & Gereon Wetzel

alle Bilder © Camino Filmverleih

LIVING – EINMAL WIRKLICH LEBEN

LIVING – EINMAL WIRKLICH LEBEN

Ab 18. Mai 2023 im Kino

Bowler Hat und Nadelstreifenanzug: Britischer geht's nicht.

Jeder Berliner, der schon mal einen Antrag, eine Verlängerung oder gar Neuausstellung von oder für irgendwas gestellt hat, kennt das: Bürgerämter, egal unter welchem Senat, sind genauso schlecht wie ihr Ruf. Dass das im London der 1950er-Jahre kein Stück besser war, zeigt Oliver Hermanus in seiner gelungenen Dramödie LIVING – EINMAL WIRKLICH LEBEN.

Ein 5 o’clock-tea ist keine Technoparty

Bowler Hat, Nadelstreifenanzug, vornehme Zurückhaltung: Der Beamte Williams hat schon als Kind davon geträumt, ein echter Gentleman zu werden. Nun ist er alt, steht kurz vor der Pensionierung und erhält von seinem Arzt eine niederschmetternde Diagnose: 6 bis maximal 9 Monate bleiben ihm noch. Sein Job als ohnmächtiges Rädchen im Bürokratie-Getriebe erscheint ihm plötzlich sinnlos. Williams macht sich auf die Suche nach ein bisschen Lebensfreude.

Britischer geht’s nicht. Von den Eröffnungsbildern aus einem längst vergangenen London bis zum Abspann punktet LIVING mit exquisitem 1950er-Jahre-Look. Mindestens so gut wie Set-Design, Kostüm und Schnitt ist die Besetzung: Bill Nighy ist perfekt als trauriger „Mr. Zombie“, genau wie Amy Lou Wood als seine lebenslustige, Spitznamen verteilende Kollegin Margaret.

Ignoranten könnten die Nase über den langsamen Erzählfluss rümpfen – aber ein 5 o’clock-tea ist nun mal keine Technoparty. LIVING bietet viele schöne Szenen, und obwohl die Handlung eher traurig ist, bleibt der Zuschauer mit einem positiven Gefühl zurück. Charmanter Witz vereint mit starken Emotionen – das Ganze in einem unaufdringlichen, nicht belehrenden Ton erzählt. Marvelous indeed.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Living“
GB / Japan / Schweden 2022
102
Regie Oliver Hermanus

alle Bilder © Sony Pictures

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

Ab 11. Mai 2023 im Kino

So authentisch wie eine Packung Mirácoli: Vier aufgedrehte Seniorinnen machen einen Ausflug nach Bella Italia.

Kaum hat man sich vom katastrophalen BRADY’S LADIES erholt, biegt Jane Fonda schon mit der nächsten cineastischen Implosion um die Ecke: BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL ist die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Ü-60-Komödie BOOK CLUB aus dem Jahr 2018.

Una festa di clichés

Wie so oft, wenn den Autoren nichts Besseres einfällt, wird die „Handlung“ von Amerika in ein exotisches Land verlegt, diesmal ins fotogene Italien. Es folgt una festa di clichés: Spanische Treppe, Seufzerbrücke und Zypressenlandschaft inklusive. Bei der Geschichte hat man sich in etwa so viel Mühe gegeben wie bei der nun folgenden Inhaltsangabe:

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Und sonst? Diane Keaton trägt Hut und Hosenanzug, Candice Bergen ist burschikos und trinkt, Mary Steenburgen spielt weiter niedlich und über Jane Fondas balsamiertes Aussehen ist schon jeder menschenmögliche Witz gemacht worden. Sie selbst nimmt ihren Beautywahn auch auf die Schippe, haha, wie schon in den letzten zwanzig Filmen davor. Was beim ersten Mal noch lustig war, ist mittlerweile nur noch faules Drehbuchschreiben.

