THE PERSIAN VERSION

THE PERSIAN VERSION

Ein zwiespältiger Film über eine Mutter-Tochter-Beziehung: Die erste Hälfte nervt, die zweite erzählt die interessante Geschichte einer jungen Frau im Iran.

Ab 14. März 2024 im Kino

THE PERSIAN VERSION beginnt mit der Einblendung „Basierend auf einer wahren Geschichte … mehr oder weniger“ und setzt damit gleich zu Anfang seine erste „Achtung, witzig!“-Marke. Im MIttelpunkt der dramatischen Komödie steht zunächst die iranische Amerikanerin Leila, eine junge Faru, die noch immer gegen ihre Eltern rebelliert. Als einziges Mädchen von neun Geschwistern fühlt sie sich seit Kindesbein benachteiligt, schon in der Schule war sie „zu iranisch für eine Amerikanerin“ und „zu amerikanisch für eine Iranerin“. Davon abgesehen ist sie vor allem eins: zu viel. Die Filmemacherin ist lesbisch, chaotisch und gerade von einer vermeintlichen Transe geschwängert worden, die sich als heterosexueller Schauspieler entpuppt. Besonders Leilas Mutter stößt das selbstbestimmte Leben ihrer Tochter auf. Ich hab’s im Magen.

Mehr Filmhochschule als Filmkunst

Dies ist Maryam Keshavarz‘ dritter Film und ihre erste Komödie. Es gibt viele gute Ansätze und mindestens genauso viele schlechte Umsetzungen. In der ersten Hälfte nervt die Lebens-Erinnerungs-Clip-Sammlung mit bemühter Originalität. Schnelle Schnitte, Freezeframes und das Durchbrechen der vierten Wand sind legitime filmische Mittel. Aber man sollte wissen, wann, wie oft und aus welchem Grund man sie einsetzt. Hier hat man den Eindruck, als habe eine Filmemacherin im kreativen Drogenrausch krampfig versucht, ihr Werk aufzupeppen. Das Ergebnis ist mehr Filmhochschule als Filmkunst.

Nach gut der Hälfte wechselt THE PERSIAN VERSION plötzlich die Richtung. Die Kamera zoomt nicht mehr in das überdrehte Leben der Tochter, sondern fokussiert sich auf die Mutter. Endlich wird es interessant. Ein Film im Film mit einem dramaturgischen Bogen und nachvollziehbarer Erzählstruktur – als hätte jemand das Steuer eines entgleisten Zuges endlich in die richtige Richtung gelenkt. Schade, dass es bis dahin eine gefühlte Ewigkeit dauert. Vielleicht hätte man die erste Hälfte besser verschlafen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Persian Version“
USA 2023
107 min
Regie Maryam Keshavarz

alle Bilder © Sony Pictures

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DRIVE-AWAY DOLLS

DRIVE-AWAY DOLLS

Never change a winning team. Ethan Coen hat es trotzdem getan und einen Film ohne seinen Bruder Joel gedreht. Keine gute Idee.

Ab 07. März 2024 im Kino

DRIVE-AWAY DOLLS ist eine herbe Enttäuschung. Und der Beweis, dass Ethan ohne seinen Bruder Joel keinen brauchbaren Film zustande bringt. Die unlustige Komödie erzählt von zwei Lesben auf einem lahmen Roadtrip, der die Geduld der Zuschauer schier grenzenlos strapaziert.

Versagt inhaltlich und inszenatorisch

Das holprige Drehbuch stammt von Coen und seiner Frau Tricia Cooke. Die beiden hatten wohl eine Geschichte voller Abenteuer und witziger Verwechslungen im Sinn, doch herausgekommen ist das Gegenteil. Die Handlung wird durch einen lächerlichen Zufall ausgelöst, als den unsympathischen Freundinnen Jamie und Marian, gespielt von Margaret Qualley und Geraldine Viswanathan, versehentlich ein Mietwagen mit hochbrisantem Inhalt übergeben wird. Von da an stolpern die beiden von einer haarsträubenden Situation in die nächste, ohne dass dabei Spannung oder Komik aufkommen.

Angestrengte Versuche, Witz und Esprit durch belangloses Geschwätz zu erzeugen, torkeln ins Leere. Man fragt sich, wie ein derart talentiertes Ensemble einen so schlechten Film zustande bringt. Die Gastauftritte von Pedro Pascal und Matt Damon können es auch nicht retten. Sie beweisen höchstens, dass selbst Schauspieler mit Starpower Schwierigkeiten haben, dem desaströsen Drehbuch etwas Positives abzugewinnen.

DRIVE-AWAY DOLLS versagt inhaltlich und inszenatorisch auf ganzer Linie. Das überzogene Schauspiel, die flache Handlung und das dümmliche Drehbuch machen DRIVE-AWAY DOLLS zu einer uninspirierten Komödie, die weder als charmanter Roadtrip noch als cleverer Coen-Brothers-Film funktioniert.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Drive-Away Dolls“
USA 2024
83 min
Regie Ethan Coen

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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ARGYLLE

ARGYLLE

Eine globale Spionageorganisation. Ein Agent mit Katzenallergie. Und eine Schriftstellerin, die eigentlich nur ihre Ruhe haben will. Regisseur Matthew Vaughn schickt eine ganze Schar von Top-Stars auf eine knallbunte Jagd rund um die Welt.

Ab 01. Februar 2024 im Kino

Der nächste James Bond-Film lässt auf sich warten – bislang ist noch nicht mal ein neuer Darsteller gefunden, geschweige denn ein Start für die Dreharbeiten bekannt. In der spionagefreien Zeit also Gelegenheit, das Agentenfilmgenre neu zu definieren.

ARGYLLE ist keine Konkurrenz für Bond

Bryce Dallas Howard spielt die Autorin Elly Conway, die es sich am liebsten zu Hause gemütlich macht. Abends schreibt sie in Gesellschaft ihres Katers Alfie Spionage-Romane. Deren Hauptfigur ist Argylle (Henry Cavill), ein smoother James-Bond-Verschnitt mit Maßanzügen und furchtbarer Frisur. Doch eines Tages beginnen sich Fiktion und Realität zu überschneiden. Elly trifft scheinbar zufällig auf den echten Spion Aidan (Sam Rockwell). Bald findet sie sich inmitten einer lebensgefährlichen Mission wieder.

Um es gleich vorwegzunehmen: ARGYLLE ist keine Konkurrenz für 007. Gegen Matthew Vaughns Actiongroteske sind die Bond-Filme der Roger-Moore-Ära philosophisches Arthouse-Kino. Es ist wie bei einem aus dem Ruder gelaufenen Kindergeburtstag: Mehr und mehr und dann noch zehnmal mehr. Am Ende fühlt man sich wie nach einer Karussellfahrt mit fünf kandierten Äpfeln im Bauch.

ARGYLLE ist zu cheesy, die Action zu albern und die CGI-Effekte zu schlecht. Es gibt so viele Wendungen und Überraschungen, dass man kaum hinterherkommt. Der Untertitel könnte auch TWIST – DER FILM lauten. Auf etwas anstrengende Weise macht das eine zeitlang Spaß, aber mit 139 Minuten ist das Ganze entschieden zu lang.

Zum Cast gehören neben Howard, Rockwell und Cavill unter anderem John Cena, Sängerin Dua Lipa, Bryan Cranston, Catherine O’Hara, Samuel L. Jackson. Diese geballte Starpower lässt Kater Alfie allerdings kalt – Berühmtheiten kennt er von zu Hause. Denn im wahren Leben hört er auf den Namen Chip und gehört Regisseur Matthew Vaughns Frau, Supermodel Claudia Schiffer.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Argylle“
GB / USA 2024
139 min
Regie Matthew Vaughn

Argylle

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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EINE MILLION MINUTEN

EINE MILLION MINUTEN

Zufall oder Absicht? EINE MILLION MINUTEN zeigt auffallende Parallelen zu WOCHENENDREBELLEN - ist aber der bessere Film.

