MULAN

Disney hat sich entschlossen, den potenziellen US-Sommerblockbuster „Mulan“ nicht im Kino, sondern auf seiner Streaming-Plattform Disney+ anzubieten: Zuschauer können sich für knapp 22 €  (zusätzlich zum Abo-Preis) den Film mieten. Dieser kann dann so oft abgespielt werden, wie das Disney+ Abo läuft. Wahrlich kein Schnäppchen. Der Mäusekonzern argumentiert, ein Kinobesuch mit Eltern und zwei Kindern sei weitaus teurer. Stimmt, besonders wenn die Blagen literweise Cola und mehrere Eimer Popcorn verfuttern.

Wer das Original nie gesehen hat, hier noch mal kurz die Geschichte: Mulan Hua, die Tochter eines hochdekorierten Soldaten, beschließt anstelle ihres kranken Vaters dem Einberufungsbefehl des Kaisers zu folgen. Das junge Mädchen gibt sich in Männerverkleidung als Jun Hua aus und muss sich einer strengen Ausbildung unterziehen. Beim Kampf gegen eine böse Hexe lernt sie, auf ihre innere Stärke zu vertrauen und entdeckt dabei ihr wahres Potenzial. 

Die Neuverfilmung hat  jede Menge Augenfutter zu bieten – kein Wunder bei 200 Millionen Dollar Budget. Doch all die bunten Kostüme und die zahlreichen Slowmotion-Kämpfe in grandioser Naturkulisse können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Charaktere zweidimensionaler als ein Blatt Papier sind. Die Augen sind erfreut, doch das Herz bleibt kalt.

Wie steht’s mit Girl power für Fortgeschrittene? Das wäre ja mal was gewesen, wenn die tapfere Kriegerin am Ende, auf alle Konventionen pfeifend, alleine in den Sonnenuntergang geritten wäre. Doch ganz so weit will Disney nicht gehen: Ein echtes Happy End kann es nur dann geben, wenn die Männer – in diesem Fall der Kaiser und der eigene Vater – Mulan ihre vermeintlichen Fehler verzeihen und Absolution erteilen. Dann wird’s auch was mit dem Herzbuben.

„Mulan“ gesellt sich zu den vielen unterwältigenden Realverfilmungen, die Disney von seinen Zeichentrick-Klassikern in den letzten Jahren ins Kino gebracht hat. Braucht man die? Nein. Aber es lässt sich viel Geld damit verdienen und jede Generation soll ihre eigene Version…bla, bla, bla. Wenigstens singt keiner.

FAZIT

Besser als Aladdin.

Originaltitel „Mulan“
USA 2020
115 min
Regie Niki Caro
Streaming bei Disney+ für 21,99 € ab dem 04. September 2020

WAVES

„Waves“ hat das Zeug zu einem modernen Klassiker. Wie der Rhythmus von Ebbe und Flut wechseln sich über 135 Minuten Katastrophen und Glück ab. Eine berührende Geschichte über Liebe, Vergebung und familiärem Zusammenhalt, dem Oscar-Gewinner von 2017 „Moonlight“ nicht unähnlich.

In zwei Kapiteln wird das Schicksal der afroamerikanischen Familie Williams beleuchtet: Zunächst steht der 18-jährige Sohn Tyler im Mittelpunkt (Kelvin Harrison Jr.). Seine Freundin liebt ihn, an der Highschool ist er der Star im Wrestlingteam. Aber der Teenager steht unter Druck. Eine Schulterverletzung und damit das Aus für seine ambitionierten Pläne ist nur eines von vielen Problemen. Schwierig auch das tagtägliche Kräftemessen mit dem dominanten Vater (Sterling K. Brown), gegen den er sich nur schwer behaupten kann.
Eine Katastrophe bahnt sich im Zeitlupentempo an. Nach gut der Hälfte verschiebt sich die Perspektive des Films, erzählt dann von Tylers jüngerer Schwester Emily (Taylor Russel) und deren erster Liebe. 

Regisseur Shults hat mit „Waves“ ein episches Familiendrama in leuchtenden Farben erschaffen. Die außergewöhnliche Bildsprache wechselt immer wieder das Format, von Breitbild zu beengtem 4:3, je nach Gemütslage der Figuren. Trent Reznor und Atticus Ross liefern dazu einen extrem effektiven Soundtrack, treiben manche Szene bis an die Schmerzgrenze.

FAZIT

„Waves“ ist keine leichte Kost und stellenweise vielleicht auch kein perfekter Film, aber er wirkt nach.

Originaltitel „Waves“
USA 2019
135 min
Regie Trey Edward Shults
Kinostart 16. Juli 2020

DER KÖNIG DER LÖWEN

Egal, ob man Musicals nun mag oder nicht: „Der König der Löwen“ sieht fantastisch aus und ist eine technische Meisterleistung.

Das Remake des Zeichentrick-Klassikers von 1994 ist visuell bahnbrechend, die fotorealistischen Landschaften und Tiere in diesem zu hundert Prozent im Computer entstandenen Animationsfilm sehen unfassbar gut aus. Dahinter steckt wieder einmal Jon Favreau, der schon mit „Iron Man“ und „The Jungle Book“ Maßstäbe im CGI-Filmemachen gesetzt hat.