Endstation Traualtar: Mit Büchern oder einem Lesezirkel hat der alberne Junggesellinnenabschied in Italien rein gar nichts zu tun. Der Film könnte ebenso gut SEX AND THE CITY 15 oder WEDDING CLUB heißen. Zwischen den Fantasy-Geschichten von jüngeren Männern, die scharf auf Mitte-80-jährige Frauen sind, verstecken sich ein, zwei nette Gags, der Rest ist trotz geballter Starpower kaum zu ertragen. Kann nicht mal jemand einen GUTEN Film mit dieser geriatrischen Traumbesetzung machen – bevor es zu spät ist?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Book Club: The Next Chapter“
USA 2023
107 min
Regie Bill Holderman

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

Beau is afraid

BEAU IS AFRAID

Beau is afraid

BEAU IS AFRAID

Ab 11. Mai 2023 im Kino

Joaquin Phoenix auf dem Weg zur nächsten Oscarnominierung

Wie? Warum? Was? Herzlich willkommen in der Welt von Ari Aster. Einem Regisseur, der mit HEREDITARY und MIDSOMMAR zwei Klassiker des modernen Horrorfilms geschaffen hat. Filme, die den Zuschauer gefangen nehmen und zutiefst verstört zurücklassen. BEAU IS AFRAID hat den gleichen Effekt hoch 10. Und das sind ein paar Potenzen zu viel.

Geniestreich oder Katastrophe?

Beau leidet. Vor allem unter seiner monströsen Mutter. Seinen Vater hat er nie kennengelernt, denn der ist im Moment der Zeugung gestorben. Nun ist Beau erwachsen und lebt in einer höllischen Nachbarschaft. Halbverweste Leichen liegen auf der Straße, ein nackter Messermörder treibt sein Unwesen, die Polizei schaut tatenlos zu. Oben in Beaus Wohnung krabbelt eine Giftspinne über den Boden, der Nachbar spielt dröhnend laute Musik. Und dann verschläft Beau auch noch seinen Flug. Als er endlich zu seiner Mutter aufbricht, beginnt eine Odyssee, auf der er mit all seinen Ängsten konfrontiert wird.

BEAU IS AFRAID fängt schräg an, wird absurd und dann grotesk. Ein dreistündiges (!) Delirium durch die Seelenhölle eines Mannes, genial (wie immer) von Joaquin Phoenix verkörpert. Zwischendurch irrt der Held durch Zeichentricksequenzen und schaut sich ein im Wald aufgeführtes Theaterstück über sein eigenes Leben an, während er von einem Ex-Soldaten gejagt wird. Klingt verrückt? Ist es auch. Von einem riesigen, bissigen Penis, der auf einem Dachboden haust, ganz zu schweigen. Als Zuschauer ist man hin- und hergerissen. Zwischen ein paar ausgesprochen lustigen Szenen fragt man sich immer wieder, ob man schlicht zu dumm für Asters Visionen ist. Statt sich also in halbgaren Interpretationen zu verstolpern, soll der Regisseur selbst erklären:

„Wenn Sie einen Zehnjährigen mit (dem Antidepressivum) Zoloft vollpumpen und ihn Ihre Lebensmittel einkaufen lassen, dann ist das wie dieser Film.“

Aha. Noch präziser ist Asters Antwort auf die Frage, worum es in BEAU IS AFRAID eigentlich geht: „I don’t know. His dad’s a dick.“

Selten war es so schwer, einen Film zu bewerten. BEAU IS AFRAID kann man hassen oder lieben oder beides. Das ist zuletzt Darren Aronofsky mit MOTHER! gelungen. Ob die Geschichte vom paranoiden, angstzerfressenen Seelenkrüppel Geniestreich oder Katastrophe ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Beau is afraid“
USA 2023
179 min
Regie Ari Aster

alle Bilder © Leonine

Das Lehrerzimmer

DAS LEHRERZIMMER

Das Lehrerzimmer

DAS LEHRERZIMMER

Ab 04. Mai 2023 im Kino

Zum Schreien: Horrorberuf Lehrer

Bundeskanzler Scholz warnt: „Das Land muss sich auf einen zunehmenden Lehrermangel vorbereiten. Das wird uns in den nächsten zehn Jahren umtreiben.“

Der gerade auf der Berlinale gezeigte Film DAS LEHRERZIMMER wird an diesem Missstand wenig ändern. Im Gegenteil. Schule und besonders der Beruf des Lehrers scheinen der pure Horror zu sein. İlker Çataks Film ist näher an einem Psychothriller als einer munteren Sozialstudie.

Jeder gegen jeden

„Was im Lehrerzimmer passiert, bleibt im Lehrerzimmer“, sagt Carla Nowak (Leonie Benesch) in einem Interview mit der Schülerzeitung. Auch wenn das für die junge Pädagogin zu diesem Zeitpunkt schon nur noch reine Wunschvorstellung ist. Einige ihrer Kollegen schauen mit Argusaugen auf ihre alternativen Unterrichtsmethoden und geben ihr zu verstehen, dass sie noch zu unerfahren für die Arbeit mit pubertierenden Kindern ist. Als es in der Schule zu einer Reihe von Diebstählen kommt und einer ihrer Schüler verdächtigt wird, ist Carla empört und beschließt, der Sache selbst auf den Grund zu gehen.