Ab 01. Februar 2024 im Kino

Die Geschichte kommt einem bekannt vor: Vater ist viel unterwegs, macht Karriere. Mutter kümmert sich um Kinder und Haushalt, ist frustriert. Opa wird von Joachim Król gespielt. Eines der Kinder hat eine leichte Behinderung. Nix Garstiges, irgendwas, was man fast nicht sieht. ADHS oder so. Und weil keine Therapie anschlägt und das Kind es sich abends beim Zubettgehen so sehr wünscht, fasst die Familie einen verrückten Plan: Sie fahren gemeinsam durch sämtliche Fußballstadien Deutschlands. Nein, das war der andere Film. Sie machen eine Weltreise für 1.000.000 Minuten (entspricht knapp zwei Jahren). Und weil Kinder nicht nur im Prenzlberg an der Macht sind, dürfen sie den Verlauf der Tour bestimmen. Kurz mit dem kleinen Finger auf den Globus getippt – und los geht’s. Doch dass man, egal wohin man reist, seine Probleme immer wie einen schweren Koffer mit sich trägt, ist eine Binsenweisheit.

Das Leben ist der beste Autor

Ohne jeden Zynismus kann man sagen, dass hier die Probleme von extrem privilegierten Menschen thematisiert werden. So hält sich das Mitleid in Grenzen, wenn die Familie bei ihrem Selbstfindungstrip in fantastischen Häusern mit direktem Meerzugang residiert und das größte Problem eine instabile Internetverbindung ist. Darauf ein kühles Bier am Strand.

Dass EINE MILLION MINUTEN um Klassen besser als sein Doppelgänger WOCHENENDREBELLEN ist, hat mehrere Gründe: Zum einen sieht er besser aus. Kameramann Andreas Berger hat den Film fürs Kino gedreht und vermeidet kleinliches TV-Format. Zum anderen beweist Regisseur Christopher Doll bei der Besetzung der Hauptrollen mit Karoline Herfurth und Tom Schilling ein glückliches Händchen. Den beiden ist es zu verdanken, dass EINE MILLION MINUTEN keine banale deutsche Komödie mit Herz-Schmerz-Elementen geworden ist. Ganz im Gegenteil. Abgesehen von den etwas nervigen „Bilder einer glücklichen Familie mit gefälliger Popmusik unterlegt“-Sequenzen hat der Film viele erstaunlich ernste und berührende Momente.

Das Leben ist eben doch der beste Autor: Wie WOCHENENDREBELLEN basiert auch EINE MILLION MINUTEN auf einer wahren Geschichte. Die Buchvorlage stammt von Wolf Küper, der mit seiner Familie nach Stationen in Australien, Neuseeland und Asien inzwischen in Kapstadt lebt. Christopher Doll liefert mit der Verfilmung eine emotionale und wohltuend untypisch deutsche Tragikomödie ab – sehenswert.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2024
123 min
Regie Christopher Doll

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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THE HOLDOVERS

THE HOLDOVERS

Ab 25. Januar 2024 im Kino

Ein schlecht gelaunter Professor, ein rebellischer Teenager und eine trauernde Köchin bilden eine Zwangsgemeinschaft zu Weihnachten. Alexander Payns neuer Film kommt auf den Tag genau einen Monat zu spät in die Kinos. Aber weil THE HOLDOVERS ein moderner Klassiker ist, kann man sich den auch im Januar noch gut anschauen.

Schnee rieselt, der Baum ist geschmückt, es weihnachtet sehr. Doch im Elite-Internat Barton Academy ist zum Jahresende 1970 die Stimmung alles andere als festlich. Der bösartige, von Schülern wie Kollegen gehasste Lehrer Paul Hunham (Paul Giamatti) hat die undankbare Aufgabe, sich über die Feiertage um die „Überbleibsel“ (The Holdovers) zu kümmern, also jene Schüler, die nicht zu ihren Familien fahren konnten oder durften. In diesem Jahr bleibt am Ende nur der hochintelligente Einzelgänger Angus (Dominic Sessa) in seiner Obhut. Zusammen mit Kantinenköchin Mary (Da’Vine Joy Randolph) bildet die Zwangsgemeinschaft eine Art Ersatz-Familie, wenn auch auf begrenzte Zeit.

Das Leben ist hart

THE HOLDOVERS könnte ebenso gut aus der HAROLD AND MAUDE-Zeit stammen. Regisseur Alexander Payn erzeugt ein perfektes 70er-Jahre-Feeling ohne Klischees oder einen aufdringlichen Zeitgeist-Soundtrack. Es fängt schon beim altmodischen Universal-Logo an, geht über die hässlichen, aber sehr authentischen Titel-Einblendungen, bis hin zur perfekten Ausstattung samt Kostüme. Einen Glücksgriff hat Payne mit seinem bislang unbekannten Hauptdarsteller Dominic Sessa getan. Der steht hier zum allerersten Mal vor einer Kamera. Unglaublich. Dass er nebenbei auch noch wie die jugendliche Version von Donald Sutherland aussieht, macht die Reise in die 70er noch überzeugender. (Fragt sich, wieso die Macher vom TRIBUTE VON PANEM-Prequel den nicht auf dem Schirm hatten). Daneben der immer hervorragende, hier oscarreif spielende Paul Giamatti. Regisseur und Schauspieler verbindet eine lange Geschichte. Schon vor 20 Jahren stand Giamatti in SIDEWAYS für Payn vor der Kamera. Die in diesem Jahr mit dem Golden Globe für die beste Nebenrolle ausgezeichnete Da’Vine Joy Randolph vervollständigt das Trio als patente und großherzige Köchin, die mehr Tragik in sich trägt, als es auf den ersten Blick scheint.

Das Leben ist hart und THE HOLDOVERS macht daraus keinen Hehl. Die Weihnachtsgeschichte vom mürrischen Giftzwerg, der sich zum emphatischen Menschen wandelt, ist oft rührend, aber nie rührselig. Payne ist ein moderner Klassiker geglückt – bewegend, toll gespielt und mit viel authentischer 70er-Jahre-Atmosphäre. Unbedingt ansehen. 

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Holdovers“
USA 2023
133 min
Regie Alexander Payn

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

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MEAN GIRLS – DER GIRLS CLUB

MEAN GIRLS – DER GIRLS CLUB

Ab 25. Januar 2024 im Kino

Zweimal Musical, zweimal pink: Kann die Neuverfilmung von MEAN GIRLS dem Blockbuster BARBIE das Wasser reichen?

Klingt komplizierter als es ist: MEAN GIRLS war vor gut zwanzig Jahren DER Kultfilm zum Thema High-School-Terror. Die Dynamiken von populären Schülern, Mobbern und Außenseitern wurde zur Blaupause für eine ganze Reihe von Filmen und Fernsehserien rund um die Hierarchien an US-Schulen. 2017 feierte eine Musical-Version des auf dem Ratgeberbuch „Queen Bees and Wannabes“ basierenden Films ihre Premiere am Broadway. Buch, Film, Musical – alles große Erfolge. Mit MEAN GIRLS – DER GIRLS CLUB kommt nun die Verfilmung des Broadwaymusicals in die Kinos.

Bunt, lustig und wild

Die neue Schülerin Cady freundet sich mit den elitären „Plastics“ an, einer Gruppe eingebildeter rich girls, angeführt von der hinterhältigen Regina. Als sich Cady in Reginas Ex-Freund Aaron verliebt, gerät sie ins Fadenkreuz der selbsternannten Highschool-Queen.

Der von Samantha Payne und Arturo Perez Jr. inszenierte Film hat seine besten Momente, wenn er sich mit voller Wucht in die überdrehte Musicalwelt stürzt: dann wird es bunt, lustig und wild. Das Komponisten- und Texterteam, bestehend aus Jeff Richmond und Nell Benjamin, hat dazu jede Menge catchy Songs geschrieben, die über ein paar inhaltliche Schwächen hinwegtrösten.

