SEASIDE SPECIAL

SEASIDE SPECIAL

Kinostart 19. Januar 2023

Charmanter gehts kaum: Am Ende eines Piers in Cromer an der englischen Ostküste steht ein Theater. Jeden Sommer geht dort zweimal täglich der Vorhang auf. Drei Monate lang, ohne Pause. Eine Variety-Show mit Tanz, Gesang, Sketchen und Zaubertricks. Erste Reaktion auf die Kleinkunst: Die intellektuelle Augenbraue schnellt spöttisch nach oben. Selbst Ensemblemitglieder gestehen, dass sie die bunte Touristenshow anfangs nicht richtig ernst genommen haben. Doch schon nach kurzer Zeit und viel Zuneigung und Begeisterung vom Publikum wird auch dem letzten Misanthropen klar: Die „End-of-Pier-Show“ ist etwas ganz Besonderes.

Brexit or no Brexit?

„Lieber bin ich ein leuchtender Meteor, der für ein paar Sekunden über den Himmel streicht, als ein immer gleicher, staubiger Planet“, sagt die Lead-Sängerin der Show. Es geht nicht um Weltruhm und nicht um das große Geld, sondern das Gefühl, jeden Tag die Menschen ein kleines bisschen glücklich gemacht zu haben. Der Filmemacher Jens Meurer hat die engagierte Truppe ein Jahr lang mit der 16-mm-Kamera begleitet, Interviews geführt und einen Blick vor und hinter die Kulissen geworfen.

Der Kniff: Während der Dreharbeiten haben die ansonsten verlässlich sympathischen Briten über ihre Zukunft abgestimmt: Brexit or no Brexit? Alle Beteiligten im Theater haben ihre Meinung zum Desaster. Das geht von Pro Boris über Auswanderungsgedanken bis zum ausgestreckten Mittelfinger für die Konservativen. Das Ensemble wird zum Mikrokosmos: Europa vs. England.

„Seaside Special“ ist ein liebevoller Blick auf britische Besonderheiten, ohne Schadenfreude und voller Witz. Ein lustiger Film über den Brexit? Das kann doch nur ein Engländer machen! Falsch gedacht. Jens Meurer hat zwar in Oxford studiert, ist aber eine echte Kartoffel. Möglicherweise hat er von außen eine klarere Sicht auf den historischen Wahnsinn. Am Ende der Saison Wehmut in jeder Hinsicht. Die Briten sind raus. Und kurz darauf wird die ganze Welt von Corona heimgesucht. Das vorläufige Aus auch für die End-of-Pier-Show. Kein Publikum, keine Jobs. Aber es gibt ein Happy End: Das Theater hat überlebt, am 1. Juli 2023 startet die nächste Runde.

INFOS ZUM FILM

Deutschland / Belgien 2021
93 min
Regie Jens Meurer

alle Bilder © Farbfilm-Verleih

Colette

⭐️⭐️⭐️

Colette (Keira Knightley) heiratet den Lebemann Willy (Dominic West) und wird so aus ihrer beschaulichen Welt des ländlichen Frankreichs ins Pariser Großstadtleben katapultiert. Wegen finanzieller Schwierigkeiten, überredet der Schriftsteller seine Frau als Ghostwriterin für ihn zu arbeiten. Die von ihr verfassten semi-autobiografischen „Claudine“-Bücher feiern unter seinem Namen großen kommerziellen Erfolg, Colette und Willy steigen zum Powercouple der Pariser Künstlerszene auf.

Kanye West und Kim Kardeshian der Belle Époque – heutzutage wären die beiden wahrscheinlich Instagram-Stars. Das atmosphärisch dichte Biopic von Regisseur Westmorelands erzählt die Geschichte einer wehrhaften Frau in Zeiten des Umbruchs. Nebenbei entdeckt sie ihre lesbische Ader und stellt Geschlechterrollen infrage. Sie bricht mit alten Strukturen, wird zwischenzeitlich sogar Varietékünstlerin. Nach einer erfolgreichen Klage gegen ihren Ex-Mann erfährt sie noch zu Lebzeiten die verdiente Anerkennung.

Die echte Sidonie-Gabrielle Colette ist eine französische Legende, die nach ihrem Tod 1954 als erste Frau mit einem Staatsbegräbnis geehrt wurde.

FAZIT

Es beginnt wie ein typischer Keira Knightley-Film: schöne Bilder von jungen Damen in Korsetts. Dass sich die Geschichte dann aber ganz anders entwickelt, macht Colette zu einem ungewöhnlichen und überraschend zeitgemäßen Kostümfilm.

Wer mag, kann ein thematisches Double Feature genießen: Bald startet „Die Frau des Nobelpreisträgers“ in den Kinos – gleiches Thema, ganz anderer Film.

GB/USA, 2018
Regie Wash Westmoreland
111 min
Kinostart 03. Januar 2019