EIN FEST FÜRS LEBEN

EIN FEST FÜRS LEBEN

Ab 19. Oktober 2023 im Kino

Was alles am schönsten Tag des Lebens schiefgehen kann, muss Christoph Maria Herbst als Hochzeitsplaner in der überraschend frischen Komödie von Richard Huber erfahren.

Mit feinem bis ätzendem Humor erzählt EIN FEST FÜRS LEBEN von einer Hochzeitsfeier, bei der alles gründlich schief geht und trotzdem happy endet. Unter der Leitung von Christoph Maria Herbst als Dieter, der für die Rolle des gestressten und desillusionierten „Wedding Planners“ perfekt besetzt ist, rückt der Film nicht das Brautpaar oder die Hochzeitsgäste in den Mittelpunkt, sondern das Personal, das im Hintergrund die ganze Chose am Laufen hält. Oder auch nicht. Denn Dieter plant seine Firma zu verkaufen, ein Interessent will sich unerkannt unter die Gäste mischen. Versteht sich von selbst, dass an diesem besonderen Tag, an dem alles wie am Schnürchen laufen muss, die Lebensmittel verdorben sind, der gebuchte Sänger ausfällt und auch sonst jede menschenmögliche Katastrophe passiert.

Überraschend, wie intelligent und komisch das für eine deutsche Komödie ist

Dass es dabei hier und da auch mal klamaukig wird – sei’s drum. Das Drehbuch ist eine sympathische Mischung aus realistisch und übertrieben, vermeidet zum Glück die allzu platten Pointen. EIN FEST FÜRS LEBEN besticht mit viel Sinn für Situationskomik und einer hochkarätigen Besetzung. Neben Christoph Maria Herbst sind Jörg Schüttauf als fauler Hochzeitsfotograf und Marc Hosemann als egozentrischer Sänger und Bandleader die bekanntesten Darsteller.

Ein Sarkast würde sagen: Überraschend, wie intelligent und komisch das für eine deutsche Komödie ist. Kein Wunder, sie haben es schon wieder getan: Auch EIN FEST FÜRS LEBEN ist ein Eins-zu-eins-Remake. Die Ensemblekomödie der „Ziemlich beste Freunde“-Macher um die kleinen und großen Dramen, die sich hinter den Kulissen einer Hochzeitsfeier abspielen, kam 2017 unter dem Titel „Le sens de la fête“ in die französischen Kinos.

Regisseur Richard Huber ist natürlich ein alter Hase und weiß genau, wie man so eine locker-leichte Komödie auf den deutschen Markt zuschneidet. Am besten, man ändert wenig und übernimmt möglichst viel vom Original. Mit dem gleichen Rezept, bereits Erprobtes für den hiesigen Markt zu adaptieren, wurden schon 2021 die ebenfalls mit Christoph Maria Hebst besetzte Dramödie CONTRA und drei Jahre zuvor DAS PERFEKTE GEHEIMNIS große Erfolge. Und bei EIN FEST FÜRS LEBEN gibt es sogar eine echte Verbindung zur französischen Vorlage: Regisseur Huber ist trotz des bayrisch klingenden Namens gebürtiger Pariser.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
105 min
Regie Richard Huber

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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DAS NONNENRENNEN

DAS NONNENRENNEN

Ab 28. September 2023 im Kino

Mon Dieu, c'est mauvais. Laurent Tirards alberne Klamotte versucht den Witz alter Louis de Funes-Komödien heraufzubeschwören. Vergebens.

Das lokale Altenheim pfeift aus dem letzten Loch, eine Renovierung ist bitter nötig. Weil auch der Bürgermeister kein Geld hat, nehmen fünf Nonnen an einem Fahrradrennen teil. Als Preisgeld winken 25.000 €. Spitzenidee. Dumm nur, dass die Himmelsbräute ausschließlich verrostete Klapperräder im Stall haben und größtenteils nicht mal wissen, wie man so einen Drahtesel reitet. Zu allem Unglück taucht auch noch eine professionelle, voll durchtrainierte Gruppe von BMX-Rad-Nonnen auf, die ebenfalls scharf aufs Gewinnen sind.

NONNEN AUF HEISSEN BIKES
DIE VÖLLIG DURCHGEDREHTEN BETSCHWESTERN
RAD AB – 5 NONNEN FÜR EIN HALLELUJA

Neben „Tritt fester, Schwester“ böten sich noch viele weitere dümmliche Wortschöpfungen als Untertitel an, wäre DAS NONNENRENNEN vor 50 Jahren in die deutschen Kinos gekommen. Passend zur 70er-Jahre-Zopfigkeit ist auch der altbackene Nonstop-Nonsens Humor von JUSTE CIEL! (so der Originaltitel).

Laurent Tirard hat schon mehrfach bewiesen, dass er nicht mit göttlichem Talent gesegnet ist. Seine bisherigen Filme DER KLEINE NICK und ASTERIX & OBELIX sind allenfalls Durchschnittsware. Mit DAS NONNENRENNEN erreicht der französische Regisseur nun einen vorläufigen Tiefpunkt seiner Karriere. 

Nichts gegen harmlos, aber selbst ohne Erwartungen muss man sagen: Der Film ist gründlich misslungen. Fast nichts funktioniert. Die Gags sind abgestanden, die Dialoge mittelmäßig, die Charaktere klischeehaft, ohne jede Entwicklung. Originelle Ideen gibt es so gut wie keine. Was all die guten Schauspieler dazu bewogen hat, in diesem dümmlichen Lustspiel mitzuwirken, bleibt ihr großes Geheimnis. Schlechtester Film der Woche.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Juste Ciel!“
Frankreich 2022
88 min
Regie Laurent Tirard

alle Bilder © STUDIOCANAL

WOCHENENDREBELLEN

WOCHENENDREBELLEN

Ab 28. September 2023 im Kino

Auf großer Stadiontour durch Deutschland: Mirco klappert mit seinem Sohn Jason die Bundesliga ab, um einen Lieblingsverein für den autistischen Junior zu finden.

Jasons Regeln sind streng: Nudeln dürfen sich auf dem Teller nicht mit der Tomatensoße berühren. Ihn selbst darf sowieso niemand anfassen. Das eigenwillige Verhalten kommt nicht von ungefähr: Jason ist Autist. Nun sucht der 10-Jährige einen Lieblingsfußballverein. Und seine Ansprüche sind hoch: Energetisch nachhaltig, keine Nazis unter den Fans, die Spieler müssen einheitlich farbige Schuhe tragen, das Maskottchen darf nicht peinlich sein und vieles mehr. Gemeinsam mit seinem Vater nimmt Jason in einem Langzeitprojekt die erste, zweite und dritte Liga unter die Lupe – 56 Mannschaften insgesamt.

Basiert auf einer wahren Geschichte

Florian David Fitz spielt in WOCHENENDREBELLEN einen Fastfood-Handlungsreisenden, der lernen muss, mit der psychischen Krankheit seines Sohns umzugehen. Was soll man da kritisieren? Cecilio Andresen meistert seine Rolle bravourös, denn die Figur des Jason ist alles andere als liebenswert. Der Film versucht zum Glück nicht, die Krankheit weichzuspülen und aus dem Autisten einen niedlichen Jungen mit leichter Behinderung zu machen. Nein, Jason nervt auf SYSTEMSPRENGER-Niveau. Schade nur, dass Regisseur Marc Rothemund die außergewöhnliche Story wie eine typisch deutsche TV-Produktion inszeniert. Da gibt es wenig große Bilder oder visuelle Einfälle, Emotionen werden mit gefälligen Pophits zugekleistert. 

