FOREVER YOUNG

FOREVER YOUNG

Ab 17. August 2023 im Kino

Der Film hat nichts mit dem gleichnamigen Alphaville-Gassenhauer zu tun, sondern heißt im Original LES AMANDIERS - was so viel wie „Die Mandelbäume“ bedeutet und im Zusammenhang mit einer Schauspielschule vielleicht noch verwirrender als der deutsch/englische Titel ist.

Schauspieler sind wie Radios: Immer auf Senden, nie auf Empfang. Besonders angehende Jungschauspieler lösen mit ihrer exaltierten Art und dem Glauben, sie seien das Zentrum des Universums oft Fremdscham aus. Jeder Blick, jede Geste scheint wichtig und will gesehen werden. Valeria Bruni Tedeschi hat mit FOREVER YOUNG einen Film über diese besondere Spezies Mensch gemacht, in dem sie ihre eigene Ausbildungszeit erinnert.

Schauspieler sind durchgedreht, drogensüchtig und sexbesessen

Ende der 80er-Jahre werden zwölf junge Erwachsene (unter ihnen das Alter-Ego der Regisseurin) in die Theaterschule „Ecole du Théâtre des Amandiers“ aufgenommen. Unter der Leitung von Patrice Chéreau planen sie die Aufführung des Stücks „Platanow“ von Anton Tschechow. Den Besten des Jahrgangs verspricht der Regisseur sogar eine Rolle in der Verfilmung des Stoffes.

Valeria Bruni Tedeschi stellt mit Stella (ausgezeichnet: Nadia Tereszkiewicz) eine jugendliche Version ihrer selbst in den Mittelpunkt dieser nicht ganz klischeefreien Reise in die Vergangenheit. An so einer Theaterschule geht es dem Film nach genauso zu, wie sich das Lieschen Müller vorstellt: Alle sind durchgedrehte Künstler (inklusive der Lehrer), drogensüchtig und sexbesessen.

Zum Glück besteht ein Großteil der Szenen aus Vorsprechen und Probearbeiten. Das ist um einiges interessanter, als den privaten Irrungen der Mitte Zwanzigjährigen zuzuschauen. Trotz ein paar Längen: FOREVER YOUNG ist sehenswert. Denn die Regisseurin hat ihr auf hübschem Retro-16mm gedrehes Drama mitreißend und voller Elan inszeniert. Und wer die Verfilmung von Tschechows „Platanow“ (Titel: HOTEL DE FRANCE) des echten Patrice Chéreaus gesehen hat, kann raten, welchen der damals beteiligten Schauspieler Bruni Tedeschi hier wieder auferstehen lässt.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Les Amandiers“
Frankreich 2022
126 min
Regie Valeria Bruni Tedeschi

alle Bilder © Neue Visionen

The Whale

THE WHALE

The Whale

THE WHALE

Ab 27. April 2023 im Kino

Brendan Fraser spielt die Rolle seines Lebens

Der zurückgezogen lebende Englischlehrer Charlie (Brendan Fraser) ist so fett wie ein Wal. Todkrank versucht er, sich mit seiner bockigen Teenager-Tochter zu versöhnen. Es ist seine letzte Chance auf Wiedergutmachung, nachdem er acht Jahre zuvor seine Familie wegen eines Mannes verlassen hat.

Oscar für Brendan Fraser als Bester Hauptdarsteller

Es gibt tatsächlich nur einen Grund, THE WHALE anzuschauen – und der heißt Brendan Fraser. In eine groteske Fatsuit gesteckt, spielt er die Rolle seines Lebens. Ihm gelingt das Kunststück, Charlie nicht als Freak der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern als einen warmherzigen Menschen darzustellen, der Respekt verdient. Fraser reanimiert mit einer schauspielerischen Tour de Force seine seit Jahren dümpelnde Kinokarriere und macht THE WHALE im Alleingang zu einem besseren Film.

THE WHALE von Samuel D. Hunter gehört in die Kategorie der verfilmten Theaterstücke wie WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOLF? oder DEATH OF A SALESMAN, die in erster Linie durch ihre Schauspieler beeindrucken. Ansonsten muss man sich fragen, was die Botschaft von THE WHALE sein soll. Dass sehr, sehr dicke Menschen neben Bluthochdruck auch ein Herz haben? Rein cineastisch gesehen ist das Kammerspiel mit seinen gestelzten Dialogen und eindimensionalen Nebenfiguren keine große Kunst.