Es wird düster. Und dann noch düsterer. Bald kämpft jeder gegen jeden. Schuldzuweisungen drohen Existenzen zu vernichten. Schüler werden in Verhören „freundlich“ aufgefordert, ihre Mitschüler zu denunzieren. Die empörten Eltern toben, die Situation eskaliert. Wer schon mal einen Abend mit aufgebrachten Helikoptereltern verbringen musste, weiß: Übertrieben ist das nicht. Flecki Fleckenstein kann davon ein Lied singen. Ob allerdings Schüler derart wortgewandt und clever Erwachsene vorführen können, wie hier gezeigt, sei dahingestellt. Da tut das Drehbuch vielleicht schlauer als die Realität.

Fazit: Nach dem Film ist man dankbar, dass die Schulzeit lange vorbei ist und höchstens in Albträumen wiederkommt.

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Deutschland 2022
98 min
Regie İlker Çatak

alle Bilder © Alamode Film

Spoiler Alarm

SPOILER ALARM

Spoiler Alarm

SPOILER ALARM

Ab 04. Mai 2023 im Kino

Das wäre ja mal originell. Einen Film, der SPOILER ALARM heißt, ohne Spoiler zu besprechen. Warum das nicht geht? Weil die Zutaten der romantischen Tragikomödie spätestens seit LOVE STORY sowieso jeder kennt.

Im Leben wie im Filmgeschäft gibt es Doppelgänger. Als ARMAGEDDON 1998 in die Kinos kommt, war nur wenige Wochen zuvor DEEP IMPACT gelaufen. Zwei Filme mit gleichem Inhalt, der eine ein internationaler Erfolg, der andere bald vergessen. Ähnlich verhält es sich bei SPOILER ALARM. Vor kurzem lief die gay-rom-com BROS in den Kinos. Nun scheint es fast, als hätte man sich beim verantwortlichen Studio Universal Pictures gedacht: Machen wir den gleichen Film nochmal, nur in traurig.

Hoher Schnieffaktor

Wieder verlieben sich zwei Männer in einem Nachtclub. Der eine, Michael (Jim Parsons), ein Schlümpfe sammelnder Journalist, der andere, Kit (Ben Aldridge), ein attraktiver hunk. Es folgen ein paar peinliche Sexszenen. Kaum ziehen die beiden zusammen, gibt’s gesellige Abende mit  guten (Klischee)-Freunden am dinner table. Auch den Ausflug an die Küste inklusive hübschem Strandhaus hat man so ähnlich in BROS gesehen.

Ansonsten unterscheidet sich SPOILER ALARM wohltuend von seinem missglückten Doppelgänger, vor allem in Sachen Herzenswärme und Sympathie der Figuren. Michael ist ein Nerd, der sein Leben von Kindheit an als Comedy-TV-Show (inklusive Laugh Track) fantasiert. Das ist originell und hübsch meta, denn Hauptdarsteller Jim Parsons verdankt eben solch einem Format seinen Ruhm: THE BIG BANG THEORY.

SPOILER ALARM basiert auf dem Bestseller „Spoiler Alert: The Hero Dies“ von Michael Ausiello. In seinen Memoiren verarbeitet der Journalist den Krebstod seines Ehemannes. Dass die Geschichte schlecht ausgeht, verrät der Film schon in der ersten Einstellung. Nach dem Schnieffaktor während der Pressevorführung zu urteilen, sollte SPOILER ALARM unbedingt mit ausreichendem Taschentuchvorrat geschaut werden.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Spoiler Alert“
USA 2022
112 min
Regie Michael Showalter

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

GUARDIANS-OF-THE-GALAXY-VOL-3

GUARDIANS OF THE GALAXY: VOL. 3

GUARDIANS-OF-THE-GALAXY-VOL-3

GUARDIANS OF THE GALAXY: VOL. 3

Ab 03. Mai 2023 im Kino

James Gunns MCU-Schwanengesang bringt die GUARDINAS OF THE GALAXY-Trilogie zu einem würdigen (und unterhaltsamen) Ende.