WOCHENENDREBELLEN basiert auf einer wahren Geschichte. Mirco und Jason von Juterczenka reisen bis heute regelmäßig zu Bundesligaspielen. Wie so oft berühren dann die zum Abspann gezeigten Realaufnahmen mehr als der ganze Film davor. Die gute Absicht zählt, doch fragt sich, ob das Plädoyer für Verständnis und Integration mit einem künstlerisch mutigeren Film nicht stärker gewesen wäre.

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Deutschland 2023
95 min
Regie Marc Rothemund

alle Bilder © Leonine

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS

Ab 28. September 2023 im Kino

Goodbye England’s Rose - Was eine schizophrene Dänin mit der verstorbenen Lady Di zu tun hat, verrät die herzerwärmende Dramödie ROSE.

„Wollen Sie mich ficken?“

„Ich würde Sie gerne erwürgen“

Inger (Sofie Gråbøl) trägt ihr Herz auf der Zunge. Sie kann nichts dafür, Inger ist schizophren. Nach Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung geht die verschrobene Mittvierzigerin zusammen mit ihrer Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) und deren Mann Vagn (Anders W. Berthelsen) auf eine sentimental journey nach Frankreich. Denn es gab mal ein Leben vor der Krankheit, da lebte Inger in Paris, war verliebt und glücklich. Doch der verheiratete Mann, mit dem sie eine Affäre hatte, brach nicht nur mit ihr, sondern ihr Herz gleich mit. Kurz darauf übernahmen die Stimmen in Ingers Kopf das Kommando.

Mit perfektem Timing inszenierte Dramödie

Eine Busreise mit einer geistig verwirrten Frau – gar nicht so einfach. Vor allem wenn sich unter den Mitreisenden ein echter Stinkstiefel befindet (überzeugt als verklemmter Spießer: Søren Malling). Aber die Mühe lohnt sich – denn der Roadtrip ist nicht nur eine Fahrt von A nach B, sondern auch eine Reise ins Innere, mit Auswirkungen auf das gesamte Familiengefüge.

ROSE – EINE UNVERGESSLICHE REISE NACH PARIS ist ein zärtlicher Blick auf das Leben einer Frau jenseits der Norm. Der deutsche Verleihtitel klingt zwar nach Lore-Roman, doch Niels Arden Oplevs Dramödie ist mit perfektem Timing inszeniert, beinah kitschfrei und oft überraschend komisch. Der Regisseur und Autor erzählt eine Geschichte aus seiner eigenen Familie, ROSE basiert auf dem Leben seiner Schwester. Dabei weiß er genau, wann es zu viel wird, wälzt keine Szene unnötig aus oder drückt künstlich auf die Tränendrüse. Dass der Film zudem gut aussieht (Kamera: Rasmus Videbæk) und einen wunderbar emotionalen Soundtrack (Henrik Skram) hat, macht ihn zu einem kleinen Juwel. Die Schauspieler sind sowieso toll, besonders Sofie Gråbøl, die die verwirrte Inger oscarwürdig überzeugend spielt.

Weil gerade Skandinavische Woche bei Framerate ist, gibt es morgen die Kritik zu einem weiteren Film aus dem Land mit der putzigen Sprache: SPEAK NO EVIL – ein düsterer, sehr empfehlenswerter Horrorfilm, ebenfalls aus Dänemark.

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Originaltitel „Rose“
Dänemark 2022
106 min
Regie Niels Arden Oplev 

alle Bilder © mindjazz pictures

DIE EINFACHEN DINGE

DIE EINFACHEN DINGE

Ab 21. September 2023 im Kino

Ein selbst gemachtes Omelette. Mittagsschlaf auf der Bergwiese. Ein treuer Hund als Weggefährte. Es sind die einfachen Dinge, die das Leben kostbar machen. Éric Besnards französisch-leichte Komödie LES CHOSES SIMPLES ist aber mehr, als es auf den ersten Blick scheint.

Der erfolgreiche Geschäftsmann Vincent hat eine Autopanne in den Bergen, Handyempfang gibt es 2.000 Meter über dem Meeresspiegel nicht. Zum Glück knattert gerade Pierre auf dem Motorrad vorbei und nimmt den Gestrandeten mit zu seinem Bilderbuch-Hof. Eine selbstgekochte Mahlzeit, eine Flasche Wein vor traumhafter Naturkulisse – so einfach kann Glück sein. Doch hinter der scheinbar zufälligen Begegnung der beiden ungleichen Männer steckt mehr.

Herzenswarmes Feelgood Movie

Auch wenn das Thema der Suche nach dem Glück schon oft in Filmen behandelt wurde und der Gegensatz zwischen dem von der Welt zurückgezogenen Einsiedler und dem erfolgreichen Geschäftsmann kein besonders originelles Ausgangsszenario bietet, überrascht DIE EINFACHEN DINGE doch mit einem cleveren Drehbuch und einer tollen Besetzung.

Sympathischer Kotzbrocken: Lambert Wilson spielt mit einer schönen Mischung aus verführerisch und unausstehlich den Unternehmer, der es gewohnt ist, seinen Willen durchzusetzen. Ihm gegenüber steht Gregory Gadebois als schweigsamer Brummbär, der keine Annäherung zulässt und voller Missfallen auf den Stadtmenschen schaut.

DIE EINFACHEN DINGE ist ein intelligentes und herzenswarmes Feelgood Movie über – der Titel legt es nahe – die einfachen, aber elementar wichtigen Dinge im Leben: Freundschaft, Liebe und frische Luft. Schön.

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Originaltitel „Les Choses simples“
Frankreich 2023
95 min
Regie Éric Besnard

alle Bilder © Neue Visionen

DALILAND

DALILAND

Ab 07. September 2023 im Kino

Savador Dali - Meister des Surrealismus, Allround-Künstler, Enfant Terrible. Mary Harron widmet dem Mann mit dem gezwirbelten Schnurrbart ein konventionell gemachtes, aber höchst unterhaltsames Porträt.

Blonde Mädchen nennt er „Ginesta“, hübsche Jungs in Anlehnung an Caravaggios Gemälde „San Sebastian“. Und von jungen, schönen Menschen gibt es in Dalis Leben Mitte der 1970er-Jahre reichlich. Den Alltag versüßt er sich mit rauschenden Partys, flotten Dreiern (als Zuschauer), Champagner und Kaviar – das Malen ist eher lästige Pflicht. Seine resolute Ehefrau Gala sorgt dafür, dass der Rubel rollt. Zur Not auch mit Geschrei und nicht ganz koscheren Geschäftsmethoden. In dieses kreative Chaos gerät eines Tages der junge, unschuldige James, der sich bald als Dalis Assistent unentbehrlich macht.

Sodom und Gommora light

Giraffen brennen lichterloh, Uhren zerfließen wie Camembert in der Sonne und die Abdrücke von nackten Frauenhintern werden zu Engelsflügeln. An schrägen Bildideen mangelt es den Werken des 1989 verstorbenen Künstlers nicht. Umso erstaunlicher, dass seine weltberühmten (und unter Kunstkennern teils berüchtigten) Gemälde in Harrons Film so gut wie keine Rolle spielen. Die AMERICAN PSYCHO-Regisseurin konzentriert sich viel mehr auf Dalis komplizierte Ehe mit Gala und deren Liebeleien und Gaunereien.