Glaubt man Teilen der US-Presse, stinkt der neue Film gegen das Original und die Broadway-Version ab. Als unbedarfter Zuschauer, der weder das eine noch das andere kennt, kann man dagegen großen Spaß haben. Das vor allem in den Nebenrollen prominent besetzte Musical (u.a. Tina Fey, John Hamm) ist schön böse, hat Drive und bietet jede Menge Ohrwürmer. Man kann sich das Ganze als eine Art GLEE mit besseren Gags vorstellen. Wem Musicals per se auf die Nerven gehen: Achtung, hier wird sehr viel gesungen. Ob MEAN GIRLS allerdings trotz gleichen Farbschemas den Erfolg von BARBIE wiederholen kann, ist zu bezweifeln. Spaßig-charmante Unterhaltung ist es allemal.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Mean Girls“
USA 2024
105 min
Regie Samantha Payne und Arturo Perez Jr.

alle Bilder © Paramount Pictures Germany

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THE PALACE

THE PALACE

Ab 18. Januar 2024 im Kino

Selten waren sich die Kritiker so einig: THE PALACE ist Roman Polanskis schlechtester Film. Ein filmisches Desaster im Schatten der Alpen.

Wie es THE PALACE geschafft hat, seine Weltpremiere auf den diesjährigen Internationalen Filmfestspielen von Venedig zu feiern, ist das größte Rätsel. Hat sich das vorher niemand angeschaut? Die Möchtegern-Satire wäre gerne so bissig wie Ruben Östlunds TRIANGLE OF SADNESS, ist aber komplett zahnlos und dumm. Die Szenen wirken wie eine Aneinanderreihung von schlecht improvisierten Sketchen, oft unappetitlich und ohne roten Faden oder Sinn.

Nichts daran ist lustig

Die Handlung des Films könnte kaum belangloser sein. Schauplatz ist „The Palace“, ein plüschiges Luxushotel in den Schweizer Alpen. Hier versammelt sich im Dezember 1999 der Jetset, um gemeinsam ins Jahr 2000 zu feiern. Die Angst geht um, dass das Millennium-Problem die Welt zerstören wird, aber der unerschütterliche Hotelmanager Hansueli Kopf (Oliver Masucci) besteht darauf, dass alles gut wird. Sein einziges Ziel: Die protzigen Gäste mögen sich „nach Herzenslust mit Kaviar vollstopfen“ und Champagner trinken, „bis es ihnen aus den Ohren sprudelt.“

Man fragt sich, ob Masucci die Rolle aus Bewunderung für die Legende Polanski oder wegen einer verlorenen Wette angenommen hat. Die vulgäre Klientel wird von Fanny Ardant, John Cleese, einem monströs aussehenden Mickey Rourke und dem Deutschen Milan Peschel „gespielt“. Wer sich für kleine Hunde mit Durchfall, betrunkene Russen, kotzende Frauen und grotesk geliftete Altstars begeistert, kommt hier voll auf seine Kosten.

Nichts daran ist lustig: Wirklich im Ernst – gar nichts. Vom flachen Inhalt und der erbärmlichen Inszenierung abgesehen, sieht der Film auch noch schäbig aus. Roman Polanski, einst gefeierter Regisseur von Meisterwerken wie CHINATOWN und DER PIANIST, hat nun das wohl dunkelste Kapitel seiner Karriere geschrieben. Dass man Kunst und Künstler trennen soll, erweist sich hier als hohle Phrase, denn im Alter von 90 Jahren hat sich Polanski mit seinem vielleicht letzten Film endgültig selbst ins Aus geschossen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Palace“
Italien / Polen / Schweiz / Frankreich 2023
97 min
Regie Roman Polanski

alle Bilder © Weltkino Filmverleih

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BABY TO GO

BABY TO GO

Ab 11. Januar 2024 im Kino

Familienplanung von übermorgen. BABY TO GO ist eine ironische Zukunftsvision mit hübschem Technik-Schnickschnack und Werbeästhetik.

Gleichberechtigung 5.0: Männer können auch im neuen Jahr nicht schwanger werden, da kann die Wissenschaft noch so lange forschen. Und Frauen wollen es nicht mehr. Die Hormone, die Hitzewallungen, die Schwangerschaftsstreifen! Stattdessen lässt sich der Nachwuchs in einem schicken Designer-Pod im Labor züchten. Kinderkriegen wird so einfach wie die Pflege eines Tamagotchis.

BLACK-MIRROR-Episode auf 111 Minuten gedehnt

BABY TO GO erzählt von Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor), die sich nach langem Zögern entschließen, Eltern von einem Plastikei zu werden. Regisseurin Sophie Barthes nutzt für ihre Science-Fiction-Sozialsatire die visuellen Mittel einer Apple-Werbung. Slicke Technik (der Frühstückstoast kommt aus dem 3D-Drucker), sanfte Pastelltöne – die Welt der Zukunft sieht gut aus.

Doch gutes Aussehen alleine reicht nicht. BABY TO GO ist eine etwas zahnlose BLACK-MIRROR-Episode auf 111 Minuten gedehnt. Das hätte sich komprimierter und wirkungsvoller locker in der Hälfte der Zeit erzählen lassen. Trotz all der hübschen Bildideen zieht es sich zwischendurch wie eine Apple-Präsentation von Tim Cook.

Zuschauer, die zwischen 10 und 14 € für ein Kinoticket berappen, erwarten eine gewisse Quantität an Film. Deshalb gibt es hierzulande auch keinen Markt für Kurzfilme. Eine knackigere Version von BABY TO GO wäre besser bei einem Streamer oder als Hälfte eines Doublefeatures aufgehoben.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Pod Generation“
GB 2022
111 min
Regie Sophie Barthes

alle Bilder © Splendid Film

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ROLE PLAY

ROLE PLAY

Ab 04. Januar 2024 im Kino

Happy 2024! Fangen wir das neue Jahr mit einem kleinen Quiz an: Was haben folgende Schlagzeilen mit dem Actionfilm ROLE PLAY zu tun? „Studio Babelsberg: Eben noch Hollywood, jetzt Flaute“ - „Steht das Filmstudio Babelsberg vor dem Aus?“

Die Antwort: Ganz einfach, die Babelsberger haben ROLE PLAY co-produziert und stehen jetzt vor der Insolvenz. Ob das eine mit dem anderen zu tun hat, ist nicht erwiesen, aber gut möglich. Schon bei der Auswahl seiner letzten Projekte zeigte das Studio ein feines Gespür für Kassenschlager: BAGHEAD, RETRIBUTION und DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER waren echte Rohrkrepierer.

So spannend sind wie das Warten auf die U-Bahn

Vor genau 30 Jahren kam TRUE LIES mit Arnold Schwarzenegger in die Kinos. Für ROLE PLAY gilt: anderer Film, gleiche Geschichte, gleiche Ideenarmut. Emma (Kaley Cuoco) führt mit ihrem Mann Dave (David Oyelowo) eine halbwegs glückliche Ehe, inklusive zwei nerviger Kinder. Beruflich ist sie viel unterwegs, angeblich zu langweiligen Seminaren. In Wahrheit ist sie eine hochbezahlte Auftragskillerin, die weltweit unangenehme Zeitgenossen ausschaltet. Die Familie hat von Muttis Doppelleben keine Ahnung – bis eines Tages … den Rest kann man sich denken.

Auch wenn die Undercover-Killer-Geschichte noch halbwegs interessant klingt – die Umsetzung ist es nicht. Statt packender Action gibt es endlose Dialoge, die so spannend sind wie das Warten auf die U-Bahn. Wenn dann doch mal was passiert, erinnert es eher an eine schlechte Kindergarten-Aufführung als an einen Actionfilm. Komödie? War wohl die Intention, ist aber eher unfreiwillig komisch. Was den eigentlich immer brillanten Bill Nighy dazu bewogen hat, hier eine Nebenrolle zu übernehmen, bleibt sein Geheimnis.

