JOKER

„Joker“, oder das Gegenteil von schönen Menschen in schöner Umgebung. Dieser Film macht keine gute Laune – und trotzdem: „Joker“ ist überraschend unterhaltsames, großes Kino. 

Gotham City, Anfang der 1980er Jahre, eine verbrecherische, korrupte Stadt in Aufruhr. Hier lebt Arthur Fleck mit seiner schwerkranken Mutter Penny in einer verwahrlosten Mietskaserne. Ein einsamer, gequälter Mann. Der Berufsclown leidet unter dem unkontrollierten Drang, zu den unpassendsten Gelegenheiten in irres Gelächter auszubrechen. Schuld ist eine in der Kindheit erlittene Gehirnverletzung. Eine erklärende Karte, vorbildlich laminiert, reicht Arthur bei passender Gelegenheit seinem irritierten Gegenüber. Als er von Teenagern auf offener Straße zusammengeschlagen und später in der U-Bahn verspottet wird, brennen bei dem Außenseiter die Sicherungen durch. Ein Clown sieht rot.

Düster, bedrohlich und die mutigste Comicverfilmung seit „The Dark Knight“.  Regisseur Todd Phillips nimmt sich jede Menge Zeit für die Entwicklung seiner sich kontinuierlich abwärts drehenden Spirale in den Wahnsinn. Joaquin Phoenix spielt die tragische Figur des Arthur Fleck phänomenal. Für die Rolle hat Phoenix dramatisch abgenommen, sein skelettartiger Körper sieht überzeugend furchterregend aus. Die Kombination aus komplett irrem Lachen und bulimischer Figur sollte auf jeden Fall für eine Oscarnominierung reichen. Dagegen wirkt Heath Ledgers legendäre Interpretation des ewigen Batman-Widersachers beinahe gesund und unbeschwert. In einer Nebenrolle glänzt Robert de Niro als Johnny Carson-Verschnitt. Eine Besetzung auf Metaebene, erinnert „Joker“ doch in weiten Teilen an Scorseses großen Kinoerfolg von 1976 „Taxi Driver“, damals mit dem jungen de Niro in der Hauptrolle.

FAZIT

Düstere Charakterstudie statt strahlend bunter Superhelden. Gelungene Comicverfilmung, nichts für Eskapisten.

Originaltitel „Joker“
USA 2019
122 min
Regie Todd Philips
Kinostart 10. Oktober 2019

Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit

Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit  ist ein Film, zu dem man eine Gebrauchsanweisung lesen sollte. Da bei framerate.one der Servicegedanke an erster Stelle steht, bitteschön: Beinahe alle Dialoge werden von den zentral ins Bild gesetzten Schauspielern direkt in die Kamera gesprochen. Warum ist das so? Kameramann Benoît Delhomme wollte damit die Einstellungen wie alte Porträtgemälde aussehen lassen. Gleichzeitig sollte der Bühneneffekt des „Durchbrechens der vierten Wand“, bei dem sich der Schauspieler direkt ans Publikum wendet, derart überstrapaziert werden, dass man sich mit der Zeit daran gewöhnen und es als natürlich empfinden soll. Das gelingt jedoch nicht wirklich.
Normalsterbliche könnten sich auch fragen, warum der Film so verwackelt und hektisch hin und her gerissen aussieht. Die naheliegende Erklärung: Die Kamera sollte sich wie ein Pinsel beim Malen eines impressionistischen Bildes bewegen. Doch auch hier finden Theorie und Praxis nicht zusammen – die Dauerhandkamera nervt gewaltig. Unnötig , weil die Bilder eigentlich schön sein könnten, denn es wurde vor allem an Originalmotiven in Südfrankreich gedreht.

Regisseur Julian Schnabel ist selbst Maler und daher nicht besonders an einem klassisch erzählten Biopic interessiert. Sein Künstlerportrait ist mehr eine Sammlung von improvisierten Szenen und philosophischen Abhandlungen über das „Malersein“ an sich. Wie Vincent van Gogh seinerzeit, ist das Filmteam einfach losgezogen, um die Stimmungen und die berauschenden Farben der lichtdurchfluteten Landschaften einzufangen. Willem Dafoe gibt einen glaubwürdigen Vincent ab, obwohl er mit seinen 63 Jahren deutlich älter als der mit 37 verstorbene Künstler ist. Dank Kostüm und Maske sieht er dem Maler aber nicht nur verblüffend ähnlich, er beherrscht den ganzen Film mit seinem überragenden Spiel.
Zu Recht gab’s dafür eine Oscarnominierung.

FAZIT

Van Gogh vermittelt die Zerrissenheit und den Wahn des Künstlers eindrucksvoll und nachfühlbar. Aber wie das mit Wahnsinn so ist – man muss ihn auch ertragen können. Arthouse Kino, nicht unanstrengend.

USA/Frankreich 2018
111 min
Regie Julian Schnabel 
Kinostart 18. April 2019