DALILAND ist keine Großproduktion und das sieht man ihm an. Establishing Shots bestehen aus altem Filmmaterial (Recycling ist ein zulässiger Kunstgriff, gleichzeitig enorm kostensparend), die wilden Partys und Vernissagen wirken mit ihrer überschaubaren Anzahl von Statisten nie so groß und rauschend, wie sie es wohl in Wirklichkeit waren. Das mag auch den zur Drehzeit bestehenden COVID-Bestimmungen geschuldet sein.

James, von Newcomer Christopher Briney mit staunendem Welpenblick gespielt, gerät so als Vertreter des Zuschauers in ein Sodom und Gommora light. Dass DALILAND trotzdem ausgesprochen kurzweilig und voller Witz ist, verdankt er Ben Kingsley als Dali und Barbara Sukowa als dessen russische Ehefrau Gala. Die beiden alten Filmhasen spielen das unkonventionelle Paar schön exzentrisch und voller Ironie. Eine Topbesetzung in einem Film, der seinem einzigartigen Sujet nicht ganz gerecht wird.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Daliland“
USA / GB 2022
96 min
Regie Mary Harron

alle Bilder © SquareOne Entertainment

ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE

ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE

Ab 07. September 2023 im Kino

Achtung, jetzt wird’s mild: Es folgt die überraschend positive Kritik zur deutschen Generationskomödie ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE.

Vielleicht liegt es am guten Eindruck, den der erste Teil ENKEL FÜR ANFÄNGER vor drei Jahren hinterlassen hat. Vielleicht liegt es an den nach Art des Premiumweins gealterten Schauspielern (Maren Kroymann, Heiner Lauterbach und Barbara Sukowa), ganz sicher liegt es nicht am Drehbuch – aber die Fortsetzung ist fast so gut wie das Original.

Straff inszenierte, kurzweilige Komödie

Diesmal kümmert sich das Senioren-Trio um einen Kinderladen, denn Philippas Tochter ist nicht nur dessen Leiterin, sondern auch noch hochschwanger. Eine Vertretung ist nicht in Sicht, da hat Karin die rettende Idee: Die Rentner übernehmen! Die Kraft der Alt-68er weckt selbst das verschnarchteste Kind aus seiner Lethargie. Schon nach wenigen Tagen sind aus ins Handy starrenden Teenagern fröhlich tollende Traumblagen geworden, die nebenbei noch jede Menge (alt)-kluger Ratschläge parat halten.

„Hey, shout out an die Kids!“ Dass die Jugendsprache ein bisschen cringe und aufgesetzt klingt, aber durchaus realistisch ist, kann jeder nachhören, der sich zum Beispiel die dritte Folge der Podcast-Serie VERBRECHEN AM FERNSEHEN von und mit Anja Rützel antut. Da denglisht die Journalistin Yasmine M’Barek (nicht verwandt) Sätze wie „Und ich war so: Ich feel dich so sehr, oh mein god!“ raus, dass einem die Fremdscham den Atem raubt. So redens halt, die junge Leut’.

Zurück zu den Enkeln: Sieht aus wie ein mit TV-Stars besetzter Fernsehfilm, ist aber eine erstaunlich straff inszenierte, kurzweilige Komödie. Neben Kindeserziehung gilt es noch die Irrungen und Wirrungen der späten Liebe auseinanderzuklamüsern und sogar Krankheit und Tod werden unpeinlich thematisiert. ENKEL FÜR FORTGESCHRITTENE ist harmlos, aber als Familienfilm eine echte Empfehlung.

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Deutschland 2023
90 min
Regie Wolfgang Groos

alle Bilder © STUDIOCANAL

JOY RIDE

JOY RIDE

Ab 24. August 2023 im Kino

EIS AM STIEL 2023: JOY RIDE beweist, dass Frauen genauso dämlich sein können wie Männer.

Die Kritiken zu JOY RIDE sind in den USA überraschend positiv. Da wird das Regiedebüt von Adele Lim als „frech und urkomisch“ und wegen seiner asiatisch-weiblichen und teils nicht-binären Besetzung als „wegweisend“ und „Geschichte schreibend“ gelobt. Hm. Vielleicht gibt es verschiedene Fassungen von JOY RIDE. Die bei uns gezeigte ist nur eine alberne Klamotte mit pubertärem Flachhumor.

Schwer zu ertragender Blödsinn

Der Mädelstrip von vier asia-amerikanischen Freundinnen durch China ist von HANGOVER, BRAUTALARM und diversen Seth Rogen-Komödien (der hier als Produzent fungiert) inspiriert. Nachdem in den letzten Jahren bereits einige all female remakes wie der 2016-er GHOSTBUSTERS oder OCEAN’S 8 an der Kinokasse gefloppt sind, zeigte vor allem der sehr weibliche, sehr asiatische und in Teilen sehr komische CRAZY RICH ASIANS, dass Geschlecht und Hautfarbe für den Erfolg eines Films unmaßgeblich sind. Umso erstaunlicher, dass JOY RIDE im Jahre 5 nach CRAZY RICH ASIANS nun als die große, grenzsprengende Komödie der Zukunft gefeiert wird.

Regisseurin Adele Lim inszeniert den chaotischen Roadtrip mit genreüblichen Party-, Sex- und „verloren gegangenes Gepäck“-Klischees. Der Rest ist schwer zu ertragender Blödsinn. Erwachsene Menschen, die sich wie 13-Jährige benehmen (ein Tintenfischspieß? Witzig, den schieb ich mir mit Fellatiobewegungen in den Mund). Dazu hart am Softporno vorbeischrammende Kopulationsszenen, bei denen die Frauen zum schreienden Höhepunkt kommen, während sich die idiotischen Männer schwerste Verletzungen zuziehen. Wer darüber lachen kann, amüsiert sich auch bei LIEBESGRÜSSE AUS DER LEDERHOSE-Filmen.

Emanzipation ist ein zweischneidiges Schwert. Gleiche Rechte für alle ist selbstverständlich. Gleicher Deppenhumor für alle braucht dagegen niemand.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Joy Ride“
USA 2023
95 min
Regie Adele Lim

alle Bilder © Leonine

GEISTERVILLA

GEISTERVILLA

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Cash Grab: A product designed primarily or solely with the intent of generating profits or money. Der neue Disney-Film GEISTERVILLA ist Cash Grab in Reinstform.

Auf dem Stoff liegt kein Segen: Schon die 2003-Version mit Eddie Murphy war verflucht schlecht. Basierend auf der Vergnügungspark-Attraktion „The Haunted Mansion“ in Disneyland ist dies der zweite Versuch, aus keiner Story über ein Gespensterhaus einen Film zu zimmern. Ein Thrillride als Drehbuchidee kann unter Umständen funktionieren – wie beim ersten PIRATES OF THE CARRIBEAN – oder komplett schiefgehen, wie nun Justin Simiens lieb- und seelenlose Gruselkomödie zeigt.

Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten

Die unoriginelle Geschichte – eine von Geisterfotograf Ben zusammengewürfelte Truppe von Experten will der frisch in einer Südstaaten-Villa eingezogenen Sarah und ihrem 9-jährigen Sohn helfen, ungebetene Hausgeister loszuwerden – ist zwar mit namhaften Darstellern besetzt (unter anderem Danny DeVito, Jamie Lee Curtis, Owen Wilson), doch die Starpower kann den kindischen Humbug nicht retten.