Peter Quill alias Star-Lord (Chris Pratt) und seine Freunde geraten im vorerst letzten Abenteuer der Weltraumwächter an den größenwahnsinnigen Genetiker High Evolutionary (Chukwudi Iwuji). Nomen est omen: Seine Durchgedrehtheit hatte vor vielen Jahren aus einem kleinen Waschbären den zynischen Piloten Rocket (Bradley Cooper) evolutioniert – alles im Dienste der Wissenschaft. Nun versucht der selbsternannte Gott mit allen Mitteln an das Gehirn des Waschbären zu kommen, um so das endgültig perfekte Wesen schaffen. Dr. Mengele lässt grüßen.

Liebe, Freundschaft und die Existenz des Universums

Interessiert sich beim 32. Marvelfilm noch jemand für eine Filmkritik? Entweder man mag es – oder man mag es nicht. Zuletzt hatte das MCU mit ein paar im eigenen Getöse untergehenden Langweilern enttäuscht. GUARDIANS OF THE GALAXY: VOL. 3 macht alles richtig, was ANT-MAN 3 falsch gemacht hat. Das bunte Fantasyabenteuer überzeugt mit Humor, epischen Schlachten, originellen Effekten und einer Story, in der es wieder mal um alles geht: Liebe, Freundschaft und die Existenz des Universums.

Marvel goes endgültig Disney. Besonders die Flashbacks in die Jugendjahre Rockets sind mehr BAMBI als IRON MAN. Fotorealistisch perfekt animierte und sehr putzige Tierchen liegen gemeinsam im Stroh, schauen in den Himmel und finden: Freunde haben ist gut! Da zittern Klopfer die Schnurrhaare vor Rührung. Dass die Mäusestudios vor ein paar Jahren Marvel geschluckt haben, macht sich nicht nur in der neuen Niedlichkeit bemerkbar. SPOILER: Am Ende siegt das Gute.

Auch hinter den Kulissen gibt es ein Happy End. Nachdem er wegen alter schlechte-Witze-Tweets gefeuert und nur dank der Unterstützung seiner Schauspieler zurückgeholt wurde, verabschiedet sich Regisseur James Gunn nun mit dem dritten Guardians-Abenteuer von Marvel. Seit Kurzem hat er eine schier unlösbare Aufgabe in Hollywood übernommen. Als Chefproduzent soll er den dümpelnden DC-Kahn zum Laufen bringen. Sein erstes Projekt: ein neuer Superman-Film.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Guardians of the Galaxy: Vol. 3“
USA 2023
147 min
Regie James Gunn

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

CHAMPIONS

CHAMPIONS

Ab 27. April 2023 im Kino

Gut remaked ist halb gewonnen. Fünf Jahre nach dem spanischen Original setzt auch Hollywood auf den Charme dribbelnder Außenseiter

Coach Carter drillte faule Lümmel zum Erfolg, das Million Dollar Baby brauchte erst einen Ziehvater und auch Karate Kid wäre ohne seinen Meister nie aus den Puschen gekommen. Im neusten Vertreter des Trainerfilmgenre – der US-Komödie CHAMPIONS – übernimmt Woody Harrelson die vorbildliche Rolle.

each one teach one

Den Ball flach halten ist nicht die Königsdisziplin von Basketballtrainer Marcus (Woody Harrelson) und so landet der schnoddrige Hitzkopf zur gerichtlich angeordneten Strafe bei einer Gruppe behinderter Jungsportler, die er für die Special Olympics coachen soll. Gemäß „each one teach one“ profitiert auch er von der liebenswerten Truppe schräger Charaktere, sodass am Ende nicht nur die jungen Spieler, sondern vor allem der alte Hase seine Lektion gelernt hat.

Zwar handelt es sich beim neusten Regiewerk von Komödienspezialist Bobby Farrelly (DUMM UND DÜMMER, VERRÜCKT NACH MARY) nur um eine Neuverfilmung des spanischen Überraschungserfolgs CAMPEONES – WIR SIND CHAMPIONS von 2018, doch muss sich das Remake nicht verstecken. Der weiße Junge Harrelson bringt’s auch in seinem dritten Basketballfilm noch, perfekt umdribbelt von einem Team bislang unbekannter Jungdarsteller und versierter Comedy-Altmeister wie Cheech Marin und Ernie Hudson.

CHAMPIONS ist ein Wohlfühlfilm ohne Weltverbesserungsansatz und Betroffenheitsdogma. Empfehlenswert für alle, die bewegende Geschichten mögen und das Original verpasst haben.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Champions“
USA 2023
123 min
Regie Bobby Farrelly

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

Evil Dead Rise

EVIL DEAD RISE

Evil Dead Rise

EVIL DEAD RISE

Ab 27. April 2023 im Kino

Zum Lachen und zum Fürchten. Warum man sich auch als Nicht-Horrorfan den neuen EVIL DEAD anschauen kann

Es soll Menschen geben, die setzen sich Sonntag abends vor den Fernseher, schalten das ZDF ein und schauen sich einen Rosamunde-Pilcher-Film an. Und haben Spaß dabei. Da kann der Tatort-Fan nur verständnislos den Kopf schütteln. Genauso gibt es Menschen, die sich an einem bluttriefenden, brutalen Horrorfilm erfreuen. Während feinnervige Zuschauer fluchtartig das Kino verlassen, um die nächstgelegene Kloschüssel zu suchen, amüsieren sich Hardcore-Splatter-Fans wie Bolle über Spiegelscherben, die in Körper gebohrt werden, oder eingedrückte Augäpfel. Alles eine Frage des Geschmacks.

Eine blutige Achterbahnfahrt

EVIL DEAD RISE ist eine Achterbahnfahrt des Grauens, die sich gewaschen hat. Mit Blut. Im mittlerweile fünften Teil der legendären Horrorfilmserie verlegt Regisseur Lee Cronin die Handlung von einer Waldhütte in ein abbruchreifes Art-Deco-Mietshaus in Downtown. Dort lebt die alleinerziehende Ellie mit ihren drei Kindern in gepacktem Kisten-Chaos, in einer Woche muss sie ausziehen. Schlechtes Timing, genau jetzt klopft ihre entfremdete Schwester Beth an die Tür. Die unharmonische Familienzusammenkunft wird schon bald von einem kurzen, aber heftigen Erdbeben gestört. Die Wände wackeln, das Geschirr klappert, in der Tiefgarage bricht der Boden auf und legt den Zugang zu einem alten Tresorraum frei. Neugierig wie Paulinchen klettert Ellies Sohn Danny in das längst vergessene Kellerverlies. Dort verbirgt sich zwischen Spinnweben und Kakerlaken das unheilvolle Book of Evil. Kurz darauf öffnen sich die Tore zur Hölle.

Die Dämonen sind zurück und sie haben sehr schlechte Laune. Lee Cronin inszeniert mit blutiger Hand eine aufs Wesentliche reduzierte Horrorstory. Die Figuren haben Tiefe, die Geschichte ist nervenzerreißend, die Schocks sind zahlreich, das Blut fließt in Strömen und dazu ist das Ganze – in guter EVIL DEAD-Tradition – auch noch echt komisch. Was will man mehr?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Evil Dead Rise“
USA 2023
97 min
Regie Lee Cronin

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

The Whale

THE WHALE

The Whale

THE WHALE

Ab 27. April 2023 im Kino

Brendan Fraser spielt die Rolle seines Lebens

Der zurückgezogen lebende Englischlehrer Charlie (Brendan Fraser) ist so fett wie ein Wal. Todkrank versucht er, sich mit seiner bockigen Teenager-Tochter zu versöhnen. Es ist seine letzte Chance auf Wiedergutmachung, nachdem er acht Jahre zuvor seine Familie wegen eines Mannes verlassen hat.

Oscar für Brendan Fraser als Bester Hauptdarsteller

Es gibt tatsächlich nur einen Grund, THE WHALE anzuschauen – und der heißt Brendan Fraser. In eine groteske Fatsuit gesteckt, spielt er die Rolle seines Lebens. Ihm gelingt das Kunststück, Charlie nicht als Freak der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern als einen warmherzigen Menschen darzustellen, der Respekt verdient. Fraser reanimiert mit einer schauspielerischen Tour de Force seine seit Jahren dümpelnde Kinokarriere und macht THE WHALE im Alleingang zu einem besseren Film.

THE WHALE von Samuel D. Hunter gehört in die Kategorie der verfilmten Theaterstücke wie WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOLF? oder DEATH OF A SALESMAN, die in erster Linie durch ihre Schauspieler beeindrucken. Ansonsten muss man sich fragen, was die Botschaft von THE WHALE sein soll. Dass sehr, sehr dicke Menschen neben Bluthochdruck auch ein Herz haben? Rein cineastisch gesehen ist das Kammerspiel mit seinen gestelzten Dialogen und eindimensionalen Nebenfiguren keine große Kunst.

Personen treten auf, halten dramatische Monologe und gehen wieder ab. Bei der Adaption von Bühne zu Film hätte ein bisschen mehr Kreativität nicht geschadet. Fehlt nur noch der rote Vorhang am Ende. Gemessen an BLACK-SWAN-Regisseur Darren Aronofskys letztem Fiasko MOTHER!, ist es aber immerhin ein Schritt zurück zu alter Form.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Whale“
USA 2022
117 min
Regie Darren Aronofsky

alle Bilder © PLAION PICTURES

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT

Ab 27. April 2023 im Kino

Der Sage nach verschwand das junge Fräulein Idilia Dubb während eines Ausflugs spurlos. Erst 12 Jahre später fand man ihre sterblichen Überreste.

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT – klingt nach US-Melodram, ist aber eine urdeutsche Sagengeschichte. Im Mittelrheintal des 19. Jahrhunderts: Die junge Idilia Dubb erwacht in einer Burgruine mit blutender Kopfwunde. Sie kann sich an nichts erinnern. Nur ihr Tagebuch gibt Hinweise auf ihre Vergangenheit. Es scheint, als verbinde sie eine heimliche Romanze mit dem abessinischen Schausteller Caven, der in der Völkerschau ihres Verlobten arbeitet. Während sich Idilias Erinnerungstrümmer langsam zusammenfügen, verschwimmen Realität und Fantasie immer mehr. Von hohen Mauern umschlossen, scheint ihre Situation ausweglos. Ein viertägiger Kampf ums Überleben beginnt.

Pappmaché-Kulissen und düsterer Elektrosound. Das Kinodebüt von Simon Pilarski und Konstantin Korenchuk bewegt sich irgendwo zwischen tschechischem Märchenfilm und der Mystery-Serie DARK. Bei Ausstattung und Inszenierung gibt es noch Luft nach oben, aber die Geschichte vom verschollenen Fräulein ist durchaus stimmungsvoll umgesetzt. Ein Genrefilm aus Deutschland, das hat immer noch Seltenheitswert. Allein schon deshalb sind die 4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT mit Lea van Acken und Eric Kabongo sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2022
102 min
Regie Simon Pilarski und Konstantin Korenchuk
Kinostart 27. April 2023

alle Bilder © Sternenberg Films

BRADY’S LADIES

BRADY’S LADIES

Ab 20. April 2023 im Kino

Was hat American Football mit Schönheitschirurgie zu tun? BRADY'S LADIES weiß die Antwort

Lily Tomlin, Jane Fonda, Sally Field, Rita Moreno und Tom Brady: Eine echte Kunst, vier Hollywood-Legenden (plus eine Sportlegende) vor der Kamera zu versammeln und einen so grottigen Film zu machen.

You know what it cost me to look like this?

BRADY’S LADIES erzählt die (wahre) Geschichte von vier Ü-80 Damen, deren größter Wunsch es ist, ihren NFL-Helden Tom Brady einmal live beim Super Bowl zu sehen. Es geht zwar um Football, aber Sportkenner muss man nicht sein, um der simplen Geschichte zu folgen. 80 FOR BRADY (so der Originaltitel) reiht ein Klischee ans nächste und scheut sich nicht, die Handlung durch absolut lachhafte Wendungen voranzubringen. Ja, es gibt ein paar nette Momente und drei, vier gute Gags, aber das ist alleine der Traumbesetzung zu verdanken. Man fragt sich, was ein begabterer Regisseur als Kyle Marvin aus dieser Geschichte und diesem Cast herausgeholt hätte.

Immerhin bezieht BRADY’S LADIES Stellung – für oder gegen zu viele Facelifts, das liegt im Auge des Betrachters. Mehr als drei bis maximal vier werden im Laufe eines Lebens nicht empfohlen. Jane Fonda dürfte bei ca. neununddreißig sein. Ihr Gesicht ist glatter als ein Kinderpopo. Aufgepasst: Das auf dem Bild oben, die Zweite von links ist Jane Fonda. Mit getackertem Antlitz und diversen Barbarella-Gedächtnis-Frisuren macht sich die 85-Jährige zwar lustig über ihre Schönheits-OPs – „You know what it cost me to look like this?“ – aber gruselig anzuschauen ist die lebendige Einbalsamierung halt doch.

