Kinostart 24. November 2022
Das Rückgrat geknickt,
Die Knochen zerknackt,
Die Schenkel gespickt,
Die Lebern zerhackt.
Joachim Ringelnatz beschreibt in seinem Gedicht „Silvester bei den Kannibalen“ genau wie’s geht. Derlei Anleitung könnte auch Maren gut gebrauchen, denn sie ist seit Kindesbein scharf auf Menschenfleisch. Als sich pünktlich zu ihrem 18. Geburtstag ihr Vater aus dem Staub macht, begibt sie sich auf die Suche nach ihrer verschollen geglaubten Mutter – ein Roadtrip quer durch die Vereinigten Staaten der Reagan-Ära. Unterwegs trifft sie Gleichgesinnte (man kann sich gegenseitig erschnuppern) und findet im Wild Boy Lee ihre erste große Liebe. Liebe unter Kannibalen. Schön.
Regisseur Luca Guadagnino ist ein Meister der Stimmung
„Bones and All“ würde in der modernen Gastronomie wohl „Nose to Tail“ heißen. Denn in der Adaption von Camille Deangelis’ Jugendroman geht es (auf den ersten Blick) genau darum: das Verspeisen von Menschen mit Haut und Haar. Regisseur Luca Guadagnino hat sich dafür erneut Timothée Chalamet vor die Kamera geholt und der macht, was er am besten kann: mit niedlichem Hundeblick unter der Lockenfrisur hervorschauen und sexuelle Ambivalenz verströmen. Sehr putzig auch Oscarpreisträger Mark Rylance als gruselig-irrer Körperfresser mit Prinzipien: Ihm kommen nur bereits Verstorbene auf den Teller. Die Hauptrolle ist mit Taylor Russell besetzt, die schon im sträflich vom Publikum ignorierten Coming-of-Age-Drama „Waves“ begeistern konnte.
Was dem Immobilienmakler „Locatio, Location, Location“, ist für Luca Guadagnino „Mood, Mood, Mood“. Die Filme des italienischen Regisseurs sind in erster Linie perfekt eingefangene Atmosphäre, weniger klassisch erzählte Geschichte. Wer wollte nach „Call Me by Your Name“ nicht sofort die Koffer packen und einen sonnenflirrend verliebten Urlaub im Süden verbringen? Ein Meister der Stimmung also. Mit „Bones and All“ hat er nun einen – sich selbst vielleicht etwas zu ernst nehmenden – romantischen Arthousefilm mit Horrorelementen gedreht. Top besetzt, zwischendurch mit Längen, aber insgesamt sehenswert.
INFOS ZUM FILM
Originaltitel „Bones and All“
Italien / USA 2022
131 min
Regie Luca Guadagnino
alle Bilder © Warner Bros. Pictures (international)