GEISTERVILLA funktioniert auf so vielen Ebenen nicht, dass es schon fast unheimlich ist. Man fragt sich, wer hat entschieden, den Film in dieser Version in die Kinos zu bringen? Ein Haus voller Untoter in New Orleans wäre eigentlich eine hübsche Ausgangsidee, wenn Drehbuch und Regie ein bisschen Humor oder wenigstens Mut zu echtem Schrecken hätten. Doch das Ganze ist so öde wie die Fahrt in einer Kirmesgeisterbahn am helllichten Tag.

Trotz aller gezogenen Spukhaus-Register kommt keinerlei Spannung oder gar Horror auf. Miserables Timing sorgt dafür, dass so gut wie jeder Gag verpufft. Na schön, der Film ist für ein junges Publikum gemacht. Aber selbst 10-Jährige dürften sich bei dem unter anderem von Burger King sehr sichtbar gesponserten Geisterquatsch zu Tode langweilen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Haunted Mansion“
USA 2023
123 min
Regie Justin Simien

alle Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

VERRÜCKT NACH FIGARO

VERRÜCKT NACH FIGARO

Ab 27. Juli 2023 im Kino

Wer fest genug an seine Träume glaubt, der kann alles schaffen! So die plumpe Message der schon leicht modrig riechenden Opernkomödie von 2020.

Reich müsste man sein! So wie die junge Fondsmanagerin Millie Cantwell (Danielle Macdonald), die mal eben ihren gut bezahlten Job hinschmeißt, um statt dessen Opernsängerin zu werden. Professionelles Gesangstraining hatte sie zwar bislang keins, aber was soll’s?

Vom quakenden Entlein zum Stimmwunder

Millie lässt ihren Freund Charlie (Shazad Latif) in London sitzen, zieht in die schottischen Highlands, um dort bei der legendären Ex-Operndiva Meghan Geoffrey-Bishop (Joanna Lumley) Privatstunden zu nehmen. Natürlich wird die neue, nicht überbegabte Schülerin angenommen, Geld stinkt nicht. Dem anderen Schüler der Gesangslehrerin, Max (Hugh Skinner), stinkt es allerdings gewaltig, denn wie Millie träumt auch er davon, den Gesangswettbewerb “Singer of Renown” zu gewinnen. Da stört jede Konkurrenz.

Kein body-shaming. Wirklich nicht. Aber dass die sehr beleibte Zwillingsschwester von Ricarda Lang gleich mehrere gut aussehende Typen um die Wurstfinger wickelt – wer’s glaubt … Dass Millie dann auch noch innerhalb weniger Monate vom quakenden Entlein zum Stimmwunder mutiert, geht den entscheidenden Jump-the-whale-Schritt zu weit. Zumal die Unterrichtsmethoden der schlecht gelaunten Gesangslehrerin größtenteils aus Beleidigungen und Halswürgen zu bestehen scheinen.

Schon klar, was die Macher da im Sinn hatten. Typisch britische, schrullige Charaktere, kombiniert mit einem Best-of-Opernhits. Herausgekommen ist aber nur eine mäßig lustige Durchschnittskomödie. Wer will, kann die Augen zumachen und die Musik genießen. Die Schauspieler bewegen nur die Münder, gesungen wird von Profis.

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Originaltitel „Falling for Figaro“
Australien / UK 2020
105 min
Regie Ben Lewin

alle Bilder © 24Bilder

BARBIE

BARBIE

Ab 20. Juli 2023 im Kino

Die Zeichen stehen auf Pink - und nein, es liegt zwar auf der perfekt manikürten Plastikhand - aber in dieser Kritik wird auf keinen Fall „Barbie Girl“ von Aqua zitiert.

Warum auch? Greta Gerwigs nach gefühlt ewigem Hype endlich das Licht der Leinwand erblickende Film ist weit von miesem Eurodancetrash entfernt. BARBIE ist die wunderbar groteske Antwort auf die Frage: Was wäre, wenn sich Barbie und Ken aus ihrer makellosen Mattel-Plastikwelt in unsere Realität verirrten? Die Musik-Komödie ist gleichzeitig ein schlauer Kommentar auf unsere komplett dem Konsum und Oberflächlichkeiten erlegene Gesellschaft.

Knallbunte Lektion in Sachen Emanzipation

Aber keine Sorge: Schlau muss nicht langweilig sein. Dafür sorgen die perfekt besetzten Schauspieler, allen voran Margot Robbie, die dem ewig gut gelaunten Puppentraum fast aller Mädchen dank Existenzkrise eine erstaunliche Tiefe verleiht. Und Ryan Gosling stiehlt ihr als dumm-geiler Ken mit nacktem Oberkörper fast die Show.

Natürlich ist BARBIE vor allem ein einziger Augenschmaus. Vorausgesetzt, man hat keine Pink-Phobie. Aber an Sets und Kostümen kann man sich kaum sattsehen. Das ist ein herrlich künstlicher Fiebertraum und trotzdem niemals platt oder zu viel. Und wenn, dann nur im Liberace-Sinne.

BARBIE ist alles, was der Trailer verspricht … und ein bisschen mehr. Besonders die zweite Hälfte ist eine knallbunte und kindgerechte Lektion in Sachen Emanzipation. Kleine Mädchen mithilfe einer konsumbesessenen Plastikpuppe in ihrem Selbstbewusstsein stärken: Mehr kann man von einem Sommer-Blockbuster nicht erwarten.

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Originaltitel „Barbie“
USA / GB 2023
114 min
Regie Greta Gerwig

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

LOVE AGAIN

LOVE AGAIN

Ab 06. Juli 2023 im Kino

Flirten für Dummies. Reich werden für Dummies. BWL für Dummies. Schneckenzucht für Dummies. Von der berühmten US-Buchreihe gibt es mittlerweile unzählige Titel. Komplexe Themen einfach erklärt. LOVE AGAIN ist Romantic Comedy für Dummies.

Wenn zwischen zwei Verliebten im Café die Gespräche tief und die Blicke lang und intensiv sind, der Mann beim Rausgehen noch einmal schmachtend schaut – dann ahnt selbst der ahnungsloseste Zuschauer: Gleich passiert etwas Schlimmes. Und schon macht‘s Quietsch und Krach. Tot. Zwei Jahre später trauert Mira noch immer um ihre große Liebe. Eines besonders trüben Abends beschließt sie weinselig, ihrem toten Freund eine sms zu schicken. Die landet auf dem Handy von Rob, einem Musik-Journalisten, der gerade eine große Story über Céline Dion schreibt. Haha, dabei hört er privat viel lieber Rockmusik. Witzige Drehbuchidee. Wie die Liebesschnulze weitergeht, kann man sich denken.

LOVE AGAIN ist das US-Remake von SMS FÜR DICH

Wem das vage bekannt vorkommt – LOVE AGAIN ist das US-Remake des deutschen Kinoerfolgs SMS FÜR DICH von Karoline Herfurth. Allerdings macht die Neuverfilmung alles gründlich falsch. Aus einer charmanten Berlin-Komödie wird eine Romcom nach Schema F. F wie fad. Der größte Unterschied zum Original: LOVE AGAIN ist ein plumpes Werbevehikel für Céline Dion. Die spielt sich selbst und das gar nicht mal so gut. Die Sängerin verbrät ihre eigene tragische Liebesgeschichte und den Tod ihres Mannes, gibt öde Kalenderratschläge und singt ein paar Lieder.

Jede Wendung ist vorhersehbar, jede Emotion wird erklärt: Filmemachen für Dummies. Ein unglaubwürdiger Blödsinn, den man sich nicht einmal auf Netflix antun möchte. Vertane Zeit.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Love Again“
USA 2023
104 min
Regie Jim Strouse

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN

MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN

Ab 06. Juli 2023 im Kino

Auch ein Meisterregisseur schwächelt mal. François Ozons hochkarätig besetzte Boulevard-Klamotte läuft ab Donnerstag im Kino.

Sie ist jung, hübsch und bitterarm. Nun steht die mäßig begabte Möchtegernschauspielerin Madeleine Verdie vor Gericht. Angeklagt für einen Mord, den sie nicht begangen hat. Ein einflussreicher Filmproduzent wurde erschossen aufgefunden, kurz nachdem Madeleine dessen Villa überstürzt verlassen hat. Auf der Anklagebank gesteht sie überraschend – aus Notwehr habe sie gehandelt. Der Freispruch bringt ihr Rollenangebote, Ruhm und Reichtum. Da taucht der ehemalige Stummfilmstar Odette Chaumette auf und behauptet, sie sei die wahre Mörderin.

Erstaunlich durchschnittliche Boulevardkomödie

Das sieht zwar alles gut aus: Kostüme, Sets und Ausstattung sind vom Feinsten. Aber die erstaunlich durchschnittliche und vor allem in der ersten Hälfte gepflegt langweilige Boulevardkomödie wird nur durch seinen erlesenen Cast am Leben gehalten. Mit weniger prominenten Schauspielern besetzt wäre MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN auch als Ohnsorg-Theaterstück im deutschen Fernsehen der 1970er-Jahre durchgegangen.

François Ozon wäre nicht François Ozon, hielte er nicht auch hier ein flammendes Plädoyer für die Stärke der Frauen. Immerhin. Ansonsten fragt man sich, was den Starregisseur geritten hat, diese schnell zu vergessende Komödie mit Hang zum Melodramatischen als sein neues Projekt zu wählen. Besonders nach dem sehr gelungenen SOMMER 85 eine überraschende Entscheidung. Es muss wohl der Spaß an ein paar theaterhaften Effekten, den (zu) vielen Plot-Twists und einem hochkarätigen Ensemble gewesen sein. Neben Isabelle Huppert als alternde Diva glänzt das who is who des französischen Films – unter anderem Danny Boone, Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Fabrice Luchini und André Dussollie.

Als launige Fingerübung geht MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN durch, von Ozon darf man sonst deutlich mehr erwarten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Mon Crime“
Frankreich 2023
102 min
Regie François Ozon

alle Bilder © WELTKINO

DIE UNSCHÄRFERELATION DER LIEBE

DIE UNSCHÄRFERELATION DER LIEBE

Ab 29. Juni 2023 im Kino

Ein Film kann auf der Klaviatur der Gefühle vieles spielen: Angst, Freude, Erstaunen, Neugierde. DIE UNSCHÄRFERELATION DER LIEBE klimpert dagegen nur einen penetranten Ton und löst damit schwerste Genervtheit aus.

Ach Berlin, dicke Perle an der Spree, watt biste schön. Der Glockenturm im Tiergarten spielt nachts Erik Satie, Männer küssen sich auf der Friedrichstraße, glückliche Paare rollern zu zweit auf E-Scootern durchs Bild. Und der Britzer Garten ist ein menschenleeres Idyll an einem goldenen Herbsttag. Könnte alles so schön sein – wenn da nicht Greta wäre.

Es nervt

Die aufgedrehte Mittfünfzigerin gibt an einer Bushaltestelle dem Fleischermeister Alexander „versehentlich“ einen Kuss. Sie habe ihn mit ihrem verstorbenen Mann verwechselt. Nach dieser verwirrenden Erklärung heftet sie sich an die Fersen des bedauernswerten Singles und kaut ihm ein Ohr ab. Folgt ihm in die U-Bahn. Läuft ihm auf der Straße hinterher. Besucht ihn in seiner Metzgerei. Und quasselt dabei pausenlos Banalitäten, stellt übergriffige Fragen ohne Punkt und Komma. Wäre das verbale Dauerfeuer wenigstens charmant oder lustig. Aber es nervt. Sehr. Nicht nur Alexander, der einfach seine Ruhe haben will – sondern in erster Linie den Zuschauer.

Besonders bedauerlich ist die Verschwendung der guten Schauspieler. Vor allem um Burghart Klaußner ist es schade. Aber auch Caroline Peters hat man schon in anderen Rollen weitaus weniger nervtötend gesehen. Es muss also an der Regie liegen. Lars Kraume und sein Kameramann Jens Harant schaffen es nicht, die Vorlage von Simon Stephens inspiriert von der Theaterbühne zu lösen. Die Schauspieler stehen oft verloren nebeneinander und beten ihre Dialoge – oder vielmehr Monologe – herunter, als hätten sie eine Leseprobe am Theater. Der Funke springt nicht über und man wünscht sich von der ersten bis zur letzten Einstellung, Greta möge einfach die Klappe halten und den armen Alexander in Ruhe lassen. Nein, das anzusehen macht keinen Spaß und unterhaltsam ist das auch nicht. Und nein, da kommt nix mehr, außer: Schade um die schönen Fördergelder – nervigster deutscher Film seit langem.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
89 min
Regie Lars Kraume

alle Bilder © X Verleih

ASTEROID CITY

ASTEROID CITY

Ab 15. Juni 2023 im Kino

Nichts Neues aus der absurden Welt des Wes Anderson. ASTEROID CITY ist eine schräge-schlaue Komödie in Technicolor mit Starbesetzung.

Wer Wes Anderson bestellt, der bekommt Wes Anderson. Der Regisseur, der seit vielen Jahren gefühlt den immer gleichen Film in wechselnden Settings dreht, liefert mit ASTEROID CITY ein gewohnt liebenswert-spinnertes, überartifiziell inszeniertes Theaterstück. Die Besetzung liest sich wie das who is who von Hollywood. Es wäre wahrscheinlich einfacher, die Stars aufzuzählen, die NICHT in ASTEROID CITY mitspielen. Achtung, jetzt kommt eine lange Liste:

Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Steve Carell, Matt Dillon, Willem Dafoe, Margot Robbie, Jeff Goldblum und und und.

Dauert das noch lange?

Als Rahmenhandlung dient eine von Bryan Cranston moderierte Fernsehsendung aus den Fünfzigerjahren, die in Asteroid City, irgendwo in der amerikanischen Wüste spielt. Dort landet ein Außerirdischer, klaut den namensgebenden Mini-Asteroiden und haut mit seiner fliegenden Untertasse in den Nachthimmel ab. Die Kleinststadt wird darauf vom Militär zur Sperrzone erklärt, und so werden eine Reihe eigenwilliger Charaktere für ein paar Tage zur Zwangsgemeinschaft verdonnert. Keine Angst, Science-Fiction ist ASTEROID CITY nicht.

Wie so oft hat Anderson auch seinen neuen Film in Kapitel inklusive Zwischentafeln unterteilt. Die Struktur bewirkt, dass man sich spätestens nach dem zweiten Akt unweigerlich fragt: Dauert das noch lange? Denn die detailverliebten Sets und furztrocken ironisch agierenden Figuren kennt man bis zum Überdruss aus anderen Werken des Regisseurs. Jammern auf hohem Niveau: Die Schauspieler sind natürlich alle in Topform, die Dialoge schnittig, die Kulissen schön bunt und es gibt immer wieder niedliche Szenen, die die Fans begeistern werden. Es ist halt wie immer: alles hübsch, alles clever, alles Anderson – und ein kleines bisschen ermüdend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Asteroid City“
USA 2023
105 min
Regie Wes Anderson

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

DIVERTIMENTO – EIN ORCHESTER FÜR ALLE

DIVERTIMENTO – EIN ORCHESTER FÜR ALLE

Ab 15. Juni 2023 im Kino

Eine junge Frau mit Migrationshintergrund will gegen alle Widrigkeiten die Dirigentin eines Symphonie-Orchesters werden. Der bessere TÁR kommt am Donnerstag in die Kinos.

Wer kennt das nicht? Der Abend war lang, der Schlaf köstlich und dann klingelt der Wecker zu früher Stund um kurz nach acht. Das Plumeau wiegt noch herrlich schwer und der Gedanke, sich ins Kino zu schleppen, scheint ungut. Zumal es im angekündigten Film um klassische Musik und eine Dirigentin geht. Zu frisch ist die quälende Erinnerung an TÁR, das cineastische Äquivalent zu einem sonnigen Tag, an dem die Freunde draußen spielen und man selbst in der stickigen Wohnung einer todeslangweiligen Erwachsenenunterhaltung zuhören muss.

Ein vom ersten bis zum letzten Takt bewegender Film

Damit wäre der größte Unterschied zwischen TÁR und DIVERTIMENTO – EIN ORCHESTER FÜR ALLE zusammengefasst. Zwar handeln beide Filme von der Ausnahmeerscheinung „Dirigentinnen“ – weltweit sind es nur 6 % Frauen, die ein Sinfonieorchester leiten – doch das wars mit den Gemeinsamkeiten. Während Cate Blanchetts schauspielerische Tour de Force den Zuschauer in monochromer Erstarrung zurücklässt, ist Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar ein vom ersten bis zum letzten Takt bewegender Film gelungen.

Sie ist 17 und hat einen Traum: Zahia Ziouani will Dirigentin des Schulorchesters an einem Pariser Konservatorium werden. Doch das Mädchen aus der Vorstadt wird von den meisten ihrer elitären Mitschülerinnen und Mitschüler nicht ernst genommen. Falsche Herkunft, falsches Geschlecht, zu jung! “Dirigent sein ist kein Beruf für eine Frau“ bescheinigt ihr auch Sergiu Celibidache, bevor der berühmte Orchesterleiter sie doch unter seine Fittiche nimmt.

DIVERTIMENTO ist inspiriert von der wahren Geschichte Zahia Ziouanis, eine der wenigen Dirigentinnen weltweit. Die Besetzung (wunderbar: Oulaya Amamra und Lina El Arabi als musikalische Schwestern und Niels Arestrup als beinharter Mentor) überzeugt – kein Wunder, besteht sie doch größtenteils aus echten Musikern. Kleine Kritik: Die vielen unterschiedlichen Vignetten aus dem Alltag der jungen Zahia und ihrer Familie fügen sich nicht ganz rund zu einer flüssig erzählten Geschichte zusammen. Da hätte das ein oder andere weggelassen oder ein wenig ausführlicher erzählt werden können. Doch durch seine positive Botschaft und seine Herzenswärme schafft es DIVERTIMENTO, selbst klassischer Musik nicht sonderlich zugeneigten Zuschauern abwechselnd ein Tränchen ins Auge und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ein unkitschiges Feel-Good-Movie.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Divertimento“
Frankreich 2022
114 min
Regie Marie-Castille Mention-Schaar

alle Bilder © Prokino

THE ADULTS

THE ADULTS

Ab 08. Juni 2023 im Kino

Nicht immer stinken Besuch und Fisch nach drei Tagen, manchmal kommt ein Familientreffen dann erst richtig in Schwung. Wie in THE ADULTS, einem Erwachsenenfilm frei ab 12.

„Alle glücklichen Familien ähneln einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“, wissen wir bereits seit Anna Karenina. Irgendwo dazwischen dürften die drei Geschwister anzusiedeln sein, deren muntere Mittelmäßigkeit die Dramedy THE ADULTS thematisiert.

Ein Film übers Erwachsen-geworden-sein

Als Pokerspieler Eric (Michael Cera) nach längerer Abwesenheit auf Stippvisite in seine Heimatstadt zurückkehrt, sind die Reaktionen gemischt. Seine mittlerweile geschiedene Schwester Rachel (Hannah Gross) wohnt wieder im Elternhaus und spart nicht mit Vorwürfen. Maggie (Sophia Lillis), die Jüngste, die sich durch Uni und Nebenjobs mäandert, charmiert und schmollt im Wechsel. Selbst die alte Zockerrunde lässt sich nicht ohne weiteres wieder zusammentrommeln.

Dass aus Kindern Leute werden, ist so banal wie anstrengend und selten so beiläufig und angenehm unaufgeregt im Kino dargestellt worden wie in THE ADULTS. Ein Film übers Erwachsen-geworden-sein, über Geschwisterliebe und verlorene Söhne.

Unter der Regie von Dustin Guy Defa entstand ein Psychogramm, das vor allem von seinen drei Hauptdarstellern getragen wird. Einzig die nachgeahmten TV-Dialoge, Teenietänzchen und Insiderspäßchen sind überdosiert und nervtötend. Der fremde Familienknatsch – insbesondere für Einzelkinder – durchaus interessantes Anschauungsmaterial.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Adults“
USA 2023
91 min
Regie Dustin Guy Defa

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

RENFIELD

RENFIELD

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Was tun, wenn der Chef ein echter Blutsauger ist und die Kündigungsfrist 100 Jahre beträgt? „Renfield“ erzählt die sterbenslangweilige Selbstfindungsgeschichte eines devoten Untoten.

Wie Siebenbürgens anderer Exportschlager Peter Maffay verweigert auch Ex-Transsylvanier Graf Dracula (Nicolas Cage) vehement den wohlverdienten Ruhestand. Schurigelt stattdessen im New Yorker Exil sein Faktotum Renfield (Nicholas Hoult), der ihn mit blutjungen Cheerleaderinnen und anderen Leckerbissen versorgt und ausgerechnet bei den Anonymen Beziehungsgeschädigten moralische Unterstützung sucht.

Auch die Besetzung reißt es nicht raus

Klingt albern, ist es leider nicht. Eher überfrachtet mit Prototypen sämtlicher Genres. Denn das unterbelichtete Reich des Fürsten der Finsternis wird bevölkert von dumpfbackigen Kleinkriminellen, Mobstern und korrupten Cops. Bram Stokers 1897 erschienene Horror-Novelle ist nicht totzukriegen, wurde seit der Stummfilmzeit mehr als zweihundertmal adaptiert. Was Chris McKay nun bewog, den Klassiker zu einer unspaßigen Komödie zu verhunzen, weiß der Regisseur allein.

Auch die Besetzung reißt es nicht raus: Nicholas Hoult als kulleräugiger Demkannmaneinfachnichtbösesein und Nicolas Cage, grimassierend und chargierend, dass man den Pflock ansetzten möchte. Einziger Lichtblick ist Awkwafina als toughe Polizistin, die ihre männlichen Filmkollegen an die Wand spielt – und prügelt. Wirklich spitze sind hier nur die Zähne, wahrhaft schauerlich die deutsche Synchronisation.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Renfield“
USA 2023
93 min
Regie Chris McKay

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

UND DANN KAM DAD

UND DANN KAM DAD

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Ach Mensch, Opa! Robert De Niro spielt mal wieder in einer Komödie mit. Ist die Geschichte vom italienischen Friseur und seinem Sohn zum hin- oder wegschauen?

Robert De Niro: Der früher unbestritten beste Schauspieler der Welt hat mit 79 gerade sein siebtes Kind bekommen. Das kostet Geld. Und das will verdient werden. Irgendwer (der- oder diejenige möge in der Hölle schmoren) hat dem Ausnahmeschauspieler mal geflüstert, er habe eine komische Ader und müsse daher unbedingt in Komödien mitspielen. Statt cooler Mafiabosse gibt der Oscarpreisträger deshalb seit ein paar Jahren immer wieder den Clown.

Der Klamauk hält sich in Grenzen

Es verhält sich mit Robert De Niro wie mit einem einst bewunderten Verwandten oder Freund, der sich komplett daneben benimmt. Fremdscham. Man leidet und hofft, dass die Peinlichkeit schnell vorübergeht. Mit dieser negativen Erwartungshaltung ist UND DANN KAM DAD überraschend ok. Der Klamauk hält sich in Grenzen. De Niro macht sich nur einmal zum Horst, spielt ansonsten seine Figur mit einer angenehmen Ernsthaftigkeit.

Die Geschichte: Sebastian (Sebastian Maniscalco) verliebt sich in die aus steinreichem Haus stammende Ellie (Leslie Bibb). Über die Feiertage des 4. Julis wollen ihre konservativen Eltern (Kim Cattrall und David Rasche) den Schwiegersohn in spe kennenlernen. Da er seinen verwitweten Vater Salvo (Robert de Niro) nicht alleine lassen will, nimmt Sebastian ihn kurzerhand mit. Wird sich der alte italienische Kauz mit der neuen Verwandtschaft verstehen?

Regisseurin Laura Terruso schafft es immer wieder, echte Gefühle zwischen die Albernheiten zu schmuggeln und vermeidet allzu derbe Zoten. UND DANN KAM DAD ist Mainstream-Unterhaltung mit ein paar guten Gags und einer Top-Besetzung. Es gab wahrhaftig schon schlimmere Komödien mit De Niro. Kann man sich anschauen.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „About My Father“
USA 2023
89 min
Regie Laura Terruso

alle Bilder © LEONINE

Mama Ante Portas

MAMMA ANTE PORTAS

Mama Ante Portas

MAMMA ANTE PORTAS

Ab 25. Mai 2023 im Kino

Rentnerkinder mit greisen Eltern - die neue Normalität

Zum Thema alte Kinder mit noch älteren Eltern schreibt Gabriela Herpel im Süddeutsche Zeitung Magazin: Heute verbringen wir 50 bis 60 gemeinsame Jahre mit unseren Eltern oder einem Elternteil, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es 15 bis 20 Jahre. Es ist also eine verdammt lange Beziehung, die wir mit ihnen führen.

Wohl wahr. Dass sich ergraute Rentner mit ihren leicht gebrechlichen, aber immer noch topfitten Eltern beschäftigen müssen, ist heutzutage Normalzustand. Höchste Zeit, einen Film darüber zu machen.

Belanglose Familienkomödie aus Frankreich

Jacqueline ist zwar schon 70, hat aber sehr moderne Probleme: Mit ihrem Verlobten hat sie sich verkracht, ihre Wohnung ist dank fauler Handwerker eine ewige Baustelle. Also zieht sie kurzerhand zu ihrer erwachsenen Tochter Carole und nervt die, wie es nur eine Mutter kann. Die Schale passt nicht zur Kommode, das Essen schmeckt nicht, die Küchenschränke sind falsch eingeräumt und so weiter und so fort. Als dann auch noch die 90-jährige Großmutter auftaucht, bekommt Jacqueline von ihrer eigenen bitteren Medizin zu schmecken.

Ich freue mich über deinen hübschen Anhänger!
Ja, den hat Mutter lange getragen.
Schade, er macht dich so blass …

Ein Dialog wie aus dem Handbuch der Sticheleien. Ausgedacht hat ihn sich Vicco von Bülow 1991 für seinen Film PAPPA ANTE PORTAS. Etikettenschwindel: Von der bitterbösen Genialität des Loriot-Klassikers ist die französische Komödie MAMMA ANTE PORTAS (im Original UN TOUR CHEZ MA FILLE) meilenweit entfernt.

Éric Lavaine vermeidet in seiner Familienaufstellung echte Gemeinheiten, alles bleibt harmlos leicht. Dabei hält das Thema reichlich Konfliktstoff parat. Das hätte ein paar giftigere Dialoge und scharfzüngig ausgetragene Streitereien vertragen, ganz wie im richtigen Leben. Wenn es dann doch mal kracht, ist alles schnell wieder verziehen und die Streithähne liegen sich versöhnt in den Armen. Wer Familienhölle kennt, weiß: so viel Nettigkeit gibt es in der Realität selten. MAMMA ANTE PORTAS vertut seine Chance und bleibt eine unterhaltsame, aber belanglose Komödie.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Un tour chez ma fille“
Frankreich 2021
85 min
Regie Éric Lavaine

alle Bilder © FILMWELT

LIVING – EINMAL WIRKLICH LEBEN

LIVING – EINMAL WIRKLICH LEBEN

Ab 18. Mai 2023 im Kino

Bowler Hat und Nadelstreifenanzug: Britischer geht's nicht.

Jeder Berliner, der schon mal einen Antrag, eine Verlängerung oder gar Neuausstellung von oder für irgendwas gestellt hat, kennt das: Bürgerämter, egal unter welchem Senat, sind genauso schlecht wie ihr Ruf. Dass das im London der 1950er-Jahre kein Stück besser war, zeigt Oliver Hermanus in seiner gelungenen Dramödie LIVING – EINMAL WIRKLICH LEBEN.

Ein 5 o’clock-tea ist keine Technoparty

Bowler Hat, Nadelstreifenanzug, vornehme Zurückhaltung: Der Beamte Williams hat schon als Kind davon geträumt, ein echter Gentleman zu werden. Nun ist er alt, steht kurz vor der Pensionierung und erhält von seinem Arzt eine niederschmetternde Diagnose: 6 bis maximal 9 Monate bleiben ihm noch. Sein Job als ohnmächtiges Rädchen im Bürokratie-Getriebe erscheint ihm plötzlich sinnlos. Williams macht sich auf die Suche nach ein bisschen Lebensfreude.

Britischer geht’s nicht. Von den Eröffnungsbildern aus einem längst vergangenen London bis zum Abspann punktet LIVING mit exquisitem 1950er-Jahre-Look. Mindestens so gut wie Set-Design, Kostüm und Schnitt ist die Besetzung: Bill Nighy ist perfekt als trauriger „Mr. Zombie“, genau wie Amy Lou Wood als seine lebenslustige, Spitznamen verteilende Kollegin Margaret.