TV-Regisseur Thomas Vincent versucht verzweifelt, auf der KILLING EVE-Welle zu surfen, scheitert jedoch kläglich. Die öde Geschichte, die sich fürchterlich clever vorkommt, spielt irgendwann auch mal in Berlin – Studio Babelsberg sei Dank. Die einzige Erkenntnis, die man am Ende gewinnt: Die Hauptstadt ist dreckig und hässlich wie nie, es gibt Technoclubs an jeder Ecke, und wenn man nur will, kann man sogar den schlimmsten Feierabendverkehr in Kreuzberg umfahren.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Role Play“
USA / Deutschland / Frankreich 2024
100 min
Regie Thomas Vincent

alle Bilder © STUDIOCANAL

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GIRL YOU KNOW IT’S TRUE

GIRL YOU KNOW IT’S TRUE

Ab 21. Dezember 2023 im Kino

Sie verkauften 14 Millionen Alben, wurden zu Stars - gesungen haben andere. Ist die Geschichte von Milli Vanilli knapp 30 Jahre später noch relevant genug, um daraus einen Kinofilm zu machen?

Der kometenhafte Aufstieg und der krasse Absturz der beiden Backgroundtänzer Robert Pilatus und Fabrice Morvan, besser bekannt als Milli Vanilli, ist 1993 der größte Skandal, den die Musikgeschichte bis dato erlebt hat. Vergleichbar in etwa, wenn heute rauskäme, dass Taylor Swift seit Jahren die Lippen zum Playback einer anderen Sängerin bewegt. Milli Vanilli sind internationale Stars aus München. Nummer eins Hits weltweit, vergöttert in Amerika und Gewinner des Grammys als Best New Artists. Doch dann lässt Produzent Frank Farian bei einer Pressekonferenz die Bombe platzen: Rob und Fab haben nicht einen Ton auf ihrem millionenfach verkauften Album selbst gesungen. Alles Lug und Trug. Ihre Platten werden öffentlich von enttäuschten Fans mit Bulldozern zermalmt.

Eine alberne deutsche Klamotte auf RTL-Niveau?

Wenn Menschen, die es gut mit einem meinen, hören, dass man sich bei strömendem Regen zur Pressevorführung eines Milli Vanilli-Biopics mit Matthias Schweighöfer (!) aufmacht, erntet man Mitleid. Warum tust Du dir das an? Die eigene Lust ist auch nicht gerade groß, schließlich sieht der Trailer verboten schlecht aus. Eine alberne deutsche Klamotte auf RTL-Niveau über zwei Fake-Musiker – wer braucht das? Und dann die große Überraschung: Nicht nur nervt Schweighöfer nicht, der Film ist richtig gut. Unterhaltsam, witzig und vor allem auf den Punkt besetzt. Tijan Njie und Elan Ben Ali sehen den Originalen unfassbar ähnlich und können auch noch spielen.

Die Rahmenhandlung zeigt die beiden auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. In einem luxuriösen Hotelzimmer auf die Couch gefläzt, erzählen sie ihre Geschichte. Dabei durchbricht Regisseur Verhoeven, wie auch später bei anderen Szenen, die vierte Wand. Die Darsteller sprechen direkt zu den Zuschauern. Nur eine von vielen guten Ideen, die den Film auch visuell interessant machen. Schön widerlich ist die Ausstattung. Wer dabei war, erinnert sich: so geschmacklos sah Ende der 80er-Jahren die Mode wirklich aus. Neben der eigentlichen Skandalgeschichte gibt es Wissenswertes über die Abgründe des Musikbusiness (der große Hit „Girl you know it’s true“ war geklaut – Farian selbst nennt es eine Neuinterpretation) und die familiären Hintergründe der beiden gefallenen Stars.

Wie so oft, findet auch GIRL YOU KNOW IT’S TRUE kein Ende. Es gibt da eine bestimmte Szene mit einem Walkman, die das perfekte Schlussbild für diesen unerwartet guten Film gewesen wäre. Aber das ist nur ein kleines Manko – die unglaublich wahre Geschichte von Milli Vanilli ist eine echt gelungene Überraschung zu Weihnachten.

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Deutschland 2023
124 min
Regie Simon Verhoeven

alle Bilder © LEONINE Studios

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Fast perfekte Weihnachten

FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN

Fast perfekte Weihnachten

FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Locker-leichte französische Komödie um ein Weihnachtsfest mit Hindernissen.

Perfekte Tischdeko, perfekter Baum, perfektes Fest. Weihnachten ist Vincent Barand heilig. Doch die Kinder sind erwachsen, haben andere Pläne oder müssen arbeiten. Die Feiertage alleine mit seiner Frau verbringen? Ausgeschlossen. „Weihnachten soll nicht romantisch sein, es ist das Fest der Familie.“ Vincent beschließt, sich im örtlichen Altenheim zwei einsame Bewohnerinnen auszuleihen. Doch Monique und ihre beste Freundin, die hemdsärmelige Jeanne, machen es sich bei ihren Gastgebern sehr schnell etwas zu gemütlich. Die stille Nacht, heilige Nacht droht im Chaos zu enden.

Am stärksten ist die Komödie in ihren melancholischen Momenten

FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN ist eine französische Komödie, die alles andere als perfekt ist. Dazu kippt die Story zu oft in Klamottige. Das ist schade, denn in den ruhigeren Szenen zeigt sich, was die hervorragende Besetzung drauf hat. Highlight des Films ist Emmanuelle Devos als Ehefrau Beatrice, der Christi Geburt herzlich egal ist und die gerne auf die nervige Gesellschaft der Seniorinnen verzichten würde. Franck Dubosc spielt den peniblen Weihnachtsenthusiasten angenehm zurückgenommen, sein Vincent wird nie zur Karikatur. Die Seniorinnen Danièle Lebrun und Danielle Fichaud sind okay, werden aber vom Drehbuch gezwungen, viele alberne Dinge tun. Besonders am Ende soll es mit aller Gewalt zu Herzen gehen, doch das wirkt dann komplett übertrieben und unglaubwürdig.

„Früher war mehr Lametta!“ – Weihnachten bedeutet für rund 14 Prozent der Deutschen puren Stress. Da kann ein bisschen Lachen bestimmt nicht schaden. Am stärksten ist die Komödie allerdings in ihren melancholischen Momenten, die Regisseur Clément Michel ohne Kitsch inszeniert. FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN schaut sich gut weg, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck.

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Originaltitel „Noël Joyeux“
Frankreich 2023
97 min
Regie Clément Michel

alle Bilder © Splendid Film

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WONKA

WONKA

Ab 07. Dezember 2023 im Kino

Zauberhaftes Musical über Roald Dahls Schokoladenmagier in jungen Jahren.

WONKA ist das filmische Äquivalent zu einem Besuch im Hamburger Miniatur Wunderland. Ständig gibt es etwas zu entdecken, beim ersten Schauen verpasst man wahrscheinlich viele der liebevollen Details, die Regisseur Paul King (PADDINGTON 1 + 2) und sein Team in den Film gepackt haben.

Großes, zuckersüßes Unterhaltungskino

Die Geschichte vom Chocolatier, der sich gegen ein Schokoladenkartell behaupten muss, wurde schon dreimal verfilmt. Zuletzt übernahm Johnny Depp mit gruselig weiß geschminktem Gesicht die Titelrolle. Im Prequel das genaue Gegenteil: Timothée Chalamet schaut gewohnt niedlich unter seiner Lockenfrisur hervor und strahlt als Willy Wonka die genau richtige Mischung aus jugendlicher Unschuld und Cleverness aus. Kritiker hatten befürchtet, er sei mit dem Erbe Gene Wilders (der die Rolle in der ersten Verfilmung von 1971 spielte) überfordert, doch Chalamet macht seine Sache hervorragend und kann sogar einigermaßen singen.