Personen treten auf, halten dramatische Monologe und gehen wieder ab. Bei der Adaption von Bühne zu Film hätte ein bisschen mehr Kreativität nicht geschadet. Fehlt nur noch der rote Vorhang am Ende. Gemessen an BLACK-SWAN-Regisseur Darren Aronofskys letztem Fiasko MOTHER!, ist es aber immerhin ein Schritt zurück zu alter Form.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „The Whale“
USA 2022
117 min
Regie Darren Aronofsky

alle Bilder © PLAION PICTURES

LARS EIDINGER – SEIN ODER NICHT SEIN

LARS EIDINGER – SEIN ODER NICHT SEIN

Kinostart 23. März 2023

Ein eitler Fatzke. Typischer Schauspieler. Ein Genie. Neutral stehen die wenigsten Lars Eidinger gegenüber. Dass er gut ist, darauf können sich fast alle einigen. Doch immer wieder verstören seine emotionalen Auftritte und seine Sucht, im Mittelpunkt zu stehen. Oder ist das auch nur ein böses Klischee? Nach seinem inzwischen legendären Tränenausbruch bei einer Berlinale-Pressekonferenz wurde er mit Hasskommentaren und hämischen Artikeln im Feuilleton überschüttet. Da könnte man schon fast Mitleid bekommen, wenn nicht Eidinger selbst in einem Interview gesagt hätte, dass er sich stets der Kameras und Zuschauer bewusst ist. „Ich bin gar nicht da, wenn mich keiner anschaut.“ Also doch alles nur Show?

Lars Eidinger spielt Lars Eidinger

Privat sei er ganz anders, zurückhaltend und still, so sein Freund Thomas Ostermeier. Der holt ihn 1999 an die Schaubühne. Spätestens mit Hamlet und Richard III wird das Regie/Schauspiel-Duo weltberühmt. Für Eidinger folgen Rollenangebote in internationalen Spielfilmproduktionen. Heute ist er einer der gefragtesten deutschen Schauspieler.

Reiner Holzemer hat Lars Eidinger neun Monate mit der Kamera begleitet. Als Rahmen dient die Probenarbeit für die Jedermann-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen 2021. Hier kommt es auch zu einer erinnerungswürdigen Szene: Eidinger ist gerade in einen Monolog versunken, da wagt es Regisseur Michael Sturminger leise mit einer Kollegin zu sprechen. Eidinger rastet komplett aus, die anderen im Raum senken betreten den Blick zu Boden, der Regisseur versucht sich zu rechtfertigen. Im Interview antwortet Eidinger später auf die Frage, ob ihm bei dem Streit auch bewusst war, dass die Kamera läuft mit einem lapidaren „Ja“. So weit, so unsympathisch. 

Lars Eidinger spielt Lars Eidinger, der Lars Eidinger spielt. Sein Werdegang von der Ernst Busch-Schule bis zum gefeierten Schauspielstar und Holzemers Blick auf seine oft unkonventionelle Arbeitsweise sind interessant, doch am stärksten bleiben die Theatermitschnitte, in denen Eidinger das macht, was er am besten kann: schauspielern.

INFOS ZUM FILM

Deutschland 2023
92 min
Regie Rainer Holzemer

alle Bilder © FILMWELT

VERLORENE ILLUSIONEN

VERLORENE ILLUSIONEN

Kinostart 22. Dezember 2022

Klassische Musik erklingt, Lucien (Benjamin Voison) liegt verträumt im Gras und schreibt Gedichte. Seine geheime Affäre mit einer adligen Dame löst Getuschel im Dorf aus. Vor Liebe blind, nimmt die Mäzenin ihren Toyboy mit nach Paris, um ihn dort in die Gesellschaft einzuführen. Skandal! Denn der junge Mann ist nicht von edlem Geblüt. So weit, so wenig aufregend. „Verlorene Illusionen“ schickt sich in der ersten halben Stunde an, ein typischer Kostümschinken zu werden. Denkt man. Doch wer mit dem Roman von Honoré de Balzac vertraut ist, weiß, da kommt noch mehr. Denn die zweihundert Jahre alte Geschichte ist hochaktuell.