Ignoranten könnten die Nase über den langsamen Erzählfluss rümpfen – aber ein 5 o’clock-tea ist nun mal keine Technoparty. LIVING bietet viele schöne Szenen, und obwohl die Handlung eher traurig ist, bleibt der Zuschauer mit einem positiven Gefühl zurück. Charmanter Witz vereint mit starken Emotionen – das Ganze in einem unaufdringlichen, nicht belehrenden Ton erzählt. Marvelous indeed.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Living“
GB / Japan / Schweden 2022
102
Regie Oliver Hermanus

alle Bilder © Sony Pictures

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL

Ab 11. Mai 2023 im Kino

So authentisch wie eine Packung Mirácoli: Vier aufgedrehte Seniorinnen machen einen Ausflug nach Bella Italia.

Kaum hat man sich vom katastrophalen BRADY’S LADIES erholt, biegt Jane Fonda schon mit der nächsten cineastischen Implosion um die Ecke: BOOK CLUB – EIN NEUES KAPITEL ist die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Ü-60-Komödie BOOK CLUB aus dem Jahr 2018.

Una festa di clichés

Wie so oft, wenn den Autoren nichts Besseres einfällt, wird die „Handlung“ von Amerika in ein exotisches Land verlegt, diesmal ins fotogene Italien. Es folgt una festa di clichés: Spanische Treppe, Seufzerbrücke und Zypressenlandschaft inklusive. Bei der Geschichte hat man sich in etwa so viel Mühe gegeben wie bei der nun folgenden Inhaltsangabe:

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Und sonst? Diane Keaton trägt Hut und Hosenanzug, Candice Bergen ist burschikos und trinkt, Mary Steenburgen spielt weiter niedlich und über Jane Fondas balsamiertes Aussehen ist schon jeder menschenmögliche Witz gemacht worden. Sie selbst nimmt ihren Beautywahn auch auf die Schippe, haha, wie schon in den letzten zwanzig Filmen davor. Was beim ersten Mal noch lustig war, ist mittlerweile nur noch faules Drehbuchschreiben.

Endstation Traualtar: Mit Büchern oder einem Lesezirkel hat der alberne Junggesellinnenabschied in Italien rein gar nichts zu tun. Der Film könnte ebenso gut SEX AND THE CITY 15 oder WEDDING CLUB heißen. Zwischen den Fantasy-Geschichten von jüngeren Männern, die scharf auf Mitte-80-jährige Frauen sind, verstecken sich ein, zwei nette Gags, der Rest ist trotz geballter Starpower kaum zu ertragen. Kann nicht mal jemand einen GUTEN Film mit dieser geriatrischen Traumbesetzung machen – bevor es zu spät ist?

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Book Club: The Next Chapter“
USA 2023
107 min
Regie Bill Holderman

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

CHAMPIONS

CHAMPIONS

Ab 27. April 2023 im Kino

Gut remaked ist halb gewonnen. Fünf Jahre nach dem spanischen Original setzt auch Hollywood auf den Charme dribbelnder Außenseiter

Coach Carter drillte faule Lümmel zum Erfolg, das Million Dollar Baby brauchte erst einen Ziehvater und auch Karate Kid wäre ohne seinen Meister nie aus den Puschen gekommen. Im neusten Vertreter des Trainerfilmgenre – der US-Komödie CHAMPIONS – übernimmt Woody Harrelson die vorbildliche Rolle.

each one teach one

Den Ball flach halten ist nicht die Königsdisziplin von Basketballtrainer Marcus (Woody Harrelson) und so landet der schnoddrige Hitzkopf zur gerichtlich angeordneten Strafe bei einer Gruppe behinderter Jungsportler, die er für die Special Olympics coachen soll. Gemäß „each one teach one“ profitiert auch er von der liebenswerten Truppe schräger Charaktere, sodass am Ende nicht nur die jungen Spieler, sondern vor allem der alte Hase seine Lektion gelernt hat.

Zwar handelt es sich beim neusten Regiewerk von Komödienspezialist Bobby Farrelly (DUMM UND DÜMMER, VERRÜCKT NACH MARY) nur um eine Neuverfilmung des spanischen Überraschungserfolgs CAMPEONES – WIR SIND CHAMPIONS von 2018, doch muss sich das Remake nicht verstecken. Der weiße Junge Harrelson bringt’s auch in seinem dritten Basketballfilm noch, perfekt umdribbelt von einem Team bislang unbekannter Jungdarsteller und versierter Comedy-Altmeister wie Cheech Marin und Ernie Hudson.

CHAMPIONS ist ein Wohlfühlfilm ohne Weltverbesserungsansatz und Betroffenheitsdogma. Empfehlenswert für alle, die bewegende Geschichten mögen und das Original verpasst haben.

Text: Anja Besch

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Champions“
USA 2023
123 min
Regie Bobby Farrelly

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

BRADY’S LADIES

BRADY’S LADIES

Ab 20. April 2023 im Kino

Was hat American Football mit Schönheitschirurgie zu tun? BRADY'S LADIES weiß die Antwort

Lily Tomlin, Jane Fonda, Sally Field, Rita Moreno und Tom Brady: Eine echte Kunst, vier Hollywood-Legenden (plus eine Sportlegende) vor der Kamera zu versammeln und einen so grottigen Film zu machen.

You know what it cost me to look like this?

BRADY’S LADIES erzählt die (wahre) Geschichte von vier Ü-80 Damen, deren größter Wunsch es ist, ihren NFL-Helden Tom Brady einmal live beim Super Bowl zu sehen. Es geht zwar um Football, aber Sportkenner muss man nicht sein, um der simplen Geschichte zu folgen. 80 FOR BRADY (so der Originaltitel) reiht ein Klischee ans nächste und scheut sich nicht, die Handlung durch absolut lachhafte Wendungen voranzubringen. Ja, es gibt ein paar nette Momente und drei, vier gute Gags, aber das ist alleine der Traumbesetzung zu verdanken. Man fragt sich, was ein begabterer Regisseur als Kyle Marvin aus dieser Geschichte und diesem Cast herausgeholt hätte.

Immerhin bezieht BRADY’S LADIES Stellung – für oder gegen zu viele Facelifts, das liegt im Auge des Betrachters. Mehr als drei bis maximal vier werden im Laufe eines Lebens nicht empfohlen. Jane Fonda dürfte bei ca. neununddreißig sein. Ihr Gesicht ist glatter als ein Kinderpopo. Aufgepasst: Das auf dem Bild oben, die Zweite von links ist Jane Fonda. Mit getackertem Antlitz und diversen Barbarella-Gedächtnis-Frisuren macht sich die 85-Jährige zwar lustig über ihre Schönheits-OPs – „You know what it cost me to look like this?“ – aber gruselig anzuschauen ist die lebendige Einbalsamierung halt doch.

Über weite Strecken erweckt BRADY’S LADIES den Eindruck, als hätten die Produzenten ihr gesamtes Budget in die Besetzung und deren Perücken gesteckt, für ein originelles oder geschmeidigeres Drehbuch hat es dann leider nicht mehr gereicht. Der unterdurchschnittliche Film ist nur sehenswert, weil die vier Ladies den Mumpitz mit ihren zusammen 335 Jahren Starpower retten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „80 For Brady“
USA 2023
98 min
Regie Kyle Marvin

alle Bilder © Paramount Pictures Germany