Eine ganze Schar toller Schauspieler ist in Nebenrollen dabei, unter anderem Oscargewinnerin Olivia Colman als verbrecherische Hotelbesitzerin Mrs. Scrubbit. Dass der 1,80 m große Hugh Grant in der Rolle des zwergwüchsigen Oompa Loompa besetzt ist, hat im Netz für viel Diskussion gesorgt. Aber welcher nur 50 cm große Schauspieler hat denn bitte den umwerfend zynischen Charme von Grant? Das Internet ist manchmal wirklich dumm.

Egal ob Musical-Fan oder Nicht-Fan (okay, es wird vielleicht ein bisschen zu viel gesungen): Die grandiose Neuverfilmung des Roald-Dahl-Kinderbuch-Klassikers ist fantastisch ausgestattetes, zuckersüßes Unterhaltungskino. Das perfekte Anti-Grau – genau richtig gegen Winterdepressionen. 

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Originaltitel „Wonka“
USA / GB 2023
117 min
Regie Paul King

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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REIF FÜR DIE INSEL

REIF FÜR DIE INSEL

Ab 30. November 2023 im Kino

LES CYCLADES ist eine französische Komödie mit drei tollen Schauspielerinnen und einem dämlichen deutschen Titel.

Als junge Mädchen sind sie unzertrennlich, doch nach einem Streit verlieren sich Blandine und Magalie aus den Augen. Erst zwanzig Jahre später kommt es zu einem von Balndines Sohn arrangierten Wiedersehen. Die grundverschiedenen Frauen beschließen, auf die griechische Insel Amorgos zu fahren, ein Traum, den sie sich als Fans von Luc Bessons IM RAUSCH DER TIEFE schon als Teenager erfüllen wollten.

Es fängt erstmal ungut an

Für REIF FÜR DIE INSEL muss man Geduld mitbringen. Es fängt erstmal ungut an. Die Musik, die Kamera, die Inszenierung – fast glaubt man sich in einer Traumschiff-Folge auf Französisch verirrt zu haben. Auch die neu erwachte Freundschaft zwischen der völlig überdrehten, von ihren Freunden nicht zu Unrecht „Tinnitus“ genannten Magalie und der nach einer Scheidung verbitterten Blandine wirkt klischeehaft und nicht besonders glaubwürdig. Wären da nicht die herausragenden Schauspielerinnen: Olivia Côte und Laure Calamy bringen trotz alberner Drehbucheinfälle eine Wahrhaftigkeit in ihre Rollen, die Marc Fitoussis Komödie bald zu einer bewegenden Geschichte über Freundschaft macht.

REIF FÜR DIE INSEL ist ein Slowburner. Spätestens mit dem Auftritt von Kristin Scott Thomas als Alt-Hippie mit großem Herzen wird aus der sonnigen Komödie ein überraschend tiefgründiger Film. Getragen von einem fabelhaften Schauspielerinnen-Trio, wechselt die weibliche Buddy-Komödie zwischen sanfter Melancholie und charmanter Leichtigkeit. Hoffentlich funktioniert das auch in der Synchronfassung – der deutsche Peter-Cornelius-Titel lässt schon mal das Schlimmste vermuten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Cyclades“
Frankreich 2023
110 min
Regie Marc Fitoussi

alle Bilder © Happy Entertainment

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NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

NAPOLEON

Ab 23. November 2023 im Kino

Kino, wie es sein soll: episch, spannend, lustig und lehrreich. Ridley Scotts neues Meisterwerk zeigt den französischen Kaiser, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hat.

Stolze 85 Jahre alt ist Ridley Scott und er kann’s noch immer. Mit NAPOLEON ist dem britischen Regisseur erneut ein großer Wurf gelungen. Dass das alles toll aussieht und die Schlachtszenen bombastisch sind, versteht sich fast von selbst. Schließlich hat der Mann mit ALIEN, BLADE RUNNER und GLADIATOR ganze Genres neu erfunden oder zumindest jahrzehntelang geltende Maßstäbe gesetzt.

Trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie

Joaquin Phoenix ist die perfekte Besetzung und spielt den französischen Feldherrn und Kaiser als souveränes, rücksichtsloses Genie – zumindest wenn es um Kriegsführung geht. Im Privaten ist seine Hoheit dagegen das Gegenteil eines Genies. Unbeholfen, albern und dabei schwer in Josefine verliebt (fabelhaft: Vanessa Kirby). Von der Liebe seines Lebens, die ihm 15 Jahre (nicht immer) treu zur Seite steht, lässt sich Napoleon wegen ausgebliebener Nachkommen scheiden.

Überraschung: NAPOLEON ist trotz der blutigen Schlachtszenen fast eine Komödie. Mindestens aber ein historisches Drama mit komischen Elementen. Kleine Missgeschicke, absurde Dialoge und ein sich oft gar nicht kaiserlich verhaltender Kaiser sorgen für Lacher. Überhaupt ist Scott eine ausgesprochen kurzweilige (bei 157 Minuten Laufzeit) und lehrreiche Geschichtsstunde gelungen. Höhepunkt ist die Schlacht von Austerlitz, in der die französische Armee die Streitkräfte Russlands und Österreichs dank Napoleons strategischem Geschick auf dem Schlachtfeld auslöscht. Selten genug in Historienfilmen: Man versteht die Zusammenhänge und geht klüger aus dem Kino.

Ridley Scotts vielleicht nicht 100 % historisch korrekte Version des Lebens von Napoleon Bonaparte hätte noch reichlich weitere Lobeshymnen verdient. Zum Beispiel, dass Joaquin Phoenix auf einen falschen (französischen) Akzent verzichtet – Scotts HOUSE OF GUCCI wurde wegen übertriebenen Englisch-Italienisch-Kauderwelschs zur unfreiwilligen Komödie. Aber vor allem ist NAPOLEON für die große Leinwand gemacht. Apple hat den Film zwar finanziert und früher oder später wird er auf Apple TV+ laufen – aber vorher sollte man sich NAPOLEON unbedingt im Kino anschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Napoleon“
USA / England 2023
157 min
Regie Ridley Scott

alle Bilder © Sony Pictures

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DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

Ab 26. Oktober 2023 im Kino

Ein alter Brite macht sich auf die Reise quer durchs Land, trifft dabei auf viele freundliche Menschen und findet sich am Ende selbst.

Wem das bekannt vorkommt, der hat vielleicht im vergangenen Jahr DER ENGLÄNDER, DER IN DEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR gesehen. Gleiche Geschichte, gleiches Setting, fast gleicher Film. Nur eben per pedes und nicht im Bus.

Kluge Ratschläge, Gästezimmer und Blasenpflaster

Harold Fry (Jim Broadbent) erfährt eines Tages, dass seine alte Freundin Queenie im Sterben liegt. Er schreibt ihr einen Brief, verlässt sein Haus, geht zum Postamt und hört nicht auf zu gehen. Er läuft einfach weiter, bis zu dem 450 Meilen entfernten Hospiz. Den Pensionär auf Sinnessuche spielt der ausgezeichnete Jim Broadbent, seine Gattin Maureen ist mit der aus Downton Abbey bekannten Penelope Wilton besetzt. Die Besetzung ist fabelhaft (Nick Caves Sohn Earl spielt den gepeinigten Sohn des Ehepaars) und im Gegensatz zum busfahrenden Engländer sieht DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY auch noch richtig gut aus. Kamerafrau Kate McCullough arbeitet viel mit Unschärfen und hübschem Morgenlicht.