Trolle und Fake News gab es schon im 19. Jahrhundert

In Paris lässt Lucien seine Ambitionen, einen Roman zu schreiben, rasch hinter sich. So ändern sich die Zeiten: Mit Journalismus kann man damals noch gutes und schnelles Geld verdienen. Aus dem Idealisten wird ein bestechlicher und wegen seiner spitzen Feder gefürchteter Schreiber. Die Mechanismen der Macht funktionieren 1821 wie heute: Profit, Schein und Fake News.

Dass es schon im 19. Jahrhundert Trolle gibt, ist eine von vielen lehrreichen Erkenntnissen der intelligenten Dramödie von Xavier Giannoli. Einer dieser bösartigen Meinungsmacher ist Singali. Der wird bei Theaterpremieren als analoger Influencer engagiert. Wie ein Dirigent weist er eine Schar gekaufter Zuschauer an, zu buhen oder begeistert zu klatschen. Statt faulem Obst kann es dann auch Blumen auf die Bühne regnen. Je nachdem, wer ihn bezahlt. Die Qualität der Aufführung spielt dabei keine Rolle.

Trotz einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden beeindruckt „Verlorene Illusionen“ durch seine erzählerische Dichte, die von einem hochkarätigen Schauspielerensemble getragen wird. Man weiß gar nicht, wo man mit dem Loben anfangen soll. Vincent Lacoste als manipulativer, windiger Chefredakteur? Großartig. Oder Salomé Dewaels als die mit allen Wassern gewaschene Geliebte Luciens? Ebenso. Von Xavier Dolan in der Rolle eines ambivalenten Autors – Ist er Freund? Ist er Feind? – ganz zu schweigen. Allen voran aber Hauptdarsteller Benjamin Voisin, der zuletzt in François Ozons „Sommer 85“ beeindruckt hat. Man kann die Augen gar nicht von ihm nehmen. Der Spagat zwischen liebenswertem Jungen und unsympathischem Aufsteiger gelingt ihm mühelos. Fabuleux!

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Illusions perdues“
Frankreich 2022
150 min
Regie Xavier Giannoli

alle Bilder © CINEMIEN

RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN

Kinostart 09. Juni 2022

Pilateslehrerin Kathrin braucht eine neue Niere. Ihr egozentrischer Mann Arnold käme als Spender infrage, quält sich aber keine eindeutige Zusage ab. Ganz anders der gemeinsame Freund Götz. Aus dem dicken Bauch heraus erklärt er sich bereit, Kathrin eine seiner Nieren abzutreten. Diese Großzügigkeit stößt seiner Frau Diana sauer auf.

Sollte man der Ehefrau eine Niere spenden, obwohl das ein großes gesundheitliches Risiko bedeuten könnte? Wäre es nicht besser, auf einen verstorbenen Spender zu warten oder gar eine Niere im Darknet zu kaufen? Highlight des Films ist Samuel Finzi als handlungsgehemmter Gatte: Er würde, hätte, wollte – und macht dann doch nicht.

Michael Kreihsls Komödie basiert auf einem Theaterstück und das merkt man ihm deutlich an. Auf der Bühne auf vier Personen beschränkt, wurden fürs Kino noch unnötige Nebenrollen hinzugefügt, die vom eigentlichen Kern der Geschichte ablenken. Die mäßig lustige Komödie ist nach gut einer Stunde auserzählt,  wird aber durch eine wenig glaubwürdige Wendung noch weiter in die Länge gestreckt. Die Schauspieler geben ihr bestes, doch gegen die biedere TV-Inszenierung kommen sie nur schwer an. Boulevardkomödie, die aus ihrem Thema zu wenig macht.

INFOS ZUM FILM

Österreich 2021
93 min
Regie Michael Kreihsl

alle Bilder © Filmwelt Verleihagentur GmbH

DRIVE MY CAR

DRIVE MY CAR

Kinostart 23. Dezember 2021

Ein roter Saab 900 Turbo, ein betrogener Ehemann und Tschechows Onkel Wanja – Das sind die erstaunlichen Zutaten einer 40-seitigen Kurzgeschichte von Haruki Murakami.

