Das Zimmer der Wunder

DAS ZIMMER DER WUNDER

Das Zimmer der Wunder

DAS ZIMMER DER WUNDER

Um die Welt reisen und dabei zu sich selbst finden? Eine neue Variante von EAT PRAY LOVE kommt mit dieser französischen Bestsellerverfilmung in die Kinos.

Ab 16. Mai 2024 im Kino

Im Gegensatz zum Julia-Roberts-Wohlfühlfilm hat der Selbstfindungs-Trip in DAS ZIMMER DER WUNDER einen tragischen Auslöser: Der 12-jährige Louis (Hugo Questel) wird beim Skaten von einem Auto angefahren und fällt ins Koma. Seine Mutter Thelma (Alexandra Lamy) findet Monate später ein Heft ihres Sohnes, in dem der Junge aufgeschrieben hat, was er „vor dem Untergang der Welt“ noch erledigen will. Thelma beschließt, die Bucketlist abzuarbeiten und hofft, damit ihren komatösen Sohn ins Leben zurückzuholen.

Feelgood-Movie über einen Teenager im Koma

Location, location, location: Zum großen Glück der Filmemacher stehen ausschließlich visuell reizvolle Wünsche auf der To-Do-Liste: Einen japanischen Mangazeichner in Tokio treffen, auf einer pittoresken Küstenstraße skaten, mit Walen schwimmen, ein indisches Holi-Fest feiern – was sich normale 12-Jährige halt so wünschen.

Kann das gut gehen, ein Feelgood-Movie über einen Teenager im Koma? Was als Buch funktioniert (auch weil Autor Julien Sandrel im Roman Louis eine Stimme gibt), geht im Film nur bedingt auf. Das hat vor allem handwerkliche Ursachen. Besonders nervig: Ständig werden Szenen mit Formatradio-Musik unterlegt, als wollten die Filmemacher damit die Löcher im Drehbuch oder in den Dialogen kaschieren. Eine Unsitte, die man sonst vor allem aus Til-Schweiger-Filmen kennt und hasst.

Auch mit Kitsch und Klischees spart DAS ZIMMER DER WUNDER nicht. Nur dank Hauptdarstellerin Alexandra Lamy und jeder Menge liebenswerter Nebenfiguren wird das Ganze nicht komplett zum Fremdschämen – obwohl es bei Gott genug peinliche Momente gibt. Je länger der Film dauert, desto unglaubwürdiger wird er. Insgesamt eine durchwachsene Reise.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La Chambre des merveilles“
Frankreich 2023
99 min
Regie Lisa Azuelos

Das Zimmer der Wunder

alle Bilder © SquareOne Entertainment

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REIF FÜR DIE INSEL

REIF FÜR DIE INSEL

Ab 30. November 2023 im Kino

LES CYCLADES ist eine französische Komödie mit drei tollen Schauspielerinnen und einem dämlichen deutschen Titel.

Als junge Mädchen sind sie unzertrennlich, doch nach einem Streit verlieren sich Blandine und Magalie aus den Augen. Erst zwanzig Jahre später kommt es zu einem von Balndines Sohn arrangierten Wiedersehen. Die grundverschiedenen Frauen beschließen, auf die griechische Insel Amorgos zu fahren, ein Traum, den sie sich als Fans von Luc Bessons IM RAUSCH DER TIEFE schon als Teenager erfüllen wollten.

Es fängt erstmal ungut an

Für REIF FÜR DIE INSEL muss man Geduld mitbringen. Es fängt erstmal ungut an. Die Musik, die Kamera, die Inszenierung – fast glaubt man sich in einer Traumschiff-Folge auf Französisch verirrt zu haben. Auch die neu erwachte Freundschaft zwischen der völlig überdrehten, von ihren Freunden nicht zu Unrecht „Tinnitus“ genannten Magalie und der nach einer Scheidung verbitterten Blandine wirkt klischeehaft und nicht besonders glaubwürdig. Wären da nicht die herausragenden Schauspielerinnen: Olivia Côte und Laure Calamy bringen trotz alberner Drehbucheinfälle eine Wahrhaftigkeit in ihre Rollen, die Marc Fitoussis Komödie bald zu einer bewegenden Geschichte über Freundschaft macht.