Allerdings nervt das Gutmenschentum – auf seiner Reise durch England begegnet Harold ausschließlich warmherzigen Mitmenschen, die ihm mit klugen Ratschlägen, Gästezimmern und Blasenpflastern zur Seite stehen. Sei’s drum, Sinn und Zweck solcher Filme ist es ja, dass man mit einem positiven Gefühl aus dem Kino geht. Nur am Ende wird’s richtig peinlich: Da fällt ein göttliches Licht auf all diejenigen, die Harold zuvor auf seiner Reise getroffen, beziehungsweise „erleuchtet“ hat. Die plumpe Spiritualität ist unnötig und hinterlässt einen schalen Geschmack.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“
GB 2023
108 min
Regie Hettie Macdonald

alle Bilder © Constantin Film

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EIN FEST FÜRS LEBEN

EIN FEST FÜRS LEBEN

Ab 19. Oktober 2023 im Kino

Was alles am schönsten Tag des Lebens schiefgehen kann, muss Christoph Maria Herbst als Hochzeitsplaner in der überraschend frischen Komödie von Richard Huber erfahren.

Mit feinem bis ätzendem Humor erzählt EIN FEST FÜRS LEBEN von einer Hochzeitsfeier, bei der alles gründlich schief geht und trotzdem happy endet. Unter der Leitung von Christoph Maria Herbst als Dieter, der für die Rolle des gestressten und desillusionierten „Wedding Planners“ perfekt besetzt ist, rückt der Film nicht das Brautpaar oder die Hochzeitsgäste in den Mittelpunkt, sondern das Personal, das im Hintergrund die ganze Chose am Laufen hält. Oder auch nicht. Denn Dieter plant seine Firma zu verkaufen, ein Interessent will sich unerkannt unter die Gäste mischen. Versteht sich von selbst, dass an diesem besonderen Tag, an dem alles wie am Schnürchen laufen muss, die Lebensmittel verdorben sind, der gebuchte Sänger ausfällt und auch sonst jede menschenmögliche Katastrophe passiert.

Überraschend, wie intelligent und komisch das für eine deutsche Komödie ist

Dass es dabei hier und da auch mal klamaukig wird – sei’s drum. Das Drehbuch ist eine sympathische Mischung aus realistisch und übertrieben, vermeidet zum Glück die allzu platten Pointen. EIN FEST FÜRS LEBEN besticht mit viel Sinn für Situationskomik und einer hochkarätigen Besetzung. Neben Christoph Maria Herbst sind Jörg Schüttauf als fauler Hochzeitsfotograf und Marc Hosemann als egozentrischer Sänger und Bandleader die bekanntesten Darsteller.

Ein Sarkast würde sagen: Überraschend, wie intelligent und komisch das für eine deutsche Komödie ist. Kein Wunder, sie haben es schon wieder getan: Auch EIN FEST FÜRS LEBEN ist ein Eins-zu-eins-Remake. Die Ensemblekomödie der „Ziemlich beste Freunde“-Macher um die kleinen und großen Dramen, die sich hinter den Kulissen einer Hochzeitsfeier abspielen, kam 2017 unter dem Titel „Le sens de la fête“ in die französischen Kinos.

Regisseur Richard Huber ist natürlich ein alter Hase und weiß genau, wie man so eine locker-leichte Komödie auf den deutschen Markt zuschneidet. Am besten, man ändert wenig und übernimmt möglichst viel vom Original. Mit dem gleichen Rezept, bereits Erprobtes für den hiesigen Markt zu adaptieren, wurden schon 2021 die ebenfalls mit Christoph Maria Hebst besetzte Dramödie CONTRA und drei Jahre zuvor DAS PERFEKTE GEHEIMNIS große Erfolge. Und bei EIN FEST FÜRS LEBEN gibt es sogar eine echte Verbindung zur französischen Vorlage: Regisseur Huber ist trotz des bayrisch klingenden Namens gebürtiger Pariser.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
105 min
Regie Richard Huber

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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DAS NONNENRENNEN

DAS NONNENRENNEN

Ab 28. September 2023 im Kino

Mon Dieu, c'est mauvais. Laurent Tirards alberne Klamotte versucht den Witz alter Louis de Funes-Komödien heraufzubeschwören. Vergebens.

Das lokale Altenheim pfeift aus dem letzten Loch, eine Renovierung ist bitter nötig. Weil auch der Bürgermeister kein Geld hat, nehmen fünf Nonnen an einem Fahrradrennen teil. Als Preisgeld winken 25.000 €. Spitzenidee. Dumm nur, dass die Himmelsbräute ausschließlich verrostete Klapperräder im Stall haben und größtenteils nicht mal wissen, wie man so einen Drahtesel reitet. Zu allem Unglück taucht auch noch eine professionelle, voll durchtrainierte Gruppe von BMX-Rad-Nonnen auf, die ebenfalls scharf aufs Gewinnen sind.

NONNEN AUF HEISSEN BIKES
DIE VÖLLIG DURCHGEDREHTEN BETSCHWESTERN
RAD AB – 5 NONNEN FÜR EIN HALLELUJA

Neben „Tritt fester, Schwester“ böten sich noch viele weitere dümmliche Wortschöpfungen als Untertitel an, wäre DAS NONNENRENNEN vor 50 Jahren in die deutschen Kinos gekommen. Passend zur 70er-Jahre-Zopfigkeit ist auch der altbackene Nonstop-Nonsens Humor von JUSTE CIEL! (so der Originaltitel).

Laurent Tirard hat schon mehrfach bewiesen, dass er nicht mit göttlichem Talent gesegnet ist. Seine bisherigen Filme DER KLEINE NICK und ASTERIX & OBELIX sind allenfalls Durchschnittsware. Mit DAS NONNENRENNEN erreicht der französische Regisseur nun einen vorläufigen Tiefpunkt seiner Karriere. 

Nichts gegen harmlos, aber selbst ohne Erwartungen muss man sagen: Der Film ist gründlich misslungen. Fast nichts funktioniert. Die Gags sind abgestanden, die Dialoge mittelmäßig, die Charaktere klischeehaft, ohne jede Entwicklung. Originelle Ideen gibt es so gut wie keine. Was all die guten Schauspieler dazu bewogen hat, in diesem dümmlichen Lustspiel mitzuwirken, bleibt ihr großes Geheimnis. Schlechtester Film der Woche.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Juste Ciel!“
Frankreich 2022
88 min
Regie Laurent Tirard

alle Bilder © STUDIOCANAL

WOCHENENDREBELLEN

WOCHENENDREBELLEN

Ab 28. September 2023 im Kino

Auf großer Stadiontour durch Deutschland: Mirco klappert mit seinem Sohn Jason die Bundesliga ab, um einen Lieblingsverein für den autistischen Junior zu finden.

Jasons Regeln sind streng: Nudeln dürfen sich auf dem Teller nicht mit der Tomatensoße berühren. Ihn selbst darf sowieso niemand anfassen. Das eigenwillige Verhalten kommt nicht von ungefähr: Jason ist Autist. Nun sucht der 10-Jährige einen Lieblingsfußballverein. Und seine Ansprüche sind hoch: Energetisch nachhaltig, keine Nazis unter den Fans, die Spieler müssen einheitlich farbige Schuhe tragen, das Maskottchen darf nicht peinlich sein und vieles mehr. Gemeinsam mit seinem Vater nimmt Jason in einem Langzeitprojekt die erste, zweite und dritte Liga unter die Lupe – 56 Mannschaften insgesamt.

Basiert auf einer wahren Geschichte

Florian David Fitz spielt in WOCHENENDREBELLEN einen Fastfood-Handlungsreisenden, der lernen muss, mit der psychischen Krankheit seines Sohns umzugehen. Was soll man da kritisieren? Cecilio Andresen meistert seine Rolle bravourös, denn die Figur des Jason ist alles andere als liebenswert. Der Film versucht zum Glück nicht, die Krankheit weichzuspülen und aus dem Autisten einen niedlichen Jungen mit leichter Behinderung zu machen. Nein, Jason nervt auf SYSTEMSPRENGER-Niveau. Schade nur, dass Regisseur Marc Rothemund die außergewöhnliche Story wie eine typisch deutsche TV-Produktion inszeniert. Da gibt es wenig große Bilder oder visuelle Einfälle, Emotionen werden mit gefälligen Pophits zugekleistert. 