Oto arbeitet als Drehbuchautorin beim Fernsehen, ihr Mann Yusuke Kafuku ist ein renommierter Bühnenschauspieler und Regisseur. Die beiden haben vor vielen Jahren ihre Tochter verloren – Lungenentzündung im Kindesalter – seitdem sucht Oto immer wieder Sex mit anderen Männern. Kafuku nimmt die Untreue seiner Frau stoisch hin. Eines Tages stirbt Oto an einem Hirnaneurysma, einfach so. Peloton hat nichts damit zu tun.

Ein ungewöhnlich langes Intro: Bis zum Vorspann sind schon 40 Minuten vergangen. Zwei Jahre später: Kafuku willigt ein, das Tschechow-Stück „Onkel Wanja“ in Hiroshima zu inszenieren. Aus versicherungstechnischen Gründen darf er seinen geliebten Saab während dieser Zeit nicht selbst fahren, die junge Chauffeurin Misaki wird ihm zugewiesen. Auf ihren langen gemeinsamen Autofahrten nähern sich die beiden zögerlich einander an.

„Drive my Car“ ist Kontemplation als Film. Obwohl es um schwere Themen geht, bleibt die Spannungskurve ohne größere Ausschläge nach oben oder unten in einem 3 Stunden währenden ruhigen Fluss. In einer Szene erwischt Kafuku seine Frau dabei, wie sie ihn mit einem jungen Mann in der gemeinsamen Wohnung betrügt. Es gibt keinen Streit, keine Konfrontation, keinen Bruch. Kafuku ist nicht einmal sauer. Er beobachtet das Geschehen kurz und schleicht sich dann leise aus dem Zimmer. Aus den dramatischen Geschehnissen hätte eine US-Produktion einen rührseligen Tearjerker fabriziert, auf japanisch rauscht das Unglück so sanft dahin wie ein Windstoß durch eine Teeplantage beim Sonnenaufgang.

Eine Adaption, die funktioniert: Das Übertragen von Murakamis präzisem, unaufgeregtem Schreibstil auf die Leinwand ist auf den Punkt. Regisseur Ryusuke Hamaguchi gelingt ein vielschichtiges Werk über Trauer, Liebe, Verrat und Kunst. Sein raffiniertes Spiel um Sprache und Sprachlosigkeit gewann den Preis für das beste Drehbuch in Cannes.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Doraibu mai kâ“
Japan 2021
179 min
Regie Ryusuke Hamaguchi

alle Bilder © Rapid Eye Movies

FRÜHLING IN PARIS

FRÜHLING IN PARIS

Ganz erstaunlich: Im Alter von 15 schreibt sie das Drehbuch, mit 20 führt sie Regie. Nebenbei spielt sie noch die Hauptrolle und singt sogar das Titellied. Ihr Debüt-Film schafft es in die Auswahl von Cannes 2020.: Suzanne Lindon ist seit „Seize Printemps“ Frankreichs neues Film-Wunderkind.

Aus dem Leben eines Teenagers: Die sechszehnjährige Suzanne ist zutiefst gelangweilt. Jungs in ihrem Alter findet sie extra öde. Auf einer Skala von eins bis zehn sind bei ihr alle eine durchschnittliche Fünf.
Eines Tages begegnet sie Raphaël. Der Schauspieler ist Mitte dreißig und Suzanne sofort hin und weg. So wie das Mädchen von Schule und Freunden, so ist Raphaël von seinen allabendlichen Auftritten im immer gleichen Theaterstück ermüdet. Langweile kann eben auch verbinden. Als sich die beiden in die Augen schauen, ist es um sie geschehen – Liebe auf den ersten Blick.

Vom Erdbeermarmeladenbrot über Raphaëls Vespa bis zu Suzannes Lieblingsgetränk (Limonade mit Grenadine): Die Farbe Rot zieht sich symbolhaft durch die ganze Geschichte. Das ist ein bisschen plump und auch der Kunstgriff, die Darsteller als Zeichen ihres Verliebtseins in spontane Balletttänze ausbrechen zu lassen, wirkt künstlerisch bemüht. Doch die stilistischen Übertreibungen macht die talentierte Regisseurin mit ihren unverkrampften Dialogszenen und der stimmig eingefangenen Pariser Atmosphäre wieder wett.

