The Room Next Door

THE ROOM NEXT DOOR

The Room Next Door

THE ROOM NEXT DOOR

Pedro Almodóvar hat seinen ersten englischsprachigen Film gedreht. Funktioniert das?

Ab 24. Oktober 2024 im Kino

Die Zutaten stimmen: grandiose Musik im Stil von Bernard Herrmann, kräftige Farben, wunderschöne Sets und eine dramatische Story. Aber irgendetwas stimmt nicht. Liegt es an der Sprache? THE ROOM NEXT DOOR ist der erste englischsprachige Film des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar und zugleich eines seiner schwächeren Werke.

The Room Next Door

Jetzt mal wirklich kurz und knapp: Je weniger man vorher über die Handlung weiß, desto besser. Oder verrät der Trailer wieder alles? Moment, bin gleich zurück… Aha, wenn das so ist: Die ehemalige Kriegsreporterin Martha (Tilda Swinton) ist unheilbar an Krebs erkrankt und möchte ihr Leben in Würde beenden. Dazu wünscht sie sich die Begleitung ihrer Freundin Ingrid (Julianne Moore), einer erfolgreichen Romanautorin.

The Room Next Door

Das Kammerspiel konzentriert sich auf diese beiden Figuren, könnte auch „Zwei Frauen“ heißen. Bisweilen wird das ohnehin langsame Tempo des Films durch (unnötige) Rückblenden gebremst. Almodóvar, sonst ein Garant für großes Melodrama, wollte das ernste Thema „Sterbehilfe“ vielleicht nicht mit zu viel grandiosem Kitsch verzieren. Das allerdings hat zur Folge, dass man den ganzen Film über seltsam unbeteiligt bleibt. Ob die Regie „Lost in Translation“ war, wenn sogar eine sonst so phänomenale Schauspielerin wie Tilda Swinton seltsam steif wirkt und klingt, als ob sie ihren Text von versteckten Karten ablesen würde?

The Room Next Door

Natürlich ist das von Kameramann Eduard Grau fabelhaft fotografiert, jede Einstellung ist praktisch ein Gemälde. Und trotzdem: THE ROOM NEXT DOOR wirkt wie die Kopie eines Almodóvar-Films. War der Flirt mit Hollywood also eine schlechte Idee? Die Welt hört nicht in Spanien auf – Klar, dass ein Künstler wie Almodóvar über den Tellerrand schauen und auch mal mit internationalem Cast drehen will. Ist ja auch nicht komplett schiefgegangen. Aber das nächste Mal bitte wieder mit Penélope Cruz.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „La habitación de al lado“
Spanien 2024
107 min
Regie Pedro Almodóvar

The Room Next Door

alle Bilder © Warner Bros. Pictures Germany

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ASTEROID CITY

ASTEROID CITY

Ab 15. Juni 2023 im Kino

Nichts Neues aus der absurden Welt des Wes Anderson. ASTEROID CITY ist eine schräge-schlaue Komödie in Technicolor mit Starbesetzung.

Wer Wes Anderson bestellt, der bekommt Wes Anderson. Der Regisseur, der seit vielen Jahren gefühlt den immer gleichen Film in wechselnden Settings dreht, liefert mit ASTEROID CITY ein gewohnt liebenswert-spinnertes, überartifiziell inszeniertes Theaterstück. Die Besetzung liest sich wie das who is who von Hollywood. Es wäre wahrscheinlich einfacher, die Stars aufzuzählen, die NICHT in ASTEROID CITY mitspielen. Achtung, jetzt kommt eine lange Liste:

Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Steve Carell, Matt Dillon, Willem Dafoe, Margot Robbie, Jeff Goldblum und und und.

Dauert das noch lange?

Als Rahmenhandlung dient eine von Bryan Cranston moderierte Fernsehsendung aus den Fünfzigerjahren, die in Asteroid City, irgendwo in der amerikanischen Wüste spielt. Dort landet ein Außerirdischer, klaut den namensgebenden Mini-Asteroiden und haut mit seiner fliegenden Untertasse in den Nachthimmel ab. Die Kleinststadt wird darauf vom Militär zur Sperrzone erklärt, und so werden eine Reihe eigenwilliger Charaktere für ein paar Tage zur Zwangsgemeinschaft verdonnert. Keine Angst, Science-Fiction ist ASTEROID CITY nicht.