WOCHENENDREBELLEN basiert auf einer wahren Geschichte. Mirco und Jason von Juterczenka reisen bis heute regelmäßig zu Bundesligaspielen. Wie so oft berühren dann die zum Abspann gezeigten Realaufnahmen mehr als der ganze Film davor. Die gute Absicht zählt, doch fragt sich, ob das Plädoyer für Verständnis und Integration mit einem künstlerisch mutigeren Film nicht stärker gewesen wäre.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
95 min
Regie Marc Rothemund

alle Bilder © Leonine

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS

Ab 28. September 2023 im Kino

Goodbye England’s Rose - Was eine schizophrene Dänin mit der verstorbenen Lady Di zu tun hat, verrät die herzerwärmende Dramödie ROSE.

„Wollen Sie mich ficken?“

„Ich würde Sie gerne erwürgen“

Inger (Sofie Gråbøl) trägt ihr Herz auf der Zunge. Sie kann nichts dafür, Inger ist schizophren. Nach Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung geht die verschrobene Mittvierzigerin zusammen mit ihrer Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) und deren Mann Vagn (Anders W. Berthelsen) auf eine sentimental journey nach Frankreich. Denn es gab mal ein Leben vor der Krankheit, da lebte Inger in Paris, war verliebt und glücklich. Doch der verheiratete Mann, mit dem sie eine Affäre hatte, brach nicht nur mit ihr, sondern ihr Herz gleich mit. Kurz darauf übernahmen die Stimmen in Ingers Kopf das Kommando.

Mit perfektem Timing inszenierte Dramödie

Eine Busreise mit einer geistig verwirrten Frau – gar nicht so einfach. Vor allem wenn sich unter den Mitreisenden ein echter Stinkstiefel befindet (überzeugt als verklemmter Spießer: Søren Malling). Aber die Mühe lohnt sich – denn der Roadtrip ist nicht nur eine Fahrt von A nach B, sondern auch eine Reise ins Innere, mit Auswirkungen auf das gesamte Familiengefüge.

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS ist ein zärtlicher Blick auf das Leben einer Frau jenseits der Norm. Der deutsche Verleihtitel klingt zwar nach Lore-Roman, doch Niels Arden Oplevs Dramödie ist mit perfektem Timing inszeniert, beinah kitschfrei und oft überraschend komisch. Der Regisseur und Autor erzählt eine Geschichte aus seiner eigenen Familie, ROSE basiert auf dem Leben seiner Schwester. Dabei weiß er genau, wann es zu viel wird, wälzt keine Szene unnötig aus oder drückt künstlich auf die Tränendrüse. Dass der Film zudem gut aussieht (Kamera: Rasmus Videbæk) und einen wunderbar emotionalen Soundtrack (Henrik Skram) hat, macht ihn zu einem kleinen Juwel. Die Schauspieler sind sowieso toll, besonders Sofie Gråbøl, die die verwirrte Inger oscarwürdig überzeugend spielt.

Weil gerade Skandinavische Woche bei Framerate ist, gibt es morgen die Kritik zu einem weiteren Film aus dem Land mit der putzigen Sprache: SPEAK NO EVIL – ein düsterer, sehr empfehlenswerter Horrorfilm, ebenfalls aus Dänemark.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Rose“
Dänemark 2022
106 min
Regie Niels Arden Oplev 

alle Bilder © mindjazz pictures

DIE EINFACHEN DINGE

DIE EINFACHEN DINGE

Ab 21. September 2023 im Kino

Ein selbst gemachtes Omelette. Mittagsschlaf auf der Bergwiese. Ein treuer Hund als Weggefährte. Es sind die einfachen Dinge, die das Leben kostbar machen. Éric Besnards französisch-leichte Komödie LES CHOSES SIMPLES ist aber mehr, als es auf den ersten Blick scheint.

Der erfolgreiche Geschäftsmann Vincent hat eine Autopanne in den Bergen, Handyempfang gibt es 2.000 Meter über dem Meeresspiegel nicht. Zum Glück knattert gerade Pierre auf dem Motorrad vorbei und nimmt den Gestrandeten mit zu seinem Bilderbuch-Hof. Eine selbstgekochte Mahlzeit, eine Flasche Wein vor traumhafter Naturkulisse – so einfach kann Glück sein. Doch hinter der scheinbar zufälligen Begegnung der beiden ungleichen Männer steckt mehr.

Herzenswarmes Feelgood Movie

Auch wenn das Thema der Suche nach dem Glück schon oft in Filmen behandelt wurde und der Gegensatz zwischen dem von der Welt zurückgezogenen Einsiedler und dem erfolgreichen Geschäftsmann kein besonders originelles Ausgangsszenario bietet, überrascht DIE EINFACHEN DINGE doch mit einem cleveren Drehbuch und einer tollen Besetzung.

Sympathischer Kotzbrocken: Lambert Wilson spielt mit einer schönen Mischung aus verführerisch und unausstehlich den Unternehmer, der es gewohnt ist, seinen Willen durchzusetzen. Ihm gegenüber steht Gregory Gadebois als schweigsamer Brummbär, der keine Annäherung zulässt und voller Missfallen auf den Stadtmenschen schaut.

DIE EINFACHEN DINGE ist ein intelligentes und herzenswarmes Feelgood Movie über – der Titel legt es nahe – die einfachen, aber elementar wichtigen Dinge im Leben: Freundschaft, Liebe und frische Luft. Schön.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Choses simples“
Frankreich 2023
95 min
Regie Éric Besnard

alle Bilder © Neue Visionen

DALILAND

DALILAND

Ab 07. September 2023 im Kino

Savador Dali - Meister des Surrealismus, Allround-Künstler, Enfant Terrible. Mary Harron widmet dem Mann mit dem gezwirbelten Schnurrbart ein konventionell gemachtes, aber höchst unterhaltsames Porträt.

Blonde Mädchen nennt er „Ginesta“, hübsche Jungs in Anlehnung an Caravaggios Gemälde „San Sebastian“. Und von jungen, schönen Menschen gibt es in Dalis Leben Mitte der 1970er-Jahre reichlich. Den Alltag versüßt er sich mit rauschenden Partys, flotten Dreiern (als Zuschauer), Champagner und Kaviar – das Malen ist eher lästige Pflicht. Seine resolute Ehefrau Gala sorgt dafür, dass der Rubel rollt. Zur Not auch mit Geschrei und nicht ganz koscheren Geschäftsmethoden. In dieses kreative Chaos gerät eines Tages der junge, unschuldige James, der sich bald als Dalis Assistent unentbehrlich macht.

Sodom und Gommora light

Giraffen brennen lichterloh, Uhren zerfließen wie Camembert in der Sonne und die Abdrücke von nackten Frauenhintern werden zu Engelsflügeln. An schrägen Bildideen mangelt es den Werken des 1989 verstorbenen Künstlers nicht. Umso erstaunlicher, dass seine weltberühmten (und unter Kunstkennern teils berüchtigten) Gemälde in Harrons Film so gut wie keine Rolle spielen. Die AMERICAN PSYCHO-Regisseurin konzentriert sich viel mehr auf Dalis komplizierte Ehe mit Gala und deren Liebeleien und Gaunereien.

DALILAND ist keine Großproduktion und das sieht man ihm an. Establishing Shots bestehen aus altem Filmmaterial (Recycling ist ein zulässiger Kunstgriff, gleichzeitig enorm kostensparend), die wilden Partys und Vernissagen wirken mit ihrer überschaubaren Anzahl von Statisten nie so groß und rauschend, wie sie es wohl in Wirklichkeit waren. Das mag auch den zur Drehzeit bestehenden COVID-Bestimmungen geschuldet sein.