Über weite Strecken erweckt BRADY’S LADIES den Eindruck, als hätten die Produzenten ihr gesamtes Budget in die Besetzung und deren Perücken gesteckt, für ein originelles oder geschmeidigeres Drehbuch hat es dann leider nicht mehr gereicht. Der unterdurchschnittliche Film ist nur sehenswert, weil die vier Ladies den Mumpitz mit ihren zusammen 335 Jahren Starpower retten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „80 For Brady“
USA 2023
98 min
Regie Kyle Marvin

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

Infinity Pool

INFINITY POOL

Infinity Pool

Brandon Cronenbergs neuer Horrorfilm - Papa David wäre stolz

Ist ein Konditorensohn, der das Geschäft seines Vaters übernimmt und weiter dessen Rezepte verwendet, ein Kopist? Oder ist er ein Traditionalist? Und was ist Brandon Cronenberg, dessen neuer Film voller Anleihen an die Werke seines Vaters steckt? Sperma, Urin, Blut, Kotze, Muttermilch – das Best of Körperflüssigkeiten kennt man bereits aus David Cronenbergs Werken, inklusive destruktiver Veränderungen der Physis und surreal bunt gefilterter Traumsequenzen. Kopie als höchste Form der Anerkennung?

THE WHITE LOTUS, aber für Kranke

Strand, Sonne, diensteifriges Personal: James (Alexander Skarsgård) und Em (Cleopatra Coleman) genießen den perfekten Urlaub. Doch als die beiden mit dem befreundeten Paar Gabi (Mia Goth) und Alban (Jalil Lespert) das Areal des Luxusresorts verlassen, kommt es zu einem tragischen Unfall. Schnell eskaliert die Situation. Die Null-Toleranz-Politik, mit der die Insel gegen Kriminalität vorgeht, stellt James vor die Alternative: hingerichtet werden oder – sofern er bezahlt – seinem Doppelgänger beim Sterben zusehen.

Der Ferientrip in die Hölle ist zumindest gut besetzt. Auf Horror versteht sich Mia Goth spätestens seit X und PEARL. Zusammen mit Alexander Skarsgård trippt sie sich durch den irrwitzigen INFINITY POOL und macht dabei eine ausgezeichnete Figur. Leider geht dem rich-people-bashing gegen Ende in psychedelischem Ballaballa die Luft aus. Was anfangs noch schockt, wirkt auf Dauer nur noch ermüdend. Ein tieferer Sinn lässt sich ohnehin nicht ausmachen.

Empfehlenswert für alle, denen TRIANGLE OF SADNESS zu laff war. INFINITY POOL bedient sich aus demselben Genpool, verzichtet aber weitestgehend auf den beißenden Humor Ruben Östlunds zugunsten übelkeitserregendem Body-Horror. Und weil man es nicht besser zusammenfassen kann, hier ein Zitat aus der US-Presse: „Brandon Cronenberg’s THE WHITE LOTUS for sickos“

Originaltitel „Infinity Pool“
Kanada / Kroatien / Ungarn 2022
118 min
Regie Brandon Cronenberg 

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

roter himmel

ROTER HIMMEL

roter himmel

ROTER HIMMEL

Ab 20. April 2023 im Kino

Der neue Petzold - nur auf den ersten Blick eine leichte Komödie

Die Berlinale 2023 war mal wieder ein durchwachsenes Vergnügen. Doch Christian Petzold sei Dank, gab es mit ROTER HIMMEL einen deutschen Beitrag, der mehr als nur okay war. Im extra trüben Wettbewerb leuchtete sein Film besonders hell. 

Bei der Berlinale gewann Petzolds Film den Großen Preis der Jury

Zwei Freunde, der eine Fotograf, der andere Schriftsteller, machen ein paar Tage Urlaub an der Ostsee. In ihrem Ferienhaus treffen sie Nadja, die sich nachts mit Devid (im Osten gab es nicht nur Maiks), dem örtlichen Rettungsschwimmer vergnügt. Vier junge Menschen, von denen drei Spaß haben, nur Leon, der Schriftsteller, quält sich. Die gute Laune der anderen lässt ihn immer mürrischer werden, zumal ihm sein Verleger im Nacken sitzt. Es ist Sommer, um das Haus herum brennt der Wald, der Himmel färbt sich rot, bald regnet es Asche.