Wie so oft hat Anderson auch seinen neuen Film in Kapitel inklusive Zwischentafeln unterteilt. Die Struktur bewirkt, dass man sich spätestens nach dem zweiten Akt unweigerlich fragt: Dauert das noch lange? Denn die detailverliebten Sets und furztrocken ironisch agierenden Figuren kennt man bis zum Überdruss aus anderen Werken des Regisseurs. Jammern auf hohem Niveau: Die Schauspieler sind natürlich alle in Topform, die Dialoge schnittig, die Kulissen schön bunt und es gibt immer wieder niedliche Szenen, die die Fans begeistern werden. Es ist halt wie immer: alles hübsch, alles clever, alles Anderson – und ein kleines bisschen ermüdend.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Asteroid City“
USA 2023
105 min
Regie Wes Anderson

alle Bilder © Universal Pictures International Germany

THREE THOUSAND YEARS OF LONGING

Kinostart 01. September 2022

Berlin ist gefährlich: Jederzeit kann man auf dem Gehweg von erwachsenen Männern in kurzen Hosen auf 70er-Jahre-Klapprädern umgefahren werden. Schrecken verbreiten auch lachende Rentnerpaare, die zu zweit auf einem Elektroscooter stark frequentierte Straßen bei Rot kreuzen. Schnell, die Opernfestspiele fangen gleich an. Allüberall posieren Ü-40-Models mit Stofftieren im Arm. Und dürfte die Zigarettenindustrie noch Plakate kleben, es wäre wahrscheinlich der Marlboro Man mit einem kuschligen Lamm im Arm darauf zu sehen. So cute! Was das alles mit „Three Thousand Years of Longing“ zu tun hat? Nichts. Außer, dass es der Film bei der galoppierenden Infantilisierung der Menschheit an der Kinokasse schwer haben dürfte. Denn „3TYoL“ (auch Akronyme sind modern und süß) ist ein Märchen für Erwachsene. Und die sterben scheinbar aus.

Dr. Alithea Binnie (Tilda Swinton) befreit beim Reinigen einer antiken Glasflasche versehentlich einen Dschinn (Idris Elba). Das Märchen beginnt, wie tausendundein Märchen vor ihm begonnen haben: Zur Belohnung hat sie drei Wünsche frei. Die Geschichtsgelehrte ist skeptisch, weiß sie doch, dass das Wünschen in der Literatur oft verheerende Folgen hat. Stattdessen bittet sie den Dschinn, aus seiner Vergangenheit zu erzählen, die sich über viele Jahrtausende erstreckt.

Der Film besteht in erster Linie aus Gesprächen und bietet im Gegenzug dazu herzlich wenig Action. Das liegt daran, dass die Hauptfiguren einen Großteil der Handlung in einem Hotelzimmer in Istanbul verbringen. In weiße Bademäntel gehüllt, wird über Liebe, Leben und Geschichte sinniert.

Das klingt nicht besonders aufregend, ist es über weite Strecken aber doch. Regisseur George Miller verbindet die Gegenwartsebene mit den mythischen Erzählungen des Flaschengeistes auf fesselnde Weise voll opulenter visueller Effekte. Fantasy, Märchen, philosophische Diskussion, Liebesgeschichte: „3TYoL“ lässt sich in keine Genreschublade stecken. Schön, dass es mal wieder ein originärer Film in die Kinos schafft, der nicht Teil des MCUs, DCUs oder irgendeines anderen Franchises ist.

INFOS ZUM FILM

Originaltitel „Three Thousand Years of Longing“
USA / Australien 2022
108 min
Regie George Miller

alle Bilder © Leonine

DAVID COPPERFIELD – EINMAL REICHTUM UND ZURÜCK

Charles Dickens besaß ein überragendes Talent, die Ängste von Kindern in seinen Romanen anschaulich zu beschreiben. Das 600-Seiten-Werk „David Copperfield or The Personal History, Adventures, Experience and Observation of David Copperfield the Younger of Blunderstone Rookery (Which He Never Meant to Publish on Any Account)“, wie das Buch im Originaltitel heißt, ist neben „Oliver Twist“ sein bekanntester Roman. Die autobiografisch geprägte Geschichte vom verarmten Waisenkind, das zum gefeierten Schriftsteller im viktorianischen England aufsteigt, ist – typisch Dickens – angefüllt mit herrlich schrulligen Figuren. Regisseur Armando Iannucci hat für seine Neuverfilmung eine entsprechend beherzt aufspielende Besetzung versammelt: Als David Copperfield überzeugt der Oscar-nominierte Dev Patel („Slumdog Millionaire“), in Nebenrollen sind unter anderem Ben Whishaw als verschlagener Uriah Heep und Tilda Swinton als schön exzentrische Tante Betsey Trotwood zu sehen. Ein echter scene-stealer ist der immer brillante Hugh Laurie („Dr. House“) als Mrs. Trotwoods Untermieter.

Erwähnenswert ist die unbefangene Besetzung von klassisch weißen Rollen mit Schauspielern jeglicher Hautfarbe. Da haben blasse englische Kinder schwarze Eltern und der eigentlich weiße David wird von einem Inder gespielt. Das alles ist dem Film wunderbar gleichgültig – eine als Tatsache behauptete farbenblinde Multikulti-Welt. Man gewöhnt sich schnell an diesen Kunstgriff, den schon das Musical „Hamilton“ erfolgreich eingesetzt hat.

Das Drehbuch setzt auf Tempo und bisweilen schenkelklopfenden Humor. Eine schöne Idee ist das Spiel mit Handlungs- und Zeitebenen: So beobachtet der erwachsene David seine eigene Geburt und Kindheit, kommentiert immer wieder das Geschehen und schreibt, wenn es sein muss, Figuren auch mal aus der Geschichte, um ihre Abwesenheit zu erklären. Das sind nette Ideen, die den stellenweise etwas theaterhaften Film davor bewahren, allzu sehr ins komödienstadelhafte abzurutschen.

FAZIT

Farbenfrohe Neuverfilmung des unverwüstlichen Klassikers von 1850.

Originaltitel „The Personal History of David Copperfield“
116 min
Großbritannien / USA 2019
Regie Armando Iannucci
Kinostart 24. September

THE DEAD DON’T DIE

In Centerville, einem verschlafenen Nest irgendwo in den USA, erheben sich eines Nachts die Toten aus ihren Gräbern. Warum das so ist, weiß niemand genau, wahrscheinlich hat es irgendwas mit Fracking am Nordpol und der deshalb verschobenen Erdachse zu tun. Egal, wie nicht anders zu erwarten, fallen die frisch erwachten Toten blutgierig über die Einwohner der Kleinstadt her.

„The Dead Don’t Die“ ist stellenweise ganz putzig in seiner typisch lakonischen Jim Jarmusch-Art, verbunden mit ein bisschen Umweltsünder- und Kapitalismuskritik. Aber Zombies als Synonym für die in stumpfen Konsumrausch verfallene Menschheit zu nutzen, das hat George A. Romero schon vor Jahrzehnten besser (und bissiger) gemacht.

Bill Murray, Adam Driver, Chloë Sevigny, Danny Glover, Tilda Swinton, Tom Waits, Selena Gomez, Steve Buscemi, Carol Kane: viele ausgezeichnete Schauspieler, die wenig bis gar nichts zu tun haben. Die verschwendeten Stars geben sich in teilweise nur sekundenlangen Auftritten die Klinke in die Hand.

Jim Jarmusch taugt nicht zum Mainstream. Der klamottige Film torkelt vor sich hin, im Laufe der Geschichte werden die Ideen zunehmend abstruser, die handelnden Personen verhalten sich immer irrationaler und unglaubwürdiger. Vielleicht hat der Regisseur die letzten Jahre im Tiefschlaf verbracht und nicht realisiert, dass es mittlerweile unzählige (bessere) Zombie-Komödien gibt.

FAZIT

Weder als intelligenter Horrorfilm noch als schräge Komödie befriedigend.

Originaltitel „The Dead Don’t Die“ 
USA 2019
105 min
Regie Jim Jarmusch
Kinostart 13. Juni 2019