REIF FÜR DIE INSEL ist ein Slowburner. Spätestens mit dem Auftritt von Kristin Scott Thomas als Alt-Hippie mit großem Herzen wird aus der sonnigen Komödie ein überraschend tiefgründiger Film. Getragen von einem fabelhaften Schauspielerinnen-Trio, wechselt die weibliche Buddy-Komödie zwischen sanfter Melancholie und charmanter Leichtigkeit. Hoffentlich funktioniert das auch in der Synchronfassung – der deutsche Peter-Cornelius-Titel lässt schon mal das Schlimmste vermuten.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Cyclades“
Frankreich 2023
110 min
Regie Marc Fitoussi

alle Bilder © Happy Entertainment

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AUF DEM WEG

AUF DEM WEG

Ab 30. November 2023 im Kino

Und noch ein Film zum Thema: Männer laufen von A nach B und finden sich dabei selbst. Diesmal wandert Jean Dujardin durch Frankreich.

Spätestens seit Hape Kerkelings Jakobsweg-Reise sehnt sich das Publikum nach Kerlen, die sich in schroffer Natur Erkenntnisse über sich selbst erlaufen. Auch Denis Imberts AUF DEM WEG bietet da inhaltlich wenig Neues. Doch im Vergleich zur verunglückten ICH BIN DANN MAL WEG-Verfilmung ist dieser Trip ein echtes Juwel. In Frankreich wollten das bis jetzt über eine Millionen Zuschauer sehen.

Jean Dujardin ist perfekt als gestrauchelter Macho

„Acht Meter reichten aus, um mir die Rippen, die Wirbel und den Schädel zu brechen. Acht Meter reichten, um 50 Jahre zu altern.“ Jean Dujardin spielt den Schriftsteller Pierre, der nach einer betrunkenen Kletterei aus dem 2. Stock eines Hotels auf die Straße fällt. Die Ärzte sehen zunächst wenig Chance auf Heilung. Ob der passionierte Kletterer jemals wieder laufen kann, ist mehr als fraglich. Doch wäre das so, gäbe es weder Buch noch Film. Gegen jede Diagnose findet Pierre die Kraft, eine 1.300 Kilometer lange Mammutwanderung quer durch Frankreich anzugehen. Sein Weg führt ihn von den südlichen Alpen über das Zentralmassiv bis zur Küste von La Hague.

Ein Traum der Privilegierten – so eine mehrmonatige Auszeit muss man sich finanziell leisten können. Praktisch, wenn man während der Wanderung noch seinem Job nachgehen kann – dass dabei dann ein Bestseller rauskommt – geschenkt. Aus der Fülle der Selbstfindungsfilme (und Bücher) sticht AUF DEM WEG wohltuend heraus. Das liegt vor allem an der Besetzung – Jean Dujardin ist perfekt als gestrauchelter Macho. Auch wenn es schon wieder ein Mann ist, der sich hier auf Seelenreise in die raue Natur begibt. Frauen fahren wohl lieber nach Indien oder gehen in den SPA.

Mit aufs Wesentliche reduzierten Rückblenden und grandiosen Naturaufnahmen entwickelt AUF DEM WEG einen leisen, fast poetischen Sog. Dazu werden aus dem Off die prägnantesten Stellen der Vorlage, Sylvain Tessons Lebenserinnerung „Auf versunkenen Wegen“ gelesen. So ist man dann nach 93 Minuten doppelt belohnt: einen schönen Film gesehen und gleichzeitig ein gutes Buch dazu gehört.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Sur les chemins noirs“ 
Frankreich 2021
93 min
Regie Denis Imbert

alle Bilder © X VERLEIH

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DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY

Ab 26. Oktober 2023 im Kino

Ein alter Brite macht sich auf die Reise quer durchs Land, trifft dabei auf viele freundliche Menschen und findet sich am Ende selbst.

Wem das bekannt vorkommt, der hat vielleicht im vergangenen Jahr DER ENGLÄNDER, DER IN DEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR gesehen. Gleiche Geschichte, gleiches Setting, fast gleicher Film. Nur eben per pedes und nicht im Bus.

Kluge Ratschläge, Gästezimmer und Blasenpflaster

Harold Fry (Jim Broadbent) erfährt eines Tages, dass seine alte Freundin Queenie im Sterben liegt. Er schreibt ihr einen Brief, verlässt sein Haus, geht zum Postamt und hört nicht auf zu gehen. Er läuft einfach weiter, bis zu dem 450 Meilen entfernten Hospiz. Den Pensionär auf Sinnessuche spielt der ausgezeichnete Jim Broadbent, seine Gattin Maureen ist mit der aus Downton Abbey bekannten Penelope Wilton besetzt. Die Besetzung ist fabelhaft (Nick Caves Sohn Earl spielt den gepeinigten Sohn des Ehepaars) und im Gegensatz zum busfahrenden Engländer sieht DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY auch noch richtig gut aus. Kamerafrau Kate McCullough arbeitet viel mit Unschärfen und hübschem Morgenlicht.