James, von Newcomer Christopher Briney mit staunendem Welpenblick gespielt, gerät so als Vertreter des Zuschauers in ein Sodom und Gommora light. Dass DALILAND trotzdem ausgesprochen kurzweilig und voller Witz ist, verdankt er Ben Kingsley als Dali und Barbara Sukowa als dessen russische Ehefrau Gala. Die beiden alten Filmhasen spielen das unkonventionelle Paar schön exzentrisch und voller Ironie. Eine Topbesetzung in einem Film, der seinem einzigartigen Sujet nicht ganz gerecht wird.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Daliland“
USA / GB 2022
96 min
Regie Mary Harron

alle Bilder © SquareOne Entertainment

ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE

ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE

Ab 07. September 2023 im Kino

Achtung, jetzt wird’s mild: Es folgt die überraschend positive Kritik zur deutschen Generationskomödie ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE.

Vielleicht liegt es am guten Eindruck, den der erste Teil ENKEL FÜR ANFÄNGER vor drei Jahren hinterlassen hat. Vielleicht liegt es an den nach Art des Premiumweins gealterten Schauspielern (Maren Kroymann, Heiner Lauterbach und Barbara Sukowa), ganz sicher liegt es nicht am Drehbuch – aber die Fortsetzung ist fast so gut wie das Original.

Straff inszenierte, kurzweilige Komödie

Diesmal kümmert sich das Senioren-Trio um einen Kinderladen, denn Philippas Tochter ist nicht nur dessen Leiterin, sondern auch noch hochschwanger. Eine Vertretung ist nicht in Sicht, da hat Karin die rettende Idee: Die Rentner übernehmen! Die Kraft der Alt-68er weckt selbst das verschnarchteste Kind aus seiner Lethargie. Schon nach wenigen Tagen sind aus ins Handy starrenden Teenagern fröhlich tollende Traumblagen geworden, die nebenbei noch jede Menge (alt)-kluger Ratschläge parat halten.

„Hey, shout out an die Kids!“ Dass die Jugendsprache ein bisschen cringe und aufgesetzt klingt, aber durchaus realistisch ist, kann jeder nachhören, der sich zum Beispiel die dritte Folge der Podcast-Serie VERBRECHEN AM FERNSEHEN von und mit Anja Rützel antut. Da denglisht die Journalistin Yasmine M’Barek (nicht verwandt) Sätze wie „Und ich war so: Ich feel dich so sehr, oh mein god!“ raus, dass einem die Fremdscham den Atem raubt. So redens halt, die junge Leut’.

Zurück zu den Enkeln: Sieht aus wie ein mit TV-Stars besetzter Fernsehfilm, ist aber eine erstaunlich straff inszenierte, kurzweilige Komödie. Neben Kindeserziehung gilt es noch die Irrungen und Wirrungen der späten Liebe auseinanderzuklamüsern und sogar Krankheit und Tod werden unpeinlich thematisiert. ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE ist harmlos, aber als Familienfilm eine echte Empfehlung.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
90 min
Regie Wolfgang Groos

alle Bilder © STUDIOCANAL

JOY RIDE

JOY RIDE

Ab 24. August 2023 im Kino

EIS AM STIEL 2023: JOY RIDE beweist, dass Frauen genauso dämlich sein können wie Männer.

Die Kritiken zu JOY RIDE sind in den USA überraschend positiv. Da wird das Regiedebüt von Adele Lim als „frech und urkomisch“ und wegen seiner asiatisch-weiblichen und teils nicht-binären Besetzung als „wegweisend“ und „Geschichte schreibend“ gelobt. Hm. Vielleicht gibt es verschiedene Fassungen von JOY RIDE. Die bei uns gezeigte ist nur eine alberne Klamotte mit pubertärem Flachhumor.

Schwer zu ertragender Blödsinn

Der Mädelstrip von vier asia-amerikanischen Freundinnen durch China ist von HANGOVER, BRAUTALARM und diversen Seth Rogen-Komödien (der hier als Produzent fungiert) inspiriert. Nachdem in den letzten Jahren bereits einige all female remakes wie der 2016-er GHOSTBUSTERS oder OCEAN’S 8 an der Kinokasse gefloppt sind, zeigte vor allem der sehr weibliche, sehr asiatische und in Teilen sehr komische CRAZY RICH ASIANS, dass Geschlecht und Hautfarbe für den Erfolg eines Films unmaßgeblich sind. Umso erstaunlicher, dass JOY RIDE im Jahre 5 nach CRAZY RICH ASIANS nun als die große, grenzsprengende Komödie der Zukunft gefeiert wird.

Regisseurin Adele Lim inszeniert den chaotischen Roadtrip mit genreüblichen Party-, Sex- und „verloren gegangenes Gepäck“-Klischees. Der Rest ist schwer zu ertragender Blödsinn. Erwachsene Menschen, die sich wie 13-Jährige benehmen (ein Tintenfischspieß? Witzig, den schieb ich mir mit Fellatiobewegungen in den Mund). Dazu hart am Softporno vorbeischrammende Kopulationsszenen, bei denen die Frauen zum schreienden Höhepunkt kommen, während sich die idiotischen Männer schwerste Verletzungen zuziehen. Wer darüber lachen kann, amüsiert sich auch bei LIEBESGRÜSSE AUS DER LEDERHOSE-Filmen.

Emanzipation ist ein zweischneidiges Schwert. Gleiche Rechte für alle ist selbstverständlich. Gleicher Deppenhumor für alle braucht dagegen niemand.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Joy Ride“
USA 2023
95 min
Regie Adele Lim

alle Bilder © Leonine

GEISTERVILLA

GEISTERVILLA

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Cash Grab: A product designed primarily or solely with the intent of generating profits or money. Der neue Disney-Film GEISTERVILLA ist Cash Grab in Reinstform.

Auf dem Stoff liegt kein Segen: Schon die 2003-Version mit Eddie Murphy war verflucht schlecht. Basierend auf der Vergnügungspark-Attraktion „The Haunted Mansion“ in Disneyland ist dies der zweite Versuch, aus keiner Story über ein Gespensterhaus einen Film zu zimmern. Ein Thrillride als Drehbuchidee kann unter Umständen funktionieren – wie beim ersten PIRATES OF THE CARRIBEAN – oder komplett schiefgehen, wie nun Justin Simiens lieb- und seelenlose Gruselkomödie zeigt.

Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten

Die unoriginelle Geschichte – eine von Geisterfotograf Ben zusammengewürfelte Truppe von Experten will der frisch in einer Südstaaten-Villa eingezogenen Sarah und ihrem 9-jährigen Sohn helfen, ungebetene Hausgeister loszuwerden – ist zwar mit namhaften Darstellern besetzt (unter anderem Danny DeVito, Jamie Lee Curtis, Owen Wilson), doch die Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten.

GEISTERVILLA funktioniert auf so vielen Ebenen nicht, dass es schon fast unheimlich ist. Man fragt sich, wer hat entschieden, den Film in dieser Version in die Kinos zu bringen? Ein Haus voller Untoter in New Orleans wäre eigentlich eine hübsche Ausgangsidee, wenn Drehbuch und Regie ein bisschen Humor oder wenigstens Mut zu echtem Schrecken hätten. Doch das Ganze ist so öde wie die Fahrt in einer Kirmesgeisterbahn am helllichten Tag.

Trotz aller gezogenen Spukhaus-Register kommt keinerlei Spannung oder gar Horror auf. Miserables Timing sorgt dafür, dass so gut wie jeder Gag verpufft. Na schön, der Film ist für ein junges Publikum gemacht. Aber selbst 10-Jährige dürften sich bei dem unter anderem von Burger King sehr sichtbar gesponserten Geisterquatsch zu Tode langweilen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Haunted Mansion“
USA 2023
123 min
Regie Justin Simien

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany