Charles Dickens besaß ein überragendes Talent, die Ängste von Kindern in seinen Romanen anschaulich zu beschreiben. Das 600-Seiten-Werk „David Copperfield or The Personal History, Adventures, Experience and Observation of David Copperfield the Younger of Blunderstone Rookery (Which He Never Meant to Publish on Any Account)“, wie das Buch im Originaltitel heißt, ist neben „Oliver Twist“ sein bekanntester Roman. Die autobiografisch geprägte Geschichte vom verarmten Waisenkind, das zum gefeierten Schriftsteller im viktorianischen England aufsteigt, ist – typisch Dickens – angefüllt mit herrlich schrulligen Figuren. Regisseur Armando Iannucci hat für seine Neuverfilmung eine entsprechend beherzt aufspielende Besetzung versammelt: Als David Copperfield überzeugt der Oscar-nominierte Dev Patel („Slumdog Millionaire“), in Nebenrollen sind unter anderem Ben Whishaw als verschlagener Uriah Heep und Tilda Swinton als schön exzentrische Tante Betsey Trotwood zu sehen. Ein echter scene-stealer ist der immer brillante Hugh Laurie („Dr. House“) als Mrs. Trotwoods Untermieter.
Erwähnenswert ist die unbefangene Besetzung von klassisch weißen Rollen mit Schauspielern jeglicher Hautfarbe. Da haben blasse englische Kinder schwarze Eltern und der eigentlich weiße David wird von einem Inder gespielt. Das alles ist dem Film wunderbar gleichgültig – eine als Tatsache behauptete farbenblinde Multikulti-Welt. Man gewöhnt sich schnell an diesen Kunstgriff, den schon das Musical „Hamilton“ erfolgreich eingesetzt hat.
Das Drehbuch setzt auf Tempo und bisweilen schenkelklopfenden Humor. Eine schöne Idee ist das Spiel mit Handlungs- und Zeitebenen: So beobachtet der erwachsene David seine eigene Geburt und Kindheit, kommentiert immer wieder das Geschehen und schreibt, wenn es sein muss, Figuren auch mal aus der Geschichte, um ihre Abwesenheit zu erklären. Das sind nette Ideen, die den stellenweise etwas theaterhaften Film davor bewahren, allzu sehr ins komödienstadelhafte abzurutschen.
FAZIT
Farbenfrohe Neuverfilmung des unverwüstlichen Klassikers von 1850.