Allerdings nervt das Gutmenschentum – auf seiner Reise durch England begegnet Harold ausschließlich warmherzigen Mitmenschen, die ihm mit klugen Ratschlägen, Gästezimmern und Blasenpflastern zur Seite stehen. Sei’s drum, Sinn und Zweck solcher Filme ist es ja, dass man mit einem positiven Gefühl aus dem Kino geht. Nur am Ende wird’s richtig peinlich: Da fällt ein göttliches Licht auf all diejenigen, die Harold zuvor auf seiner Reise getroffen, beziehungsweise „erleuchtet“ hat. Die plumpe Spiritualität ist unnötig und hinterlässt einen schalen Geschmack.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“
GB 2023
108 min
Regie Hettie Macdonald

alle Bilder © Constantin Film

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ABSEITS DES LEBENS

ABSEITS DES LEBENS

Natur pur, ohne Strom und Wasser. Was in der Theorie nach schönem Aussteigertraum klingt, erweist sich in der Praxis schnell als lebensbedrohlich. Robin Wright spielt Edee, eine Frau, die nach einem Schicksalsschlag beschließt, in die Wildnis zu ziehen. Fern aller Zivilisation will sie in den Rocky Mountains ein neues Leben beginnen. Die zu erwartenden Herausforderungen – es ist alles dabei, vom wilden Bären bis zum Schneesturm – werden rasch nacheinander abgehakt. Kurz vor dem Hungertod rettet sie ein freundlichen Jäger (Demián Bichir), der ihr beibringt, wie man in der Wildnis überlebt.

Robin Wright hat bei der Serie „House of Cards“ erste Regieerfahrung  gesammelt, „Abseits des Lebens“ ist ihr Spielfilmdebüt. Sie erzählt die Geschichte von der gepeinigten Frau schnörkellos, ohne dem Genre irgendetwas Neues hinzuzufügen oder einen eigenen Stil zu verpassen. Die Dialoge sind etwas hölzern, die Liebesgeschichte wirkt konstruiert. Natürlich ist der Retter gut aussehend, natürlich belastet auch ihn ein dunkles Schicksal. Zu viele Zufälle, zu wenig Entwicklung. Besonders eigenartig wirken die Flashbacks, die in glitzerndem Gegenlicht aussehen, als wären sie für eine Versicherungswerbung gedreht worden. Als Schauspielerin ist Robin Wright so interessant, dass man ihr bei allem was sie tut, gerne zusieht. Doch ihre traurige Edee berührt nicht, bleibt zu unterkühlt. Selbst die großartige Naturkulisse hebt den Film nicht über das Niveau eines durchschnittlichen TV-Films.

FAZIT

Robin Wright – Allein zu Haus.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Land“
USA 2020
89 min
Regie Robin Wright
Kinostart 05. August 2021

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

Kirschblüten & Dämonen

Doris Dörrie hat einen Gespensterfilm gemacht, der so unheimlich wie ein Hui Buh-Hörspiel ist.
Die Fortsetzung ihres Erfolgsfilms „Kirschblüten – Hanami“ aus dem Jahr 2008 erzählt vom einsamen Alkoholiker Karl (Golo Euler), Sohn des verstorbenen Ehepaars Rudi (Elmar Wepper) und Trudi (Hannelore Elsner) aus dem ersten Teil. Eines Tages klopft die Japanerin Yu (Aya Irizuki) an seine Tür und stellt sich mit den Worten „I am Yu“ vor – Achtung: doppeldeutig! Sie überredet ihn, gemeinsam aufs Land in sein leer stehendes Elternhaus zu fahren. Dort begegnet Karl nicht nur seinen entfremdeten Geschwistern, sondern auch den Geistern der Vergangenheit.
Kirschblüten & Dämonen erinnert an das Videoprojekt einer Selbstfindungs-Theatergruppe. Alles sehr gewollt, teils unfreiwillig komisch und plump inszeniert. Da Karl zum Beispiel immer wieder an seiner Männlichkeit zweifelt, friert ihm irgendwann der Schwanz ab. Feinsinn sieht anders aus. 
Richtig gut wird der Film nur in den Szenen mit der großartigen Birgit Minichmayr. Leider hat die aber nur einen fünf Minuten-Auftritt.

FAZIT

Regisseurin Dörrie und ihr Kameramann Hanno Lentz wollten beim Dreh möglichst frei und spontan reagieren. Aber Freiheit und Spontanität haben ihren Preis. Man muss schon Fan von Gopro-Videolook sein – Kirschblüten & Dämonen sieht wie ein sehr low-budgetiertes Kleines Fernsehspiel aus und atmet den Geist eines bemühten Experimentalfilms.

Deutschland 2019
110 min
Regie Doris Dörrie
Kinostart 7. März 2019