ROTER HIMMEL ist der zweite Teil einer Trilogie. Wie schon in UNDINE platziert Petzold moderne Charaktere in ein märchenhaftes Setting. Diesmal ins deutscheste aller deutschen Märchensettings: den Wald. Die Symbolik des alles verschlingenden Feuers für die lodernden Gefühle der vier jungen Menschen erdrückt dabei nicht. Das vielschichtige Drama wechselt meisterhaft von leichter Komödie zu tiefgründiger Tragödie. Dazu eine ausgezeichnete Besetzung, vor allem Paula Beer als lebensfrohe Nadja und Thomas Schubert als miesepetriger Leon. Bei der Berlinale gewann Petzolds Film den Großen Preis der Jury.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
102 min
Regie Christian Petzold

alle Bilder © Piffl Medien

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

IRGENDWANN WERDEN WIR UNS ALLES ERZÄHLEN

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

IRGENDWANN WERDEN WIR UNS ALLES ERZÄHLEN

Ab 13. April 2023 im Kino

Emily Atefs Berlinale-Beitrag: Es gibt ihn noch, den typisch deutschen Problemfilm.

Sommer 1990. Ein Bauernhof an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Johannes hat für seine Freundin Maria und sich den Dachboden bei seinen Eltern zum kleinen Idyll gemacht. Maria liest Dostojewski, streift durch die Wiesen und widmet sich auch sonst dem süßen Nichtstun. Ihre Begegnung mit Henner, dem um einiges älteren Nachbarn, macht der Beschaulichkeit ein Ende. Eine tragische Liebe nimmt ihren Lauf.

IRGENDWANN WERDEN WIR UNS ALLES ERZÄHLEN gehört in die Kategorie Filme, bei denen schon nach wenigen Minuten klar ist, dass man sich weder für die Figuren noch ihre deprimierenden Probleme interessiert. Das hölzern gespielte Drama von der verbotenen Liebe verläuft ereignislos und zieht sich über 129 Minuten wie Kaugummi. Von der Dramatik des Trailers ist im Film wenig zu spüren. Sehenswert sind in diesem deutschen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag einzig die sommerlichen Landschaften Ostdeutschlands. Ernüchterndes Fazit: Es gibt ihn noch, den typisch deutschen Problemfilm.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
129 min
Regie Emily Atef

alle Bilder © Pandora Film

Der Fuchs

DER FUCHS

Der Fuchs

DER FUCHS

Ab 13. April 2023 im Kino

Die wahre Geschichte einer Freundschaft zwischen Mann und Fuchs

Westfront, Schützengraben, Wassersuppe. Wenn Opa mal wieder vom Krieg erzählt, verdreht der Enkel die Augen. Nicht so Adrian Goiginger. Der hat genau zugehört und aus den Kindheits- und Jugenderinnerungen seines Urgroßvaters einen Film gemacht. Vielleicht weil dessen Geschichte einen hohen Niedlichkeitsfaktor hat. Während des zweiten Weltkriegs war ein Fuchs der treue Weggefährte des jungen Soldaten.

Die Geschichten der Alten sterben mit ihnen

Die Geschichten der Alten sterben mit ihnen, und wenn die nachfolgenden Generationen sie nicht aufschreiben (oder verfilmen), sind sie für immer verloren. Wer weiß heute zum Beispiel noch, dass im Türnich der 30er-Jahre Verstorbene manchmal mit Klingelschnüren an den Händen im Gebüsch versteckt wurden, um dem nächsten Besucher, der am Tor schellte, kalt und steif in die Arme zu fallen? Eine wahre Geschichte. Wahrscheinlich.

Zurück zum Film. Österreich, Mitte der 1920er-Jahre: Die Bergbauernfamilie Streitberger gibt ihren jüngsten Sohn zu einem Großbauern weg. Das Einkommen reicht nicht, die vielen Kindermäuler zu stopfen. Als Knecht darf Franz zwar Lesen und Schreiben lernen, erfährt aber sonst keine Zuneigung. Kaum volljährig, verpflichtet er sich bei der Armee und zieht wenige Jahre später in den Krieg an die Westfront nach Frankreich. Dort findet die schicksalhafte Begegnung mit dem ausgesprochen hübschen Fuchswelpen statt. Wie Hund und Herrchen bleiben die beiden für die nächsten Monate unzertrennlich.

Ganz wie das echte Leben folgt auch DER FUCHS keiner klassischen Dramaturgie. Drehbuchautor und Regisseur Goiginger erzählt die Parabel vom verstoßenen Kind, das erst durch die Freundschaft zu einem Tier wieder den Glauben an die Liebe zurückgewinnt. Am stärksten sind dabei die Anfangsszenen auf der Alm. Die Entbehrungen, der Hunger, das gemeinsame Schweigen am abendlichen Feuerofen – alles sehr authentisch, das hat fast dokumentarischen Charakter. Allein deshalb ist DER FUCHS sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Deutschland / Österreich 2021
117 min
Regie Adrian Goiginger 

alle Bilder © Alamode Film