FAZIT

Küsschen rechts, Küsschen links, Croissants zum Frühstück: „Frühling in Paris“ erfüllt, was der Titel verspricht – ein bisschen „Lolita“, ein bisschen „La Boum“ und französisch durch und durch.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Seize Printemps“
Frankreich 2020
74 min
Regie Suzanne Lindon
Kinostart 17. Juni 2021

alle Bilder © MFA+ FilmDistribution

LARA

Die Fassaden von warmem Herbstlicht beleuchtet, die Restaurants und Bars so gediegen-chic, als wären sie am Fuße des Eiffelturms gelegen und selbst der in garstigem 70er-Jahre Design erstarrte Feinkostladen Rogacki wirkt großstädtisch, wenn er von Kameramann Frank Griebe in Szene gesetzt wird. Selten sah das gute alte West-Berlin ästhetischer und schöner aus als in „Lara“. Die Liebe zum Stil setzt sich über die Kostüme und die Musik bis zur Besetzung fort. Alexander Khuon, Gudrun Ritter, Rainer Bock, Volkmar Kleinert: In Nebenrollen ist das Who is Who der deutschen Theaterszene versammelt. Passenderweise, denn der neue Film von Regisseur Jan-Ole Gerster wirkt in weiten Teilen wie ein verfilmtes Theaterstück.

Ein Tag in einem Leben: An Laras sechzigstem Geburtstag gibt ihr Sohn Viktor sein erstes Klavierkonzert mit Eigenkompositionen. Gestreng wie eine russische Eiskunstlauf-Trainerin hat Lara Viktors musikalischen Werdegang seit frühester Kindheit forciert. Corinna Harfouch spielt die emotional verhärtete Frau brillant. Sie umstrahlt eine traurig-abweisende Aura der Einsamkeit, wie sie sonst nur Isabell Huppert zu erzeugen vermag. Wer sich Lara annähert, wird kühl ignoriert oder notfalls mit messerscharfen Bemerkungen zurechtgewiesen. Mit der Zeit hat sie so nicht nur Kollegen und Freunde, sondern auch die eigene Familie ausgegrenzt.

Regisseur Gerster will erwachsen werden. Nach siebenjähriger Pause beherrscht er die Klaviatur des Filmemachens nach wie vor souverän. Doch hat er den lakonischen Humor seines kongenialen Erstlingswerks „Oh Boy“ diesmal zugunsten einer angestrengten Ernsthaftigkeit ausgetauscht. Das Mutter-Sohn-Drama ist eine in Stil erstarrte Fingerübung. „Lara“ wäre als interessanter Kurzfilm durchgegangen, wirkt aber auf Spielfilmlänge gestreckt arg manieriert.

FAZIT

Tolle Hauptdarstellerin in einem bemüht künstlerisch wertvollen Film.

Deutschland 2019
98 min
Regie Jan-Ole Gerster
Kinostart 07. November 2019

GOLDEN TWENTIES

Nach dem Studium zieht Ava erst mal zurück zu ihrer Mutter nach Berlin. Die 25-Jährige mäandert planlos durchs Leben. Mangels besserer Idee tritt sie eine Stelle als Hospitantin am Theater an. Dort verliebt sie sich in den Jung-Schauspieler Jonas. 

„Weil sie nicht die x-te coole Geschichte einer coolen Berlinerin erzählen wollte, die hysterisch durch die Gegend rennt“, lobt Produzent Thomas Wöbke den Ansatz von Regisseurin Sophie Kluge. Doch es fällt schwer, sich über 90 Minuten für eine Figur zu interessieren, die so passiv und langweilig wie Ava ist. Bei ihrer diffusen Wattigkeit hätte ein wenig Hysterie oder Coolness nicht geschadet. 

Dass melancholisch-leichte Komödien mit liebenswerten Figuren, denen man mit Vergnügen beim Nichtstun zuschaut, auch im deutschen Kino möglich sind, hat Jan-Ole Gerst vor ein paar Jahren mit „Oh Boy“ gezeigt.

FAZIT

Insgesamt von ansteckender Leidenschaftslosigkeit.

Deutschland 2019
92 min
Regie Sophie Kluge
Kinostart 29. August 2019