Für die Optik also fünf Sterne plus, für das etwas mutlose Eins-zu-eins-Remake nur zwei. Denn Disney geht mit dieser Neuauflage auf Nummer sicher: die bekannte Hamlet-Geschichte vom Löwenjungen Simba, die Dialoge, die berühmten Originalsongs – fast alles unverändert. Immerhin ist der namhafte voice-cast neu: im Original sprechen und singen unter anderem Beyoncé, Seth Rogen und Donald Glover.

FAZIT

Grundsätzliche Frage nach „Dumbo“ und „Aladdin“: Braucht es technisch ge-updatete Versionen alter Zeichentrickklassiker? Bei der Pressevorführung von „Der König der Löwen“ hat eine erwachsene Frau auf dem Nebensitz abwechselnd vor Freude gegluckst und Rotz und Wasser geheult – Disney scheint diesmal alles richtig gemacht zu haben.

Originaltitel „The Lion King“
USA 2019
117 min
Regie Jon Favreau
Kinostart 17. Juli 2019

Robin Hood

⭐️

Robin von Locksley, Rächer der Enterbten, bestiehlt die Reichen und verteilt die Beute an die Armen.

Krass, Digga! In der neuesten Verfilmung des Klassikers geht es schwer modern zu. Robin (niedlich, aber zu jungenhaft: Taron Egerton) trägt Hoodie, als hätte er sich gerade bei H&M neu eingekleidet. Ben „Sheriff von Nottingham“ Mendelsohn stolziert in einem vom letzten „Star Wars“-Dreh recycelten Latexmantel durchs Bild. Und Maid Marian (Eve Hewson) hat die Ausstrahlung einer youtube-Influencerin mit zu viel Make-up im Gesicht. Willkommen auf der Beautyconvention im Sherwood Forest!

Otto Bathursts Versuch, historischen Abenteuerfilm und Video Game zu mixen, geht nicht auf. Die Szenen vom blutigen Kreuzzug in Syrien wirken, als wären sie von einem minder begabten Ridley Scott-Schüler für eine Fortsetzung von „Black Hawk Down“ inszeniert worden. Viel Staub, zertrümmerte Ruinen und pseudo-cooles Military-Gehabe in feschen Combat-Outfits. Wahrscheinlich hätte der Regisseur seine Protagonisten am liebsten mit Maschinengewehren statt mit Pfeil und Bogen schießen lassen. Und beim Kampf der geknechteten Einwohner von Nottingham gegen die Armee des Sheriffs hat man eher den Eindruck, Bilder vom Hamburger G20-Gipfel zu sehen, als ein mittelalterliches Scharmützel.

Von der amerikanischen Kritik wird Robin Hood hämisch mit dem ähnlich plump modernisierten, vergangenes Jahr an der Kinokasse böse gefloppten „King Arthur“ verglichen. Ungerecht, denn der hatte deutlich mehr Unterhaltungswert.

FAZIT

Hohle und uncharmante Neuverfilmung.

USA 2018
Regie Otto Bathurst
116 min
Kinostart 10. Januar 2019

Papillon

STIMMUNGSVOLLES FLUCHTDRAMA

Der Film erzählt die wahre Geschichte von Henri „Papillon“ Charrière (Charlie Hunnam), einem Safeknacker aus dem Paris der 30er Jahre. Seinen Brustkorb ziert ein prächtiges Schmetterlingstattoo, daher der Spitzname. Zu Unrecht wegen Mordes verurteilt, wird er nach Französisch-Guayana in eine Strafkolonie deportiert. Wegen der Haie und starken Strömungen gilt die Gefangeneninsel als absolut ausbruchssicher. Trotz dieser Widrigkeiten bleiben sein Überlebens- und Freiheitsdrang ungebrochen. Im Laufe der Jahre versucht er immer wieder, zu entkommen. Zur Seite steht ihm dabei sein Freund, der Fälscher Louis Dega (Rami Malek). Der finanziert die Fluchtversuche Papillons und lässt sich im Gegenzug vor den Angriffen der anderen Häftlinge beschützen.

MACHART

Die Vorlage für den neuen Film des Regisseurs Michael Noer liefern nicht nur die autobiografischen Romane „Papillon“ und „Banco“, sondern auch das Originaldrehbuch von 1973. Damals mit Steve McQueen und Dustin Hoffman kongenial besetzt. Ein Vergleich drängt sich also auf. Dabei kann die Neuauflage zunächst nur verlieren. Aber: blendet man den Klassiker mal aus und lässt sich auf Papillon 2018 unvoreingenommen ein, dann funktioniert das ausgesprochen gut. Sanft modernisiert, zeitgemäßer Look (Kamera Hagen Bogdanski) und hervorragend besetzt. Charlie Hunnam hungerte sich für seine Rolle nicht nur 20 Kilo runter, sondern ließ sich auch noch 8 Tage in eine Zelle einsperren „um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich das für Charrière angefühlt haben muss“.

FAZIT

Spannende, stimmungsvolle Neuinterpretation des Klassikers. Besser als erwartet.

USA, 2018
Regie Michael Noer
119 min
Kinostart 26. Juli 2018